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Der Junge, sein Vater, und die Mutter


 
 
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BillyLondon
Erklärbär
B


Beiträge: 3



B
Beitrag25.08.2022 10:13
Der Junge, sein Vater, und die Mutter
von BillyLondon
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Der Araber am Tresen starb zuerst; Kopfschuss. Danach die Familie am Tisch in der Mitte. Das war der Zeitpunkt, an dem die Milizkämpfer die angreifenden Soldaten des amerikanischen Geheimdienstes bemerkten und ebenfalls ihre Waffen zogen. Zwei Männer mit Turban wurden noch in der Bewegung von einem Kugelhagel durchlöchert. Die wenigen Zivilisten, die sich in der zwielichtigen Kneipe aufhielten, rannten schreiend zum Hinterausgang.
Logan beachtete sie nicht, sondern kämpfte sich mit seinem Trupp weiter voran. Brüllend kam ein Milizkämpfer auf ihn zugestürzt. Logan sprang lässig hinter dem Tresen in Deckung und feuerte noch im Sprung vier Kugeln ab, die zielsicher in den Hals des Feindes schlugen. Glasscherben lagen verstreut auf dem Boden, bespritzt mit dem Blut der überraschten Milizkrieger. Logan gab seinen Mitstreitern einen Wink und gemeinsam betraten sie einen Flur, tiefer in das Gebäude, um die flüchtigen Ziele zu eliminieren.
»Mach den Fernseher leiser, das ist ja fürchterlich.«
»Och Mama.«
»Nur während wir essen. Danach kannst du wieder lauter machen.«
»Aber jetzt wird’s spannend.«
»Die beschießen sich doch schon die ganze Zeit.«
Der Junge schüttelte den Kopf, stand aber vom gedeckten Esstisch auf und schaltete den Fernseher leiser. Dann setzte er sich wieder zwischen seine Eltern und aß schweigend weiter, die Augen gebannt auf den Toaster-großen Fernseher gerichtet. Das Esszimmer war klein und kahl, eigentlich wie alles in der Wohnung der Donevans. Eine einzelne Glühbirne beleuchtet das klägliche Abendessen, die Jalousien waren bereits zugezogen.
Der Vater, ein kahler, schmaler Mann mit Händen gezeichnet von jahrelanger Arbeit in der Werkstatt, schob seinen noch halbvollen Teller von sich und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. Die Mutter zuckte zusammen, als hätte jemand neben ihr in die Hände geklatscht.
»Schon satt?«, fragte sie, ohne aufzusehen.
Der Mann schüttelte den Kopf. Schluckend wendete sich die Frau an ihren Sohn.
»Schmeckt es dir?«
»Ist in Ordnung.«
Es kehrte wieder Stille ein am Tisch der Donevans, während sich der Soldat, Logan, weiter durch Aufständische metzelte.
»Wie war dein Tag in der Werkstatt?«
»Wie die anderen?« Der Vater schob seine massigen Hände, mit denen er bestimmt einen Bären hätte erwürgen können, unter den abgewetzten Gürtel.
Dann kratzten die Metallbeine des Stuhls, auf dem der Vater saß, über den Boden. Er ging zu seinem Sohn und strich ihm über den Kopf.
»Deine Mutter und ich gehen ins Schlafzimmer. Du kannst noch weiteressen und mach dir den Fernseher so laut wie du willst.«
Er lief an seiner in sich zusammengesunkenen Frau vorbei und öffnete die Tür in das dunkle Schlafzimmer. Obwohl die Lampe über dem Esstisch ein wenig Licht spendete, reichte es doch nicht aus, um in das Zimmer der Eltern vorzudringen. Der Junge konnte sich nicht erinnern, wie es darin aussah. Früher war er bestimmt einmal darin; als Baby. Aber jetzt durfte er dieses Zimmer nicht betreten. Niemals, hatte ihm sein Vater eingebläut.
In dieses geheimnisvolle Zimmer verschwanden seine Eltern, das Türschloss klickte und er saß alleine am Tisch. Sofort stand er auf und machte den Fernseher wieder lauter. Logan war bereits nach Amerika zurückgekehrt und wurde für seine außerordentlichen Leistungen im Kampf vom Präsidenten ausgezeichnet. Abspann, Werbepause, und dann startete die nächste Folge. Keine fünf Minuten später kämpfte sich Logan seinen Weg durch eine Gruppe Geiselnehmer.
Der Junge wunderte sich, dass niemand seiner Schulkameraden seine Lieblingsserie schaute. Er selbst war zwar erst sieben oder acht Jahre alt – er wusste es nicht genau, denn seine Eltern feierten keinen Geburtstag mit ihm – aber sein Vater sagte, dass das echte Männer seien, die so etwas guckten und noch männlicher seien diejenigen, die so etwas taten, für ihr Land kämpften. Und der Junge wollte ein echter Mann sein.
Nachdem auch der zweite Abspann über den Kastenfernseher gelaufen war, öffnete sich die Tür zum dunklen Raum und spuckte den Vater aus. Den abgewetzten Gürtel trug er nicht mehr. Ein Feuerzeug klickte, als er sich eine Zigarette ansteckte. Dann setzte er sich zu seinem Sohn, nahm ihn in den Arm und gemeinsam schauten sie die dritte Folge.
Am nächsten Morgen würde die Mutter einen langärmligen Rollkragenpullover tragen und noch ein Jahr älter aussehen.

