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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 05/2021
Sind doch nur Worte

 
 
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hobbes
Geschlecht:weiblichTretbootliteratin & Verkaufsgenie

Moderatorin

Beiträge: 4292

Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
Der silberne Scheinwerfer Ei 4
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Beitrag29.04.2021 19:00
Sind doch nur Worte
von hobbes
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Sind doch nur Worte

Sie geht nicht an offenen Fenstern vorbei. Entdeckt sie eines, nimmt sie einen anderen Weg. Dann dauert es eben länger. Dann sieht die alte Hagemann eben mal wieder demonstrativ auf ihre Uhr und sagt: „Acht Uhr, Fräulein Lehmann.“ Die Hagemann ist eine, die sich das Fräulein nicht nehmen lässt. „Acht Uhr, nicht acht Uhr einundzwanzig.“
Sie nickt einfach nur. Was soll sie auch sagen. Absurde Idee, es ausgerechnet der Hagemann erklären zu wollen.
Frau Hagemann, ich komme zu spät, weil ich nicht an offenen Fenstern vorbeigehe.
Sie muss lachen bei dem Gedanken.  
„Das ist nicht lustig, Fräulein Lehmann.“
Nein, denkt sie. Das ist es wirklich nicht.

Anfangs, als sie noch dachte, es sei vielleicht doch möglich, ein ganz normaler Mensch zu werden, ist sie nach der Arbeit mit einer Kollegin zur Eisdiele gelaufen. Und hat es gesagt, einfach so: „Ich gehe nicht an offenen Fenstern vorbei.“
„Ach ja? Warum denn nicht?“
Ja, warum.
Das ist eine lange Geschichte, hätte sie sagen können.

Die lange Geschichte geht so:

    Sie sitzt unter dem offenen Fenster. Kauert unter dem Fliederbusch. Dass es ausgerechnet ein Flieder sein muss und nicht etwas Beständigeres, Immergrünes. Etwas, das auch im Winter Schutz bietet oder zumindest Versteck.
    Im Winter friert sie unter dem Fenster. Im Sommer hat sie Durst. Frühling ist erträglich, Herbst auch.
    Nächstes Mal nehme ich die dicke Jacke mit, denkt sie im Winter. Nächstes Mal nehme ich die Wasserflasche mit, denkt sie im Sommer. Aber dann muss es doch wieder schnell gehen und sie kann an nichts anderes denken als an: Raus, raus, nichts wie raus. Und erst, als die Tür hinter ihr zufällt, fällt ihr die Jacke oder die Flasche wieder ein.
    Zu spät. Sie geht nicht wieder hinein.

    Später, viel später erst. Dann schließt sie zuallererst das Fenster. Bei geschlossenem Fenster gibt es keinen Krieg. Bei geschlossenem Fenster erstickt er wie Feuer, das allen Sauerstoff verbraucht hat.
    Aber es dauert nicht lange und sie reißen es wieder auf. Und dann geht es doch wieder los:
    „Warum hast du das Fenster zugemacht?“
    „Ich habe das Fenster nicht zugemacht.“
    „Stimmt, wie konnte ich das vergessen. Als würdest du jemals auch nur irgendetwas tun.“
    Es fängt harmlos an, aber mit jedem Satz werden die Worte schärfer. Kantig werden sie und spitz, sie fahren unter die Haut, schneiden hinein, noch einmal und noch einmal und immer wieder. Bis nur noch rohes Fleisch übrig ist.

    Wenn ich die Jacke oder die Flasche einfach an die Tür stelle, denkt sie. Dann muss ich nur noch danach greifen.
    Aber sie tut es nicht, will kein Zeichen setzen, dass es ein nächstes Mal geben könnte. Nicht, dass sie noch daran schuld ist.

    Als hätte sie einen Einfluss darauf. Als hätte sie auf irgendetwas einen Einfluss.

    Und was ist das überhaupt für eine Flucht, die nicht weiter reicht als unter das offene Fenster. Mit den viel zu nahen Stimmen der Menschen, denen sie eigentlich entfliehen will. Jedes Wort versteht sie.
    Auch die Menschen, die an der Straße vorbeilaufen, verstehen jedes Wort. Manche laufen einfach weiter. Die meisten halten einen Moment inne. Schütteln dann den Kopf. „Schlimm“, sagen sie. „Was es doch für asoziale Menschen gibt.“
    Sie stellt sich vor, wie es wäre, sich einem von ihnen anzuschließen. Einfach mitgehen, so tun, als gehöre sie zu ihm. Mit ihm einen Ort finden, an dem keine Kriege geführt werden.
    Es wird doch wohl einen geben?

    „Es sind doch nur Worte“, sagen die beiden. In den ruhigen Momenten, wenn sie sich ihrer erinnern. „Worte tun nicht weh. Uns schaden sie doch auch nicht.“
    Sie glauben es wirklich.

