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Henkersmond


 
 
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Nachtvogel
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 32
Beiträge: 117
Wohnort: Münster


Beitrag02.01.2022 20:39
Henkersmond
von Nachtvogel
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Nach sieben Wochen im Forum poste ich dann hier auch mal meinen Einstand. Ich freue mich über Feedback!

Henkersmond


Vor einer Henkersnacht war Ma immer viel unruhiger als sonst. Sie hastete durch das Haus, von einer Ecke zur anderen, und erteilte Jo Aufgabe um Aufgabe.
„Hast du die Vorhänge schon überprüft, Jonah?“, wollte sie wissen, als sie mal wieder den Kopf in die Schlafkammer steckte, in der Jo zusammen mit dem Hund Tammy auf dem Boden saß. Sämtliche der extradicken Vorhänge des Hauses lagen vor den beiden ausgebreitet. Tammys Kopf hatte es sich auf einem Teil davon gemütlich gemacht und er stieß im Schlaf einige wohlige Grunzlaute aus.
„Ja“, sagte Jo. „Keine Löcher, aber der eine franst da unten schon aus.“
Er hielt das Ende des Vorhangs, den er sich gerade angesehen hatte, in die Höhe. Besorgt kam Ma herbei und begutachtete es. Sie konnte ihre Nervosität nicht verbergen und Jo wünschte sich, er hätte das mit dem ausgefransten Ende gar nicht erst gesagt.
„Näh einen großen Flicken drüber“, sagte sie und schob Jo die Kiste mit den alten Lumpen rüber. „Wir haben nur noch drei Stunden.“
Jo verdrehte die Augen – er hätte es besser wissen müssen, denn so etwas entging seiner Mutter nie.
„Ich habe dir tausend Mal gesagt, dass du in einer Henkersnacht nie – NIE – zu vorsichtig sein kannst!“
Jo schnappte nach Luft. „Du verrätst mir ja noch nicht mal, was an Henkersnächten so schlimm ist!“
„Weil ein neunjähriges Kind so etwas noch nicht wissen sollte“, entgegnete Ma streng und schritt aus dem Raum.
Jos Herz pochte und seine Hände zitterten, als er nach Nadel und Zwirn griff. Er konnte nicht sagen, ob das an seiner Wut über Ma oder an seiner Aufregung lag. Denn heute Nacht war es endlich so weit: Er würde endlich erfahren, was es mit der Henkersnacht auf sich hatte. Er musste nur den richtigen Moment abpassen, um sich vom Hof wegzuschleichen.

Eine Stunde später hingen alle Vorhänge an den Fenstern.
„Und jetzt blas die Kerzen aus“, sagte Ma, nachdem sie auch den letzten Vorhang zugezogen hatte. Jo tat, wie ihm geheißen, und es wurde stockfinster im Raum. Tammy wuffte überrascht.
Jo tastete sich durch die Räume und inspizierte alle Ecken – kein einziger Lichtschein drang ins Haus. Auch Ma schien mit dem Ergebnis zufrieden, denn schon kurze Zeit später zog sie die Vorhänge wieder auseinander und ließ das Tageslicht hinein.
„Gut, dass du die Flicken noch angenäht hast“, sagte sie zu Jo. Aus ihrer Stimme war die Unruhe der vergangenen Stunden verschwunden. Jo aber war sich sicher, dass ein paar Flicken mehr oder weniger keinen Unterschied machten.
„Ich gehe noch mit Tammy raus“, sagte er und rannte zur Tür, um sich seine Stiefel anzuziehen. Besorgt sah Ma aus dem Fenster. Jo ahnte, dass sie den Wächtermond betrachtete, der um diese Zeit schon am Himmel stehen musste.
„Es sind noch zwei Stunden“, versuchte er seine Mutter zu beruhigen. „Mindestens.“
„Komm wieder, sobald das Horn das erste Mal geblasen wird“, sagte sie. Es war unnötig, dass sie das sagte, denn wie jedes Kind im Dorf wusste Jo, dass nach dem ersten Hornblasen nur noch eine Stunde bis Sonnenuntergang blieb und man sich dann besser beeilte, wenn man keinen Ärger mit den Eltern wollte.
„Mache ich“, sagte Jo und schaute schnell weg. Wenn er log, zuckten seine Augenlider immer, und Ma wusste das. Rasch stürmte er aus dem Haus, Tammy im Schlepptau.

„Warum hast du den Hund dabei?“, fragte Ben, als Jo völlig aus der Puste in der Scheune ankam. Vom Hof seiner Eltern zu der Scheune, wo er sich mit Ben und Alrik traf, waren es zwei Meilen, und Jo war fast den ganzen Weg gerannt. Schwer atmend setzte er sich seinen beiden Freunden gegenüber auf einen Strohballen. Ben starrte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, immer noch auf eine Antwort wartend.
„Weil … weil Ma meinte, er soll noch mal raus, und ich hatte keine Zeit mehr, ihn zurückzubringen“, sagte Jo. Seine Augenlider zuckten. Den wahren Grund – dass er sich ohne Tammy nicht traute – konnte er seinen Freunden unmöglich verraten. Eigentlich war das ja auch gar nicht so – Tammy war nur eine Sicherheitsmaßnahme.
Alrik stand auf und lief zum Scheuneneingang, um den Himmel zu betrachten.
„Du hast dir ganz schön Zeit gelassen“, meinte er und gab sich betont lässig. „Wir haben schon gedacht, du traust dich doch nicht.“
„Natürlich traue ich mich!“, entgegnete Jo plump. Er schaute dabei Tammy an und erhoffte sich Bestätigung, aber dieser schnüffelte nur gelangweilt an dem abgebissenen Apfel, den Alrik an seinem Platz zurückgelassen hatte.
„Der Henkersmond geht gleich auf“, sagte Alrik. Der Henkersmond ging immer kurz nach dem Wächtermond auf, aber solange die Sonne noch nicht untergegangen war, würde sie den Henkersmond überstrahlen, und sie hatten noch Zeit.
„Hast du aufgepasst, dass meine Eltern dich nicht sehen?“, fragte Alrik und setzte sich zurück auf seinen Strohballen. Den von Tammy beschnupperten Apfel schob er mit hochgezogenen Augenbrauen von sich weg.
„Klar hab ich das“, gab Jo zurück. „Mich hat keiner gesehen.“
Die drei Jungen hatten ihr Vorgehen tagelang geplant. Die Scheune war genau der richtige Treffpunkt, denn sie war nah genug an Alriks Haus und gleichzeitig so weit weg von Jos Haus, dass seine Eltern in der Zeit zwischen dem ersten Horn und dem Sonnenuntergang sicherlich nicht bis hierher kommen würden, um ihn zu finden. Jetzt mussten sie nur noch aufpassen, dass Alriks Eltern ihn bis Sonnenuntergang nicht sahen, denn sonst würden sie ihn zu sich nach Hause mitnehmen. Kein Erwachsener würde ein Kind, das mehrere Meilen von zu Hause weg war, nach dem ersten Horn noch zurück nach Hause laufen lassen.
Der Plan war, dass Jo am nächsten Morgen direkt bei Sonnenaufgang an Alriks Tür klopfen sollte, um ihm zu beweisen, dass er wirklich die Nacht über draußen gewesen war und sich nicht etwa in irgendeiner Hütte verkrochen hatte. Und dann würde er alle gesammelten Lochsteine von Ben und Alrik als Belohnung bekommen. Mit den flachen, jeweils mit einem runden Loch versehenen Steinen, die man nur nach stundenlanger Suche am Flussbett finden konnte, würde er im Wettbewerb mit den anderen Kindern eine echte Chance haben, mal im Steinewürfeln zu gewinnen. Vielleicht würde er sogar Naila besiegen können, und die hatte immerhin die größte Lochsteinsammlung des gesamten Dorfes.
„Was meinst du, was passieren wird?“, fragte Ben. „In der Nacht, meine ich.“
Jo schluckte. An den nächsten Morgen und seine Belohnung zu denken war einfach, aber die kommende Nacht war in seinen Gedanken ein einziges schwarzes Loch. Er wusste lediglich, dass er sich morgen eine Tracht Prügel von seinem Vater einfangen würde. Dass er letztes Jahr die Hasen des Nachbarn geklaut und im Wald ausgesetzt hatte, war nur ein dummer Jungenstreich im Vergleich zu dem, was er heute vorhatte.
„Naila sagt, dass in einer Henkersnacht die Toten aus ihren Gräbern kommen“, sagte Alrik. „Sie ermorden alle, die dann noch draußen rumlaufen.“
„Naila weiß gar nichts“, sagte Jo und kassierte sich einen wütenden Blick von Alrik dafür ein, wie er über dessen Schwester sprach. „Sie ist noch zu jung, als dass die Erwachsenen ihr schon die Wahrheit erzählt hätten.“
„Und sowieso“, pflichtete Ben ihm bei. „Wenn es die Toten wären, dann würden sie doch in die Häuser einbrechen. Die Häuser werden gar nicht richtig geschützt – das Einzige, was wichtig ist, ist, dass kein Licht reinkommt.“ Er setzte eine nachdenkliche Miene auf. „Ich glaube, das Henkerslicht verbrennt einen. Pass auf, dass du immer im Schatten bist, sonst wirst du geröstet.“
Ben gab ein Geräusch von sich, das wohl wie ein lässiges Lachen klingen sollte, jedoch in einem kläglichen Japsen endete. Seine Theorie aber machte Sinn. Ben musste es von den dreien am besten wissen, denn seine Mutter war vor einigen Jahren in einer Henkersnacht gestorben, weil sie es nicht rechtzeitig nach Hause geschafft hatte. Bens Vermutung erklärte auch, warum nur einmal im Monat Henkersnacht war, obwohl der Henkersmond jede Nacht am Himmel zu sehen war. Henkersnacht war immer nur dann, wenn der Henkersmond voll war und der Wächtermond nur eine Sichel. Der Wächtermond, der im Vergleich viel größer war, hatte dann nicht die Kraft, den Henkersmond zu überstrahlen.
Langsam wurde Jo mulmig im Bauch und er fragte sich, warum er sich auf die Mutprobe überhaupt eingelassen hatte. War es schon zu spät, um noch darum zu bitten, bei Alrik übernachten zu können?
Der dröhnende Ruf des Horns unterbrach Jos Gedanken. Ben und Alrik sprangen auf.
„Denk dran, vorm dritten Horn an die Kastanie zu kommen, damit ich dich sehen kann“, sagte Alrik hastig. „Die Scheune zählt nicht.“
Jo nickte nervös, während Ben und Alrik aus der Scheune rannten, auf dem Weg ins sichere Heim. Jo wurde schlecht.

