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Diese Werke sind ihren Autoren besonders wichtig Kurzgeschichte: Ein Messer im Dunkeln


 
 
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Derufin Denthor Heller
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 46
Beiträge: 21
Wohnort: Regensburg


Beitrag14.11.2021 17:45
Kurzgeschichte: Ein Messer im Dunkeln
von Derufin Denthor Heller
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

ERBEN DER EWIGKEIT
– Myraida –
Ein Messer im Dunkeln

Eine kurze Vorgeschichte zur Roman-Trilogie »Erben der Ewigkeit«  – Phantastischer Schauerroman


1. Auflage 2020
© 2020 Derufin Denthor Heller (D.D.H.)
Am 01.09.2020 ausschließlich auf der Autorenhomepage erschienen.
Alle Rechte vorbehalten.

Buchcover und Autorenlogo
von Daniela Rohr / skriptur-design.de


Ein Messer im Dunkeln

»Du dreckiges, nichtsnutziges Miststück!«
Die Worte dröhnten in Myraidas Kopf. Trotz des mit unreinem Stroh gefüllten Kissens, das sie über beide Ohren gestülpt hatte, drang der Streit deutlich vernehmbar durch die Dielen bis zu ihrer Schlafstatt am Dachboden der elterlichen Kate.

Fortwährend wiederholten sich die Worte in ihren Gedanken. Sie sah die wutentbrannten Gesichter ihrer Eltern vor sich. Viel zu oft hatten sich ähnliche Szenen abgespielt.
»Glaub ja nicht, dass Du mir noch einmal einen solchen Fraß vorsetzen kannst!«
»Warum bleibst du nicht gleich an deinem Lieblingsort, dem Wirtshaus, wo du unser ganzes Geld verprasst. Du weißt genau, dass wir uns seit Tagen nichts Besseres als diese muffige Kohlsuppe leisten können.«
Myraida schätzte ihre Mutter für die innerliche Stärke, mit der sie der Welt trotz widrigster Umstände begegnete. Doch heute war etwas anders, nur eine Kleinigkeit. Eine Unsicherheit in der Stimme ihrer Mutter, die Myraida aufhorchen ließ.
»Zu nichts zu gebrauchen. Und sieh dich an. Warum glaubst du, schufte ich den ganzen Tag und renne jeden beschissenen Abend in die Schenke. Doch nur, weil ich dein hässliches Gesicht nicht länger ertragen kann!« Myraida hörte ihre Mutter schreien. Polternde Geräusche verrieten ihr, dass ihre Eltern dazu übergegangen waren, die letzten verbliebenen Teller des ohnehin spärlichen Hausstandes zu zerdeppern.

Einmal zu oft hatte er die Mutter beleidigt. Myraida schälte sich aus ihrem Bettzeug und stieg heimlich die knarzende Treppe hinab. Sie achtete sorgsam darauf, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen. Am Treppenabsatz angelangt, spähte sie in die Wohnstube, in der sie im Schein einer ölgetränkten Sturmlampe nur ihren Vater erkennen konnte, der gerade wankend zurücktaumelte und sich an einem Stuhl festhielt.
Sie schätzte ihren Vater sehr, doch oft genug weilte er der schlechten Ernte geschuldet auf den Gerstenfeldern oder verbrachte tagelange Schwerstarbeit beim Fällen der Bäume im Holz der Familie, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Dem Alkohol zugeneigt, saß er nach getaner Arbeit gerne in der Taverne und begoss die kargen Zukunftsaussichten mit einer Kanne roten Weins. Beständige Dürren und Missernten hatten den ehemaligen Instrumentenbauer dazu gezwungen, sich von filigraner Arbeit zum Bauernhandwerk zu bekennen. Niemand konnte und wollte sich noch teuere Flöten, Fideln oder Lauten leisten.

Die Eltern hatten sie nicht gehört. Sie waren viel zu beschäftigt mit sich selbst und warfen sich wahllos Vorwürfe an den Hals, die zur heftigsten Auseinandersetzung der letzten Tage geführt hatten.
»Du bist ein richtiger Hornochse!«, brüllte ihre Mutter. Sie trat einen Schritt ins Licht, was Myraida dazu bewegte, die Hand vor den Mund zu schlagen, als sie der aufgeschlagenen Lippe und den dunklen Augenringen gewahr wurde.