    Manchmal wünscht sie, statt Worte würde Porzellan fliegen. Würde ein Auge blau geschlagen, ein Jochbein gebrochen. Dann würde man es wenigstens sehen. Dass etwas kaputt geht. Und weh tut.
    Aber nein. „Gewalt? Bei uns doch nicht! Wir sind doch nicht asozial.“

    Sie kauert unter dem Flieder, hält sich die Ohren zu und versteht trotzdem jedes Wort. Später, als sie einen MP3 Player hat, setzt sie Kopfhörer auf und dreht die Lautstärke hoch. Auch das nützt nichts. Die Worte sind längst in ihrem Kopf angekommen. Unter ihrer Haut.
    Am liebsten würde sie gehen, aber wo soll sie hin. Was nützt alles Fortgehen, wenn sie am Ende doch wieder zurückkehren muss.

    Irgendwann kehrt Stille ein. Manchmal sogar ein paar Tage lang. Man könnte meinen, das wäre besser, aber es stimmt nicht. Es ist eine lauernde Stille, es ist das Warten auf das nächste Gefecht.

    Einmal war sie selbst ein halbes Jahr lang still. Hat kein Wort mehr gesagt. Es hat eine Weile gedauert, bis es überhaupt jemandem aufgefallen ist. Über ihrem Krieg vergessen sie alles andere. Abendessen, Zähne putzen, dass man irgendwann ins Bett muss, und morgens wieder aufstehen. Frühstück. Die Brotdose. Schule.
    „Warum redest du denn nicht mehr? Nun sag doch!“
    Ja, warum.

    Warum sind sie überhaupt zusammen?, fragt sie sich. Fragt es schließlich laut in die eskalierende Stille hinein. Die beiden sehen sie an, als hätte sie die abwegigste Frage überhaupt gestellt. Was ist das für eine Frage, sie sind doch verheiratet. Trennung, Scheidung, das kommt nicht in Frage, schon gar nicht wegen den paar Worten, das ist ja lächerlich.

    Schließlich ist sie es, die sich trennt. Sobald es möglich ist, sobald sie gehen kann, ohne wieder zurückkommen zu müssen, packt sie ihre Sachen und geht. Weg vom offenen Fenster und den Wortgefechten.
    „Tschüss“, sagt sie an der Tür leise. Geht dann leicht geduckt davon, um nicht doch noch von einem letzten Querschläger getroffen zu werden


Das war sie, hätte sie sagen können. Die lange Geschichte.

Sie hat sie hinter sich gelassen. Ist erwachsen geworden, hat längst eine eigene Wohnung. Kann selbst darüber entscheiden, ob die Fenster offen sind oder geschlossen.
Alles ist gut. Nicht wahr?
Es ist so lange wahr, bis sie die Straße entlanggeht und ein offenes Fenster sieht. Dann hat sie sofort wieder den Duft des Flieders in der Nase und die scharfkantigen Worte unter der Haut. Ihr Blick sucht nach einem Busch, einem Baum, aber sie ist erwachsen, sie versteckt sich nicht mehr. Wechselt nur die Straßenseite oder nimmt einen anderen Weg. Kommt wieder einmal zu spät zur Arbeit.
„Acht Uhr, Fräulein Lehmann.“
„Ja, Frau Hagemann“, sagt sie und lächelt. Die Worte der Hagemann sind stumpf wie ein altes Messer. Vielleicht, weil die Fenster im Büro immer geschlossen bleiben.
„Glauben Sie bloß nicht, dass ich hier bei offenen Fenstern sitze“, hat die Hagemann anfangs gesagt. „Die Fenster bleiben zu. Damit das klar ist, Fräulein Lehmann.“

Vielleicht würde sie es doch verstehen, denkt sie. Ausgerechnet die Hagemann.

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Stefanie
Reißwolf


Beiträge: 1741



Beitrag11.05.2021 13:37

von Stefanie
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Ein altes Trauma, Streit, böse Worte durch ein offenes Fenster.

Ob die alte Frau es verstehen würde oder nur nicht im Zug sitzen will, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht spricht da auch die Hoffnung.
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d.frank
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D

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D
Beitrag11.05.2021 15:26

von d.frank
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Hmmm

Etwas ist passiert. Was genau, wird langsam aufgerollt.
Vielleicht ist mir das mit den Worten zu leise?
Vielleicht ist mir das mit dem unterm Fenster sitzen zu weit hergeholt?
Irgendwas passt nicht.

Ich denke, das ist zu gewollt. Ich komme nicht richtig rein, in Text und Figur.


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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Gast







Beitrag11.05.2021 17:24

von Gast
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Liebe/r Autor/in,

eine Kinderseele, die unter den Streitereien der Eltern leidet. Selbst als Erwachsene assoziiert sie ein geöffnetes Fenster mit diesen belastenden Erinnerungen, trägt sie die Spuren noch mit sich, eine Seele vergisst nicht. Es gibt viele Möglichkeiten, jemanden zu verletzen. Worte sind ein sehr kraftvolles Mittel, können manchmal mehr schmerzen als ein Schlag und Worte brennen sich ins Gedächtnis ein.

