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Wodka im Klo


 
 
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HansGlogger
Geschlecht:männlichKlammeraffe
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Alter: 65
Beiträge: 614
Wohnort: Bayern


H
Beitrag29.04.2022 11:20
Wodka im Klo
von HansGlogger
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Wodka im Klo
Frank hatte seine Arbeit verloren, zu trinken begonnen und sechs Monate später hatte seine Frau ihn verlassen. Oder besser gesagt, ihn rausgeworfen. Sie blieb mit den Kindern in der Wohnung, er fand in einem heruntergekommenen Haus ein billiges, möbliertes Zimmer. Auf seiner Etage teilten sich vier Bewohner das Bad. Bald war ihm bewusst: Ihm blieb nur der Suff oder Selbstmord, wahrscheinlich beides: Zuerst Suff dann Selbstmord.
***
Der Nachbar direkt neben ihm, etwa Mitte fünfzig, hatte eine Angewohnheit, die Frank bald dazu brachte, über einen Mordplan nachzudenken. Weil dieser Mensch schon zwischen acht und neun abends besoffen einschlief, stand er fast immer morgens um vier Uhr auf. Im Badezimmer drückte er dann ein paarmal die Klospülung. Es war eine uralte Spülung, kein Kasten, sondern ein Rohr mit einem Hebel, das aus der Wand kam. Das Bad war direkt neben Franks Zimmer und das Rohr lief durch die Wand, an der sein Bett stand. Es riss ihn jeden Morgen aus dem Schlaf und er ärgerte sich so, dass er oft nicht mehr einschlafen konnte.
Da Frank sich nicht erklären konnte, warum sein Mitbewohner so oft spülte, beobachtete er ihn eines Morgens durch das Schlüsselloch.
Mit brennender Zigarette setzte er sich auf die Schüssel, als er fertig geraucht hatte, warf er sie zwischen den Beinen in die Schlüssel und spülte kräftig. Er steckte sich dann eine zweite an und spülte wieder. Dann erst begann er mit dem eigentlichen Geschäft, das er mit zweimaligem Spülen abschloss. Er sprach ihn kurz danach an und bat ihn morgens doch nur einmal zu spülen.
"Willst Du mir vorschreiben, wie er zu scheißen habe?", war die unverschämte Antwort.
Seit diesem Tag hasste Frank ihn abgrundtief. Er war sich sicher, dass sein Mitbewohner nun absichtlich besonders lang und oft spülte. Auf den Selbstmord des Nachbarn oder dessen Tod infolge von Saufen konnte er nicht warten. So begann Frank, Mordpläne auszutüfteln. Am Anfang war es eine Art Spiel - eine Denksportaufgabe. Wie plane ich einen perfekten Mord?
Der Plan, den er schließlich fasste, würde seinen Feind vielleicht nicht umbringen, aber vor Bestrafung war Frank sicher. Der Plan war in dieser Hinsicht der perfekte Mord.
Eine kurze Zeitungsmeldung unter 'Vermischtes' war es, die Frank auf die Idee brachte:
-------------------------------------------------------------
Doppeltes Pech hatte ein Mann in Düsseldorf. Seine Frau hatte die Reste hochprozentiger Getränke nach einer Party am Vorabend in die Toilette gekippt. Der Mann, der auf der Toilette rauchte, warf eine brennende Zigarettenkippe in die Schüssel und verbrannte sich sein Hinterteil. Als ihn die Sanitäter die Treppe runtertrugen und er erzählte, wie es passiert war, mussten die beiden so lachen, dass er von der Bahre fiel und sich den Arm brach.
-------------------------------------------------------------
Es war ganz einfach: Frank musste nur eine explosive Flüssigkeit, hochprozentigen Schnaps etwa, kurz bevor sein Opfer aufs Klo ging, in die Schüssel schütten. Es würde aussehen wie ein Unfall. Vielleicht würde er sterben, bei Alkoholikern, die sich durch jahrzehntelanges Saufen die Gesundheit ruiniert haben, reicht oft schon ein kleiner Unfall. Wenn er es überlebt, vielleicht würde er nach dem Krankenhaus gleich in einem Pflegeheim landen.
Er plante, kurz vor vier eine fast volle Flasche ins Klo kippen.
Ein Einschreiben bot dazu den Anlass - Franks Frau hatte die Scheidung eingereicht.