Sie hatte ihre Mutter immer bewundert für die Stärke und das Selbstbewusstsein, dass sie an den Tag legte. Doch heute änderte sich alles. Gerade noch stand sie stolz und aufrecht vor ihrem Ehemann, die Augen von heißen Tränen gerötet, nur um sich kurze Zeit später zitternd als wimmerndes Häuflein Elend kriechend und blutspuckend auf dem Boden wiederzufinden.

Myraida hatte den Schlag kommen sehen. Die Schulter ihres Vaters hatte sich nicht bewegt und doch hatte die Faust mit voller Wucht getroffen. Das laute Knacken, das sie hörte, musste der Kieferknochen gewesen sein, als er aus der Verankerung des Gelenks gebrochen war.
Überrascht vom wutentbrannten Antlitz ihres Vaters wollte sie ihrer Mutter in der Not beistehen, doch dann wurde sie Zeuge der schrecklichsten Tat in ihrem Leben.

Myraida wendete die Augen ab. Weinend schob sie den schweren Riegel der Haustür zurück und rannte nach draußen zu ihrem Lieblingsplatz am Wasser des künstlich angelegten Teichs. Ihre Augen brannten heiß, und sie versuchte vergeblich, den anhaltenden Strom der Tränen zum Versiegen zu bringen.
Es war eine sternenklare Nacht. Still und glatt lag das Wasser dar und das spärliche Licht der Abendstunden spiegelte sich in silbernen Streifen auf der Oberfläche.

Der Stein, auf dem sie nun saß, fühlte sich kalt an, und trotz der sommerlichen Temperaturen fröstelte sie.
Myraida vergrub die nackten Füße im Gras und zog das längliche Stück Leder etwas enger, dass ihr als Gürtelersatz diente und sowohl das zerlumpte Kleid als auch ihre schmale Taille zierte.
Das Kleid war ein Geschenk der Nachbarn und mit Dutzenden von Flicken unterschiedlichster Farbe übersät. Myraida wusste, dass die Nachbarsfamilie keinen Gebrauch dafür hatte, seit ihr einziges Kind vor einigen Monden an der Schwindsucht gestorben war.
Ihr Blick wanderte hinüber zu dem behauenen Stein, der die Grabstelle ihres Bruders unter einer mächtigen Linde markierte, auf deren Ästen sie früher als Kinder gemeinsam herumgetollt waren. Heute mied sie das Grab, das Erinnerungsmal an die Unglücksstelle, an der das Kind beim übermütigen Spiel ertrunken war.

Ihr Verstand arbeitete fieberhaft. Erneut schossen Tränen in ihre Augen. Bis heute beteuerte sie die Unschuld an seinem Tod, doch es war offensichtlich, dass Vater ihr den Verlust des Sohnes niemals verziehen hatte. Seit jenem qualvollen Tage versuchte sie, sich zu erinnern. Nacht für Nacht quälte sie sich durch die endlose Wiederholung desselben Traums. Die kleine weiße Hand, die verzweifelt versuchte, das Ufer zu erreichen. Dabei hatte sie den Ertrunkenen erst gesehen, als Vater den Leichnam aus dem Wasser gezogen hatte.

Wieder einmal fragte sie sich, ob ihr Verstand das Geschehene verdrängte, und wieder einmal fragte sie sich, ob nicht vielleicht sie der Stein des Anstoßes gewesen war, der den bekümmerten Vater so in Rage gebracht hatte.

Mutter hatte den Verlust des Jungen nicht verkraftet, weinte oft lethargisch in ihre Kissen, doch Vater zeigte die Trauer auf andere Weise. Er ertränkte den grausigen Alltag in Alkohol.
Myraida wühlte in den Taschen des zerschlissenen Kleides und zog ein kleines Messer daraus hervor, dessen Klinge mit rostigen Flecken übersät war. Sie benutzte es für gewöhnlich, um Hasenfutter zu schneiden. Die Spitze war abgebrochen, doch die Klinge war noch scharf genug, um das Fell eines Kleintieres sauber abzulösen.
Ihr linkes Bein zuckte und es hielt sie nicht länger auf ihrem Sitz. Noch immer liefen Tränen über ihre Wangen, als sie rastlos am Rand des Teichs auf- und abwanderte.