Beim dritten Hornblasen trat Jo aus der Scheune. Die Abenddämmerung war schon weit fortgeschritten und die gesamte Landschaft in ein seltsames Rot getaucht. Jo war überrascht über die Intensität des Henkersmondscheins. Die Sonne schaffte es nun kaum noch, ihn zu überstrahlen, und das weiße Licht der dünnen Wächtermondsichel wirkte im Vergleich wie eine sterbende Flamme. Kalte Schweißperlen liefen Jo den Rücken hinunter.
„Komm, Tammy!“, rief er zurück in die Scheune, und Tammy folgte ihm widerwillig. Auch der Hund wusste, dass man zu dieser Zeit besser nicht mehr draußen sein sollte.
Jo rannte mit Tammy zu der Kastanie, auf die Alrik von seiner Schlafkammer aus einen guten Blick hatte, und winkte herüber zu Alriks Fenster. Mit zugekniffenen Augen und etwas Anstrengung konnte er erkennen, dass die Fensterläden einen Spalt weit geöffnet waren.
Jo kletterte hoch auf den Baum. Entweder, das Böse war nur auf der Erde unterwegs – dann würde Tammy dafür sorgen, dass es nicht hoch zu ihm auf die Kastanie kam – oder es kam aus der Luft, aber dann konnte Jo noch schnell vom Baum herunterspringen. Jetzt, wo Jo sich im Laubdickicht verkroch und seine Arme fest um den dicken Ast schloss, auf dem er saß, war er sich aber nicht mehr so sicher, ob Tammy ihn wirklich beschützen konnte. Der Hund sah vorwurfsvoll zu ihm hoch.
Einige Minuten lang war es ganz still. Jo beobachtete, wie die Sonne mehr und mehr hinter dem Horizont verschwand. Er war froh, dass Ben und Alrik jetzt nicht sehen konnte, wie er zitterte. Was würde ihm blühen, wenn die Sonne ganz verschwunden war? Einmal hatte er gesehen, wie eine Katze eine Maus getötet hatte. Erst sah es aus wie ein lustiges Spiel, aber dann hatte die Katze die Maus brutal mit ihren Krallen aufgeschlitzt. Was, wenn heute Nacht Monster aus dem Boden krochen und ihn genauso blutrünstig aufschlitzten? Fest schlang er sich um den Ast, hielt die Luft an und gab sich alle Mühe, im Geäst nicht aufzufallen.
Während die Sonne gänzlich hinter dem Horizont verschwand, gab Tammy ein leises Wimmern von sich.
„Bleib ruhig!“, zischte Jo ihm zu. Und dann hörte er es. Zuerst war es nur ein kaum auszumachender Laut in der Ferne, aber er kam näher und näher.
„Jonah!“, rief die Stimme, und dann noch einmal: „Jonah!“
Jo erschrak, als er erkannte, dass es die Stimme seiner Mutter war. Kurz darauf konnte er sie in der Ferne ausmachen – sie kam fieberhaft auf ihn zugerannt. Jo vernahm die Panik in ihrer Stimme und bekam plötzlich fürchterliche Gewissensbisse. Dass er selbst die Nacht über draußen blieb, war seine eigene Entscheidung, aber seine Mutter war nur hier, weil sie ihn suchte.
„Ma!“, schrie er. „Lauf in die Scheune, ich bin hier sicher!“
Ma schien ihn nicht zu hören, denn sie rannte weiter in seine Richtung und wandte ihren Kopf auf der Suche nach ihrem Kind panisch in alle Richtungen. „Jonah!“, rief sie noch einmal, als sie so nah war, dass Jo ihren furchterfüllten Blick erkennen konnte.
„Ma!“, rief Jonah, „lauf in die Scheune, sie ist ganz nah!“
Ma schaute hoch in die Baumkrone und entdeckte Jonah. Erleichterung machte sich in ihrem Gesicht breit und auch Jo war froh, dass sie ihn gefunden hatte. Jetzt, wo Ma da war, würde alles gut werden. Niemand von ihnen würde von Monstern gefressen werden.
Dann sah Ma an Jonah vorbei, direkt in die Richtung, in der der Henkersmond jetzt stehen musste. Ihre Augen weiteten sich, sie schnappte laut nach Luft und ihre Wangen blähten sich auf. Jo erkannte, dass sie die Luft anhielt. Warum tat sie das? Roch sie da unten etwas Unangenehmes, was Jo oben auf dem Baum nicht ausmachen konnte?
Ma trat langsam näher an den Baum heran, ihren Blick fest auf Jonah gerichtet. Tammy blickte vorsichtig auf, als Ma an ihm vorbeilief, wagte es aber nicht, sie zur Begrüßung anzubellen, wie er es sonst getan hätte.
„Ma, komm hoch zu mir auf den Baum, hier ist noch Platz“, sagte Jo. „Versuch, dich im Schatten zu halten.“
Ma umfasste den Baumstamm, setzte ihren Fuß auf den unteren großen Ast und zog sich hoch. Irgendetwas an ihr war unheimlich – sie fixierte Jo ununterbrochen mit großen Augen, in ihrem Gesicht zeigte sich keinerlei Regung. Scheinbar ohne Anstrengung kletterte sie hoch zu Jo und setzte sich neben ihn.
„Wenn wir hier oben bleiben, bis die Sonne aufgeht, dann passiert uns nichts“, sagte Jo.
Ma antwortete nicht. Sie sah ihn nur an, mit einem liebevollen und zugleich traurigen Blick, und noch immer atmete sie nicht. Jo verspürte plötzlich das Bedürfnis, die Luft gemeinsam mit ihr anzuhalten, so wie er auch immer gähnen musste, wenn Ma gähnte. Aber obwohl er die Luft länger anhalten konnte als Ben und Alrik, glaubte er nicht, dass er es so lange wie Ma schaffen würde.
Die Schatten, die das Henkersmondlicht warf, krochen langsam über den Boden. Im rötlichen Mondschein erkannte Jo Schweißperlen auf Mas Stirn. Mas Augen weiteten sich immer mehr und ihre Haut lief blau an.
„Atme doch endlich!“, rief Jo wütend, fasste Ma an die Schultern und schüttelte sie, so fest er konnte. Aber Ma schaute ihn nur an aus traurigen blauen Augen. Und dann wurde ihr Blick ganz glasig und sie zuckte einmal und sackte in sich zusammen. Und Jo wusste, dass sie tot war.

