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Eine bewegende Geschichte


 
 
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Kika10
Gänsefüßchen
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Beiträge: 21



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Beitrag16.03.2022 09:01
Eine bewegende Geschichte
von Kika10
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Eine bewegende Geschichte
 
   Am zweiten Sonntag im Mai des Jahres 2003 spazierte eine Fliege über das gelichtete Haupt eines älteren Herrn der, kunstvoll von seinem Enkel Gerhard gemalt, aus einem Bilderrahmen heraus in die Stube blickte.
 


  Es handelte sich um den vor vielen Jahren verstorbenen Opa Karl, der nach dem Ableben seiner Gattin im Jahre 1952 noch etwa sieben Jahre lang in der Wohnung seiner Tochter Marie, der verwitweten Mutter des begabten jungen Malers, ein- und ausging.
   In den frühen Morgenstunden pflegte er mit einer Tüte duftender frischer Schrippen bepackt die Türschelle zu betätigen, Mittags langte er kräftig zu, und abends schien es zuweilen, als hätten böse Hände seine Pantoffeln auf dem Boden festgenagelt,- eine derartige Pein schien es ihm zu bereiten, sich wieder zu entfernen. Nur die Nachtruhe verbrachte er in seiner eigenen Wohnung am Ende einer langen, von malerischem Fachwerk gesäumten Straße.
   
   Jetzt hing er bloß mehr in Form des alten Gemäldes an der Wand und blickte auf den gebogenen Rücken seiner in die Jahre gekommenen Tochter, die in Erinnerungen badete, während sie ein Gnadensüppchen löffelte.
   Der Staub der Jahre schien hinfortgepustet und man befand sich wieder in der Stube beim nachmittäglichen Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spiel:
  „Der arme Junge. Wieder den ganzen Tag Geige geübt, und genutzt hat´s nichts!“ Dies und ähnliches sagte der Opa bei jeder sich bietenden Gelegenheit, um, kaum dass das letzte Worte verklungen war, in blökendes Gelächter auszubrechen. Belustigt darüber, dass Gerhard im Bestreben ein bedeutender Virtuose zu werden, jeden Tag stundenlang auf seiner Violine übte. Das Bügelbrett in der Ecke war mit sieben schuhsohlenförmigen  Quark-Johannesbeermarmeladen-Brotschnitten belegt, mit denen sich der aufstrebende Violinist für jede vergeigte Stunde belohnen wollte – bloß, dass am Abend doch noch einige drei Bissen herumlagen, und seine Mutter bei der Bügelarbeit behinderten.  
 
   Eines Tages riet man dem Opa Karl, einen Arzt aufzusuchen, um den Stand seiner Gesundheit prüfen zu lassen.
„Karl, in Deinem Alter ist mit dem Gesundheitlichen nicht zu spaßen!“ hieß es, und so begab sich der alte Mann auf den Weg in die Stadt, um einen Doktor aufzusuchen.  
Seine Tochter Marie blickte ihm noch versonnen durch´s  Küchenfenster hinterher, sah, wie er kleiner und kleiner wurde, und schließlich in der engen Gasse hinter dem Spielwarenladen verschwand.
   Es war als habe sie es geahnt: Dies sollte der letzte Anblick bleiben. Umgedreht hat er sich aber nicht mehr.  
   Von Kerzenscheine schwach erhellt auf dem Katafalk liegend hatte er mit dem Menschen, den der Leser zu Beginn der Geschichte auf dem Gemälde kennenlernen durfte, keinerlein Ähnlichkeit mehr. Der konsultierte Doktor wollte dem alten Herrn eine Vitaminspritze verabreichen, und verwechselte zwei herumliegende Injektionsspritzen: Eine davon war zur Einschläferung eines Ackergauls gedacht, und wurde irrtümlich für den Opa Karl genutzt.
(Über den Ackergaul wiederum wäre zu sagen: Wenn er nicht gestorben ist, so lebt er wohl noch heut?)  

 Seit bald 60 Jahren hing das Bild nun an der Wand.
 Aus dem vergoldeten Rahmen heraus hatte der alte Mann seiner Tochter Marie beim gilben, dörren und welken zugeschaut. Er blickte auf ihren immer krümmer werdenden Rücken und die zunächst dunkelfarbene, später sahneweiße Frisur, die den geschnurrten Kopf nurmehr umschlotterte, statt ihn wie in jungen Jahren, duttverziert und helmförmig zu umspannen und zu wärmen.