Es war so furchtbar kalt.

Myraida wischte sich Schweißtropfen von der Stirn und bemerkte den feuchten Film auf ihrer Haut, der das Kleid an ihrem Rücken kleben ließ. Der unappetitliche Geruch kalten Schweißes stieg in ihre Nase und ließ sie erschauern.
Der hölzerne Griff des Messers fühlte sich glitschig an. Es entglitt ihren Fingern und es dauerte eine Weile, bis sie die Klinge in der Dunkelheit wiedergefunden hatte und zitternd aufheben konnte.
Wie würde sich ihr Leben verändern?

Wie sollte sie nun, da das Geschehene passiert und nicht mehr rückgängig zu machen war, den nächsten Morgen überleben?
Sie brauchte mehrere Anläufe, bis sie den Mut fand. Langsam setzte sie sich in Bewegung. Schritt für Schritt ging zurück zu dem Platz, an dem die abendlichen Ereignisse ihren Lauf genommen hatten. Sie ließ den Kopf gesenkt und starrte teilnahmslos zu Boden.

Sie überquerte den Hof des kleinen Anwesens und trat über die Schwelle der Eingangstür. Rechts von ihr lag die Wohnstube. Drei Schritte später lag der Raum vor ihr. Nichts hatte sich verändert. Alles sah genau so aus wie vor wenigen Minuten, als sie das Haus verlassen hatte. Sie hörte das unverständliche Brabbeln ihrer Mutter, die schluchzend nach wie vor am Boden lag.
Myraida wagte nicht, sie anzusehen, als sie auf sie zuging und ihr unbeholfen auf die Beine half. Ihre Mutter war viel größer als sie, und doch war der Körper mit den Armen federleicht, die sich um ihre Schultern schlossen.

Myraida spürte die Wärme ihrer Mutter, doch sie krümmte sich weg und versuchte das ekelige Gefühl zu vergessen, dass Schweiß und Blut an ihrer Wange hinterlassen hatte.
Sie ignorierte den rasselnden Atem und das unheimliche Stöhnen und trieb die abgebrochene Klinge des Messers tief in den Unterleib der Frau, die sie einst geboren hatte.

Myraida spürte, wie sich Gedärme an der abgebrochenen Spitze verhedderten. Eine Drehung nach links ließ sie reißen. Langsam zog sie die Klinge zurück und stach erneut zu. Tief rammte sie das Messer in die Brust. Wenn die Dorfwache morgen kam, mussten die Verletzungen willkürlich aussehen.
Das Stöhnen ihrer Mutter wurde bereits leiser. Die Arme, die sie um ihre Schultern gelegt hatte, lösten sich. Myraida wusste genug über den menschlichen Körper. Ein letzter Stich würde das Ende bringen.
»Er mag ein mieses Schwein gewesen sein, aber er war mein Vater«, flüsterte sie in das blutverkrustete Ohr.

Langsam, als hätte die Zeit für einen Moment angehalten, sank ihre Mutter zu Boden. Blaugelbe Flecken zierten ein ehemals hübsches Gesicht. Die linke Seite war blutverschmiert und über dem Ohr zeigte sich eine kahle Stelle, an der noch vor kurzer Zeit die dichten roten Locken gewuchert hatten, die ihre Tochter geerbt hatte. Wie oft hatte sie darin gewühlt, wenn die Furcht vor der Dunkelheit oder dem Vater über sie gekommen war?
Mit hängenden Schultern verließ sie den Raum, der für so lange Zeit ihre Heimat gewesen war. Jetzt würde sie mit ihm für immer den Gestank des Todes verbinden, den sie seit dem Betreten in der Nase hatte. Nur einmal drehte sie den Kopf und sah hinüber zu dem übel riechenden Haufen, der einst ihr Vater gewesen war. Glassplitter steckten in Kopf und Gesicht, wo die Lampe zerbrochen war und den öligen Inhalt auf Wams und Hosen verteilt hatte.