~ ~ ~

Als die ersten Sonnenstrahlen sich ihren Weg durch die dichte Baumkrone bahnten, richtete Jo sich auf. Die harte Rinde drückte sich gegen seine Beine, sein Rücken schmerzte. Ein Blick nach unten zeigte ihm, dass Tammy noch immer am Baumstamm Wache hielt. Langsam streckte Jo seine Glieder, sorgsam darauf bedacht, nicht von dem dicken Ast zu fallen. Der leblose Körper seiner Mutter war noch immer neben ihm, aber Jo vermied es, in seine Richtung zu schauen. Er griff in seine Hosentaschen – in seiner rechten fand er fünf Lochsteine, in seiner linken waren zwei weitere. Jo nahm alle Lochsteine in eine Hand und ballte sie zur Faust. Mit der anderen Hand tastete er nach Mas rechter Hand. Ihre Finger ließen sich nur schwer auseinanderziehen. Jo legte ihr seine gesamte Lochsteinsammlung in die Hand und schloss all ihre Finger wieder einzeln.
Er wagte einen Blick hinüber zu Alriks Haus. Die Fensterläden waren fest verschlossen. Jo atmete einmal tief ein, dann sprang er auf den Boden und ging gemeinsam mit Tammy langsam in den Wald hinein. Zu Alriks Haus schaute er nicht mehr zurück.

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silke-k-weiler
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 49
Beiträge: 750

Das goldene Schiff Der goldene Eisbecher mit Sahne


Beitrag03.01.2022 13:53

von silke-k-weiler
Antworten mit Zitat

Hallo Nachtvogel,

schön, dass Du Dich für einen Einstand entschieden hast. Hier mein persönlicher Eindruck: Die Kurzgeschichte habe ich insgesamt gern gelesen, sie ist flüssig geschrieben und hat schon so ziemlich den Endschliff, finde ich, wobei ich manchmal den Eindruck hatte, eine Ecke und Kante mehr würde ihr guttun.
Ein paar Kinder treffen sich in einer gruseligen Nacht, die man eigentlich in der vier Wänden verbringen sollte, zu einer Mutprobe. Die Ausgangssituation bietet zwar nichts Neues, dafür aber immer wieder Raum für eine gute Geschichte. Unheimlich fand ich den Ansatz mit dem Licht (die Vorhänge, "Ich glaube, das Henkerslicht verbrennt einen" ...) und war dann echt gespannt, was in dieser Henkersnacht passiert. Gut gefallen haben mir auch die diffusen Weltandeutungen mit den beiden Monden und den Lochsteinen.

Das Ende hat mich leider enttäuscht. Auch wenn Du die Geschichte als "Horror" markiert hast, hatte ich nicht zwingend erwartet, dass eine Figur unter Qualen gehäutet wird oder in irgendeinem Es-mäßigen Totenlicht verbrutzelt, aber dass die Mutter "nur die Luft anhält" (übrigens hatte ich damit gerechnet, dass sie sich auf die Suche begeben und nicht heil aus der Sache rauskommen wird), war mir doch zu wenig. Warum tut sie das? Bringt das Licht oder eine Kraft sie dazu? (Unwahrscheinlich, sich durch Luftanhalten selbst zu ersticken, geht schließlich nicht.) Da versickert die Geschichte für mich.

Fazit: Am Ende würde ich noch arbeiten, da fehlt mir etwas, sonst eine solide Sache, die ich mit großem Interesse gelesen habe.

Kleinkram:

Nachtvogel hat Folgendes geschrieben:
Ben starrte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an


Tut er zweimal. Es sprang mir in dem kurzen Text ins Auge.

Nachtvogel hat Folgendes geschrieben:
Fest schlang er sich um den Ast, hielt die Luft an und gab sich alle Mühe, im Geäst nicht aufzufallen.


Das liest sich für mich, als würde er seinen gesamten Körper um den Ast wicklen.

Nachtvogel hat Folgendes geschrieben:
Jo erschrak, als er erkannte, dass es die Stimme seiner Mutter war. Kurz darauf konnte er sie in der Ferne ausmachen – sie kam fieberhaft auf ihn zugerannt. Jo vernahm die Panik in ihrer Stimme und bekam plötzlich fürchterliche Gewissensbisse. Dass er selbst die Nacht über draußen blieb, war seine eigene Entscheidung, aber seine Mutter war nur hier, weil sie ihn suchte.


Hier hatte ich kurz den Eindruck, als hätte sie ihn gesehen, weil diese Bewegung auf mich zielgerichtet wirkt. Ist nicht gravierend, ich merke es nur an.

Nachtvogel hat Folgendes geschrieben:
Er griff in seine Hosentaschen – in seiner rechten fand er fünf Lochsteine, in seiner linken waren zwei weitere. Jo nahm alle Lochsteine in eine Hand und ballte sie zur Faust. Mit der anderen Hand tastete er nach Mas rechter Hand. Ihre Finger ließen sich nur schwer auseinanderziehen. Jo legte ihr seine gesamte Lochsteinsammlung in die Hand und schloss all ihre Finger wieder einzeln.


Woher kommen die Steine? Ist das der Lohn für die Mutprobe? Haben die Jungs sie ihm vorher schon gegeben oder ist das Zauberei? Oder sind das seine eigenen, die er mit sich getragen hat?
Hier fehlt mir auch ein emotionales Bild des Jungen. Wie geht es ihm? Fühlt er Leere in sich? Trauer? Wut? Was geht in ihm vor?

Wie immer gilt: Ist nur meine Meinung.

Liebe Grüße und weiter frohes Schaffen
Silke
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Lila X
Geschlecht:weiblichLeseratte
L

Alter: 54
Beiträge: 145



L
Beitrag03.01.2022 17:48
Re: Henkersmond
von Lila X
Antworten mit Zitat

Hallo Nachtvogel,
ich finde die Geschichte spannend zu lesen. Ich habe tatsächlich an meinen Fingernägeln gekaut. Aber sie lässt mich mit Fragezeichen in den Augen zurück.
Ist das eine Kurzgeschichte oder der Anfang eines Romans? Ich will unbedingt wissen, warum seine Mutter die Luft angehalten hat und gestorben ist!

Ich finde deinen Schreibstil sehr flüssig und meines Erachtens sind nur Kleinigkeiten zu verbessern.

