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Erzählform im Kinderbuch

 
 
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MissClara
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 666



Beitrag27.03.2022 20:58

von MissClara
Antworten mit Zitat

Niederrheiner hat Folgendes geschrieben:
PaulaSam hat Folgendes geschrieben:
Das ist wohl der Grund, warum Kinderbücher in der auktorialen Perspektive geschrieben sind.


Genau darum hab ich den Thread eröffnet:

Es wird immer gesagt, dass Kinderbücher auktorial erzählt werden, und bei den allermeisten ist das sicher auch der Fall.

Aber dass es ausgerechnet bei dieser Reihe (in meinen Augen) nicht so ist, find ich interessant.

Denn diese Reihe ist seit Jahren die mit Abstand erfolgreichste Kinderbuch-Reihe in Deutschland.

Zur Einordnung:

Laut Bestsellerliste waren 5 von 10 der erfolgreichsten Kinderbücher im Jahr 2021 die "Schule der magischen Tiere".
Das ist wirklich beeindruckend!


Das ist in der Tat ziemlich beeindruckend. Ich würde es aber eher auf die gute Prämisse und den Kern der Geschichte zurückführen. (Welches Kind wünscht sich nicht ein geheimes exotisches Tier als besten Freund?) Und wenn es erstmal auf den Bestseller-Listen gelandet ist, verselbständigen sich die Verkaufszahlen noch mal. Der Film tut sein Übriges dazu.

Ist es denn wirklich so, dass aktuelle Kinderbücher (in dieser Zielgruppe 8+) vorwiegend auktorial erzählt werden? Ich hatte eigentlich den (nicht repräsentativen) Eindruck, dass man es mittlerweile eher mit (multi-)personalen Erzählperspektiven zu tun hat und 10+ sogar die Ich-Perspektive im Vormarsch ist.

@Abari: Die Begründung finde ich sehr einleuchtend.
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MissClara
Geschlecht:weiblichKlammeraffe


Beiträge: 666



Beitrag27.03.2022 21:04

von MissClara
Antworten mit Zitat

Tribalis hat Folgendes geschrieben:
MissClara hat Folgendes geschrieben:
Tribalis hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Vielleicht hat jemand noch Beispiele für auktorial erzählte Kinderbücher?


Ich habe gerade "Pünktchen und Anton" von Erich Kästner vorgelesen - das ist sowas von eindeutig auktorial. Aber zu der Zeit war das ja auch üblicher.



Und, wie kam das an? (Sorry OT). Ich hab bei älteren Büchern manchmal das Problem, dass sie sprachlich so anders sind (komplizierter? langatmiger?, dass die Kinder schon nach wenigen Sätzen aussteigen und was anderes wollen. Aber vielleicht ist das auch ne Altersfrage. (Zb. das kleine Gespenst - ich glaube, auch auktorial)


Sorry - OT-Antwort Laughing :

Naja, von selbst hätte sie es aufgrund der wirklich altertümlichen Sprache nicht durchgehalten. Wir hatten gerade die Verfilmung von 1999 gesehen und nach einer gefühlt endlosen Sommerby-Schleife (ich kann alle drei fast auswendig), war es ein Vorschlag von mir, das Buch zum Film zu lesen. Aber nachdem sie sich darauf eingelassen hatte, mochte sie es ganz gerne. Der Erzähler tritt zwischendurch holzhammermäßig in kursiver Schrift auf und bewertet das Gelesene, ordnet es ein, mutmaßt, wie es weitergehen könnte, verbündet sich mit dem Lesenden usw, also sehr klassisch. Diese "Auftritte" mochte sie, auch wenn sie nicht immer mit ihm einer Meinung war. Aber das Darüberreden, auch im Vergleich zum Film, war schon super und auch interessant. Das Gleiche machen wir gerade mit Timm Thaler Laughing .


OT:
Danke, das beruhigt mich etwas, dass nicht nur wir mit älteren Titeln Anlaufschwierigkeiten haben... Laughing Finde ich aber cool, wie ihr das macht.
Sommerby hab ich erstmal "nur" für mich gelesen (meine Tochter ist noch nicht ganz Zielgruppe) - das ist wirklich toll. Embarassed Da kann ich den Hype echt verstehen.
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Abari
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Der bronzene Durchblick


Beitrag27.03.2022 21:24

von Abari
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MissClara hat Folgendes geschrieben:
@Abari: Die Begründung finde ich sehr einleuchtend.


