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Die Baurbeiter (eine kurze Anekdote aus meinem Leben)

 
 
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femme-fatale233
Geschlecht:weiblichFüßchen

Alter: 31
Beiträge: 1913
Wohnort: München
Das Bronzene Pfand


Beitrag05.08.2008 22:18
Die Baurbeiter (eine kurze Anekdote aus meinem Leben)
von femme-fatale233
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

ACHTUNG: Es könnte sein, dass dieser Beitrag Ironie enthält^^

Die Bauarbeiter
In der Straße, in der ich wohne, gibt es eine Baustelle. Im Wesentlichen ist sie wie jede andere Baustelle auch: Eine Spielplatz für die kleinen, die das Schild „Eltern haften für ihre Kinder“ nicht lesen können und deshalb auch nicht weiter beachten, ein Arbeitsplatz für schwarzarbeitenden Männer aus den Ostblockländern und eine Lärmproduzent für die ansässigen Bewohner. Doch eins unterscheidet diese Baustelle erheblich von den normalen Baustellen: Ihre Bauarbeiter. Natürlich tragen auch hier die Bauarbeiter Schutzhelme, natürlich  stellen sie ihre verschwitzen, nackten Oberkörper zur Schau und natürlich machen die Bauarbeiter auch hier öfter mal Kaffeepause als nötig. Doch sie sind trotzdem anders. Wie ich so neulich an der Baustelle vorbeischlenderte, viel mir eins auf: Die Bauarbeiter dieser Baustelle pfeifen nicht. Ich bin weder so fett noch so Gesichtsdeformiert, dass man mir nicht nachpfeifen könnte, im Gegenteil, die meisten Leute machen mir sogar eher noch Komplimente wegen meines Aussehens.
Der geneigte Leser wird vermutlich denken, dass es wohl sowieso weniger interessiert, ob ein Bauarbeiter einem jungen Mädchen nun hinterher pfeift oder nicht. Im Gegenteil, die meisten Damen, die mit einem flotten Pfiff und einem schelmischen Grinsen bedacht werden, empört dies sogar eher. Ausdrück wie „So ein notgeiles Schwein“ oder „Das ist ja unerhört“ fallen hierbei öfters. Doch genau diese Spezies von Frauen ist es, die sich als erstes aufregt, wenn ein Bauarbeiter einem nicht nachpfeift. Diese „unverschämte“ Sitte, offenbart nämlich eigentlich nur die Anerkennung der Gestalt einer Frau, d.h. das Pfeifen will eigentlich nur sagen „Wahnsinn sieht die sexy aus!“. Bleibt jedoch dieses versteckte Kompliment aus, so wird sich die nicht mit einem Pfiff bedachte Person sofort fragen: „Sehe ich etwa so furchtbar aus? Bin ich so sehr gealtert? Bin ich so hässlich, dass mir nicht einmal mehr die Bauarbeiter nachpfeifen?“ Diese Frage stellt das weibliche Gehirn automatisch und jeder Versuch, sie bei Seite zu schieben, endet zwangsläufig darin, die wildesten Theorien aufzustellen, warum einem nicht hinterher gepfiffen wurde, oder in dem Versuch, sich selbst durch Gedanken „Ach, du siehst einfach nur ein bisschen müde aus“ zu beschwichtigen.
Da auch ich mich zur Damenwelt zählen darf und ein Freund von Verschwörungstheorien bin, versuchte ich eine Lösung für dieses Rätsel zu finden. Hier ein Paar meiner anfänglichen Überlegungen:
Die Bauarbeiter sind vom Bauschutt so sehgeschädigt, dass sie es gar nicht wahrnehmen, wenn eine schöne Frau vorbei geht.
Es gibt eine Verordnung laut der Bauarbeiter nicht mehr ahnungslosen Passanten hinterher pfeifen dürfen.
Es hat sich bis zu den Bauarbeiter rumgesprochen, dass pfeifen Unglück beschert, also lässt man es.
….
Nachdem ich also über meine verschiedenen absurden Theorien nachgedacht hatte und mich mit keiner richtig anfreunden konnte, versuchte ich auf andere Weise herauszufinden, warum die Bauarbeiter unserer Baustelle nicht pfeifen wollten. Hierzu ließ ich einige grazile Freundinnen von mir die Baustelle entlang schwadronieren und lief zu Letzt selbst an ihr vorbei. Bei keinem der Mädchen noch bei mir war irgendeine Art des Pfeifens zu vernehmen. Also beschloss ich meine Taktik ein wenig zu ändern: Ich ging abermals am Zaun der Baustelle entlang, diesmal allerdings selber laut pfeifend, um die nötige Aufmerksamkeit zu erregen. Einige der Arbeiter sahen kurz hoch, doch hinterher pfiffen sie mir auch dieses Mal nicht. Ich stand vor einer Sackgasse.
Dachte ich. Einige Tage später sollte ich durch einen Zufall die Wahrheit über unsere Bauarbeiter erfahren: Ich saß an meinem Fenster und starrte hinunter zur Baustelle, als ein Mädchen vorbei lief. Sie war kaum älter als ich, doch wesentlich beleibter und ihr Gesicht war bemalt wie das eines Karnevalsclowns. Sie schien das für vollkommen normal zu halten, denn sie stakste selbstbewusst auf ihren Stöckelpumps die Straße entlang. Als sie bei der Baustelle ankam, pfiff doch tatsächlich einer der Männer und die anderen jubelten und klatschten. Das war der Moment, in dem ich wusste, dass sich die Zeiten geändert hatten: Jahrzehnte lang hatten Bauarbeiter hübschen jungen Frauen mit schlanken Figuren und nettem Lächeln nachgepfiffen, inzwischen jedoch pfiffen sie nur noch bei den Hässlichen, um sich über sie lustig zu machen oder zu verspotten. Es war quasi eine Bauarbeiter-Ironie. Man pfiff plötzlich um zu zeigen „Oh Gott bist du hässlich“, obwohl die Bepfiffene glaubt, es wäre ihrer Schönheit wegen geschehen. Dies war eine neue Form der Beleidigung, denn die Beleidigte kam nicht zu Schaden – im Gegenteil, sie glaubt ja noch es mit einem versteckten Kompliment zu tun zu haben – und die Bauarbeiter hatten ihren Spaß daran durch Pfiffe, Blicke und Klatschen ihre Abneigung gegen eine Person auszudrücken. Ein Pfiff sagte anscheinend manchmal mehr als tausend Worte.