   Nachdem der Opa gestorben war, hatte Gerhard keine weiteren Bilder mehr gemalt. Opa Karl an der Wand sollte sein letztes Meisterwerk bleiben.
Bereits in jungen Jahren war Gerhard zum Violinstudium in die Vereinigten Staaten aufgebrochen und nicht wiedergekehrt. Seine Spur hatte sich weitestgehend verloren, und jetzt, da die Wege für seine alte Mutter weit geworden waren, schien er unerreichbar wie ein Stern am Himmel.   

Das Gnadensüppchen war mittlerweile hinweggelöffelt worden.
Zu einer geschrumpelten Riesenkartoffel zusammengeschnurrt saß die alte Marie am Tische und fröstelte. Sie fröstelte viel, obwohl die Heizung stets bis zum Anschlag aufgeschraubt war. Doch es wurde ihr einfach nicht mehr warm.  
Marie winkelte ihr morsches Gebein zu einem Nickerchen im Ohrensessel zurecht, und deckte sich mit einer Decke zu. Wie gerne wäre sie für immer eingenickt, zumal sie in einem Alter angelangt war, in welchem man nur mehr mit Spinnweben ans Irdische befestigt scheint.
    Da wurde die Türschelle betätigt.
    Die alte Frau war fast blind, doch im Geiste war sie hellwach und musste sich die schemenhaften Anblicke, die sich ihr darboten, selber zusammenreimen.
    Die Türe knarzte: Ein schwarzgekleideter hagerer Herr mit kalkweißem Gesicht trat ein: „Marie, bist du bereit?“ frug er.
   „Ach, liebes Herr Todchen! Noch einige drei Tage!“ rief Marie erschüttert und beschwörend aus, denn wenn der Tod tatsächlich vor der Türe steht, ist´s mit einem Male gar nicht mehr so weit her mit den sehnsuchtsvollen Gedanken ans Paradies.  
  Doch anstelle des Herrn Todchens erschien ein unbekannter Herr, mit einer wie gemäht wirkenden hauptumspannenden weißer Rasenfrisur, der ein loses Blatt Papier in Händen hielt. Er stellte sich mit einem Namen vor, der im welken Ohr des alten Mütterleins augenblicklich zu Staub zerfiel, und sagte feierlich: „Hier habe ich Ihnen etwas mitgebracht!“
„Biddö?“ fragend trichterte Marie das Ohr.  
 Der Blick aus ihren alterstrüben Augen fühlte sich mittlerweile an, als schaue man durch die blinden Fensterscheiben eines alten, über und über mit Staub und Spinnweben befüllten Schuppen, in dem seit mehr als einem halben Jahrhundert kein Besen mehr in Schwung gesetzt worden war.  
„Schauense mal!“ sagte der fremde Herr, legte das Blatt neben den leeren Suppenteller, und posaunte die nachfolgenden Worte so deutlich er nur konnte in die Ohren der alten Frau hinein. „Dieses Bild hing im Arbeitszimmer meines verstorbenen Vaters. Kurz vor seinem Tode hat er mich gebeten, es Ihnen zu bringen, da er Sie als Mutter des Künstlers ausfindig gemacht hatte!“  
  Ab hier schien Marie mit einem Male jedes einzelne Wort zu verstehen. Ihr war zumute, wie einst der „tauben Rosl“ aus der berühmten Sage vom Rübezahl, die plötzlich jedes Wort verstand, als Rübelzahl selber im Gewande eines Pastoren von der Kanzel herab predigte.
 Der fremde Herr erzählte von seinem alten Vater, einem Studienrat im Ruhestand, und berichtete in anschaulichen Worten, (anschaulicher und noch erklärender als hier zu lesen) wie das Bild in dessen Besitz gelangt war:  