Ich finde, du has das Thema sehr schön umgesetzt, deine Sprache ist klar und die Sätze fließen nur so dahin. Ich mag das, wenn ein Text eine Natürlichkeit behält, du bist sparsam mit den üblichen Stilmitteln umgegangen und das hat deine Geschichte auch gar nicht nötig. Dein Beitrag hat eine Klarheit, etwas Unschuldiges, das mich berührt und ich würde sagen, wer solche Gefühle bei seinen Lesern auslösen kann, hat als Autor:in sehr viel richtig gemacht.

Gefällt mir gut, gibt auf jeden Fall Punkte!

Liebe Grüße,
Katinka
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marinaheartsnyc
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Beiträge: 137



Beitrag11.05.2021 18:09

von marinaheartsnyc
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Ich finde den Text sehr schön geschrieben und auch inhaltlich hat er mir gefallen und erfüllt auf jeden Fall die Kriterien für E-Literatur. Trotzdem gab es leider ein paar Texte, die mich noch ein bisschen mehr überzeugt haben.

_________________
Yesterday I was clever, so I wanted to change the world. Today I am wise, so I am changing myself.

- Rumi
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nebenfluss
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Beiträge: 5988
Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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Beitrag11.05.2021 18:59

von nebenfluss
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Eine namenlose Protagonistin geht prinzipiell nicht an offenen Fenstern vorbei. Auslöser dafür sind Kindheitserinnerungen an die Streitlust der Eltern. In den Fällen, wo es mal wieder lauter wurde (was wohl regelmäßig vorgekommen ist), ist sie aus dem Haus mit den immer offenen Fenstern geflohen, hat sich sogar schon mit Vorkehrungen getragen, sich draußen bequemer einzurichten oder gleich ganz abzuhauen. Aus der Hilflosigkeit heraus fragt sie schließlich, warum die Eltern überhaupt zusammenbleiben; dass die bösen Worte ihnen nichts ausmachen, kann sie nicht glauben, spürt sie doch die Gewalttätigkeit, der sie selbst dadurch ausgeliefert ist, und manch ein Passant bestärkt sie in dieser Auffassung, was zum sarkastisch zu lesenden Titel der Geschichte führt.
Das Thema ist also quasi in seiner Negierung bearbeitet, was - glaube ich - ein Alleinstellungsmerkman im Wettbewerb ist. Nach meinem Geschmack bemüht sich der Text etwas zu sehr, das dem Leser plausibel zu machen, das Trauma in das Erwachsenenalter fortzuschreiben, wo es offenbar manchmal nicht mal reicht, die Straßenseite zu wechseln, sondern einundzwanzig-minütige Umwege in Kauf genommen werden, was schon ein verdammt großer Bogen ist, um ein offenes Fenster zu umgehen - aber vielleicht liegen ja auch auf dem Umwegen wieder offene Fenster. Die Prota hat dann auch die Hoffnung aufgegeben, "ein normaler Mensch zu werden" - damit könnte etwa jemand gemeint sein, der kreativ nach eine Lösung für die ärgerliche Macke sucht, sich also etwas auf dem Weg durch die Straßen mit Musik aus dem Kopfhörer abschottet, was - entgegen früher Erfahrungen - ja nun durchaus funktionieren könnte, wenn man dafür pünktlich auf der Arbeit erscheint und sich nicht tadelnd als "Fräulein" titulieren lassen muss. Sie könnte auch ein Fahrrad nehmen, mit dem man in Nullkommanix am offenen Fenster vorbeiflitzt, vielleicht fährt auch ein Bus. Oder wenigstens früher das Haus verlassen, damit sie sich nicht irgendwann eine Abmahnung auf der Arbeit einfängt.
Stilistisch ist der Text eigenständig wie gewohnt; dass kein Zweifel daran bestehen kann, wer hinter dem Text steckt, stellt mich allerdings mehr denn je vor das Problem, wie ich dem Beitrag punktetechnisch gerecht werden soll. Hätte ich noch nie etwas von der Autorin gelesen, wäre ich wahrscheinlich begeistert, aber nach all den Jahren erkenne ich den Stil einfach zu sehr wieder, und auch das Kabinett sich ähnelnder Figuren und ihrer Konflikte - die Protagonistin dieses Textes hat mich z. B. bald an Schmitti erinnert. Ein Elefantengedächtnis ist manchmal ein Fluch.
Im Ringen um eine gerechte Einordnung wird es wahrscheinlich auf einen der niedrigeren Punkteränge hinauslaufen.


_________________
"You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson)
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Babella
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Beiträge: 889

Das goldene Aufbruchstück Der bronzene Roboter


Beitrag11.05.2021 20:52

von Babella
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Ich sehe das verhuschte Kind vor mir, das vor dem Ehestreit der Eltern flieht. Wie traurig. So traumatisiert, dass offene Fenster danach gemieden werden müssen. Das Kind kann nicht weg und muss trotz allem alles mit anhören.