Nachtvogel hat Folgendes geschrieben:

Vor einer Henkersnacht war Ma immer viel unruhiger als sonst. Sie hastete durch das Haus, von einer Ecke zur anderen, und erteilte Jo Aufgabe um Aufgabe.
„Hast du die Vorhänge schon überprüft, Jonah?“, wollte sie wissen, als sie mal wieder den Kopf in die Schlafkammer steckte, in der Jo zusammen mit dem Hund Tammy auf dem Boden saß. Sämtliche der extradicken Vorhänge des Hauses lagen vor den beiden ausgebreitet. Tammys Kopf hatte es sich auf einem Teil davon gemütlich gemacht und er stieß im Schlaf einige wohlige Grunzlaute aus.
„Ja“, sagte Jo. „Keine Löcher, aber der eine franst da unten schon aus.“
Er hielt das Ende des Vorhangs, den er sich gerade angesehen hatte, in die Höhe. Besorgt kam Ma herbei und begutachtete es. Sie konnte ihre Nervosität nicht verbergen und Jo wünschte sich, er hätte das mit dem ausgefransten Ende gar nicht erst gesagt.
„Näh einen großen Flicken drüber“, sagte sie und schob Jo die Kiste mit den alten Lumpen rüber. „Wir haben nur noch drei Stunden.“
Jo verdrehte die Augen – er hätte es besser wissen müssen, denn so etwas entging seiner Mutter nie. Das passt nicht ganz, weil ihr nicht entgehen kann, worauf er sie aufmerksam macht.
„Ich habe dir tausend Mal gesagt, dass du in einer Henkersnacht nie – NIE – zu vorsichtig sein kannst!“
Jo schnappte nach Luft. „Du verrätst mir ja noch nicht mal, was an Henkersnächten so schlimm ist!“
„Weil ein neunjähriges Kind so etwas noch nicht wissen sollte“, entgegnete Ma streng und schritt aus dem Raum.
Jos Herz pochte und seine Hände zitterten, als er nach Nadel und Zwirn griff. Er konnte nicht sagen, ob das an seiner Wut über Ma oder an seiner Aufregung lag. Denn heute Nacht war es endlich so weit: Er würde endlich erfahren, das klingt, als ob es ihm jemand erzählen würde. herausfinden fände ich besser was es mit der Henkersnacht auf sich hatte. Er musste nur den richtigen Moment abpassen, um sich vom Hof wegzuschleichen.

Eine Stunde später hingen alle Vorhänge an den Fenstern.
„Und jetzt blas die Kerzen aus“, sagte Ma, nachdem sie auch den letzten Vorhang zugezogen hatte. Jo tat, wie ihm geheißen, und es wurde stockfinster im Raum. Tammy wuffte überrascht.
Jo tastete sich durch die Räume und inspizierte alle Ecken – kein einziger Lichtschein drang ins Haus. Auch Ma schien mit dem Ergebnis zufrieden, denn schon kurze Zeit später zog sie die Vorhänge wieder auseinander und ließ das Tageslicht hinein. herein, weil beide selber drin sind, hinein ist für mich, wenn beide draußen sind
„Gut, dass du die Flicken noch angenäht hast“, sagte sie zu Jo. Aus ihrer Stimme war die Unruhe der vergangenen Stunden verschwunden. Jo aber war sich sicher, dass ein paar Flicken mehr oder weniger keinen Unterschied machten.
„Ich gehe noch mit Tammy raus“, sagte er und rannte zur Tür, um sich seine Stiefel anzuziehen. Besorgt sah Ma aus dem Fenster. Jo ahnte, dass sie den Wächtermond betrachtete, der um diese Zeit schon am Himmel stehen musste.
„Es sind noch zwei Stunden“, versuchte er seine Mutter zu beruhigen. „Mindestens.“
„Komm wieder, sobald das Horn das erste Mal geblasen wird“, sagte sie. Es war unnötig, dass sie das sagte, denn wie jedes Kind im Dorf wusste Jo, dass nach dem ersten Hornblasen nur noch eine Stunde bis Sonnenuntergang blieb und man sich dann besser beeilte, wenn man keinen Ärger mit den Eltern wollte.
„Mache ich“, sagte Jo und schaute schnell weg. Wenn er log, zuckten immer seine Augenlider immer, und Ma wusste das. Rasch stürmte er aus dem Haus, Tammy im Schlepptau.

„Warum hast du den Hund dabei?“, fragte Ben, als Jo völlig aus der Puste in der Scheune ankam. Vom Hof seiner Eltern zu der Scheune, wo in der er sich mit Ben und Alrik traf, waren es zwei Meilen, und Jo war fast den ganzen Weg gerannt. Schwer atmend setzte er sich seinen beiden Freunden gegenüber auf einen Strohballen. Ben starrte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, immer noch auf eine Antwort wartend.
„Weil … weil Ma meinte, er soll noch mal raus, und ich hatte keine Zeit mehr, ihn zurückzubringen“, sagte Jo. Seine Augenlider zuckten. Den wahren Grund – dass er sich ohne Tammy nicht traute – konnte er seinen Freunden unmöglich verraten. Eigentlich war das ja auch gar nicht so – Tammy war nur eine Sicherheitsmaßnahme.
Alrik stand auf und lief zum Scheuneneingang, um den Himmel zu betrachten.
„Du hast dir ganz schön Zeit gelassen“, meinte er und gab sich betont lässig. „Wir haben schon gedacht, du traust dich doch nicht.“
„Natürlich traue ich mich!“, entgegnete Jo plump empört/wütend/beleidigt? Plumb ist für mich schwerfällig. Ich finde die Antwort gar nicht schwerfällig.. Er schaute dabei Tammy an und erhoffte sich Bestätigung, aber dieser schnüffelte nur gelangweilt an dem abgebissenen Apfel, den Alrik an seinem Platz zurückgelassen hatte.
„Der Henkersmond geht gleich auf“, sagte Alrik. Der Henkersmond ging immer kurz nach dem Wächtermond auf, aber solange die Sonne noch nicht untergegangen war, würde sie den Henkersmond überstrahlen, und sie hatten noch Zeit.
„Hast du aufgepasst, dass meine Eltern dich nicht sehen?“, fragte Alrik und setzte sich zurück auf seinen Strohballen. Den von Tammy beschnupperten Apfel schob er mit hochgezogenen Augenbrauen von sich weg.
„Klar hab ich das“, gab Jo zurück. „Mich hat keiner gesehen.“
Die drei Jungen hatten ihr Vorgehen tagelang geplant. Die Scheune war genau der richtige Treffpunkt, denn sie war nah genug an Alriks Haus und gleichzeitig so weit weg von Jos Haus, dass seine Eltern in der Zeit zwischen dem ersten Horn und dem Sonnenuntergang sicherlich nicht bis hierher kommen würden, um ihn zu finden. Jetzt mussten sie nur noch aufpassen, dass Alriks Eltern ihn bis Sonnenuntergang nicht sahen, denn sonst würden sie ihn zu sich nach Hause mitnehmen. Kein Erwachsener würde ein Kind, das mehrere Meilen von zu Hause weg war, nach dem ersten Horn noch zurück nach Hause laufen lassen.
Der Plan war, dass Jo am nächsten Morgen direkt bei Sonnenaufgang an Alriks Tür klopfen sollte, um ihm zu beweisen, dass er wirklich die Nacht über draußen gewesen war und sich nicht etwa in irgendeiner Hütte verkrochen hatte. Er schloss die Finger um die Lochsteine in seiner Hosentasche. Und dann Morgen früh würden es mindestens doppelt soviele sein, denn er würde er sämtliche Lochsteine von Ben und Alrik als Belohnung bekommen. Mit den flachen, jeweils mit einem runden Loch versehenen Steinen, die man nur nach stundenlanger Suche am Flussbett finden konnte, würde er im Wettbewerb mit den anderen Kindern eine echte Chance haben, mal im Steinewürfeln zu gewinnen. Vielleicht würde er sogar Naila besiegen können, und die hatte immerhin die größte Lochsteinsammlung des gesamten Dorfes.
„Was meinst du, was passieren wird?“, fragte Ben. „In der Nacht, meine ich.“
Jo schluckte. An den nächsten Morgen und seine Belohnung zu denken war einfach, aber die kommende Nacht war in seinen Gedanken ein einziges schwarzes Loch. Er wusste lediglich, dass er sich morgen eine Tracht Prügel von seinem Vater einfangen würde. Dass er letztes Jahr die Hasen des Nachbarn geklaut und im Wald ausgesetzt hatte, war nur ein dummer Jungenstreich im Vergleich zu dem, was er heute vorhatte.
„Naila sagt, dass in einer Henkersnacht die Toten aus ihren Gräbern kommen“, sagte Alrik. „Sie ermorden alle, die dann noch draußen rumlaufen.“
„Naila weiß gar nichts“, sagte Jo und kassierte sich einen wütenden Blick von Alrik dafür ein, wie er über dessen Schwester sprach. „Sie ist noch zu jung, als dass die Erwachsenen ihr schon die Wahrheit erzählt hätten.“
„Und sowieso“, pflichtete Ben ihm bei. „Wenn es die Toten wären, dann würden sie doch in die Häuser einbrechen. Die Häuser werden gar nicht richtig geschützt – das Einzige, was wichtig ist, ist, dass kein Licht reinkommt.“ Er setzte eine nachdenkliche Miene auf. „Ich glaube, das Henkerslicht verbrennt einen. Pass auf, dass du immer im Schatten bist, sonst wirst du geröstet.“
Ben gab ein Geräusch von sich, das wohl wie ein lässiges Lachen klingen sollte, jedoch in einem kläglichen Japsen endete. Seine Theorie aber machte Sinn. Ben musste es von den dreien am besten wissen, denn seine Mutter war vor einigen Jahren in einer Henkersnacht gestorben, weil sie es nicht rechtzeitig nach Hause geschafft hatte. Bens Vermutung erklärte auch, warum nur einmal im Monat Henkersnacht war, obwohl der Henkersmond jede Nacht am Himmel zu sehen war. Henkersnacht war immer nur dann, wenn der Henkersmond voll war und der Wächtermond nur eine Sichel. Der Wächtermond, der im Vergleich viel größer war, hatte dann nicht die Kraft, den Henkersmond zu überstrahlen.
Langsam wurde Jo mulmig im Bauch und er fragte sich, warum er sich auf die Mutprobe überhaupt eingelassen hatte. War es schon zu spät, um noch darum zu bitten, bei Alrik übernachten zu können?
Der dröhnende Ruf des Horns unterbrach Jos Gedanken. Ben und Alrik sprangen auf.
„Denk dran, vorm dritten Horn an die Kastanie zu kommen, damit ich dich sehen kann“, sagte Alrik hastig. „Die Scheune zählt nicht.“
Jo nickte nervös, während Ben und Alrik aus der Scheune rannten, auf dem Weg ins sichere Heim. Jo wurde schlecht.