   An einem lang vergangenen Tag lief der kunstkundige Studienrat eine Straße hinab, und kam an einem Verkaufsstand vorbei, den kleine Kinder aufgebaut hatten, um allerlei interessante Ware feilzubieten. Der kleine Gerhard hatte Bilder gemalt und seine große Schwester Anna hatte mit ihrer schönsten Schrift in einer gebogenen Buchstabengirlande: „Ein frohes Osterfest!“ darüber geschrieben.  
   An diesem Stand hat der siebenjährige Gerhard dem vorbeiflanierenden Studienrat sein wunderschönes Osterbild für nur zehn Pfennige verkauft!
   Marie ließ ihre Augen eine Weile auf dem Blatte ruhn, und für einen kurzen Moment schien tatsächlich ein Osterbildchen aufzuflackern, jedoch zu kurz um zu sehen, wie schön es ist!
   Gerührt hatte sich der Fremde in Glut geredet, und fuhr in seiner Schilderung fort:   
  Sein damals noch in der Blüte der Jahre stehende Vater habe mit Kennerblick sofort gesehen, dass das Bild deutlich mehr wert sei als nur „zehn Pfennje“!   
  Es handelte sich um einen mit Buntstiften gemalten Osterhasen, der wie ein Sonntagsschüler gekleidet auch noch einen Schlips umgebunden hatte, und den Betrachter mit gnitzen Äuglein anlächelte, solcherart, als sei soeben eine höchst verbindende geistvolle Bemerkung gefallen. Lebendig wie die Mona Lisa im Louvre blickte der Osterhase mit einem eigenartig berührenden, seltsam vertrauten Lächeln auf die Umherstehenden, als der Studienrat das Bild ein wenig anhob, um es noch besser betrachten zu können.   
  „In hundert Jahren ist es womöglich von unermesslichem Wert“, dachte er von einem inneren Erbeben gepackt, –  so zumindest  berichtete der Sohn nun glaubhaft –  auch wenn man damals sehr bestrebt war, sich als Mann vom alten Schlage Gefühle dieser Art nicht anmerken zu lassen.
   „Für was brauchst Du denn so viel Geld?“ habe er den kleinen Gerhard stattdessen beknurrt, und der kleine Gerhard tat kund, dass er das Geld brauche, um seiner Mutter ein schönes Geschenk zum Muttertag zu kaufen.
Der Studienrat drückte dem kleinen Künstler ein Zehnpfennigstück in die Hand, und entfernte sich alsbald mit dem Gemälde.
  Es wurde liebevoll gerahmt, an die Wand im Arbeitszimmer gehängt, und füllte den Raum fortan mit einer ganz eigentümlichen Aura. Mehrfach musste das Bild im Laufe der Jahre umgehängt werden, da sich der Studienrat beim Arbeiten immer wieder beobachtet und durchschaut fühlte.  
„Das hat ein kleiner Junge gemalt!“ so hieß es. „Ein ganz  unglaubliches Bild!“
„Ich hätte ihn küssen mögen, und habe ihm doch nur zehn Pfennige dafür gegeben!“ erzählte der Vater am Ende seines Lebens,„jetzt soll das Bild seiner alten Mutter gebracht werden, denn selbst mit einem Sack voller Gold, hätte man kein schöneres Muttertagsgeschenk kaufen können!“
Ein letztes Mal schien Maries Sehkraft nochmals aufzuflackern. Einen ganz kurzen Moment lang war das Bild vor ihr aufgeschienen. Sie reckte ihre welken Ärmchen in die Höh´ - solcherart als wolle sie den Himmel berühren, um Gott zu danken.