Glaubwürdig und mitreißend erzählt.
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Nihil
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Moderator
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Beitrag13.05.2021 00:03

von Nihil
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Eine Frau, die offene Fenster vermeidet, weil diese sie an die gescheiterte Beziehung und die damit verknüpften Traumata erinnert. Ein wenig drängt sich der Eindruck schon auf, dass die offenen Fenster nur wegen der Aufgabenstellung eine Rolle spielen, denn unter anderen Umständen hätte es genauso gut der ausgeschaltete Fernseher oder der nicht gedeckte Küchentisch sein können, an dem sich der Ärger entzündet. Die Vorgaben sind mir eigentlich nicht so wichtig bei Wettbewerben, hier komme ich durch sie aber auf etwas anderes zu sprechen. Genau so wie die Vorgabe leider recht oberflächlich eingearbeitet wird – im Sinne dessen, dass sie auf keine tieferliegende Ebene führt –, so bleiben auch die Beziehung sowie die gesamte Problematik des Textes sehr oberflächlich und klischeehaft dargestellt. Der Freund säuft und wird cholerisch, sie ist das Mäusken, das dem wenig entgegenzusetzen hat. Dann kommt noch eine garstige alte Arbeitgeberin dazu und wir haben unsere Misere. Hier spüre ich insgesamt zu wenig Funken, zu wenig Originelles, Eigenständiges für eine höhere Bewertung. Punkte bekommt er aber. Denn obwohl ich den Text nicht besonders herausragend gut finde, finde ich ihn auch nicht herausragend schlecht. Ein okayer, aber etwas oberflächlicher Text.

War das jetzt erst die kurze Rezension oder muss ich noch die lange einrücken? Was? Ich hätte eh nicht mehr zu sagen? Ja, woher willst du das denn wissen? Achso! Du meinst, weil das schon die lange war? Tschuldigung, ich dachte jetzt eher, die wäre so mittel. Aber dann ist ja gut. Wie, nicht gut? Ach, nicht schlecht. Aha. Ich geh dann mal weiter.
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V.K.B.
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Das goldene Rampenlicht Das silberne Boot
Goldenes Licht Weltrettung in Silber


Beitrag14.05.2021 03:37

von V.K.B.
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Hallo unbekanntes Wesen, das das geschrieben hat,
die Geschichte gefällt mir sehr gut. Vorgabe alle umgesetzt, E ist es meiner Meinung nach auch. Und ungewöhnlich  geschrieben (mit der "Infodump"-Geschichte in der Geschichte) auf jeden Fall auch. Ja, Menschen und ihre toxischen Beziehungen, was soll ich da noch groß drüber sagen? Außer, dass das definitiv ein Anwärter auf Punkte ist, die ich aber erst verteile, wenn ich alles gelesen habe.

Edit: Zur Endwertung: Ich habe die Texte in die Kategorien grün (genau wie ein Zehntausendertext mMn sein sollte, also definitiv E-Lit, aber auch besonders geschrieben und neue Wege beschreitend, oder das zumindest versuchend), gelb (ernsthafte Themen, aber realtiv traditionell geschrieben) und rot (Text, der mMn nicht in diesen Wettbewerb passt, auch nicht teilweise) eingeteilt. Die Rangfolge für die Punkte erfolgt dann nicht größtenteils nach persönlichem Gefallen, sondern erstmal innerhalb der Gruppen.

Diesen Text habe ich in den grünen Bereich eingeteilt, er erfüllt die Vorgaben dieses Wettbewerbs vollständig, landet auf Platz 3 und erhält damit 8 Punkte.


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Hang the cosmic muse!

Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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Constantine
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Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag14.05.2021 19:21

von Constantine
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Familiendrama Nr. 4279 oder Schuster, bleibt bei seinen Leisten

Bonjour Inko,

zugegeben, der Text ist ordentlich geschrieben, sehr dicht an der Prota dran und die Erzählperspektive ist konsequent.
Aber: Arg konstruiert ist das für mich leider schon, dieses Drama um die Problematik offener Fenster und die Geister der Vergangenheit. Kleinigkeiten können bekanntermaßen Erinnerungen triggern und bei deiner Prota sind es: offene Fenster. Ah ja.

Ich vermisse leider etwas Neues. Mir ist der Cocktail leider zu banal gestrickt: Konflikte zwischen den Eltern, die Tochter leidet darunter, die Message, dass Worte doch nicht nur Worte sind, sondern mehr Schaden anrichten als körperliche Gewalt, natürlich, die Tochter hat 'nen Knacks fürs Leben deswegen mitgenommen, weil sie sich seit der Kindheit vor dem Haus unterhalb des offenen Fensters (???) zurückgezogen hat, während die Eltern stritten, und nun als Erwachsen sich von offenen Fenstern fernhält. Ok.

Dein Text erreicht mich leider nicht. Ist mir alles zu sehr runtergespult, zu simpel gedacht, uninspiriert und wie aus dem Baukasten.

Das Thema ist drin. Soweit so gut. Aber mir wurde insgesamt zu wenig versucht.
Leider nicht in meiner Top Ten: zéro points.

Merci beaucoup
Constantine
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Raven1303
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Beiträge: 540
Wohnort: NRW


Beitrag14.05.2021 23:27

von Raven1303
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Liebe/r Unbekannte/r,

du hast einen flüssigen, schön lesbaren Schreibstil und die Anforderungen des Wettbewerbs sehe ich alle als erfüllt an.
Was mich stört: macht man die Fenster nicht eher zu, wenn drinnen die Fetzen fliegen?