Er würde einen Selbstmordversuch vortäuschen. Sich Schlaftabletten und eine Flasche hochprozentigen, geruchslosen Wodkas besorgen - einen Abschiedsbrief an seine Familie schreiben. Dann es sich morgens kurz vor vier anders überlegen und den Wodka ins Klo kippen.
Sofort nach dem Unfall würden alle Hausbewohner zusammenlaufen und er würde ihnen die leere Flasche, die Schlaftabletten und den Brief im Abfalleimer im Bad zeigen. Wahrscheinlich würden sie Frank zusammen mit dem Verletzten ins Krankenhaus bringen. Ihn in die Notaufnahme und Frank in die Psychiatrie. Die Ärzte dort würden seine Frau verständigen, vielleicht würde sie sogar zu ihm zurückkehren.
Frank besorgte sich Schlaftabletten und den Wodka. Die folgenden drei Tage, bis zur Durchführung verbrachte er in Hochstimmung. Er hasste seinen Nachbarn noch, doch sein Hass wurde geringer. Ein anderes Gefühl wurde immer stärker - eine Art Jagdfieber.
Am letzten Abend ging er in seine Stammkneipe, zahlte eine Lokalrunde. Um eins kam Frank in Hochstimmung nach Hause. Die restliche Nacht verbrachte er mit dem Schreiben des Abschiedsbriefes. Er weinte vor Selbstmitleid während des Schreibens, die Tränen ließ er ungehemmt aufs Papier fließen, das würde es noch glaubwürdiger machen. Die Zeit verging schnell, kurz vor vier hörte Frank Geräusche im Zimmer des Nachbarn. Er ging leise ins Bad. Ganz ruhig und mit kalter Präzision arbeitete er.
Zuerst warf er den Brief und die Tabletten in den Abfalleimer. Er schüttete Salatöl ins Klo, goss dann vorsichtig den Wodka darauf. Das Öl sollte eine Isolierschicht zwischen Wasser und Schnaps bilden.
Er leerte auch Wodka oben auf den hinteren Rand der Schüssel, er hoffte, auch dort würde er sich entzünden und das Hemd am Rücken in Brand setzen. Vielleicht würde sein Opfer in der Badewanne die Verbrennungen kühlen - Frank stellte den Regler am Hahn auf ganz heiß. Er hasste sein Opfer in diesem Moment nicht mehr. Er liebte ihn wie der Jäger einen Zwölfender liebt, den er im Visier hat, einen Blattschuss anzubringen.
Die Flasche warf er auch in den Abfalleimer, schloss den Klodeckel und ging in sein Zimmer zurück. Sein Herz pochte nun bis zum Hals. Als Frank hörte, wie sein Opfer ins Bad ging und Schlüssel umdrehte, stockte ihm der Atem.
Er hörte ihn schnäuzen, dann wurde es still, ganz still. Nichts geschah, quälend langsam verstrichen die Sekunden, dehnten sich zu Minuten, die ihm wie Stunden vorkamen. Er dachte: Nun sitzt er auf dem Klo und raucht. Und lauschte angespannt.
Frank hörte das Drehen des Schlüssels. Fast gleichzeitig wurde seine Zimmertür aufgerissen. Mitten im Zimmer blieb der Nachbar stehen und starrte Frank an.
"Gott sei Dank, Du lebst noch! Du hast nichts genommen, oder?"
Er hielt die Tablettenschachteln und den Brief in der Hand. Offenbar hatte er etwas in den Abfalleimer geworfen und beides entdeckt.
"Nein, nein! Ich, ich wollte .. " stammelte Frank. Als er wieder etwas Fassung gewonnen hatte und begriffen hatte was geschehen war, fügte er hinzu: "Ich habe es mir anders überlegt."
"Ja, ich habe die Tabletten schon gesehen", sagte der Nachbar.
"Willst Du mit mir darüber sprechen?", fragte er. Er setzte sich.
"Jetzt noch nicht. Später gerne. Weißt Du es ist gerade zehn Minuten her, dass er es mir anders überlegt habe. Aber danke für Dein Angebot."
"Okay, wenn Du willst, gehen wir Abend einen trinken. Wir können dann über alles quatschen. Jetzt muss ich erst mal eine rauchen- ich darf doch." Er steckte sich eine an, bot Frank auch eine an. Frank nahm sie. Schweigend rauchten sie gemeinsam. Dann noch eine zweite Zigarette.
"Also dann bis heute Abend!“
„Du, pass auf. Ich habe den Schnaps in Klo geleert. Nicht, dass Du Dich draufsetzt, rauchst und dann explodiert der Alkohol.“
„Danke, klar!“
Als er kurz danach das Rauschen der Spülung hörte, war er zum ersten Mal froh darüber.