Beim dritten Hornblasen trat Jo aus der Scheune. Die Abenddämmerung war schon weit fortgeschritten und die gesamte Landschaft in ein seltsames Rot getaucht. Jo war überrascht über die Intensität des Henkersmondscheins. Die Sonne schaffte es nun kaum noch, ihn zu überstrahlen, und das weiße Licht der dünnen Wächtermondsichel wirkte im Vergleich wie eine sterbende Flamme. Kalte Schweißperlen liefen Jo den Rücken hinunter.
„Komm, Tammy!“, rief er zurück in die Scheune, und Tammy folgte ihm widerwillig. Auch der Hund wusste, dass man zu dieser Zeit besser nicht mehr draußen sein sollte.
Jo rannte mit Tammy zu der Kastanie, auf die Alrik von seiner Schlafkammer aus einen guten Blick hatte, und winkte herüber zu Alriks Fenster hinüber. Mit zugekniffenen Augen und etwas Anstrengung konnte er erkennen, dass die Fensterläden einen Spalt weit geöffnet waren.
Jo kletterte hoch auf den Baum. Entweder, das Böse war nur auf der Erde unterwegs – dann würde Tammy dafür sorgen, dass es nicht hoch zu ihm auf die Kastanie hoch kam – oder es kam aus der Luft, aber dann konnte Jo noch schnell vom Baum herunterspringen. Jetzt, wo Jo sich im Laubdickicht verkroch und seine Arme Finger (ich weiß nicht, wie man auf einem Ast sitzen und gleichzeitig die Arme darum schließen kann) fest um den dicken Ast schloss (oder krallte), auf dem er saß, war er sich aber nicht mehr so sicher, ob Tammy ihn wirklich beschützen konnte. Der Hund sah vorwurfsvoll zu ihm hoch.
Einige Minuten lang war es ganz still. Jo beobachtete, wie die Sonne mehr und mehr hinter dem Horizont verschwand. Er war froh, dass Ben und Alrik jetzt nicht sehen konnten, wie er zitterte. Was würde ihm blühen, wenn die Sonne ganz verschwunden war? Einmal hatte er gesehen, wie eine Katze eine Maus getötet hatte. Erst sah es aus wie ein lustiges Spiel, aber dann hatte die Katze die Maus brutal mit ihren Krallen aufgeschlitzt. Was, wenn heute Nacht Monster aus dem Boden krochen und ihn genauso blutrünstig aufschlitzten? Fest schlang er sich um den Astbsp. ‚Er drückte sich dicht an den Stamm‘ , hielt die Luft an und gab sich alle Mühe, im Geäst nicht aufzufallen.
Während die Sonne gänzlich hinter dem Horizont verschwand, gab Tammy ein leises Wimmern von sich.
„Bleib ruhig!“, zischte Jo ihm zu. Und dann hörte er es. Zuerst war es nur ein kaum auszumachender Laut in der Ferne, aber er kam näher und näher.
„Jonah!“, rief die Stimme, und dann noch einmal: „Jonah!“
Jo erschrak, als er erkannte, dass es die Stimme seiner Mutter war. Kurz darauf konnte er sie in der Ferne ausmachen – sie kam fieberhaft auf ihn zugerannt - vielleicht ‚hektisch kam sie angerannt‘. Jo vernahm die Panik in ihrer Stimme und bekam plötzlich fürchterliche Gewissensbisse. Dass er selbst die Nacht über draußen blieb, war seine eigene Entscheidung, aber seine Mutter war nur hier, weil sie ihn suchte.
„Ma!“, schrie er. „Lauf in die Scheune, ich bin hier sicher!“
Ma schien ihn nicht zu hören, denn sie rannte weiter in seine Richtung und wandte ihren Kopf auf der Suche nach ihrem Kind panisch in alle Richtungen. „Jonah!“, rief sie noch einmal, als sie so nah war, dass Jo ihren furchterfüllten Blick erkennen konnte.
„Ma!“, rief Jonah, „lauf in die Scheune, sie ist ganz nah!“
Ma schaute hoch in die Baumkrone und entdeckte Jonah. Erleichterung machte sich in ihrem Gesicht breit und auch Jo war froh, dass sie ihn gefunden hatte. Jetzt, wo Ma da war, würde alles gut werden. Niemand von ihnen würde von Monstern gefressen werden.
Dann sah Ma an Jonah vorbei, direkt in die Richtung, in der der Henkersmond jetzt stehen musste. Ihre Augen weiteten sich, sie schnappte laut nach Luft und ihre Wangen blähten sich auf. Jo erkannte, dass sie die Luft anhielt. Warum tat sie das? Roch sie da unten etwas Unangenehmes, was Jo oben auf dem Baum nicht ausmachen konnte?
Ma trat langsam näher an den Baum heran, ihren Blick fest auf Jonah gerichtet. Tammy blickte vorsichtig auf ich würde das vorsichtig weglassen, weil das für mich nicht zu einem Hund passt, eher dass er sie fixiert, die Ohren anlegt, den Schwanz einklemmt…, als Ma an ihm vorbeilief- laufen ist gemeinhin etwas schnelles und wiederspricht dem vorhergehenden ‚langsam‘, wagte es aber nicht, sie zur Begrüßung anzubellen, wie er es sonst getan hätte.
„Ma, komm hoch zu mir auf den Baum, hier ist noch Platz“, sagte Jo. „Versuch, dich im Schatten zu halten.“
Ma umfasste den Baumstamm, setzte ihren Fuß auf den unteren großen Ast und zog sich hoch. Irgendetwas an ihr war unheimlich – sie fixierte Jo ununterbrochen mit großen Augen, in ihrem Gesicht zeigte sich keinerlei Regung. Scheinbar ohne Anstrengung während sie die Luft anhält? Ist sie tatsächlich etwas anderes als Ma?- das kam mir dabei in den Sinn, aber das warum wurde ja leider noch? nicht beantwortet kletterte sie hoch zu Jo und setzte sich neben ihn.
„Wenn wir hier oben bleiben, bis die Sonne aufgeht, dann passiert uns nichts“, sagte Jo.
Ma antwortete nicht. Sie sah ihn nur an, mit einem liebevollen und zugleich traurigen Blick, und noch immer atmete sie nicht. Jo verspürte plötzlich das Bedürfnis, die Luft gemeinsam mit ihr anzuhalten, so wie er auch immer gähnen musste, wenn Ma gähnte. Aber obwohl er die Luft länger anhalten konnte als Ben und Alrik, glaubte er nicht, dass er es so lange wie Ma schaffen würde.
Die Schatten, die das Henkersmondlicht warf, krochen langsam über den Boden. Im rötlichen Mondschein erkannte Jo Schweißperlen auf Mas Stirn. Mas Augen weiteten sich immer mehr und ihre Haut lief blau an.
„Atme doch endlich!“, rief Jo wütend, fasste Ma an die den Schultern und schüttelte sie, so fest er konnte. Aber Ma schaute ihn nur an aus traurigen blauen Augen. Und dann wurde ihr Blick ganz glasig und sie zuckte einmal und sackte in sich zusammen. Und Jo wusste, dass sie tot war.