Andere Geschichten haben mich vom Thema und Stil stärker gefesselt, daher habe ich für dich keine Punkte mehr übrig, was ich schade finde, da du welche verdient hättest!

LG Raven


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F.J.G.
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Wohnort: Wurde erfragt


Beitrag15.05.2021 15:15

von F.J.G.
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Guten Abend,

der Text hat was. Ich denke zwar, dass es einige tiefere Bedeutungen gibt, die sich mir nicht erschlossen haben, aber das laste ich nicht dem Text an.

Es gibt wirklich hochkarätige und sophistizierte Texte, anspruchsvoll zu lesen und noch anspruchsvoller zu schreiben. Und dann gibt es Texte, die genau dieses Image bedienen wollen, jedoch nur pseudo-modernes Geschwurbel sind.

Die gute Nachricht: Ich empfinde diesen Text als Vertreter der ersteren Gruppe. Daher gebe ich ihm 5 Punkte.

Gern gelesen,
der Kojote


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Ribanna
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Beitrag15.05.2021 18:50

von Ribanna
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Das ist richtig gut. Mitreißend. Pointiert. Gefällt mir sehr.

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Gast







Beitrag17.05.2021 11:22

von Gast
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Eine Frau mit einem Trauma unbekannter Herkunft (möglicherweise Kriegssituation, das wird aber nicht deutlich) projiziert das Trauma auf offene Fenster, gegen die sie eine Aversion entwickelt, die sie aber anderen Menschen nicht vermitteln kann.

Vorgabentreue:

(Tief durchatmen). Wie vermeide ich es, nun als Sprachnazi Wortkorinthenkacker dazustehen?

Ich zitiere die Aufgabenstellung:

"an offenen Fenstern vorübergehen"

Meinen Sprachverständnis nach heißt "an einem Gegenstand oder Lebewesen x vorübergehen," sich x anzunähern, dabei vor der Entscheidung zu stehen, ob man bei x stehenbleibt (um es sich entweder genauer anzusehen oder vielleicht noch näher zu kommen, bei xen wie einem Fenster es sogar zu durchdringen) oder an x vorbei läuft, dabei den Weg fortsetzt, den man/frau vor der Entscheidung eingeschlagen hatte.

Soweit, so gut. Die Allermeisten AutorInnEn haben das auch so umgesetzt und ihre Protas vor die Entscheidung gestellt, sich dem offenen Fenster zu stellen, vielleicht sogar dort durchzugehen, oder es zu ignorieren.

Die Prota hingegen hat ein anderes Problem - sie kann sich einem offenen Fenster noch nicht einmal nähern. Der Unterschied zwischen "vorüber" und "vorbei" halt.

Machen wir nun den Erbsenzähler und disqualifizieren den Text, weil er diesen Unterschied nicht berücksichtigt hat?

Nä, aber wir behalten es im Hinterkopf. Sagen wir also erstmal wohlwollend "vorbei und vorüber ist hinreichend synonym."

Ausgestaltung:

Das Problem des Textes ist, dass er eigentlich nicht mehr aussagt als in der Synopsis steht. Es gibt keine Handlung, keine hinreichende Erklärung, keine Charakterisierung, keine Wortmalerei, keinen tieferen Sinn - eigentlich nur die Aussage, dass die Prota eine Aversion gegen offene Fenster hat. Und dass ihr damit andere Menschen, die ihre Aversion teilen, weniger unsympathisch sind als alle Anderen, gegen die sie eine generische Feindschaft hegt, selbst wenn sie diese wenigen Leidensgenossen eigentlich gar nicht mag.

Mir ist da ehrlich gesagt zu wenig Substanz drin. Vermutlich entgeht mir da eine Handlungsdimension oder die passende Lesart, durch die sich Fenster in eine völlig neue Welt öffnen, aber die Beschläge sind mir ehrlich gesagt zu schwergängig/fehlkonstruiert.

Siehe den Kommentar zu "Nitko" für die Bepunktung.
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Gast







Beitrag17.05.2021 18:15

von Gast
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Endlich mal  wieder ein Text, den ich bereits nach erstmaligem Lesen verstanden habe! Nun könnte man sagen: Durchgefallen, weil nicht ungefügig genug. Aber da für mich Ungefügigkeit kein Qualitätsmerkmal von Texten ist…außerdem war ich auch beim zweiten und dritten Lesen noch angetan.
Die Protagonistin kann aufgrund traumatischer Erlebnisse in der Kindheit (verbaler Rosenkrieg der Eltern) nicht mehr an offenen Fenstern vorübergehen. Das offene Fenster ist für sie nur negativ assoziiert, war es doch damals stets Fluchtpunkt und Versteck zugleich.
Der Text entfaltet mit relativ einfachen aber sehr präzise eingesetzten Stilmitteln ganz unaufgeregt eine erstaunliche Dramatik.
Was mir nicht ganz einleuchtete ist, dass das Mädchen sich ausgerechnet unter einem offenen Fenster verkriecht, wenn ihre Eltern streiten. Das schien mir doch ein wenig durch die Themenvorgabe erzwungen.
Dennoch vergebe ich 4 Punkte.
LG
DLurie
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag17.05.2021 22:28