Postludium

   Nicht jedem ist ein Blick für göttliche Feinheiten gegeben.
   Dem Besucher jedenfalls schien es nichts auszumachen, das wertvolle Kunstwerk bei der alten Dame auf dem Tische liegen zu lassen, wo es womöglich am nächsten Tag vom Pflegedienst, zusammen mit der Zeitung dem Altpapier überantwortet würde.
Lediglich den Rahmen hatte er behalten, um ihn mit einem Urlaubsbild zu füllen.
Er empfahl sich und trat in den schwindenden Tag hinaus.  

In ihrem verbliebenen Lebensrest hütete Marie das Bild wie ein Heiligtum, und versteckte es schließlich.
„Ich will nicht, dass es mir jemand wegnimmt!“ sagte sie.
Einige Wochen später erkrankte sie an einer Grippe und starb.  
Das Osterbild wurde nie gefunden – aber vielleicht hat Opa Karl in seinem Bilderrahmen mitbekommen, wie seine Tochter den zum bersten gefüllten Bücherschrank öffnete, um das Bild zwischen die Seiten eines alten Buches zu schieben, das nach menschlichem Ermessen in diesem Leben nicht mehr zur Hand genommen würde?

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HansGlogger
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Beitrag16.03.2022 12:18

von HansGlogger
Antworten mit Zitat

Eine in der Tat bewegende Geschichte, der leicht ironische Ton harmoniert gut mit dem Thema der Vergänglichkeit.

Nur an einer Stelle bin ich fast aus der Kurve geflogen.

Zitat:
„Ach, liebes Herr Todchen! Noch einige drei Tage!“ rief Marie erschüttert und beschwörend aus, denn wenn der Tod tatsächlich vor der Türe steht, ist´s mit einem Male gar nicht mehr so weit her mit den sehnsuchtsvollen Gedanken ans Paradies.  
  Doch anstelle des Herrn Todchens erschien ein unbekannter Herr,


Erschien der unbekannte Besucher mit dem Bild nun drei Tage später, aber wer war dann der "schwarzgekleidete hagerer Herr mit kalkweißem Gesicht"? Doch der Tod?

In dem Fall sollte das heißen:  Doch anstelle des Herrn Todchens erschien drei Tage später ein unbekannter ...

Oder hat Marie den unbekannten Besucher mit dem Tod verwechselt, dann passt aber das "erschien" nicht. Dann sollte hier ein "war" stehen oder ein "war erschienen". Ist das nur ein Zeit-Fehler.?
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Kika10
Gänsefüßchen
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Beitrag16.03.2022 12:35
Vielen Dank für die Rückmeldung
von Kika10
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Vielen lieben Dank! Ich hatte die Stelle mit "dem Tod" kursiv geschrieben - sollte bedeuten: Dies hat sich die alte Dame nur vorgestellt - vielleicht hat dieses Gerät die Schrift vereinheitlicht. Diese Stelle muß ich aber in der Tat noch bearbeiten - danke für den Hinweis...
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Lila X
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L
Beitrag16.03.2022 18:35
zu viele Sprünge
von Lila X
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Hallo, Kika10

ich finde deinen Stil und deine Rechtschreibung gut.
Der Verlauf der Geschichte jedoch ist eine Herausforderung, weil du gar so viel hin und her springst - vom Bild zum realen Leben des Opa Karl, zum Bild und der alten Marie, wieder zum Karl und seiner Bemerkung über den
Violine spielenden Gerhard, zum Tod von Karl, dann wieder die alte Marie usw.usf.

Und als es dann zu dem kommt, was bewegend sein soll, bagatellisierst du das bewegende an der Geschichte, indem der Entdecker es unter Wert annahm und der Übergeber des Bildes sich nicht kümmert, ob es im Altpapier landet. Das nimmt für mich jede Bewegung, die ausgelöst werden könnte, wieder raus. Das einzig bewegende bei Marie ist auch, dass sie in ihrem verbliebenen Lebensrest das Bild wie ein Heiligtum hütet. Von ihren Gefühlen, als man es ihr gibt, also der Moment, wo man Bewegung hätte erzeugen können, bleibt nur ein seltsam anmutendes Hände zum Himmel recken, wortlos und unklar, was das soll.
Ich denke, mit ein wenig mehr Linie im Geschichtenverlauf und ein wenig mehr Emotion beim eigentlich bewegenden Ereignis könnte es eine bewegende Geschichte sein.
Übrigens ist es ein bisschen unrealistisch, denn wenn man so blind und taub ist, wird es schwer fallen, noch allein zu leben und Suppe zu kochen. Aber das ist sicher eher eine Kleinigkeit.