~ ~ ~

Als sich die ersten Sonnenstrahlen sich ihren Weg durch die dichte Baumkrone bahnten, richtete Jo sich auf. Die harte Rinde drückte sich gegen seine Beine, sein Rücken schmerzte. Ein Blick nach unten zeigte ihm, dass Tammy noch immer am Baumstamm Wache hielt. Langsam streckte Jo seine Glieder, sorgsam darauf bedacht, nicht von dem dicken Ast zu fallen. Der leblose Körper seiner Mutter war noch immer neben ihm, aber Jo vermied es, in seine Richtung zu schauen. Er griff in seine Hosentaschen – in seiner rechten fand er fünf Lochsteine, in seiner linken waren zwei weitere. Jo nahm alle Lochsteine in eine Hand und ballte sie zur Faust. Mit der anderen Hand tastete er nach Mas rechter Hand. Ihre Finger ließen sich nur schwer auseinanderziehen. Jo legte ihr seine gesamte Lochsteinsammlung in die Hand und schloss all ihre Finger wieder einzeln, einen nach dem anderen.
Er wagte einen Blick hinüber zu Alriks Haus. Die Fensterläden waren fest verschlossen. Jo atmete einmal tief ein, dann sprang er auf den Boden und ging gemeinsam mit Tammy langsam in den Wald hinein. Zu Alriks Haus schaute er nicht mehr zurück.

Eine Bitte noch: Lass mich nicht dumm sterben!
Liebe Grüße


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Lila X
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Nachtvogel
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Beitrag03.01.2022 23:04

von Nachtvogel
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Liebe Silke,

vielen Dank für dein umfangreiches und super hilfreiches Feedback!

silke-k-weiler hat Folgendes geschrieben:
Das Ende hat mich leider enttäuscht. Auch wenn Du die Geschichte als "Horror" markiert hast, hatte ich nicht zwingend erwartet, dass eine Figur unter Qualen gehäutet wird oder in irgendeinem Es-mäßigen Totenlicht verbrutzelt, aber dass die Mutter "nur die Luft anhält" (übrigens hatte ich damit gerechnet, dass sie sich auf die Suche begeben und nicht heil aus der Sache rauskommen wird), war mir doch zu wenig. Warum tut sie das? Bringt das Licht oder eine Kraft sie dazu? (Unwahrscheinlich, sich durch Luftanhalten selbst zu ersticken, geht schließlich nicht.) Da versickert die Geschichte für mich.

Das Ende war tatsächlich meine größte Unsicherheit. Generell bereitet mir das Plotten beim Schreiben die meisten Probleme. Ich hatte die Kurzgeschichte extra für den Einstand geschrieben und dafür die Aufgabenstellung des letzten Phantastisch-Wettbewerbs als Inspiration genutzt (hab also versucht, in einem Fantasy-Setting eine Geschichte mit Licht als Hauptthema zu schreiben; die anderen Vorgaben habe ich nicht beachtet). Die Ausgangssituation mit einem gefährlichen Mondlicht war für mich schnell klar und hat mir auch Spaß gemacht zu schreiben, aber eine gute Auflösung dafür zu finden, war schwierig. Hättest du (oder irgendjemand anderes natürlich) denn eine Idee für ein besseres Ende?

silke-k-weiler hat Folgendes geschrieben:
Hier hatte ich kurz den Eindruck, als hätte sie ihn gesehen, weil diese Bewegung auf mich zielgerichtet wirkt. Ist nicht gravierend, ich merke es nur an.

Stimmt, das sollte ich auf jeden Fall ändern.

silke-k-weiler hat Folgendes geschrieben:
Woher kommen die Steine? Ist das der Lohn für die Mutprobe? Haben die Jungs sie ihm vorher schon gegeben oder ist das Zauberei? Oder sind das seine eigenen, die er mit sich getragen hat?

Ah, das hätte ich deutlicher machen müssen. Das sind seine eigenen Steine, die er die ganze Zeit in seinen Taschen hatte.

silke-k-weiler hat Folgendes geschrieben:
Hier fehlt mir auch ein emotionales Bild des Jungen. Wie geht es ihm? Fühlt er Leere in sich? Trauer? Wut? Was geht in ihm vor?

An der Stelle habe ich tatsächlich ein bisschen experimentiert und versucht, durch das Nicht-Darstellen von Gefühlen seinen Schock und seine emotionale Leere darzustellen. Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob das funktioniert - man müsste das mal einer Version, in der seine Gefühle beschrieben werden, gegenüberstellen.

Noch einmal vielen Dank, deine Anmerkungen waren sehr hilfreich!

Liebe Grüße
Nachtvogel
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Nachtvogel
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Beitrag03.01.2022 23:25
Re: Henkersmond
von Nachtvogel
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Liebe Lila X,

dir auch vielen Dank für das Feedback und die detaillierten Anmerkungen!

Lila X hat Folgendes geschrieben:
Ist das eine Kurzgeschichte oder der Anfang eines Romans? Ich will unbedingt wissen, warum seine Mutter die Luft angehalten hat und gestorben ist!