von Jenni
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Fräulein Lehmann geht nicht an offenen Fenstern vorbei, denn als Kind haben ihre Eltern sich ums und am offenen Fenster gestritten, und sie saß darunter und litt. Das sei eine lange Geschichte. Ist es aber gar nicht. Eigentlich ist es eine sehr kurze Geschichte, eine lange Kindheit vielleicht und ein langer Abnabelungsprozess. Traurig, ja, und ganz sicher kein Einzelschicksal.
Erzählt ist mir das fast ein bisschen sehr linear. Da ist das Problem, hier ist der Grund, und dort ist das Ende. Und dann?
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anderswolf
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1069



Beitrag18.05.2021 11:00

von anderswolf
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Aus einem Guss. Oder: Als ob.

Fangen wir mit der Inhaltsangabe an, denn damit ist noch gar nichts gesagt: Fräulein Lehmann kommt häufig zu spät ins Büro, weil offene Fenster auf ihrem Weg zur Arbeit sie an die Streitereien ihrer Eltern erinnern, vor denen sie sich immer versteckt hat (wenngleich nur im Fliederbuch genau vor dem Fenster); sie geht dann Umwege, mal länger, mal kürzer, aber eben nie kurz genug, um noch pünktlich zu sein.

So kurz, so unbedeutend. Das dann noch in einer Sprache, die sehr schlicht scheint, sehr einfach, gefällig auch, bei einem Wein hieße das süffig; wie heißt das bei einem Text? Lesig? Wie nach dem Genuss einer Flasche süffigen Weins allerdings (oder zwei oder drei) mit unerwarteten Spätfolgen. Denn was hier so harmlos erzählt wird (Kind versteckt sich im Fliederbusch, weil die Eltern streiten), das ist ja gar nicht harmlos. Ist offensichtlich nicht harmlos, wenn Fräulein Lehmann auch Jahre später noch drunter leidet. Wenn es ihr auch Jahre später die Erinnerung an Worte unter die Haut schiebt, die zerfetzenden Schrapnellen gleichen.

Kinder, das vergessen Erwachsene ja ganz gerne, weil sie überwiegend mit sich selbst beschäftigt sind, sind nicht nur überwiegend mit sich selbst beschäftigt, sondern sind hochgradig rezeptiv. Müssen sie ja sein, weil wenn sie es nicht sind, schaffen sie es nicht heil bis ins Erwachsenenstadium, wo sie sich dann mit sich selbst beschäftigen können, ohne dass es unbedingt gleich der leicht zu beeindruckenden Gussform von Kindern größeren Schaden zufügt, deren Risse und unsauberen Fugen dann auch später noch an den fertigen Menschen abzulesen sind. Kinder lernen durch Anschauung, und so wie manche Kinder mobben, weil sie sich von den Erwachsenen abgeschaut haben, dass, was nicht in die Norm passt, ausgemerzt gehört, tragen andere Kinder das Echo ihrer streitenden Eltern mit sich rum. Mitunter bis ins Erwachsenenleben hinein und in ihre Beziehung zu anderen Menschen und vielleicht auch potentiellen Partner- und Partnerinnenschaften.
Trauma kann das genannt werden, Posttraumatische Belastungsstörung auch, Ballast. Manche Menschen schleppen das mit sich herum wie die Erinnerung an Tote, manche erinnern sich nicht nur an die Toten, sondern sehen sie leibhaftig in der Gegend herumstehen. Wir sind, wozu wir gemacht wurden, wir stammen aus einer Gussform, die andere für uns bereitet haben, und es ist schwer, diese Macken und Fehler als das zu akzeptieren, was sie sind: unabänderlich und unsere Identität.

Und - das ist das wichtigste - so geht es uns allen. Manche Menschen sehen das nicht, das gehört zu ihrer Gussform, manche wiederum sind hochempfänglich für die Verletzungen anderer. Manche erkennen das gar nicht, fragen sich höchstens, was sie mit anderen Menschen verbindet. Frau Hagemann vielleicht, die trotz ihrer Grobheit vielleicht doch spürt, dass es einen sehr spezifischen Grund gibt, dass Fräulein Lehmann immer zu spät kommt, sonst hätte sie sie vielleicht schon längst rausgeworfen. Aber so bauen sich die beiden nur ihr ganz eigenes Ritual: Fräulein Lehmann kommt zu spät, Frau Hagemann schilt, aber straft nicht. Und so arrangieren sie sich miteinander, und vielleicht kommt es doch irgendwann mal zu dem Gespräch, das das aufklärt, und dann ... naja, nicht meine Geschichte.