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Olifant
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 417
Wohnort: München


Beitrag11.08.2008 15:20

von Olifant
Antworten mit Zitat

Hallo femme-fatale223,

ich habe Deinen Beitrag nun ein paar Mal angeschaut und mich fasziniert gefragt, wann wohl die erste Reaktion erfolgt und vor allem, wie diese aussieht.

Du schreibst zwar, dass Dein Beitrag Ironie enthalten könnte, aber schon beim ersten Lesen habe ich vermutet, dass Du trotz humoriger Absichten in ein Fettnäpfchen getreten sein könntest. Politisch nicht ganz korrekt, würde man es heute nennen.


Ich fange mal von vorne an:
Den Anfang Deines Textes finde ich ausgezeichnet. Ein paar kleinere Korrekturen hier und da, und ich hätte den Text gelesen, auch wenn es 200 Seiten gewesen wären.
femme-fatale233 hat Folgendes geschrieben:
…und eine Lärmproduzent für die ansässigen Bewohner…. (Hätte ich vielleicht noch ein wenig spritziger formuliert, auch wenn die Formulierung schon ein bisschen abgegriffen ist: „und ein sprudelnder Quell des Ärgernisses für die lärmgeplagten Anwohner.“)

… und natürlich machen die Bauarbeiter auch hier öfter mal Kaffeepause, als nötig. Doch sie sind trotzdem anders. Wie ich so neulich an der Baustelle vorbeischlenderte, fiel mir eins auf: die Bauarbeiter dieser Baustelle pfeifen nicht.