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Ralphie
Geschlecht:männlichForenonkel

Alter: 71
Beiträge: 6406
Wohnort: 50189 Elsdorf
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Beitrag29.04.2022 11:40

von Ralphie
Antworten mit Zitat

Ich würde den Nachbarn beim Namen nennen ...
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HansGlogger
Geschlecht:männlichKlammeraffe
H

Alter: 65
Beiträge: 614
Wohnort: Bayern


H
Beitrag29.04.2022 13:33

von HansGlogger
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Zitat:
Ich würde den Nachbarn beim Namen nennen ...


Egon vielleicht?
Dann könnte Frank ihn mit "He, alter Ego , scheiß mal etwas leiser!" anreden?
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Calvin Hobbs
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 55
Beiträge: 564
Wohnort: Deutschland


Beitrag29.04.2022 19:06

von Calvin Hobbs
Antworten mit Zitat

Auf einer Bahre wird man nur am Schluss transportiert.
Ansonsten auf einer Trage wink


_________________
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Skatha
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 371
Wohnort: Alpenraum


Beitrag30.04.2022 08:09

von Skatha
Antworten mit Zitat

Absurd, schockierend, überspitzt, und doch irgendwie nahe am echten Leben.

Wenn einem der Schlaf geraubt wird, können schon mal mordlustige Gedanken aufkommen. Dass Frank dann tatsächlich und derart radikal vorgehen möchte, durchdacht bis ins Detail (nicht vergessen: Speiseöl zuerst), kommt unerwartet. Allerdings ist Frank am Ende; da hat der Nachbar keine Chance.
Doch der Nachbar rettet sich quasi und wortwörtlich selbst den Hintern. Den positiven Turn zum Schluss finde ich gelungen, es kommt mit Subtilität und Menschlichkeit aus.

Interessant auch, wie die Tschick sich vom ursächlichen Hassobjekt zum beinahe Corpus Delicti hin zum Rettungsanker wandelt.

LG Skatha


_________________
It is not despair, for despair is only for those who see the end beyond all doubt. We do not.
(J.R.R. Tolkien, The Lord of the Rings)
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HansGlogger
Geschlecht:männlichKlammeraffe
H

Alter: 65
Beiträge: 614
Wohnort: Bayern


H
Beitrag30.04.2022 08:59

von HansGlogger
pdf-Datei Antworten mit Zitat

@Calvin
Das  bessere ich noch aus.

@Skatha
Danke für das Lob. Das mit der Tschick war so gar nicht beabsichtigt. Dass die zusammen eine rauchen, ist mir spontan beim Schreiben eingefallen.

Ich hatte in meiner Studentenbude einen Alkoholiker als Nachbarn, der jeden Morgen sehr früh auf dem Klo rauchte und mehrfach spülte. Direkt neben meinem Zimmer. Aber Mordpläne hatte ich damals nicht. Erst Jahre später las ich die Zeitungsnotiz. Die Geschichte habe ich auch schon vor 25 Jahren geschrieben.
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wohe
Geschlecht:männlichKlammeraffe
W

Alter: 71
Beiträge: 639
Wohnort: Berlin


W
Beitrag30.04.2022 13:32

von wohe
Antworten mit Zitat

Hi HansGlogger,

also ich finde die Geschichte gut so --> nix ändern.
Amüsant und lehrreich (falls mein Nachbar mal ... - man weiß ja nie) und versöhnlich am Schluss ist sie auch noch.

MfG Wohe
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SannyB
Geschlecht:weiblichLeseratte
S


Beiträge: 174
Wohnort: BaWü


S
Beitrag01.05.2022 12:43

von SannyB
Antworten mit Zitat

Hallo HansGlogger,

Deine Geschichte habe ich sehr gern gelesen.
Sie wird sehr schnell interessant und spannend, holt den Leser direkt ab.
Dass der Nachbar keinen Namen hat, ist mir gar nicht aufgefallen, störte mich also nicht.

Viele Grüße,
Sanny
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HansGlogger
Geschlecht:männlichKlammeraffe
H

Alter: 65
Beiträge: 614
Wohnort: Bayern


H
Beitrag02.05.2022 08:00

von HansGlogger
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke an alle für die Rückmeldungen.

Die Bahre werde ich noch durch ein Trage ersetzen, ob ich dem Nachbarn einen Namen gebe, weiß ich noch nicht.
Dann kommt der Text ins digitale Archiv.
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schmurr
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 14
Beiträge: 32
Wohnort: Udine


Beitrag19.05.2022 10:48

von schmurr
Antworten mit Zitat

Kompliment! Ein paar Kleinigkeiten:
Mit brennender Zigarette setzte er sich auf die Schüssel, als er fertig geraucht hatte, warf er sie zwischen den Beinen in die Schlüssel

"Willst Du mir vorschreiben, wie er zu scheißen habe?" ich

Der Plan, den er schließlich fasste, würde seinen Feind vielleicht nicht umbringen, aber vor Bestrafung war Frank sicher. Der Plan war in dieser Hinsicht der perfekte Mord.
statt 2x "Der Plan" besser: In dieser Hinsicht war der Plan der perfekte Mord.
Ciao,
Martin


_________________
Deutscher in Italien, Autor von lustigen oder tragikomischen Werken: schmurr.webs.com/dpl.htm Ich mag Wandern, wilde Orchideen, Lesen, Katzen und klassische Musik.
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