Die linke Seite vom Feuer entstellt, lag der gekrümmte Körper nur wenige Schritte entfernt von der angetrauten Ehefrau, die sein grausiges Schicksal nur kurze Zeit später mit ihm teilte.
Jetzt waren sie wieder vereint.

Myraida hatte die bangen Sekunden vor Augen, als ihr Vater wie eine Fackel leuchtend sich auf den Dielen wälzte, bis die Flammen gelöscht waren und nur noch feine Rauchfahnen von der Kleidung aufstiegen.
Sie hörte die entsetzlichen Schreie, die abrupt verstummten, als sich ein Splitter tief in die Seite des Halses bohrte und die Atmung versagen ließ.
Bei Anbruch des Morgens war sie ganz auf sich allein gestellt. Niemand würde mehr nach der Schuld am Tod ihres Bruders fragen. Nur sie wusste von den Gräueltaten, die sie den Rest ihres Lebens Nacht für Nacht verfolgen würden.

ENDE



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Nachtvogel
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 32
Beiträge: 117
Wohnort: Münster


Beitrag16.11.2021 01:07
Re: Kurzgeschichte: Ein Messer im Dunkeln
von Nachtvogel
Antworten mit Zitat

Hallo Derufin,

wow, das ist ja ziemlich harte Kost! Ich versuche mal, dir ein kleines Feedback zu geben, allerdings mache ich das hier im Forum jetzt zum ersten Mal und es gibt sicherlich Leute, die das besser können als ich Wink Die Geschichte ist auf jeden Fall erzählenswert und das Ende hat mich sehr überrascht. Ich finde den Schreibstil aber sehr langatmig, wodurch für mich die Spannung irgendwie schon wieder rausgenommen wurde... Die oft ziemlich altertümliche Sprache finde ich persönlich etwas anstrengend. Ich mache das mal an einem Beispiel fest, direkt zu Beginn:

Derufin Denthor Heller hat Folgendes geschrieben:

»Du dreckiges, nichtsnutziges Miststück!«
Die Worte dröhnten in Myraidas Kopf. Trotz des mit unreinem Stroh gefüllten Kissens, das sie über beide Ohren gestülpt hatte, drang der Streit deutlich vernehmbar durch die Dielen bis zu ihrer Schlafstatt am Dachboden der elterlichen Kate.


Der Satz ab "Trotz ..." ist recht kompliziert gebaut und deshalb ziemlich anstrengend zu lesen. Die Formulierung "drang der Streit deutlich vernehmbar" wirkt auf mich sehr distanziert, ich kann dadurch irgendwie nicht so gut Nähe zur Protagonistin aufbauen. Genauso wie die altertümliche, distanzierte Formulierung "elterlichen Kate". Ein bisschen kürzer, knackiger und weniger kompliziert formuliert könnte ich mit dem Text mehr anfangen. Allerdings ist das natürlich mein persönliches Leseempfinden - vielleicht ist der Schreibstil für andere ansprechender!

Die Dialoge wirken auf mich etwas künstlich. Auch dafür ein Beispiel:

Derufin Denthor Heller hat Folgendes geschrieben:

»Warum bleibst du nicht gleich an deinem Lieblingsort, dem Wirtshaus, wo du unser ganzes Geld verprasst. Du weißt genau, dass wir uns seit Tagen nichts Besseres als diese muffige Kohlsuppe leisten können.«


Würde irgendjemand wirklich so sprechen? Natürlich ist Dialog in Romanen immer künstlicher als echte gesprochene Sprache, aber besonders hier erscheint das mir etwas too much. Ich glaube, ein bisschen simpler formuliert (wie z.B. "Warum bleibst du nicht im Wirtshaus, da verprasst du doch sowieso unser ganzes Geld! Seit Tagen können wir uns nichts Besseres als muffige Kohlsuppe leisten!") würde der Dialog authentischer und dadurch auch lebendiger wirken.