In dieser Geschichte steht das so ja auch gar nicht, dass Frau Hagemann mehr ist als eine dornige Person, da steht nur, dass sie demonstrativ auf die Uhr zeigt und später mit stumpfen Wortmessern wirft. Fräulein Lehmann könnte das fast schon als liebevollen Umgang empfinden, an die Kratzbürstigkeit einer etwas grob liebenden Mutter, die es vielleicht sogar gut meint.
Das könnte ihr vor allem darum so erscheinen, weil ihrer eigenen Mutter sowas egal war. Die im Gegenteil mit vielleicht harmlosen Worten um sich geworfen hat, die aber einem Kind, das beeindruckbar, verletzlich, noch hoffnungs- und vertrauensvoll war, die Gussform (und ja, in dem Bild bleibe ich jetzt) zerfasert hat. Das Kind sitzt unter dem Fliederbusch, direkt vor dem Haus, hätte ja auch weiter fort gehen können, wo die streitenden Eltern vielleicht nicht mehr zu hören gewesen wären, aber das Kind ist ja auch das Kind der Eltern, die es zu verstehen sucht, die es ja eigentlich aus einer Art Abhängigkeit heraus liebt, ja: lieben muss, denn wie sonst soll es überleben? Natürlich hängt das Kind seine Liebe an die Eltern, selbst wenn die Eltern nichts für die Liebe übrig haben, und das ist verhängnisvoll und traurig und darum sitzt das Kind unter dem Fliederbusch und hofft auf eine Stille, die nicht kommt, weil die zweierlei heißen könnte: entweder ist endlich wieder alles gut oder die Eltern haben sich umgebracht, aber auch dann wäre wenigstens endlich das Geschrei vorbei, das viel zu oft dem Kind vorkommt, als sei es die eigene Schuld. Als ob.

Das alles erzählt die Geschichte nicht direkt. Der Text geht am Leben von Fräulein Lehmann vorbei wie ein Spaziergänger an einem geöffneten Fenster vorbeigehen mag. Wirft einen Blick hinein und sieht den kurzen Ausschnitt eines Lebens, und dann kommt es darauf an, ob der Spaziergänger über das Gesehene nachdenken will oder nicht. Dass er das tun soll oder dass das Publikum des Textes das tun soll, zeigt der Text sehr deutlich mit einem eleganten Kniff des "justfify" im "justify", der Einrückung nämlich, die die nicht so lange "lange Geschichte" erzählt, auch hier im Erzählen wie an einem geöffneten Fenster vorbei, ein Ausschnitt in ein Leben, in ein Trauma. Und das in einem Tonfall, der - wie gesagt - schlicht ist, unprätentiös, harmlos. Lesig, auch hier. "Sind doch nur Worte", sagt die Mutter zur Entschuldigung, weil sie nicht ahnt oder ahnen will, dass diese Worte alles andere als harmlos sind: "Es fängt harmlos an, aber mit jedem Satz werden die Worte schärfer. Kantig werden sie und spitz, sie fahren unter die Haut, schneiden hinein, noch einmal und noch einmal und immer wieder. Bis nur noch rohes Fleisch übrig ist."

Aber eigentlich will ich gar nicht zu viele Worte über diesen Text sagen, der im Grunde, wenn das Publikum nicht einfach so an ihm vorbeigeht, sich ja selbst erzählt, insofern sage ich nur: 10 Punkte.
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Kiara
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Beiträge: 1404
Wohnort: bayerisch-Schwaben


Beitrag18.05.2021 15:11

von Kiara
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Hallo,
da geht es ja viel um Fenster - jetzt kann aber wirklich keiner meckern, dass du die Vorgabe nicht eingehalten hast smile Doch das Niveau ist hoch und für Punkte reicht es dieses Mal leider nicht. Trotzdem liebe Grüße und danke für deine Geschichte.


_________________
Zum Schweigen fehlen mir die Worte.

- Düstere Lande: Das Mahnmal (2018)
- Düstere Lande: Schatten des Zorns (2020)
- Düstere Lande: Die dritte Klinge (2023)
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silke-k-weiler
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 49
Beiträge: 748

Das goldene Schiff Der goldene Eisbecher mit Sahne


Beitrag18.05.2021 20:43

von silke-k-weiler
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Lieber Text,

sehr schön eingefangen, wie Worte unsichtbar verletzen können, und mit der Vorgabe des offenen Fensters verbunden. Wie die Seele unter scharfkantigen Worten leidet, so sehr, dass man sich sogar physische Gewalt wünscht, damit man die Wunden endlich sieht.

 Daumen hoch

Berührender Text.

Herzlichst
Silke
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MoL
Geschlecht:weiblichQuelle


Beiträge: 1838
Wohnort: NRW
Das bronzene Stundenglas


Beitrag19.05.2021 09:43

von MoL
Antworten mit Zitat

Lieber Inko!

