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Ein erster Teil meines Textes


 
 
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Willi60
Geschlecht:männlichSchneckenpost

Alter: 69
Beiträge: 7
Wohnort: Wiesbaden


Beitrag26.07.2022 14:41
Ein erster Teil meines Textes
von Willi60
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Heute stelle ich Euch den nachstehenden Text vor und erhoffe mir einige Kommentare:
Die Geschichte der Vorfahren ist natürlich nur teilweise bekannt.
Beginnen wir mit den Großeltern mütterlicherseits.

Dies ist eine Biographie, geschrieben in der Ich-Form. Allerdings ist vieles darin äußerst fiktiv oder umgestaltet. Jede Ähnlichkeit mit lebenden, verstorbenen oder erst zukünftig auf die Welt kommenden Personen ist zufällig, unbeabsichtigt und unvermeidlich. Ebenso sind Namen, Orte und Ereignisse zwar realitätsnah, aber doch durchaus Bestandteile einer Parallelwelt, wie Autoren sie beliebig erschaffen können. Andererseits ist es ja auch niemals möglich, wirklich die Realität in einem geschriebenen Text wiederzugeben. Da ist immer der Filter der Wahrnehmung und der Zustände des Schreibenden und genau so der des Lesenden.


Nachdem ich nun mich im achtundsechzigsten Lebensjahr befinde, treten bei mir verstärkt und zunehmend intensive Erinnerungen an meine frühen Lebensjahre auf. Dieses Phänomen soll ja für alte Leute recht typisch sein. Allerdings hätte ich gedacht, solches ist eher den Jahren ab achtzig und darüber zu eigen. Wenn bei mir diese Ausrichtung auf die Kindheitserinnerungen schon so früh sich einstellt, macht mir das einige Sorgen, ist es doch vielleicht ein Zeichen für näher kommende Demenz oder allgemein für ein frühes Altern, welches der reinen Jahreszahl weit voraus ist.