Danke. Meine Kinderbücher lesen sich noch ganz anders, als es bei denen meines Sohnes der Fall ist. Alles komplett auktorial und teilweise moralinsauer. Man könnte meinen, die wären vor der Erfindung der Kindheit durch Friedrich Fröbel et alia geschrieben. Als Kind kapiert man das ja nicht so, da sag(t)en und rede(te)n die Erwachsenen bekanntlich alle so. "Tu dies nicht, lass jenes, hör auf damit, Herrgott, KIND! ..." [Eskalation]

Heute lassen wir Kinder die Welt entdecken und stehen zur Seite, erläutern viel und verbieten wenig. Ich selbst fühle manchmal die dunkle Herausforderung darin, das auszuhalten und eben nicht einzugreifen, bin aber immer bas erstaunt, wie der kleine Mann das alles zu händeln versteht. Von dem kann ich noch viel lernen, besonders, was den freien Umgang mit Geschichten und Gedichten betrifft. Personal ist daher meines Erachtens besser geeignet, um Kindern zu begegnen; wenn ich den Thread hier lese, kommt das auch mit der Realität hin.


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Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
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LG
Abari
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MissClara
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Beiträge: 666



Beitrag27.03.2022 22:02

von MissClara
Antworten mit Zitat

Abari hat Folgendes geschrieben:
MissClara hat Folgendes geschrieben:
@Abari: Die Begründung finde ich sehr einleuchtend.


Danke. Meine Kinderbücher lesen sich noch ganz anders, als es bei denen meines Sohnes der Fall ist. Alles komplett auktorial und teilweise moralinsauer. Man könnte meinen, die wären vor der Erfindung der Kindheit durch Friedrich Fröbel et alia geschrieben. Als Kind kapiert man das ja nicht so, da sag(t)en und rede(te)n die Erwachsenen bekanntlich alle so. "Tu dies nicht, lass jenes, hör auf damit, Herrgott, KIND! ..." [Eskalation]

Heute lassen wir Kinder die Welt entdecken und stehen zur Seite, erläutern viel und verbieten wenig. Ich selbst fühle manchmal die dunkle Herausforderung darin, das auszuhalten und eben nicht einzugreifen, bin aber immer bas erstaunt, wie der kleine Mann das alles zu händeln versteht. Von dem kann ich noch viel lernen, besonders, was den freien Umgang mit Geschichten und Gedichten betrifft. Personal ist daher meines Erachtens besser geeignet, um Kindern zu begegnen; wenn ich den Thread hier lese, kommt das auch mit der Realität hin.


Genau, Stichwort Partizipation... wird schon in den Kitas groß geschrieben.

Deswegen war sicher auch Astrid Lindgren so erfolgreich, weil sie die Kinder ungewöhnlich stark und selbständig erzählt hat, in einer Welt, in der Bravsein und blind Gehorchen noch als oberstes Erziehungsziel galt.
Die personale Erzählperspektive für Kinderbücher fühlt sich fast wie die logische Konsequenz dieser Entwicklung an.
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Abari
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Beitrag27.03.2022 22:20

von Abari
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MissClara hat Folgendes geschrieben:
Deswegen war sicher auch Astrid Lindgren so erfolgreich, weil sie die Kinder ungewöhnlich stark und selbständig erzählt hat, in einer Welt, in der Bravsein und blind Gehorchen noch als oberstes Erziehungsziel galt.


Vor allem: Selbstständig sind ihre Figuren (Pippi Langstrumpf, die logisch konsequent nur eine Piratentochter sein kann) und ungebrochen (Michel aus Lönneberga, wie oft wurde der bestraft?!?) ... Ich glaube heute, dass die gute Lindgren mehr von Kindern verstanden hat als mancher große Pädagoge seinerzeit.