Das nur meine groben ersten Gedanken dazu Smile

Liebe Grüße
Nachtvogel
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Derufin Denthor Heller
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 46
Beiträge: 21
Wohnort: Regensburg


Beitrag16.11.2021 16:42
Vielen Dank für die erste Einschätzung!
von Derufin Denthor Heller
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Nachtvogel,

vielen Dank für Deine Kritik. Mein Schreibstil ist tatsächlich ein wenig bildhafter. Natürlich ist das im Genre "Fantasy" auch eher häufiger so. Die altertümliche Sprache gehört zum Setting. Die Geschichte spielt in einer eher "mittelalterlichen Welt". Das wird aber tatsächlich wohl nicht sofort jedem Leser klar.

Mit der "muffigen Kohlsuppe" hast Du evtl. recht. Das wäre wohl ein klassisches Beispiel für ein Adjektiv, das weggelassen werden kann.

Gruß und bleib gesund!

« Was vorher geschah12

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Selanna
Geschlecht:weiblichReißwolf


Beiträge: 1146
Wohnort: Süddeutschland


Beitrag16.11.2021 20:04

von Selanna
Antworten mit Zitat

Hallo Derufin,

hier mal ein paar Leseeindrücke und Anmerkungen von mir. Natürlich alles subjektiv und Geschmackssache Smile Ich kommentiere, während ich lese, also ohne den Text komplett zu kennen.
Zitat:
Myraidas

Bei dem Namen denke ich an das Wort „Myriade“.
Zitat:
unreinem Stroh

Warum nicht einfach „schmutziges/dreckiges/altes/muffiges Stroh“ statt ein negiertes Adjektiv?  
Zitat:
die Myraida aufhorchen ließ.

Aber sie presst noch immer das Kissen auf die Ohren? Oder nimmt sie das Kissen fürs Aufhorchen weg? Oder drückt das Kissen zumindest nicht mehr ganz so fest auf die Ohren. Fände ich logischer.
Zitat:
länger ertragen kann!« Myraida hörte ihre Mutter schreien.

Ich würde vor „Myraida“ einen Absatz setzen, da das eine ja noch ihr Vater sagt, das Schreien aber dann der Mutter zugeordnet ist. Quasi ein Sprecherwechsel.
Zitat:
achtete sorgsam darauf … wankend zurücktaumelte

Beides ist in gewisser Weise doppelt gemoppelt. Wenn man auf etwas achtet, ist man automatisch sorgsam. Wenn man taumelt, wankt man.
Zitat:
Sie schätzte ihren Vater sehr, doch oft genug weilte er der schlechten Ernte geschuldet auf den Gerstenfeldern oder verbrachte tagelange Schwerstarbeit beim Fällen der Bäume im Holz der Familie, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Der Zusammenhang zwischen der schlechten Ernte und der Arbeit auf dem Feld ist mir nicht ganz klar: Wenn Getreidefäule/Trockenheit/zu viel Nässe die Ernte ausfallen lässt, was könnte man als Bauer zu dieser Zeit auf dem Feld arbeiten, um das Unglück abzuwenden? Der zweite Satzteil ist kompliziert konstruiert, mit mehreren Genitiven. Zudem kann man keine (Schwerst)Arbeit verbringen. Man kann Arbeit verrichten, meinst Du das? Mögliche Alternative (falls sie Dir gefällt): oder er fällte in tagelanger Schwerstarbeit Bäume im Familienwald, …
Zitat:
Beständige Dürren und Missernten hatten den ehemaligen Instrumentenbauer dazu gezwungen, sich von filigraner Arbeit zum Bauernhandwerk zu bekennen.

Das ist sehr hochgestochen: „zu bekennen“. Ist das gewollt? Ist Myraida der personale Erzähler? Oder gibt es einen allwissenden Erzähler? Wenn es Myraida ist, wäre eine nicht ganz so vornehme Wortwahl glaubhafter.
Zitat:
warfen sich wahllos Vorwürfe an den Hals,

Vorwürfe wirft man sich an den Kopf. An den Hals geht man sich.
Ich gehe im Weiteren nicht mehr so detailliert auf einzelne Wörter oder Formulierungen ein, da ich nicht weiß, ob Dir überhaupt daran liegt.
Zitat:
rannte nach draußen zu ihrem Lieblingsplatz am Wasser des künstlich angelegten Teichs.