Ein großer Teil dieser Erinnerungen bewegt sich rund um die alte Wohnung meiner Großeltern mütterlicherseits. In einem kleinen Dorf mit vielleicht 500 Einwohnern hatten sie, mit eigener Eingangstür, diese Wohnung von der Familie Steiling gemietet, die im selben Haus im ersten Eingang wohnte. Das ganze war Teil eines Hofes mit Zaun und Tor, verschiedenen Nebengebäuden und einem großen Nutzgarten im hinteren Bereich.
Die Wohnung meiner Großeltern bestand aus Küche, Schlafzimmer und einem kleinen Zimmer für die Urgroßmutter. Vom Hof kam man über zwei oder drei Stufen direkt in die Küche, in der sich auch der größte Teil des täglichen Lebens abspielte.
Wir befinden uns in der Zeit der fünfziger und sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Es gab kein fließendes Wasser, weder heiß noch kalt, in dieser Wohnung. Auf dem Hof war ein Ziehbrunnen, aus dem man mit Hilfe von Eimer und Kette Wasser fördern und ins Haus bringen konnte.
Es gab einen kleinen Halbkeller, kühl, für bestimmte Vorräte und einen recht geräumigen Dachboden. Beides war durch eine seitlich von der Küche abgehende Tür und Treppe zu erreichen.
Der Hof vor der Eingangstür war der Hühnerhof der Familie Steiling. Meine drei Geschwister und ich konnten von der kleinen Bank an der Hauswand diese Tiere beobachten. Über den Hof kam man in einen extra abgetrennten Bereich mit den Schuppen, die auch zum Mietobjekt gehörten. Es gab den Holzschuppen und den Kohlenschuppen. Davor standen Sägebock und zwei Hackklötze zur Holzbearbeitung, Axt, mehrere Beile und sogar Hämmer und Keile standen zur Verfügung. Es war uns Kindern schon früh erlaubt, damit zu arbeiten und Holz zu spalten. Hinter den Schuppen etwas versteckt befand sich die Tür zu dem Plumpsklo mit dem sogenannten Goldeimer. Zum Abwischen benutzte man zugeschnittene Blätter, die an einem Nagel in der Wand in Greifnähe hingen. Mein Großvater fertigte diese Blätter aus der täglichen BILD-Zeitung an. Es war meine Gewohnheit, während des Toilettengangs diese Zuschnitte zu lesen, wobei man natürlich nur Fragmente von Bildern und Texten vorfand.
Die Wohnung wurde von meinen Großeltern, meiner leicht geistig behinderten Tante und meiner Urgroßmutter, also von vier Personen, bewohnt. Wenn wir dort in den Sommerferien zu Besuch waren, kamen noch sechs Personen, also Vater, Mutter, zwei Mädchen und zwei Jungen dazu. Meine Urgroßmutter hatte ja ihr eigenes kleines Zimmer hinter dem Schlafzimmer, in welch letzterem dann die Frauen und Mädchen irgendwie nächtigten. Der Großvater hatte also das eheliche Schlafzimmer zu verlassen und schlief auf dem Dachboden in einem kleinen schmalen Bett. Auf dem Dachboden waren auch die Strohsäcke für den Vater und die zwei Söhne untergebracht.
Was vielleicht jüngeren Lesern nicht sofort einleuchtet, es gab natürlich kein Fernsehgerät, kein Telefon, und Handys oder Smartphones waren noch nicht einmal erfunden. Elektrischer Strom war vorhanden, wurde aber nur für die Beleuchtung und das Radio genutzt. Dieses Röhrenradio der Firma Grundig, in einem großen Holzgehäuse und mit zwei großen Drehknöpfen, befand sich im Schlafzimmer und wurde regulär nur nach dem Mittagessen eingeschaltet, um die Nachrichten zu hören. Große Tasten ermöglichten den Wechsel zwischen unterschiedlichen Frequenzbereichen wie UKW, MW, LW und KW. Von Zeit zu Zeit wurde mir ausnahmsweise erlaubt, das Radio zu benutzen. Ich konnte sehr viele fremde Sender finden, jedoch war es oft durch schlechten Empfang bis zur Unkenntnis verrauscht und gestört. Oder es war fremdsprachig, was mir dann genau so unverständlich war. Trotzdem faszinierte es mich und ich erinnere mich an Begriffe wie Hilversum, RIAS und weitere.
Mit diesen Erinnerungen, die ich auf der inneren Leinwand in plastischen und farbigen Bildern vor mir sehen kann, verbinden sich teilweise angenehme Gefühle, und sie versetzen mich in eine spezifische Stimmung, wie ich sie vielleicht auch damals tatsächlich hatte. Der Leser wird sich an Hand meiner Texte und Beschreibungen sicher sein ganz eigenes Bild machen, welches sich eventuell von meinem ganz erheblich unterscheidet. Wir können mit Schrift und Sprache niemals vollständig vermitteln, was wir selbst gedacht, gesehen und erfahren haben.



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Tetz
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 44
Beiträge: 269
Wohnort: Saarland


Beitrag26.07.2022 17:12
Re: Ein erster Teil meines Textes
von Tetz
Antworten mit Zitat

Hallo Willi,

ich glaube deiner Geschichte würde am Anfang eine Art Hook gut tun. So klingt es erst einmal, als würde jetzt die relative langweilige Erinnerung eines 67jährigen folgen.

Willi60 hat Folgendes geschrieben:

Nachdem ich nun mich im achtundsechzigsten Lebensjahr befinde, treten bei mir verstärkt und zunehmend intensive Erinnerungen an meine frühen Lebensjahre auf. Dieses Phänomen soll ja für alte Leute recht typisch sein. Allerdings hätte ich gedacht, solches ist eher den Jahren ab achtzig und darüber zu eigen. Wenn bei mir diese Ausrichtung auf die Kindheitserinnerungen schon so früh sich einstellt, macht mir das einige Sorgen, ist es doch vielleicht ein Zeichen für näher kommende Demenz oder allgemein für ein frühes Altern, welches der reinen Jahreszahl weit voraus ist.


In dem Teil könntest du vielleicht grob andeuten, dass im Leben de Protagonisten nicht alles nach Plan lief oder, keine Ahnung, irgendwas, was deine Geschichte besonders macht, etwas was den Leser dazu bringt weiterzulesen.