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Tribalis
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Beiträge: 251



Beitrag27.03.2022 22:36

von Tribalis
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Abari hat Folgendes geschrieben:
MissClara hat Folgendes geschrieben:
Deswegen war sicher auch Astrid Lindgren so erfolgreich, weil sie die Kinder ungewöhnlich stark und selbständig erzählt hat, in einer Welt, in der Bravsein und blind Gehorchen noch als oberstes Erziehungsziel galt.


Vor allem: Selbstständig sind ihre Figuren (Pippi Langstrumpf, die logisch konsequent nur eine Piratentochter sein kann) und ungebrochen (Michel aus Lönneberga, wie oft wurde der bestraft?!?) ... Ich glaube heute, dass die gute Lindgren mehr von Kindern verstanden hat als mancher große Pädagoge seinerzeit.


Oh ja - was für ein wunderbares Bild von Kindheit sie vermittelt.
Nicht umsonst war Pippi seinerzeit verpönt und teilweise sogar verboten, eben weil sie einen Kindertypus propagierte, den man lieber nicht verbreitet wissen wollte. Hat nicht ganz geklappt Laughing
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Willebroer
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Beitrag27.03.2022 23:25

von Willebroer
Antworten mit Zitat

Ob Pippi Langstrumpf ein Beispiel für personale Perspektive ist, wage ich zu bezweifeln.

Allerdings ist die erzählerische Perspektive, von der wir immer reden, keine objektive (oder objektivierbare) Tatsache wie ihr Namensgeber, die geometrische oder (foto)grafische Perspektive.

Letztere kann man leicht mit Zollstock und Winkelmesser überprüfen. Die erzählerische Perspektive dagegen ist weitgehend eine Illlusion, eine Beschreibung aus zweiter Hand, die erst durch den Filter des Lesers laufen muß und erst durch seine Vorstellung zu einem Bild wird. Da jeder Leser anders "filtert" (und aus seiner eigene Phantasie hinzufügt), ergeben sich auch verschiedene Bilder.

Hinzu kommt die allgegenwärtige Fähigkeit des Lesers, Fehlendes zu ergänzen. Zum Beispiel ist es nicht ungewöhnlich, daß man bei der ganz objektiven sachlichen Beschreibung, wie jemand verletzt wird, auch meint, die Schmerzen zu spüren (je nach empathischen Fähigkeiten und Anschaulichkeit der Beschreibung). Und nicht nur das: Sogar kleine Fehler korrigiert das Gehirn meist automatisch. Was sich beim Korrekturlesen manchmal unangenehm bemerkbar macht.

Und um die Verwirrung komplett zu machen: Auch exakte grafische Darstellungen können in die Irre führen, wie die Werke von M. C. Escher zeigen. Da wird man in keinem Detail einen echten Fehler finden, aber in der Gesamtsicht merkt man gleich (manchmal auch später), daß etwas "nicht stimmt". Solche Tricks sind nur möglich durch äußerste Genauigkeit und - ja - Realismus!
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Abari
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Beitrag28.03.2022 00:11

von Abari
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Willebroer hat Folgendes geschrieben:
Ob Pippi Langstrumpf ein Beispiel für personale Perspektive ist, wage ich zu bezweifeln.

Allerdings ist die erzählerische Perspektive, von der wir immer reden, keine objektive (oder objektivierbare) Tatsache wie ihr Namensgeber, die geometrische oder (foto)grafische Perspektive.


Hat auch keiner behauptet, dass die personale Erzählweise wäre (ich hoffe, dass Dir der Begriff Erzählweise besser schmeckt als der historisch gewachsene der Perspektive, die nur eine Metapher ist).

Da muss ich leider entschieden widersprechen. Die drei (vier) klassischen Erzählweisen sind in ihrer Art und Weise genau definiert und freilich gibt es Mischformen (wie das head-hopping) beziehungsweise "Trickser", aber letztendlich sind sie hier (weiter unten) sogar grafisch/listend zusammengefasst.