Es war als Kurzgeschichte intendiert, aber es stimmt, dass das auch der Anfang eines Romans sein könnte. Jo macht sich auf in die Welt, um dem Geheimnis des Henkersmondlichts auf die Spur zu kommen... Ich hatte versucht, es so darzustellen, dass der Blick in den Henkersmond (nur die Mutter schaut ja direkt in den Mond, als sie zu Jo in den Baum hochblickt; Jo selbst schaut nie direkt hinein) einen in eine Art Trance versetzt und dazu bringt, die Luft anzuhalten und schließlich an der Luftnot zu sterben. Silke hat schon angemerkt, dass das eigentlich nicht möglich ist - ich kenne die naturwissenschaftlichen Hintergründe diesbezüglich nicht gut genug, um das beurteilen zu können. Ich hoffe, dass das dir als Erklärung dafür reicht. Aber es stimmt, das Ende ist vielleicht nicht zufriedenstellend genug. Embarassed

Lila X hat Folgendes geschrieben:
Jo verdrehte die Augen – er hätte es besser wissen müssen, denn so etwas entging seiner Mutter nie. Das passt nicht ganz, weil ihr nicht entgehen kann, worauf er sie aufmerksam macht.

Oh, das ist dann wohl etwas missverständlich. Das "so etwas" bezieht sich auf das Augenverdrehen.

Lila X hat Folgendes geschrieben:
Denn heute Nacht war es endlich so weit: Er würde endlich erfahren, das klingt, als ob es ihm jemand erzählen würde. herausfinden fände ich besser was es mit der Henkersnacht auf sich hatte.

Stimmt, danke!

Lila X hat Folgendes geschrieben:
Auch Ma schien mit dem Ergebnis zufrieden, denn schon kurze Zeit später zog sie die Vorhänge wieder auseinander und ließ das Tageslicht hinein. herein, weil beide selber drin sind, hinein ist für mich, wenn beide draußen sind

Oh, ja stimmt, mit "her" und "hin" hab ich immer so meine Probleme. Ich hab das sogar mal einer Gruppe von Deutsch-als-Fremdsprache-Lernenden beigebracht, aber ich beherrsche es selbst nicht. Laughing

Lila X hat Folgendes geschrieben:
Der Plan war, dass Jo am nächsten Morgen direkt bei Sonnenaufgang an Alriks Tür klopfen sollte, um ihm zu beweisen, dass er wirklich die Nacht über draußen gewesen war und sich nicht etwa in irgendeiner Hütte verkrochen hatte. Er schloss die Finger um die Lochsteine in seiner Hosentasche. Und dann Morgen früh würden es mindestens doppelt soviele sein, denn er würde er sämtliche Lochsteine von Ben und Alrik als Belohnung bekommen.

Das finde ich eine super Idee, danke!

Lila X hat Folgendes geschrieben:
Scheinbar ohne Anstrengung während sie die Luft anhält? Ist sie tatsächlich etwas anderes als Ma?- das kam mir dabei in den Sinn, aber das warum wurde ja leider noch? nicht beantwortet kletterte sie hoch zu Jo und setzte sich neben ihn.

Ah, ich sehe da auch noch eine Menge Probleme... Das "scheinbar ohne Anstrengung" hätte ich weglassen sollen, denn sie soll definitiv noch Ma sein, nur sozusagen "fremdgesteuert" durch das Mondlicht.

Lila X hat Folgendes geschrieben:
Eine Bitte noch: Lass mich nicht dumm sterben!

Das will ich absolut vermeiden. Wenn noch Fragen offen sind, melde dich! Laughing Danke für deine sehr detaillierten Anmerkungen, die haben mir sehr geholfen!

Liebe Grüße
Nachtvogel
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Lila X
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Beiträge: 145



L
Beitrag03.01.2022 23:52
Re: Henkersmond
von Lila X
Antworten mit Zitat

Nachtvogel hat Folgendes geschrieben:
nur die Mutter schaut ja direkt in den Mond, als sie zu Jo in den Baum hochblickt; Jo selbst schaut nie direkt hinein

Das wurde auf jeden Fall deutlich.
Nachtvogel hat Folgendes geschrieben:
in eine Art Trance versetzt und dazu bringt, die Luft anzuhalten

Die kam bei leider nicht so ganz an. Vielleicht kannst du die noch ein bisschen rausarbeiten? Danke für die Erläuterung. Smile
Liebe Grüße


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Lila X
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John McCrea
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Beitrag04.01.2022 11:17
passt manches mir noch nicht
von John McCrea
Antworten mit Zitat

Hallo Nachtvogel,

danke für das Hochladen. Das ist anscheinend eine recht traditionelle Horror-Kurzgeschichte und ich habe sie ganz gerne gelesen, obwohl das Thema nicht wirklich meins ist.

Was mir als Leser noch nicht ganz passt:

Ich finde Jos Alter zu jung angesetzt. Man sollte keine Neunjährigen unterschätzen, aber ich würde das Alter höher ansetzen.

Ich mag die Rolle des Hundes nicht, auch nicht die Charakteranlage.
Tammy ist für mich ein weiblicher Hundename.
Ein Beschützerhund wufft nicht und wimmert nicht.
Zitat:
Tammy wuffte überrascht.

Zitat:
Während die Sonne gänzlich hinter dem Horizont verschwand, gab Tammy ein leises Wimmern von sich.

Also ist Tammy dann mehr Kuschelhund als Beschützerhund. Das weiß dann aber auch ein Neunjähriger. Warum nimmt er ihn dann mit?
Zudem wird der Hund dann aber als unbedarft und nicht wissend charakterisiert:
Zitat:
dieser schnüffelte nur gelangweilt an dem abgebissenen Apfel

dann aber doch wissend und instinktgetreu:
Zitat:
Auch der Hund wusste, dass man zu dieser Zeit besser nicht mehr draußen sein sollte.


Eine zweite Sache, mit der ich nicht zufrieden bin:
Das Lochgestein. Da fehlt mir die Fantasie, wie man mit Lochgestein würfelt und Vorteile im Spiel hat, wenn man mehr Lochgestein besitzt als andere.

Vielleicht reicht da einfach, besondere, seltene Steine zu nehmen, welche zudem schön sind und bei Kindern und Erwachsenen begehrt. Tauschmittel?

Die Sache mit dem "Luft anhalten" würde ich auch noch dramatisieren und ausbauen. "Holte noch einmal tief Luft", rannte zum Baum, kletterte hinauf, ... verliert dann aber zum Beispiel zunächst einmal ihren Willen. Atmet trotzdem nicht ... .

Trotzdem, vielen Dank für den Einblick in Deine Erzählerwelt.


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Nachtvogel
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Beiträge: 117
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Beitrag04.01.2022 19:04
Re: passt manches mir noch nicht
von Nachtvogel
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo John McCrea,

dir auch vielen Dank für das Feedback!

John McCrea hat Folgendes geschrieben:
Ich mag die Rolle des Hundes nicht, auch nicht die Charakteranlage.
[...]
Ein Beschützerhund wufft nicht und wimmert nicht.
[...]
Also ist Tammy dann mehr Kuschelhund als Beschützerhund. Das weiß dann aber auch ein Neunjähriger. Warum nimmt er ihn dann mit?

Danke für diesen Leseeindruck! Da würde mich sehr interessieren, was andere dazu meinen. Ich hatte die Geschichte erst ohne den Hund angefangen, habe ihn dann aber vor allem aus erzähltechnischen Gründen noch hinzugefügt, damit Jo jemanden hat, mit dem er reden kann, statt komplett alleine zu sein, sobald seine Freunde weg sind. Tammy ist definitiv kein Beschützerhund, soll er auch gar nicht sein, aber Jo spricht ihm diese Rolle zu, um seine Angst zu überdecken. (Und die Tatsache, dass er kein Beschützerhund ist, hat mich tatsächlich lange überlegen lassen, ob ich ihn überhaupt mit reinnehme, weil das nicht ganz in die Zeitepoche passt, die hier gezeichnet wird - "Kuschelhunde" dürften da eher seltener vorkommen. Für mich haben dann aber die oben genannten Gründe überwogen.)

Danke auch für deine anderen Gedanken und Ideen, die mir alle sehr weiterhelfen!