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Lila X
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Kika10
Gänsefüßchen
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Beitrag16.03.2022 19:10

von Kika10
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Hallo Lila X!
Ich danke Dir sehr herzlich für die freundliche Rückmeldung.   
 Es handelt sich dabei um eine fast wahre Geschichte - ganz leicht frisiert (zu etwa 88% wahr). Tatsächlich lebte die alte Oma noch alleine, die Suppe hatte ihr jedoch eine Nachbarin gekocht. Eine Dame, die jeden Tag die Zeitung vorbeibrachte und noch etwas kochte. Morgens und abends kam ebenfalls jemand vorbei.  
Wahrscheinlich sollte ich dies auch noch einbauen, da hast Du völlig recht. Ursprünglich sollte das eigentlich eine Kurzgeschichte werden, doch nun ist es schon beinahe eine kleine Novelle. Ich habe vor, sie noch zu einer echten Novelle auszuarbeiten.
   Ich würde so gerne wissen, was man sich unter "mehr Emotion" vorstellen soll? Das Emotionale im Text scheint mir ein Gewürz, mit dem man eher etwas sparsam umgehen sollte. Beim durchlektorieren habe ich sogar einige Emotionalitäten erbarmungslos entfernt.
Viele liebe Grüße von Kika
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Lila X
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Beitrag17.03.2022 15:47

von Lila X
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Kika10 hat Folgendes geschrieben:

   Ich würde so gerne wissen, was man sich unter "mehr Emotion" vorstellen soll? Das Emotionale im Text scheint mir ein Gewürz, mit dem man eher etwas sparsam umgehen sollte. Beim durchlektorieren habe ich sogar einige Emotionalitäten erbarmungslos entfernt.


Hallo Kika,
ich finde auch, dass man das Emotionale pointiert einsetzen sollen und es muss unbedingt zu deinem Stil passen.
Aber - mir fehlt in dem Moment die Emotion, als die Geschichte von dem Bild erzählt ist und Marie damit zurückbleibt. Denn das ist ja der bewegende Moment der bewegenden Geschichte, oder? Und der bewegt nicht. Vielleicht sowas wie: Ihre Züge wurden weicher, oder: vorsichtig nahm sie das Bild auf, als wäre es eine zerbrechliche Kostbarkeit und hielt es sich dich unter die Augen, eine einzelne Träne rann die Wange hinab…
Du hast diese Arme, die sie zum Himmel reckt - und das sagt mir nichts, wie die Rückgabe des Bildes des verlorenen Sohnes auf sie wirkt. Zuerst dachte ich, es wär ihr schnurz, zumal sie es ja kaum sehen kann. Erst im Postludium schreibst du, dass sie es hütet wie ein Heiligtum, aber da ist der bewegende Höhepunkt bereits vorbei. Aber ist nur meine Meinung.
Liebe Grüße


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Lila X
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Kika10
Gänsefüßchen
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K
Beitrag17.03.2022 15:56

von Kika10
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Vielen Dank! Nun verstehe ich - sehr schön hast Du das geschrieben. Da es aber eine wahre Geschichte ist, muß man leider sagen, daß alte Dame - zumal im Nordhessischen - es nicht soooo mit den Gefühlen haben. Der bewegende Moment ist für mich dieser hier:"selbst mit einem Sack voller Gold hätte er ihr kein schöneres Geschenk zum Muttertag kaufen können. "  Aber die Szene mit dem Pflegedienst muß ich unbedingt noch einbauen. Vielen lieben Dank für diese Inspiration!
Liebe Grüße von Kika
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schmurr
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Beiträge: 32
Wohnort: Udine


Beitrag22.03.2022 21:05
Hier noch was vom Rechtschreib-Papst:
von schmurr
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durch´s: durchs (Duden docet)
keinerlein: hätte die Word-Rechtschreibkontrolle anzeigen müssen...
beim gilben, dörren und welken: groß schreiben
Schuppen: Schuppens
Einige Kommafehler, z. B.:
zumute, wie: zumute wie
zu kurz um zu sehen: zu kurz, um zu sehen
Rübelzahl: Rübezahl
stehende: stehender
Gern gelesen!
Ciao,
Martin


_________________
Deutscher in Italien, Autor von lustigen oder tragikomischen Werken: schmurr.webs.com/dpl.htm Ich mag Wandern, wilde Orchideen, Lesen, Katzen und klassische Musik.
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Kika10
Gänsefüßchen
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Beiträge: 21



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Beitrag22.03.2022 21:37

von Kika10
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Vielen Dank!  Die Fehler werde ich gleich ausbessern!
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Gast







Beitrag24.03.2022 12:03

von Gast
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Hallo @kika10 - mir gefällt diese kleine Novelle, auch der etwas aus der Mode gekommene Erzählstil passt dazu. Lediglich die vielen Verschachtelten Sätze komplizieren und unterbrechen den Lesefluss, wie hier:


Zitat:
  Am zweiten Sonntag im Mai des Jahres 2003 spazierte eine Fliege über das gelichtete Haupt eines älteren Herrn der, kunstvoll von seinem Enkel Gerhard gemalt, aus einem Bilderrahmen heraus in die Stube blickte.


