Am offenen Fenster

[Elena]

Ein Taubenruf, schlaftrunkene
Bäume rühren sich nicht, Morgen
im Zimmer, Duft von Gras,
von Kastanienblüten.

Zwitschern der Spatzen, Liebesrufe
eines unbekannten Vogels in der
Pappel, Stimmen unterm Balkon,
dein Atem im Schlaf.

Der beginnende Tag, das Gedicht,
das ich schreiben will von dir
und von mir, Worte, die ich dir
noch nie gesagt habe.

[Minerva]

Sehr schön, stimmungsvoll.

Als Anregung würde ich noch anmerken, aus dem "unbekannten Vogel" einen konkreten Vogel zu machen.
Oder statt "unbekannt" ein anderes Wort zu nehmen.
Ich stolper an der Stelle ein wenig.

[PaulaSam]

Ein schönes Liebesgedicht, Elena. Mir gefällt die Verbindung zwischen Natur und "Herz". Schlaftrunkene Bäume, Duft von Gras, Kastanienblüten. Alles Begriffe, die auch eine romantische Ausstrahlung haben. Der letzte Satz mit "...  das Gedicht, das ich schreiben will von dir und von mir, Worte, die ich dir noch nie gesagt habe." nimmt sich da fast etwas zu "antimetaphorisch" heraus.

Das Gedicht ist, glaube ich, weder in Reimen noch im Versmaß verfasst. Als freie Form bist du also völlig frei bei der Gestaltung. Daher würde ich die Verse auch so gestalten, wie sie tatsächlich gesprochen werden. Die für mein Gefühl etwas erzwungenen Zeilenumbrüche wirken auf mich störend.

Auch würde ich an einigen Stellen mehr verkürzen, um die emotionale Wirkung zu verstärken und dem Leser mehr Freiraum zur Deutung zu geben. Z. Bsp.
schlaftrunkene Bäume rühren sich nicht
Morgen im Zimmer, Duft von Gras
Zwitschern der Spatzen (ändern in Spatzenzwitschern)
Liebesrufe eines unbekannten Vogels in der
Pappel

Die Stimmen unter dem Balkon verstehe ich nicht so richtig. Sind damit auch Spatzen gemeint, die unter dem Balkon zwitschern? Oder sitzt da jemand und redet? Irgendwie schmälert es für mich die Romantik ein wenig, weshalb ich es weglassen oder durch etwas anderes ersetzen würde.

[Elena]

Liebe Minerva,

nein, nein, der "unbekannte" Vogel ist schon richtig. Was wissen wir Großstadtmenschen denn eigentlich von der Vogelwelt? Klar, Krähen und Amseln kennen wir, Blaumeisen schon weniger, dafür Kohlmeisen, und der Rest ist uns zumeist ein Buch mit sieben Siegeln.

Ich hoffe, aus dem Gedicht geht hervor, dass es sich um ein Stadthaus handelt mit den entsprechend unbeleckten Bewohnern darin?

Vielen lieben Dank für den Kommentar.

Lieben Gruß, Elena

[Elena]

Liebe Samantha,

tja, der Zeilenbruch. Es gibt zwei Möglichkeiten dafür: entweder sinngemäß oder nicht. Das "nicht" hat den Vorteil, dass beim Lesen es eine gewisse Überraschung gibt, denn im allgemeinen wird erwartet: Pro Sinn ein Vers.
Man muss das Gedicht laut lesen, dann versteht man auch den Zeilenbruch.
Im Vers steht die wichtigste Aussage entweder am Anfang oder am Ende, und wenn du dir das Gedicht daraufhin ansiehst, kommst du drauf, dass der Zeilenbruch ganz gegen Lesegewohnheiten hinhaut.

Das Reimgedicht setzt auch ein Versmaß, das Metrum, voraus. Hier aber habe im freien Vers geschrieben, im Grunde ist es eine fast durchgehende Ellipse. Man kann auch Aufzählung sagen, denn es fehlen fast völlig die Prädikate.

Hab vielen Dank für den Kommentar.

Lieben Gruß, Elena

[PaulaSam]

Oh, danke Elena für deine Erklärung! Da habe ich doch wieder etwas gelernt. Super!

LG Sam

[Minerva]

Ja ok, dachte ich mir schon. Dann passt das.

[LenaLienne]

Scrollte eben mal durch das ein oder andere Gedicht in diesem Forum und bin an deinem tatsächlich kurz hängen geblieben.
Ich mag die Stimmung sehr. Einserseits so simpel und trotzdem nicht langweilig. Wirklich schön.
Liebe Grüße