Die Erzählweisen sind ja kein spontaner Geistesblitz der Literaturwissenschaft des ausgehenden 20./beginnenden 21. Jahrhunderts. Im Prinzip sind sie so alt wie das Erzählen selber und nur ab der jüngsten Neuzeit intensiver analysiert worden. Ältere Texte halten sich idR sehr stringent an die eingeschlagene Perspektive, und ursprünglich finden wir in der geschriebenen Erzählung nur den auktorialen Leser, bis irgendwann einer auf die Idee gekommen ist, "Ich" zu schreiben.


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LG
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PaulaSam
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Beitrag28.03.2022 11:34

von PaulaSam
Antworten mit Zitat

Anhand der Grafik in deinem Link, Abari, sieht man sehr gut, dass es genau genommen nur zwei wirkliche Erzählperspektiven gibt - die Ich-Perspektive und die auktoriale Perspektive. Die Personelle Perspektive schränkt lediglich die Sicht auf einzelene Figuren ein, wird aber genau genommen auch von einem allwissenden Erzähler erzählt, da er ja in verschiedene Figuren schlüpfen kann.

Letztlich fließt aber in jeder Perspektive die "übergeordnete" Wertung des Erzählers mit ein, der immer einen Wissenvorschsprung gegenüber den Figuren und Ereignissen hat. Nur die Grenzen dessen, was er "erzählen darf", sind durch die Erzählperspektive mehr oder weniger eng gezogen.

Dass heutige Kinderbücher weniger "geführt" (durch einen allwissenden Erzähler) geschrieben werden, überrascht mich allerdings nicht. Wir fordern und erwarten von heutigen Kindern ja weit mehr Selbstständigkeit, auch im Denken und Urteilen, als es noch vor ein paar Jahrzehnten der Fall war. Damals "sollten" Kinder möglichst nicht selbstständig denken, sondern sich an Anweisungen halten. Heute lässt man ihnen viel mehr Freiraum, um eigene Erfahrungen zu machen, und sich eigene Meinungen zu bilden. Diese "längere Leine" spiegelt sich natürlich auch in der Gegenwartsliteratur wieder. So weit, dass heutige Kinderbücher sogar völlig ohne "Führung" in der Ich-Perspektive geschrieben werden.

LG Sam
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Mumienfreund
Eselsohr


Beiträge: 327



Beitrag28.03.2022 11:42

von Mumienfreund
Antworten mit Zitat

Willebroer hat Folgendes geschrieben:
Allerdings ist die erzählerische Perspektive, von der wir immer reden, keine objektive (oder objektivierbare) Tatsache wie ihr Namensgeber, die geometrische oder (foto)grafische Perspektive.


Es gibt in der Erzähltheorie zwar verschiedene Ansätze, aber letztendlich lässt sich vieles damit erklären und die verschiedenen Perspektiven sind durchaus bekannt.
Willebroer hat Folgendes geschrieben:

Letztere kann man leicht mit Zollstock und Winkelmesser überprüfen. Die erzählerische Perspektive dagegen ist weitgehend eine Illusion, eine Beschreibung aus zweiter Hand, die erst durch den Filter des Lesers laufen muß und erst durch seine Vorstellung zu einem Bild wird. Da jeder Leser anders "filtert" (und aus seiner eigene Phantasie hinzufügt), ergeben sich auch verschiedene Bilder.

Hier verwechselst du wohl was. Die Wahl des Autors/der Autorin, welche Perspektive verwendet wird, hat nichts mit dem Filter irgendeines Lesers zu tun, welche Informationen er weglässt (überliest) oder ergänzt (Imagination). Eine Ich-Perspektive ist eine Ich-Perspektive – du meist vermutlich die Haltung des Erzählers, aber es gibt durchaus auch Texte, in denen der Erzähler so gut wie unsichtbar ist.
  
Willebroer hat Folgendes geschrieben:
Hinzu kommt die allgegenwärtige Fähigkeit des Lesers, Fehlendes zu ergänzen. Zum Beispiel ist es nicht ungewöhnlich, daß man bei der ganz objektiven sachlichen Beschreibung, wie jemand verletzt wird, auch meint, die Schmerzen zu spüren (je nach empathischen Fähigkeiten und Anschaulichkeit der Beschreibung). Und nicht nur das: Sogar kleine Fehler korrigiert das Gehirn meist automatisch. Was sich beim Korrekturlesen manchmal unangenehm bemerkbar macht.