Mein Vorschlag:

Am zweiten Sonntag im Mai des Jahres zweitausenddrei spazierte eine Fliege über das kunstvoll von seinem Enkel gemalte Bild eines älteren Herrn, der aus einem Bilderrahmen heraus in die Stube blickte.

Zitat:
Es handelte sich um den vor vielen Jahren verstorbenen Opa Karl, der nach dem Ableben seiner Gattin im Jahre 1952 noch etwa sieben Jahre lang in der Wohnung seiner Tochter Marie, der verwitweten Mutter des begabten jungen Malers, ein- und ausging.
In den frühen Morgenstunden pflegte er mit einer Tüte duftender frischer Schrippen bepackt die Türschelle zu betätigen, Mittags langte er kräftig zu, und abends schien es zuweilen, als hätten böse Hände seine Pantoffeln auf dem Boden festgenagelt,- eine derartige Pein schien es ihm zu bereiten, sich wieder zu entfernen. Nur die Nachtruhe verbrachte er in seiner eigenen Wohnung am Ende einer langen, von malerischem Fachwerk gesäumten Straße.


Mein Vorschlag:
Es handelte sich um den, vor vielen Jahren verstorbenen Opa Karl, der nach dem Ableben seiner Gattin noch etwa sieben Jahre in der Wohnung seiner Tochter Marie, Mutter des begabte, jungen Malers, ein- und ausgegangen war.
In den frühen Morgenstunden pflegte er, mit einer Tüte duftender Schrippen bepackt, die Türklingel zu betätigen. Mittags langte er kräftig zu und abends schien es, als hätten böse Hände seine Pantoffeln auf dem Boden festgenagelt. Nur die Nachtruhe vermochte er in seiner eigenen Wohnung zu verbringen. Sie lag in einer langen, von malerischem Fachwerk gesäumten Straße.


Vielleicht kannst Du mit meinen Vorschlägen ja etwas anfangen. Es sind, wie gesagt, nur Vorschläge ...
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Kika10
Gänsefüßchen
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Beiträge: 21



K
Beitrag24.03.2022 12:12

von Kika10
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Vielen lieben Dank Miss Purpel! Ich bin dabei, die Novelle etwas in die Länge zu bügeln, und werde Deine Vorschläge in Erwägung ziehen.
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Andreas53
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A
Beitrag04.04.2022 21:14

von Andreas53
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Hallo!

Nicht das Genre, das ich gerne lese, aber eins muss ich loswerden: Dein Schreibstil gefällt mir. Originell und angenehm zu lesen.

Grüße

Andreas
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Kika10
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Beitrag23.04.2022 09:40

von Kika10
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Lieber Andreas!
Vielen Dank für die freundlichen Worte.

Ich frage mich selber, was das für ein Genre sein soll - hast Du eine Idee?  Für mein Gefühl handelt es sich um eine Realdoku.  M. Reich-Ranitzky meinte, es gäbe nur zwei Themen über die man schreiben solle - Liebe & Tod - alles andere sei Mumpitz. Dieser Meinung bin ich auch. (Beides kommt in der Novelle in geringer bis mittelgeringer Dosis vor).
Mir selber ist das Genre einerlei - hauptsache schön geschrieben.
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d.frank
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Beitrag23.04.2022 15:24

von d.frank
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Eine Geschichte über Werte, geschickt eingeflochten, ohne Plakate und Werbeaufschriften, dafür mit ganz leiser Ironie, tragisch komisch sozusagen.
Ich mag, dass das neutral bleibt, die Figuren sind dadurch vielleicht weniger plastisch, aber ich meine, um die geht es hier auch gar nicht, sie agieren eher stellvertretend. Das Verschachtelte sprengt manchmal den Rahmen, ich würde aber genau überlegen, wo ich es aufhebe.
Als Beispiel der erste Satz:
Dass die Fliege eben über das gelichtete Haupt spaziert, dass der Herr von einem Bild aus in die Stube schaut, würdest du das auf die reine Info hin einkürzen, würde das Bild, das der Satz malt, zerstört.