Liebe Grüße
Nachtvogel
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silke-k-weiler
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Alter: 49
Beiträge: 750

Das goldene Schiff Der goldene Eisbecher mit Sahne


Beitrag04.01.2022 19:07

von silke-k-weiler
Antworten mit Zitat

Hallo Nachtvogel,

Nachtvogel hat Folgendes geschrieben:

silke-k-weiler hat Folgendes geschrieben:
Das Ende hat mich leider enttäuscht. Auch wenn Du die Geschichte als "Horror" markiert hast, hatte ich nicht zwingend erwartet, dass eine Figur unter Qualen gehäutet wird oder in irgendeinem Es-mäßigen Totenlicht verbrutzelt, aber dass die Mutter "nur die Luft anhält" (übrigens hatte ich damit gerechnet, dass sie sich auf die Suche begeben und nicht heil aus der Sache rauskommen wird), war mir doch zu wenig. Warum tut sie das? Bringt das Licht oder eine Kraft sie dazu? (Unwahrscheinlich, sich durch Luftanhalten selbst zu ersticken, geht schließlich nicht.) Da versickert die Geschichte für mich.

Das Ende war tatsächlich meine größte Unsicherheit. Generell bereitet mir das Plotten beim Schreiben die meisten Probleme. Ich hatte die Kurzgeschichte extra für den Einstand geschrieben und dafür die Aufgabenstellung des letzten Phantastisch-Wettbewerbs als Inspiration genutzt (hab also versucht, in einem Fantasy-Setting eine Geschichte mit Licht als Hauptthema zu schreiben; die anderen Vorgaben habe ich nicht beachtet). Die Ausgangssituation mit einem gefährlichen Mondlicht war für mich schnell klar und hat mir auch Spaß gemacht zu schreiben, aber eine gute Auflösung dafür zu finden, war schwierig. Hättest du (oder irgendjemand anderes natürlich) denn eine Idee für ein besseres Ende?


Ach, cool, ja, der letzte Phantastisch-Wettbewerb. Wohow (Zaunpfahl aus der Tasche zieh und heftigst in Richtung der Moderatoren wedelnd: Wann gibt es denn mal wieder einen? Ich würde auch Kaffee kochen!)

Ein Ende ... hm ... da ist es schwer, eines auf Kommando aus dem Ärmel zu schütteln, vor allem, weil das Dein Job ist Laughing  Nein, aber im Ernst, ich würde das Licht prominenter in Szene setzen. Was macht es mit der Mutter? Vor allem das Luftanhalten empfinde ich persönich, selbst wenn eine fremde Kraft sie dazu bringt, als fast schon ein bisschen albern. Entzieht das Licht ihr etwas? Lebenskraft, ihre Seele und kann man das sehen, wie etwas, das aus ihr herausgesaugt wird? Oder greifen Lichthände nach ihr? Gibt es auch akustische Begleiterscheinungen, ein Flüstern, etwas, das jede und jeden, der sich noch draußen aufhält, dazu bringen will, ins Licht zu sehen und dann ist es um sie/ihn geschehen? Was ich mir gut vorstellen könnte, wäre, dass die Mutter sich, so lange sie kann, dem zerstörerischen Wirken des Lichtes entzieht, zu ihrem Sohn nach oben klettert und mit ihrem Leib schützt, vielleicht auch sein Gesicht abwendet oder in ihren Armen birgt, damit er ja nicht in das Mondlicht sieht, das möglicherweise zwischen den Blättern des Baumes hindurchfällt. Ein Akt der Mutterliebe. Und in ihren Armen spürt er dann, wie das Leben aus ihr weicht, bis die Nacht vorbei ist, der Henkersmond verblasst und der Spuk vorbei ist. Nur ein Gedanke von vielen möglichen.
Dennoch möchte ich betonen, dass das insgesamt eine für mich solide Arbeit ist, deren Ansatz mir echt gut gefallen hat.


Nachtvogel hat Folgendes geschrieben:

silke-k-weiler hat Folgendes geschrieben:
Hier fehlt mir auch ein emotionales Bild des Jungen. Wie geht es ihm? Fühlt er Leere in sich? Trauer? Wut? Was geht in ihm vor?

An der Stelle habe ich tatsächlich ein bisschen experimentiert und versucht, durch das Nicht-Darstellen von Gefühlen seinen Schock und seine emotionale Leere darzustellen. Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob das funktioniert - man müsste das mal einer Version, in der seine Gefühle beschrieben werden, gegenüberstellen.


Ja, das mit der emiotionalen Leere hatte ich mir später auch überlegt und war kurz davor, meinen Beitrag nochmal zu editieren, habs dann aber doch gelassen, weil es ein spontaner Leseeindruck war und ich ihn für wichtig hielt. Genau, vielleicht kannst Du diese Passage einer gegenüberstellen, in der er mehr Emotionen zeigt bzw seine Gefühlslage anders ausdrückt.

Liebe Grüße
Silke
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Nachtvogel
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Beitrag04.01.2022 19:48

von Nachtvogel
pdf-Datei Antworten mit Zitat

silke-k-weiler hat Folgendes geschrieben:
Ein Ende ... hm ... da ist es schwer, eines auf Kommando aus dem Ärmel zu schütteln, vor allem, weil das Dein Job ist Laughing  Nein, aber im Ernst, ich würde das Licht prominenter in Szene setzen. Was macht es mit der Mutter? Vor allem das Luftanhalten empfinde ich persönich, selbst wenn eine fremde Kraft sie dazu bringt, als fast schon ein bisschen albern. Entzieht das Licht ihr etwas? Lebenskraft, ihre Seele und kann man das sehen, wie etwas, das aus ihr herausgesaugt wird? Oder greifen Lichthände nach ihr? Gibt es auch akustische Begleiterscheinungen, ein Flüstern, etwas, das jede und jeden, der sich noch draußen aufhält, dazu bringen will, ins Licht zu sehen und dann ist es um sie/ihn geschehen? Was ich mir gut vorstellen könnte, wäre, dass die Mutter sich, so lange sie kann, dem zerstörerischen Wirken des Lichtes entzieht, zu ihrem Sohn nach oben klettert und mit ihrem Leib schützt, vielleicht auch sein Gesicht abwendet oder in ihren Armen birgt, damit er ja nicht in das Mondlicht sieht, das möglicherweise zwischen den Blättern des Baumes hindurchfällt. Ein Akt der Mutterliebe. Und in ihren Armen spürt er dann, wie das Leben aus ihr weicht, bis die Nacht vorbei ist, der Henkersmond verblasst und der Spuk vorbei ist. Nur ein Gedanke von vielen möglichen.

Das sind alles echt gute Ideen, vor allem das mit dem Akt der Mutterliebe gefällt mir. Ja, man hätte da definitiv noch mehr draus machen können. Danke für deine ausführliche Antwort!

Das bisherige Feedback von euch allen hilft mir echt enorm weiter. Ich habe richtig Lust, die Geschichte noch mal zu überarbeiten, und werde evtl. noch eine neue Fassung hochladen. Könnte aber etwas dauern.

Liebe Grüße
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Plankenzauber
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Beitrag14.03.2022 13:51

von Plankenzauber
Antworten mit Zitat

Moin Nachtvogel,

erst einmal vielen Dank, dass du dein Werk mit uns teilst smile

Ich habe ungefähr 1,5 Seiten gelesen und zwei weitere überflogen. Mir gefällt dein "The Purge" Szenerio wirklich gut. Allerdings würde ich mir etwas mehr Atmosphäre wünschen. Wie sieht es im Haus aus? Befinden wir uns in der unserer realen Gegenwart oder in einem Fantasy-Szenario? Ich würde dies zu Anfang stärker heraus arbeiten damit beim Lesenden ein detailreicheres Bild wachsen kann. Verstehst du, was ich meine? smile

Weiter so!


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