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Skatha
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 371
Wohnort: Alpenraum


Beitrag25.08.2022 10:55

von Skatha
Antworten mit Zitat

Hallo Billy,

ein intensiver Text bzw. Thema. Auch durchaus gelungen gelinkt am Anfang, wobei sich die beiden ersten Absätze dennoch etwas straffen ließen, um nicht zu viel 'Anlauf' zu haben.

Die Perspektive wechselt von auktorialen Erzähler zur personalen Perspektive hin und her. Es hat mich tlw etwas rausgerissen, etwa wenn 'Der Mann' statt 'Der Vater' oder 'am Tisch der Donevans' steht, weil es recht stark bzw. stärker distanziert. Ist vermutlich gewollt für diese ohnehin recht emotionale, heftige Familienszene, und daher schon auch passend.
Das Ende fand ich wieder besser. Wenn es durchgehend und näher aus einer Erzählweise, ggfs. aus Sicht des Jungen, geschildert würde, wären die Bilder mMn noch eindrücklicher.

LG Skatha


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anuphti
Geschlecht:weiblichTrostkeks

Alter: 58
Beiträge: 4320
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Beitrag25.08.2022 11:52

von anuphti
Antworten mit Zitat

Hallo Billy,

herzlich willkommen im DSFo.

Da hast Du Dir zum Einstand ja ein richtig heißes Eisen vorgenommen.

Zum ersten Absatz und zur Perspektive hat Skatha ja schon etwas gesagt.

Ich würde  mir noch einmal das Benehmen des Vaters anschauen, dass jemand derartig gewalttätig zur Mutter ist, aber liebevoll zum Kind ist eher untypisch, vor allem in einem derartig knappen zeitlichen Zusammenhang.

Auch, dass der Sohn die Prügel nicht mitbekommt ist untypisch. Kinder bekommen die Gewalt gegen ihre Mütter meistens direkt mit, auch weil es dem Mann egal ist, ob Kinder es mitbekommen, bzw. auch die Kinder die Gewalt abkriegen.

Eher wird es vor Nachbarn bzw. Außenstehenden verborgen.

Gerne weiteres Feedback, wenn Du spezifische Fragen hast.

Liebe Grüße
Nuff


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ChrisPhoenix
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 37
Beiträge: 30



Beitrag25.08.2022 17:06

von ChrisPhoenix
Antworten mit Zitat

Hallo Billy!

Ein wirklich guter Text. Mir gefiel das eigentlich recht gut, dass du erst die Szenen im Fernseher beschreibst, als wären sie irgendwie von Bedeutung und dann in die eigentliche düstere Szene wechselst. Ich mag sowas gern.

Zitat:
Logan beachtete sie nicht, sondern kämpfte sich mit seinem Trupp weiter voran. Brüllend kam ein Milizkämpfer auf ihn zugestürzt. Logan sprang lässig hinter dem Tresen in Deckung und feuerte noch im Sprung vier Kugeln ab, die zielsicher in den Hals des Feindes schlugen. Glasscherben lagen verstreut auf dem Boden, bespritzt mit dem Blut der überraschten Milizkrieger. Logan gab seinen Mitstreitern einen Wink und gemeinsam betraten sie einen Flur, tiefer in das Gebäude, um die flüchtigen Ziele zu eliminieren.


In diesem Absatz fangen mir zu viele Sätze mit "Logan" an. Das liest sich sehr repetitiv und wirkt dann mehr wie eine Aufzählung als eine Geschichte.

Zitat:
Der Vater, ein kahler, schmaler Mann......

Zitat:
Der Vater schob seine massigen Hände, mit denen er bestimmt einen Bären hätte erwürgen können, unter den abgewetzten Gürtel.


Die Beschreibung finde ich etwas widersprüchlich. Ich bin selbst auch kein Riese und recht schmal gebaut und keine noch so harte Arbeit oder Training können mir solche Hände verleihen. Da müsste der Vater schon mit dem Rest seines Körpers auch entsprechend massiv sein.

Alles in allem hätte ich mir bei solch einem Thema eventuell detailliertere Emotionen gewünscht. Die Mutter zuckt zusammen und schluckt kurz, aber tiefer wird auf ihre Gefühle nicht eingegangen. Die Wut des Vaters über das schlechte Essen muss man sich selbst denken können. Was man als Leser natürlich auch recht einfach kann. Aber irgendwie kommt das ganze dadurch nicht so intensiv rüber wie es hätte sein können. Selbst wenn das ganze nur aus der Sicht des Jungen passiert. Kinder sind echte Meister darin, Emotionen aus der Mimik und Gestik anderer Menschen zu lesen. Besonders unter solchen Umständen.

Liebe Grüße von Neuling zu Neuling!
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VeLoe
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Beiträge: 7
Wohnort: Kevelaer


V
Beitrag26.08.2022 17:55

von VeLoe
Antworten mit Zitat

Hallo Billy,
dein Text hat mir wirklcihg ut gefallen, besonders der Anfang. Du hast mich gleich gepackt und die Geschichte gezogen.
Ich habe mich etwas darüber gewundert, dass der Vater grausam zur mutter aber scheinbar liebevoll zu seinem Sohn ist. Das scheint mir nicht ganz zu passen. Oder hat er vielleicht speziell ein Problem mit Frauen? Dann könntest du das noch deutlicher machen.
Ansosnten kommen die Personen und die Atmosphäre sehr gut rüber.
Viele Grüße
Vera


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