Was hat das mit der Erzählperspektive zu tun? Ob ein Leser mitfühlt hängt von sprachlichen Geschick der AutoInnen ab, nicht von irgendeiner Perspektive. Und das unser Gehirn in der Lage ist, selbst falsch geschriebene Worte automatisch zu korrigieren habt ebenfalls nichts mit der Perspektive zu tun. Was soll das also für ein Argument sein? Ich schreib das mal, weil das so interessant klingt?
Willebroer hat Folgendes geschrieben:

Und um die Verwirrung komplett zu machen: Auch exakte grafische Darstellungen können in die Irre führen, wie die Werke von M. C. Escher zeigen. Da wird man in keinem Detail einen echten Fehler finden, aber in der Gesamtsicht merkt man gleich (manchmal auch später), daß etwas "nicht stimmt". Solche Tricks sind nur möglich durch äußerste Genauigkeit und - ja - Realismus!


Hier vergleichst du Äpfel mit Birnen. Nur weil in beiden Bereichen mit dem Begriff der Perspektive gearbeitet wird, heißt das noch lange nicht, dass man die Eschers Bilder heranziehen kann, um zu "beweisen", dass die Perspektivfrage sich nicht stellt, da, wie von dir behauptet, sie ja nur eine "Illusion" sei. Deine Argumentation kommt von Hölzchen auf Stöckchen und ist eine Ansammlung von Sachverhalten die nichts miteinander zu tun haben. Die Verwirrung, die du hier komplettieren möchtest, scheint eher auf deiner Seite vorzuherrschen.
Man muss nun wirklich keinen Kurs in Erzähltheorie belegen, aber es schadet nicht, sich zumindest die rudimentärsten Grundlagen zu erarbeiten. Ich will nun nicht noch  von diegetisch und extradiegetisch usw. anfangen, aber wenn man mal das Prinzip begriffen hat, um das es Genette/Stanzel/Schmid und all den anderen Theoretikern geht, hilft das beim Einschätzen von eigenen und Fremdtexten ungemein.
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Niederrheiner
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Beiträge: 821



N
Beitrag28.03.2022 11:50

von Niederrheiner
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Mumienfreund hat Folgendes geschrieben:
Was hat das mit der Erzählperspektive zu tun? Ob ein Leser mitfühlt hängt von sprachlichen Geschick der AutoInnen ab, nicht von irgendeiner Perspektive.


Naja, ich glaube schon, dass der Gedanke ist, den Leser*innen dieses "Einer gegen alle"-Gefühl der Figuren zu vermitteln. Die Kinder können sich keinem anvertrauen (glauben sie zumindest) und machen alles mit sich selbst aus.

Und dafür ist die personale Erzählperspektive m.E. viel besser geeignet als die auktoriale.
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Abari
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Der bronzene Durchblick


Beitrag28.03.2022 13:02

von Abari
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PaulaSam hat Folgendes geschrieben:
Anhand der Grafik in deinem Link, Abari, sieht man sehr gut, dass es genau genommen nur zwei wirkliche Erzählperspektiven gibt - die Ich-Perspektive und die auktoriale Perspektive. Die Personelle Perspektive schränkt lediglich die Sicht auf einzelene Figuren ein, wird aber genau genommen auch von einem allwissenden Erzähler erzählt, da er ja in verschiedene Figuren schlüpfen kann.


Jein. Der personale Erzähler ist mehr eine Mischform; er erzählt schon aus deeem Blickwinkel einer Figur (ist also nicht allwissend und benutzt Worte wie "augenscheinlich, offenbar" etc.), bleibt aber sprachlich bei der auktorialen III. Person. Das ist schon noch ein Unterschied, finde ich.

@Mumienfreund: Yap. Escher ist zudem der kunstvollste Headhopper der Grafik. Ich mag seine Werke sehr, aber sie sind so repräsentativ für die Perspektive wie die Satire für die Literatur.

