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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 05/2021
Der Tod der Postmoderne und das Mädchen

 
 
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V.K.B.
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Beitrag29.04.2021 19:00
Der Tod der Postmoderne und das Mädchen
von V.K.B.
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

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Vorüber, ach, vorüber, geh wilder Rucksackmann! Aber an was eigentlich? Jetzt bleibst du doch stehen und riskierst einen Blick. Gefällt dir, was du siehst? An offenen Fenstern vorübergehen, und hinter diesem fand jene Party statt, am Tag, als für dich die Welt unterging. Wie wart ihr eigentlich auf dieses Thema gekommen? Und klar, du konntest mal wieder nicht deine Klappe halten, musstest ihnen gleich all das an den Kopf werfen, was sie nicht hören wollten. Oder besser wollte. Sie, Einzahl. Es geht doch nur um sie, die anderen sind dir egal. Waren sie schon immer. Wir gehen jeden Tag an offenen Fenster vorbei und schauen nicht rein. In dem Zimmer dort hungert ein Kind und wahrscheinlich heißt das Haus Afrika, würdest du als Nächstes sagen, wenn dir jemand zuhören wollte. Jetzt komm mir nicht noch mit all den anderen Fenstern, hinter denen das Klima kaputtgeht, Kriege toben, Tiere an Massenhaltung leiden, Faschisten sich für den Aufmarsch feinmachen oder was dir sonst noch so einfällt, sagte sie. Weißt du, wie aufgesetzt und oberflächlich das alles ist? Nein, schau verdammt nochmal durch dein eigenes Fenster, und zwar von draußen. Da sitzt dann jemand, der keinen vernünftigen Job hat und nichts auf die Reihe kriegt. Und dem plötzlich gar nichts mehr einfällt, was er sagen könnte. Dabei hörst du dich doch so gerne reden. Jetzt bist du allein und fragst dich, warum dich auf der Party keiner mehr haben wollte. Und wieso sie dir alle gesagt haben, dass du nicht länger willkommen bist. Hast du echt nie kapiert, dass du da bestenfalls geduldet warst, jedenfalls solange du die Klappe hältst? Aber an dem Fenster bist du wohl selbst vorbeigegangen, und jetzt ist es zu. Wieder eins. Komm, geh weiter, es gibt hier nichts mehr zu sehen.


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Der Hut steht dir gut, der Mantel auch, passt zum Herbstwetter, die ersten Blätter fallen von den Bäumen, deuten die Vergänglichkeit dieser Begegnung voraus und du denkst darüber nach, wie abgegriffen diese Metapher doch ist. Nein, du suchst was Originelleres. Landschaftsbeschreibungen, komm, geh weg, das ist so 18. Jahrhundert. Da sollte mal lieber was passieren. Aber dir fällt nichts ein. Du wartest also, vielleicht passiert ja gleich was. Genau, dieses Mädel. Sei ganz ehrlich, sagt sie, was denkst du? Wow, denkst du, sprichst es aber nicht aus. Oh, tust du doch? Und dann: Es gibt absolut keinen Grund, warum ein Mädchen in deinem Alter in dieser Zeit so ein Kleid tragen sollte. Es sei denn, sie plant eine Zeitreise. So geht eben Gedankenzensur. Nein, sie trug kein Kleid, das war was ganz anderes und noch viel altersunangemessener. Und du hast auch was ganz anderes gesagt. In deiner Erinnerung jedenfalls, in deinen Träumen. Interessiert nur keinen mehr, und dich selbst eigentlich auch nicht. Komm, geh weiter, es gibt hier nichts mehr zu sehen.


🚶 🚶 🚶


Diesmal war’s der Wind, der das Fenster zugeschlagen hat. Gerade, als du vorbei bist, und du fährst noch einmal herum, um doch einen Blick hineinzuwerfen. Erklärst du mir die Pointe, fragt sie später, als ihr da drinnen beim Candlelight-Dinner zusammensitzt. Und du lächelst ganz intellektuell und verkündest: Es gibt keine. So geht ein Paradoxon. Frag Pinocchio nach den Vampiren, oder Ernie, ob er dir ein E verkauft. Klar, macht er gerne, könnte sie antworten, Ernie kommt aus Bulgarien und lebt vom Drogenhandel. Kann er froh sein, dass er das noch machen kann, denn mit vierzehn haben sie ihn mal erwischt. Glück für ihn, die beiden Polizisten haben ihn laufen lassen, war denen zu viel Arbeit, sich darum zu kümmern. Bei sowas hängt ja immer ein riesen Rattenschwanz dran. Der wurde dann von irgendjemandem gezwungen und schon ist man ganz tief drin in diesem Kriminalgeschichten-Sumpf und kommt da gar nicht wieder raus, also besser schnell weitergehen. Aber egal, geht ja gar nicht um Ernie, sondern um dich. Einfach mal alles vergessen und die Nacht durchfeiern, die nächste gleich mit. Noch eine Ecstasy-Pille, kommt bestimmt richtig gut, ’ne Menge Alkohol dazu und du fühlst dich mal richtig tot. In deiner Erinnerung jedenfalls, in deinen Träumen. Interessiert nur keinen mehr, und dich selbst eigentlich auch nicht. Komm, geh weiter, es gibt hier nichts mehr zu sehen.