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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Andreas53
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Beitrag24.04.2022 12:42

von Andreas53
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Hallo!

Genres sind für Verleger und Buchhändler wichtig. Damit das Buch in die richtige Kategorie einsortiert wird, was für den Verkauferfolg von entscheidender Bedeutung ist. Für den Autor dagegen sind Genres unwichtig.

Zitat aus dem lesenswerten Buch „Der Bestsellercode“, Seite 60:

Unsere gesamte Arbeit spricht dafür, dass Genres in den meisten Fällen nur eine Zwangsjacke sind: Vergessen Sie sie einfach.

Grüße

Andreas
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Kika10
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Beitrag07.05.2022 13:57
Kurzgeschichte in Novelle umgearbeitet
von Kika10
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Hallo Ihr Lieben!

Ich habe die Kurzgeschichte ("Eine bewegende Geschichte") zu einer Novelle ausgebügelt, da mir beim nachschärfen noch so viel eingefallen ist.  (Lesedauer nun zirka 20 Minuten) Es handelt sich um eine wahre Geschichte mit einer Prise dichterischer Freiheit gewürzt.  Nicht einmal die Namen sind geändert.
  Ich weiß noch, wie schrecklich schwer es dem Dichter Walter Kempowsi fiel, seine Frau Hildegard in "Marianne" umzubennen. Da stimmte der Text plötzlich hinten und vorne nicht mehr, und sein letztes, oder vorletztes(?) Buch "Letzte Grüße", klingt ein wenig altersgrämlich und geriet zum Flop.   
    
    Hildegard lag ihm mit ihrer Umbenennung in den Ohren.
   "Das bin ich doch gar nicht!" soll sie maulig gesagt haben.
   Aber auch Robert, der Bruder des Dichters, vermochte sich weder in den Büchern, noch den Filmen so recht wiederzuerkennen.
  
   Ob dies wohl daran liegt, daß wir uns alle nur seitenverkehrt aus dem Spiegel, oder von schlechten Fotos her kennen?

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Jonas
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Beiträge: 2
Wohnort: Dresden


J
Beitrag10.05.2022 16:11
Meins ist es nicht
von Jonas
Antworten mit Zitat

Hallo,

Ich persönlich fand die Sätze zu verschachtelt, zum Beispiel
Es handelte sich um den vor vielen Jahren verstorbenen Opa Karl, der nach dem Ableben seiner Gattin im Jahre 1952 noch etwa sieben Jahre lang in der Wohnung seiner Tochter Marie, der verwitweten Mutter des begabten jungen Malers, ein- und ausging
Diesen Satz musste ich mehrmals lesen, um zu verstehen, das Opa Karl bei seiner Tochter Marie ein und ausging, und der Maler des Bildes der Enkel von Opa Karl ist. Der Einschub, dass die Gattin von Opa Karl bereits sieben Jahre eher, im Jahr 1952, gestorben ist hat mich da eher aus dem Lesefluss herausgebracht.
Generell fand ich, dass die Sätze (zumindest bei mir) keinen wirklichen Lesefluss ermöglicht haben. Ich hätte es besser gefunden, wenn sie die Sprache und Wortwahl behalten hätten, aber stringenter und leichter zu durchdringen gewesen wären. Das hätte für mich ein angenehmeres Leseerlebnis bewirkt und ich hätte mich besser in diese alte, ehrwürdige, teilweise einsame Atmosphäre hineinträumen können.

Nun ist es aber natürlich aber auch Geschmackssache, und man wird es nie jedem Recht machen könnnen. Ich hoffe, dass du diese Kritik nicht persönlich nimmst und stattdessen etwas daraus mitnehmen kannst um deine Texte zu verbessern, oder eben um nichts zu verbessern weil der Stil genau so sein soll. am Ende gibt es bei Geschichten kein absolutes Richtig und Falsch sondern immer nur verschiedene Meinungen, finde ich smile[/i]


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