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Ohnmacht


 
 
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Truetext
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
T


Beiträge: 29



T
Beitrag21.02.2022 16:10
Ohnmacht
von Truetext
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Irreal?

Es war eigentlich ein ganz normaler Tag. Ich hatte den Mantel genommen und hatte mich aufgemacht ein Stück raus zu gehen, denn ich konnte mich schlecht konzentrieren bei der Arbeit. Etwas frische Luft kann nichts schaden, sagte ich mir und war schnell die Treppe runter, aus dem Haus raus, die kleine Straße den Berg rauf und ging dann am Waldrand entlang. Es war etwas neblig, diesig, kein Sonnenschein, aber wenigstens regnete es nicht. Das Gehen tat gut. Ich atmete die frische Luft, betrachtete zu linken, die runzelige Rinde der mächtigen Bäume und zur rechten das Gras der feuchten Wiese.

Mit einemmal blieb ich stehen, denn ich  glaubte eine Stimme gehört zu haben, die etwas zu mir gesagt hatte. Ich horchte, aber alles war still.
Ich war gerade ein paar Meter weiter gegangen, als ich wieder eine leise Stimme hörte, die zu mir sprach. »Du alte Kotz-Sau«, sagte die Stimme, »halt deine Fresse, sonst hau ich dir drauf.«
Ich war platt. Was sollte das? »Wer spricht?«, fragte ich »und warum so unverschämt?«
»Du Drecksau«, sagte die Stimme, »du alte widerliche Drecksau.«
Es war unklar, von woher diese Laute kamen. Fast schien es mir, als kämen sie gar nicht von außen, sondern irgendwie aus meiner Innenwelt.
»Wer bist du, und warum bist du so beleidigend?«, fragte ich.
»Halt die Fresse du Drecksau«, tönte es zurück.
»Hör mal«, sagte ich, »wenn du so weiter machst, dann bin ich es, der dir gleich eine auf die Fresse haut. Ich brauche mir solches Verhalten nicht gefallen lassen.«
»Höhöhhö«, lachte die Stimme. »WO willst du denn hinhauen? Ins Leere? Du wirst mich nicht erwischen, denn ich bin immateriell. Ich bin real, aber trotzdem irreal.
»So«, sagte ich, »du meinst, weil du irreal bist, könnte ich dir nicht auf die Fresse hauen?«
»Genau, du alter Drecksack«, sagte die Stimme sofort.
Ziemlich irritiert ging ich weiter meinen Weg am Waldrand. Wie wurde man eine solche gemeine Drangsalierung los? Ich dachte angestrengt nach.

Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass ich mir das ganze Theater vielleicht einbilden würde. Diese Stimme gab es gar nicht, sondern es war eine Einbildung, die ich selbst generierte, aus irgendwelchen Gründen.
Wie wurde man seine eigene Einbildung los? Irgendwie war ich ganz froh, als ein paar Meter weiter dort am Waldrand ein Knüppel lag, einen guten Meter lang, dick und stabil aus frischem Holz.
Sofort griff ich zu, und als ich den dicken Stock in der Hand hatte, fühlte ich mich unverzüglich sicherer. Fast etwas angriffslustig wartete ich, ob die Stimme sich wieder melden würde. Aber es blieb still und ich setzte meinen Weg fort.

Der Weg am Waldrand machte eine Biegung und dann kam ich an den Platz, wo man bei besserem Wetter einen schönen Ausblick hatte, und wo eine Holzbank zum Ausruhen einlud. »Okay, es ist zwar scheußliches Winterwetter, aber für fünf Minuten werde ich mich auf die Bank setzen können«, dachte ich.

Ich hatte kaum Platz genommen, eine Weile auf die feuchte Wiese mit den perlenden Tautropfen geschaut und dann zum nebligen, dunstigen Horizont geblickt, als sie plötzlich wieder zu hören war:
»Na, du alte Drecksau, machst du jetzt schlapp und bist jetzt auch noch eine faule Sau?«
»Halt die Fresse«, sagte ich, und meine Hand umspannte den Knüppel.
»Du ekelhafter, kleiner, widerspenstiger Wixer«, sagte die Stimme in diesem Augenblick, »du wirst mich niemals auf die Fresse hauen, denn dazu bist du zu feige. Und erwischen wirst du mich schon gar nicht, denn ich bin irreal.
Ich bin dir immer einen Schritt voraus und so mächtig, dass ich dich nach belieben ärgern kann. Du willst mich auf die Fresse hauen, aber ich bin es«, sagte Stimme, »die dich manipuliert, die dich quält, gerne quält, die dich in Angst versetzt, die dich zu einem Objekt macht, die mit dir umspringt, wie immer es mir gefällt. Ja, die dich umbringt, wenn es mir passt.«