Leider hat Dein Text von mir keine Punkte bekommen. Das liegt an der Umsetzung des Themas, nicht an Deinem Schreibstil. Falls es Dich interessiert: schulnotenmäßig hat Dein Text von mir eine 2 bekommen. Smile

Das Thema Fenster hast Du drin, keine Frage. Allerdings auf eine Art, die mir ungefügig, disharmonisch erscheint. Die Rolle des Fensters ergibt für mich inhaltlich einfach keinen Sinn. Wieso sollte ein Kind vor dem elterlichen Gestreite flüchten und sich dann ausgerechnet da hin setzen, wo es eben jene verletzenden Worte immer noch mitbekommt?
Harry Potter versteckte sich einst unter einem geöffneten Fenster, um heimlich die Nachrichten mit anhören zu können. Bei Deinem Text erschließt sich mir der Sinn dessen leider überhaupt nicht, im Gegenteil, ich glaube, ohne die Fenster-Vorgabe, die ja zwingend umgesetzt werden musste, wäre Dein wesentlich besser geworden! Es muss ja auch nicht so viel sein, es hätte ja gereicht, wenn das Kind immer an dem Fenster vorbei gerannt wäre, verfolgt dann von den durch das offene Fenster hervordringenden Wortfetzen. Das Fenster passt für mich einfach nicht hinein. :-/

Nochmal: sonst finde ich Deinen Text wirklich gelungen. Inhalt. Aussage. Vor allem das Ende, "Vielleicht würde sie es doch verstehen, denkt sie. Ausgerechnet die Hagemann.", das hat mich wirklich berührt. Smile


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gemeinsam mit Leveret Pale:
"Menschen und andere seltsame Wesen"
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Hexenherz-Trilogie: "Eisiger Zorn", "Glühender Hass" & "Goldener Tod", Acabus Verlag 2017, 2019, 2020.
"Die Tote in der Tränenburg", Alea Libris 2019.
"Der Zorn des Schattenkönigs", Legionarion Verlag 2021.
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nicolailevin
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 259
Wohnort: Süddeutschland


Beitrag20.05.2021 09:49

von nicolailevin
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Fräulein Lehmann geht nicht an offenen Fenstern vorbei, weil sie sich in ihrer Kindheit immer draußen vor dem offenen Fenster verborgen hat – vor den verletzenden Worten ihrer Eltern, gegen sie gerichtet, aber auch gegen einander. Alles ziemlich toxisch, im Hause Lehmann.

Ok. Verstanden soweit. Es fällt mir freilich schwer, das nachzuvollziehen: Warum unters offene Fenster? Würde ein Kind nicht eher dahin fliehen, wo es Schutz empfindet, genau außerhalb der Hörweite, irgendwohin hinters Haus, unter die Tischtennisplatte, dahin, wo sie das giftige Zeug nicht mehr mitbekommt?

Ich krieg auch zu der Figur keinen Bezug. Die Erinnerung belastet sie massiv, sie leidet an dieser Atmosphäre, so sehr, dass sie sich noch als Erwachsene auffällig benimmt. Aber davon merke ich nichts, wenn sie berichtet. Sie wirkt eigentlich nicht durch den Wind, sondern eher durchschnittlich, unauffällig – ich bekomm das nicht übereinander, diese stabile, in sich ruhende Erzählerin und das aufwühlende Trauma. Die Verletzung ist mir auch zu distanziert und abstrakt geschildert, die Worte werden nicht genannt, was lösen sie aus? Wie wirken sie genau? Was ist so schlimm daran? Was macht das mit ihr?

Dann sind es normalerweise nicht nur Worte, die weh tun und die giftige Atmosphäre ausmachen: Da kommen Eindrücke von Körpersprache, Aktionen, Interaktionen dazu – eine verweigerte (oder gar: undenkbare) Umarmung, so was in der Art. Das fehlt mir zu einem runden Bild.

Und der Giftigkeit muss ja was zugrunde liegen, das muss irgendwo verortet sein bei den Eltern; fassbar werden, auch wenn man das als Kind nicht analysiert, so fühlt man es doch. Oder leidet daran, es nicht zu begreifen.

Insgesamt fehlt mir in dem Text die emotionale Ebene, jeder Bezug zu den Eltern, das Bedürfnis nach Liebe und Wärme, das zurückgewiesen wird. Die verletzenden Inhalte in diesem Text sind mir zu abstrakt und akademisch, und sie könnten genauso gut aus dem Radio kommen. Das wirkt alles mit sehr kaltem Herzen konstruiert und inszeniert: Man merkt die Absicht und ist verstimmt.

Hat es leider nicht in die Punkterunde geschafft.
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Michel
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Beitrag20.05.2021 10:49

von Michel
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Noch so eine Geschichte, die sitzt.

Jaaa, nicht alles. Das alte "Ich bin so, weil ich eine schlimme Kindheit hatte"-Motiv. Hier immerhin gewandelt in die Variante ohne physische Gewalt. Trauma als Erklärung. Gibt es, Geschichten von Traumatisierungen höre ich in der Arbeit oft. Lese ich aber auch ein bisschen zu oft.

Nur: Das ist hier alles sprachlich so gekonnt gefasst, dass mich so ein bekanntes Motiv nicht erschreckt. Das bleibt Hintergrundmusik, vor der die Figuren sich bewegen, in beiden Zeitebenen. Das ist so schlüssig, "Sie" so stimmig und nachvollziehbar, die Dramatik der Zwangsstörung (?) so natürlich ins Alltags-Setting eingebettet, dass ich gerne ein zweites Mal lese und über die alte Hagemann lächle. Ausgerechnet.
Gefällt mir. Gut.


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