Die Beschreibung des Hauses und der Lebensumstände sind sehr detailliert, aber ist das wirklich wichtig für die Geschichte?
Es ist vielleicht nur eine persönliche Vorliebe, aber wenn ich am Anfang eines Romans erst seitenweise Ortsbeschreibungen lese, tendiere ich dazu, das Buch zur Seite zu legen. Mich langweilt so etwas immer recht schnell.
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F.J.G.
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Alter: 33
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Beitrag26.07.2022 17:34

von F.J.G.
Antworten mit Zitat

Lieber Willi,

auch ich denke, dass du die Sache falsch angehst.
Jeder Mensch hat eine faszinierende Lebensgeschichte zu erzählen.
Nur dass 90% derer, die ihre Lebensgeschichte schriftlich wiedergeben wollen, diese Aufgabe einfach versemmeln. Allen voran, indem sie einfach ihr Leben von A bis Z wiedergeben.

Doch das wahre Leben erzählt keine guten Geschichten. Das beißt sich keineswegs mit der Aussage, jeder könne eine faszinierende Lebensgeschichte schreiben. Ich meine damit: Jeder HAT genug zu erziehen. Nur WIE man das umsetzt, damit es sich auch gut liest, ist fast niemals ein Rapport von Geburt bis Lebenswinter.

Such dir mal im Buchhandel deiner Wahl eine Biografie oder auch Autobiografie raus. Ich erinnere mich noch gut an die von Steve Jobs. Da wurde von Anfang an Appetit gemacht, indem mit einem Prolog begonnen wurde, wo Walter Isaacson (der Autor) berichtet, wie Steve Jobs ihn anrief mit dem Auftrag, sein Leben zu vertexten. Dann, wie er sich etliche Male mit ihm traf. In seinem Haus. Auf Spaziergängen. Während langer Autofahrten durchs Silicon Valley, von San José bis San Francisco.

Da hat man es noch relativ einfach. Jeder von uns kennt Steve Jobs und so ist von Anfang an das fesselnde Interesse da – da wir alle wissen, dass sein Leben ein spannendes werden sollte.

Genau so ein amuse geulle musst du deinen Lesern offerieren. Mach ganz am Anfang deines Buches eine Zeitblende. Vielleicht eine vielsagende, etwas geheimnisvolle Aussage, die mit den Höhepunkten deiner vollendeten Vergangenheit korreliert. Du musst im Leser den Gedanken wecken: Was hat es damit auf sich? Dann wird in ihm auch das Interesse geweckt werden, die eher trockenen Partien mit Beschreibungen deines Geburtshauses durchzuhalten, weil in ihm immer noch das Interesse brennt, herauszufinden, was du mit dieser Andeutung am Anfang meintest, oder (sehr beliebt!) weil du eine Tatsache nanntest ("Ich habe einen Autounfall überlebt" / "Die Polizei hat mich in Handschellen abgeführt" / "Ich bin zum Lebensretter geworden") von der jeder wissen will, wie es dazu gekommen war.

Aber dieses Stilmittel nicht überreizen. Qua Langeweile kann auch die spannendste Premisse irgendwann verblassen. Wichtig ist vor allem, dass du 1) am Ende des Buches auf diese Prämisse zurückkommst und 2) das komplette Buch hindurch das Feuer am Lodern hältst.

Liebe Grüße
Kojote


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Willi60
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Beitrag27.07.2022 13:19

von Willi60
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Hallo Tetz,

vielen Dank für Deine Rückmeldung. Ich habe schon begriffen, was Du meinst. Im weiteren Verlauf kann ich vielleicht Deine Anregung mit verarbeiten. Für Deine eigenen Schreibprojekte wünsche ich Dir weiter viel Freude und guten Erfolg.


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Willi60
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Beitrag27.07.2022 13:24

von Willi60
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Hallo Kojote,

Dein Name gefällt mir schon sehr gut, ist doch der Kojote in vielen Geschichten ein ganz besonderer Held. Dazu passend hast Du diesen Avatar gewählt, der immer dem Roadrunner auf den Fersen ist. Wahrscheinlich spielt das in Kalifornien, womit wir auch wieder bei Steve Jobs sind.
Allerdings kann ich mich in keiner Weise mit Steve Jobs (Gott hab ihn selig) vergleichen. Deinen Punkt zu meinem Text habe ich aber verstanden und danke Dir für das Feedback.
Bis dann
Willi


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