@Niederrheiner: Vielleicht. Aber warum gibt es dann den Pluralis maiestatis der Kindergärtnerinnen (Wir gehen jetzt in den Garten. Paul, das machen wir nicht so.)? Weil bis sechs Jahre das Kind erst einmal zum "Ich" finden muss (ja doch, Regel ist drei, aber ich kann die Versprachlichung von "Ich" als Trennung von Mutter und Vater als ÜberIchs nicht immer als Abschuss des Identifikationsprozesses finden). Deswegen mögen Kinder Puppentheater so sehr, und ich kenne kein einziges älteres Buch darüber, wo der didaktische Wert nicht unterstrichen worden wäre, weil das Kind sich so stark mit der Puppe bzw. Marionette als idealisiertes Ich identifiziert. Das ist auch mE das "Geheimnis" des Zaubertiers. Das Kind lagert seine Selbstbestimmung bis zu einem bestimmten Alter auf diese Wesen aus, was dann von jemandem geführt und moderiert wird und zum auktorialen Erzähler führt. Das Gegenstück: Ich begebe mich in die Welt des Kindes und erzähle aus dessen Blickwinkel - das setzt diesen Prozess als (weitestgehend) abgeschlossen voraus und dürfte ab der Schule interessant sein. Und dennoch gerät er dann mit 12-14 wieder in eine Krise, weil sich dieses junge "Ich" in der Welt positionieren kann|will|muss. Da ist der personale Erzähler quasi zwingend notwendig. Mit auktorial kommt man da sicher nicht mehr weit.


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LG
Abari
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PaulaSam
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Wohnort: Regensburg


Beitrag29.03.2022 10:39

von PaulaSam
Antworten mit Zitat

Abari hat Folgendes geschrieben:
PaulaSam hat Folgendes geschrieben:
Anhand der Grafik in deinem Link, Abari, sieht man sehr gut, dass es genau genommen nur zwei wirkliche Erzählperspektiven gibt - die Ich-Perspektive und die auktoriale Perspektive. Die Personelle Perspektive schränkt lediglich die Sicht auf einzelene Figuren ein, wird aber genau genommen auch von einem allwissenden Erzähler erzählt, da er ja in verschiedene Figuren schlüpfen kann.


Jein. Der personale Erzähler ist mehr eine Mischform; er erzählt schon aus deeem Blickwinkel einer Figur (ist also nicht allwissend und benutzt Worte wie "augenscheinlich, offenbar" etc.), bleibt aber sprachlich bei der auktorialen III. Person. Das ist schon noch ein Unterschied, finde ich.

Ja, da hast du schon recht, was die Außenwirkung angeht. Der Leser schlüpft ja sozusagen in die Rolle eines "nebenstehenden Begleiters" bei der personellen Perspektive. Damit befindet er sich als "Zuhörer" quasi zwischen dem Ich-Erzähler und dem allwissenden Erzähler. Er hat vom Wissensstand und der Nähe zur Figur von beidem etwas, aber auch von keinem alles. Daher heißt es, glaube ich, fachlich korrekt eigentlich auch "auktorial personelle Erzählperspektive".

Abari hat Folgendes geschrieben:
Deswegen mögen Kinder Puppentheater so sehr, und ich kenne kein einziges älteres Buch darüber, wo der didaktische Wert nicht unterstrichen worden wäre, weil das Kind sich so stark mit der Puppe bzw. Marionette als idealisiertes Ich identifiziert.

Wenn das Kind sich in die personell erzählte Figur als idealisiertes Ich versetzen soll/muss, um sich selbst zu finden bzw. in seinem Selbstfindungsprozess bestätigt/bestärkt zu sehen, warum dann keine Ich-Perspektive? Viel mehr kann ein Leser sich doch nicht mit einer Figur identifizieren. Oder steht ihm dafür dann doch wieder seine Unerfahrenheit in Bezug auf sein Selbst im Wege? Außerdem, braucht er für die Er-Perspektive nicht auch eine gewisse "Selbst-Sicherheit"? Und wenn ja, warum sollte ihm die dann in der Pubertät wieder abhanden kommen? Findet dort nicht hauptsächlich die Findung des geschlechtlichen Ichs statt? Ich habe jedoch noch nie von einem Kinderbuch gehört, dass Sexualität zum Thema hat. Oder gibt es sowas tatsächlich?

LG Sam
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