Diese Frage stellt das weibliche Gehirn automatisch und jeder Versuch, sie bei Seite (“beiseite“ sieht besser aus.) zu schieben, endet zwangsläufig darin, die wildesten Theorien aufzustellen, warum einem nicht hinterher gepfiffen wurde, oder in dem Versuch, sich selbst durch den Gedanken „Ach, du siehst einfach nur ein bisschen müde aus“ zu beschwichtigen. (Den Satz empfinde ich aufgrund seiner Verschachtelung als ein bisschen zu lang. Vielleicht kannst Du ihn irgendwie teilen oder umformulieren.)



Wie schon gesagt: gut geschrieben, lebendig und sogar witzig.
Bis zum Abschnitt, wo die Protagonistin die schlecht geschminkte, etwas zu üppig geratene Frau beim Passieren der Baustelle beobachtet.
femme-fatale233 hat Folgendes geschrieben:
Jahrzehnte lang hatten Bauarbeiter hübschen jungen Frauen mit schlanken Figuren und nettem Lächeln nachgepfiffen, inzwischen jedoch pfiffen sie nur noch bei den Hässlichen, um sich über sie lustig zu machen oder zu verspotten. Es war quasi eine Bauarbeiter-Ironie. (Das ist weder witzig, noch ist es in irgendeiner Form ironisch. Das ist einfach nur eine miese Tour, gelinde gesagt. Durchschaut der Angesprochene das Verhalten, wirkt der Pfiff geradezu verletzend. Das Verhalten der Bauarbeiter wäre also im besten Fall sarkastisch oder zynisch.)

Man pfiff plötzlich, um zu zeigen „Oh Gott bist du hässlich“, obwohl die Bepfiffene glaubt, es wäre ihrer Schönheit wegen geschehen. Dies war eine neue Form der Beleidigung… (Genau das ist es. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Beleidigung bleibt Beleidigung. Es hinter dem Rücken eines „Opfers“ zu tun, macht die Sache nicht die Bohne besser!)

…und die Bauarbeiter hatten ihren Spaß daran durch Pfiffe, Blicke und Klatschen ihre Abneigung gegen eine Person auszudrücken. (Würden sie das tatsächlich tun? Gerade Bauarbeitern würde man es zutrauen, ganz direkt ihre Abneigung kundzutun. Dass sie das Pfeifen sozusagen als Code für „Mensch, bist Du hässlich!“ verwenden, ist ziemlich weit hergeholt.)



Das Problem an Deinem Text ist, dass man als Leser Gefahr läuft, Dir höchstpersönlich dieses neue Bauarbeiterverhalten auf Grundschulniveau zu unterstellen.

Mir ging und geht es irgendwie genauso, auch wenn mir bewusst ist, dass ich damit ggfs. einem Vorurteil erlegen bin.
In meinem Kopf herrscht ganz unwillkürlich das Bild vor, dass Du eine jener superhübschen, superreichen, arroganten Schulcliquenzicken bist, die nichts lieber tun, als Mitschülern das Leben schwer zu machen, die nicht diesem „Idealbild“ entsprechen.
Das muss natürlich keinesfalls so sein, das Bild ist beim Lesen trotzdem entstanden.

Ironie ganz allgemein ist meines Erachtens etwas Anderes; eine Art intelligentes Stilmittel, das bestimmte Reaktionen aus dem Angesprochenen herauskitzeln möchte. Daher eignen sich Bauarbeiter – auch wenn ich mich nun selbst in ein Klischee-Fettnäpfchen begebe - als Anwender von Ironie eher nur bedingt, gelten sie doch nicht unbedingt als Kopfarbeiter.

Alles in Allem: Sprachlich sehr gut geschrieben. Der erste Teil ist witzig, beinahe selbstkritisch und hätte ohne weiteres einer jener Vorabendsendungen entsprungen sein können, die Frauen zu Kultsendungen stilisieren, und die kein echter Mann jemals gesehen haben will. Den Teil mit der Bauarbeiterironie kriegst Du aber sicher besser hin, denke ich. Der macht momentan den ganzen Charme des Anfangs zunichte.

Bin gespannt auf Deine Antwort oder auf andere Reaktionen, hoffend, dass ich Dich nicht zu sehr vor den Kopf gestoßen habe.


_________________
Liebe Grüße,

Olifant
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