Dass im Teich Wasser ist, ist klar. Das könntest Du kürzen, es ist überflüssig.
Zitat:
Ihr Verstand arbeitete fieberhaft.

An was? Sie erinnert sich. Da arbeitet der Verstand aber nicht fieberhaft. Das tut er, wenn man in kurzer Zeit/unter äußerem Druck auf eine Lösung/Weg/Strategie kommen muss. Die Aussage passt in diesem Kontext nicht.
Zitat:
Jetzt waren sie wieder vereint.

Du musst vorsichtig sein, nicht melodramatisch zu klingen (außer das willst Du). Ich weiß auch nicht, ob das schon zu viel ist, das ist sicherlich Ansichtssache.

Es sind noch weitere kleinere Fehler drin wie dass/das-Fehler oder falsche Wortverwendung (darlegen vs. daliegen). Der Erzählstil ist mE zu gehoben für Myraida als Erzähler, sie ist ein heranwachsendes Mädchen aus einer Kate, da würde ich das Niveau etwas absenken. Das Gehobene kommt teilweise auch von den umständlichen Sätzen, die Du eindampfen könntest: Häufig braucht es gar nicht so viele Details und Genitive und Zusätze, um die Info auszudrücken. Manche Wörter, die Du wählst, treffen auch nicht exakt den Sachverhalt (kann man etwas im Gras vergraben? In Erde, Sand, Morast, Kies, aber nicht in Gras, oder?). Einerseits schaffst Du teilweise sehr plastische, stimmungsvolle Bilder, manchmal überlädst Du sie aber auch. Das lässt sich aber leicht korrigieren, wenn Du ein paar wenige Adjektive/Adverbien/Adverbialen streichst.
Das Thema ist heftig und Du ziehst das auch eiskalt durch, das gefällt mir. Keine Kompromisse, keine drangepappte harmonische Wendung. Myraidas Motivation, die Mutter umzubringen, geht mir nicht ganz ein. Ich kann sie ein bisschen nachvollziehen, aber ganz logisch erscheint sie mir nicht – wobei, Menschen denken/funktionieren ja nicht unbedingt logisch.
Insgesamt denke ich, ein bisschen Feinschliff hat der Text noch nötig, aber das Thema hat es in sich, das ist gut gewählt.
Würde mich freuen, wenn das ein oder andere Hilfreiche dabei war, such Dir raus, was Dir weiterhilft, alles andere verwirf einfach.

Liebe Grüße
Selanna


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Nur ein mittelmäßiger Mensch ist immer in Hochform. - William Somerset Maugham
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Derufin Denthor Heller
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 46
Beiträge: 21
Wohnort: Regensburg


Beitrag17.11.2021 07:52
Vielen Dank für die Eindrücke
von Derufin Denthor Heller
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Hallo Selanna,

ein großes Dankeschön. Bei der Wortwahl habe ich tatsächlich manchmal meine Probleme.
Einzelne Fehler habe ich beim Lesen auch bereits entdeckt. Die müssen natürlich korrigiert werden. Irgendwo fehlt auch das Wörtchen "sie".
Ich freue mich aber, dass Dir die Geschichte ganz gut gefällt. Ich hoffe, Du hattest Freude beim Lesen.

Gruß
D. D. H.
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Selanna
Geschlecht:weiblichReißwolf


Beiträge: 1146
Wohnort: Süddeutschland


Beitrag24.11.2021 19:53

von Selanna
Antworten mit Zitat

Hallo D.D.H.,
Zitat:
Ich freue mich aber, dass Dir die Geschichte ganz gut gefällt. Ich hoffe, Du hattest Freude beim Lesen.

Hatte ich, war mal was anderes Very Happy

Viel Spaß weiterhin!
Liebe Grüße
Selanna


_________________
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