Irgendwie, fand ich, war jetzt die Grenze zu jeder Art menschlichen Verhaltensweise überschritten.
»Nein, das war kein irgendwie akzetables Verhalten mehr«, dachte ich,  »das ist mehr, als einem zugemutet werden kann.
Weißt du, was ich tun werde«, wandte ich mich an die Stimme.
»Nur zu, du Unbeugsamer«, antwortete die Stimme.
»Ich bin eigentlich gegen Gewalt«, sagte ich, »zumindest Gewalt gegen Menschen. Aber du bist kein Mensch, du bist die Inkarnation des Bösen. Irgendwer, irgendwas oder irgendwie ist dir die Macht gegeben, mich zu quälen, zu foltern, meinen Willen zu brechen, mich in Angst zu versetzen - ja, eigentlich einer zerstörerischen Angst auszusetzen.«
»Höhöhö«, lachte die Stimme wieder, »genau so ist es. Und jetzt werde ich dir befehlen, was du tun sollst. Lass dich registrieren und füge dich. Du sollst fortan mein sein. Ab jetzt bist du mein Objekt und nicht mehr frei.
Ich werde dich zwingen, so zu handeln, wie ich es möchte. Ich werde dir auferlegen, was ich mir vorstelle. Es wird so laufen, wie ich es für richtig halte. Ich bin die Allmacht, denn ich bin irreal und eine Stimme, der du nicht widersprechen kannst.
Ich bin deine Angst und deine Existenz untersteht meiner Disposition.
Ich beherrsche dich ganz. Du kannst dich nicht wehren. Dein Leben gehorcht fortan meinem Design. Ganz und vollständig.«
Ich war fassungslos, doch bei den letzten Sätzen der Stimme hatte sich ihr Tonfall verändert. Er war heller geworden und deutlicher zu verstehen. Und dies geschah genau in dem Augenblick, als ich meinen Mantelkragen hochgeschlagen hatte. Jetzt kam mir eine jähe Erkenntnis und ab jetzt ging alles sehr schnell. »Es ist dieses neue Ding«, dachte ich und griff in die Innentasche meines Mantels, aus dem ich mein nagelneues Smartphone hervorzog.

»Nein, das kannst du nicht machen, ich habe über fünfhundert Euro gekostet«, tönte es jetzt klar, deutlich und ängstlich aus dem Telefon.
Im nächsten Augenblick schon war ich aufgesprungen, das Smartphone lag hilflos vor mir auf der glatten hölzernen Sitzfläche der Bank. Das Display zeigte eine hässliche Fratze mit Tentakeln, die mich wütend, überheblich und grinsend anstarrte. Dann aber folgte ein gewaltiges Ausholen und ein riesiger, armdicker Holzknüppel aus reinster Natur sauste mit voller Wucht herunter auf das Zentrum der irrealen Macht und zertrümmerte es. Mit einem lauten Krach - eher einem Knall -, Klirren und Knirschen verwandelte er das Zentrum digitaler Kontrolle in ein paar lächerliche Scherben. – Was für eine Anmaßung –.

Ich glaube, ich habe im meinem Leben noch nie so kraftvoll, beherzt, voller geballter Energie, siegessicher, mit Erleichterung und tief erfüllt zugeschlagen.
»Fahr zur Hölle«, sagte ich, »irreal«, dachte ich.



_________________
Entschuldigung für die Strapazen
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Murnockerl
Geschlecht:weiblichEselsohr
M


Beiträge: 340



M
Beitrag11.03.2022 22:04

von Murnockerl
Antworten mit Zitat

Hallo smile

Ich finde die Ausdrucksweise der Sprechenden sehr vulgär und nehme dem Erzähler nicht ganz ab, einer körperlosen Stimme, die ihm mit Unterdrückung, Folter und Ermordung droht, schlicht und einfach auf die Fresse hauen zu wollen. Wäre da nicht ein bisschen Panik oder zumindest Gruseln angebracht? Laughing

Ich frage mich auch, warum die Entität im Smartphone so offensiv vorgeht, obwohl der Erzähler ja offenbar noch *nicht* von ihr abhängig ist - so wenig, dass er sogar sein teures Handy ohne Zögern gern zerstört. Sollte sie ihn da nicht erst ein wenig um den Finger wickeln und so manipulieren wollen?

Mir ist klar, dass ich die Handlung vielleicht ernster nehme, als sie gedacht war, aber das waren soweit meine Gedanken beim Lesen.

Ansonsten flüssig zu lesen smile

GLG
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