🚶 🚶 🚶


Ja, richtig super, jetzt sitzt du zuhause, hörst Schubert, ganz der brave Bildungsbürger – und hast sogar die Gebetsmühle neu erfunden. Mit endogenem Dreisatzgetriebe Planlosigkeit zur Kunst erheben, hättest du wohl gerne. Sie lacht, und der Witz geht wieder mal auf deine Kosten. Interessiert aber auch keinen, wenn du richtig drüber nachdenkst, die 70er sind schon lange vorbei. Du brauchst sie nicht. Du brauchst auch keinen Plan, sagte dein Vater mal. Es gibt Leute, die stehen morgens auf, putzen sich die Zähne, gehen ins Büro, machen das Fenster auf und haben schon ein paar Hunderttausend verdient. Klar wolltest du dann auch Fensteröffner werden. Jetzt sitzt du am PC und schiebst Zahlen hin und her. So hatte dein Vater das mit dem Fensteröffnen zwar nicht gemeint, kannte er ja damals noch gar nicht so. Für ihn waren Computer Aktenschränke mit einer Menge Kabeln, in denen irgendwelche Tonbänder liefen. Aber er hatte trotzdem recht, auch wenn er keinen Kausalzusammenhang implizieren wollte. Aber gefällt dir denn, was du siehst? Eine dieser fetten Ratten des internationalen Wallstreettums, die man endlich ausrotten sollte, könntest auch du sein. Wenn du auf deinen Vater gehört hättest. Vielleicht wärst du sogar glücklicher damit? Komm, geh bloß schnell weiter, es gibt hier bestimmt nichts zu sehen.


🚶 🚶 🚶


Ah, jetzt hast du dich also radikalisiert. War es Mein Kampf oder der Koran? Spielt das überhaupt eine Rolle? Irgendwer muss denen ja mal zeigen, wie Utilitarismus richtig geht. Natürlich ist dein Fenster jetzt geschlossen und die Vorhänge zugezogen. Dein Blick wandert über all diese Blechdosen, diverse Kanister mit Chemikalien, leere Packungen von Schrauben und Nägeln aus dem Baumarkt. Jedem Tierchen sein Pläsierchen, und dir die kalte, ohnmächtige Wut, das ganze Viehzeug und Ungeziefer dafür auszuradieren. Die Welt mal so richtig grundreinigen, ist doch schon lange überfällig. Du denkst an diese Party und das dämliche Assoziationsspiel zurück, aus dem der letzte Streit deiner Beziehung resultierte. Ja, schau her, Wiebke, möchtest du ihr zurufen, da bekommt an offenen Fenstern vorübergehen gleich eine ganz neue Bedeutung. Leider ist deine Stimme lange verstummt, und sie würde dir auch nicht mehr zuhören. Die Welt spricht heute eh eine andere Sprache, und dafür reicht ein unauffälliger schneller Wurf beim Laufen. Komm, geh einfach weiter, es gibt hier nichts mehr zu sehen. Sagen dann auch all diese Uniformierten, wenn du ganz Trope-gemäß später noch einmal zum Tatort zurückkehrst.

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Halt, fragt ja doch mal jemand nach. Endlich mal. Hast du die Dinger wirklich geworfen, könnte sie zumindest fragen, einfach so, durch irgendwelche offenen Fenster, an denen du vorbeigegangen bist? Warum interessiert dich das plötzlich, fragst du zurück. Obwohl du die Antwort schon kennst. Man muss eben laut sein, um sich in dieser Welt noch Gehör zu verschaffen. Explosionslaut, gefolgt von den Schreien, der Panik, Sirenen der Feuerwehr und Polizei. Was man eben so für seine zwanzig Minuten Ruhm machen muss. Trau dich, und du wirst die Welt brennen sehen. Nein, darum geht es dir doch gar nicht wirklich, oder? Du willst gesehen werden. Gehört werden. Vielleicht hättest du dafür besser auf die Kapuze verzichtet. Und die unauffällige Kleidung. Ein Schild vor dir hergetragen, Jihad rulez, Deutschland den Deutschen, oder was auch immer. Inhalte sind heute beliebig austauschbar, Hauptsache, man ist radikal. Hast du wirklich Splitterbomben in Wohnungen geworfen oder nicht, wiederholt sie ihre Frage. Du fragst, welchen Unterschied es machen würde, wenn Kommunikation doch eh nur noch aus ungestellten Fragen besteht. Würdest du durch eine der beiden möglichen Antworten in ihrem Ansehen dazugewinnen? Mann, vergiss es, das ist sie nicht wert. Es geht ihr doch gar nicht um dich, höchstens um die Sensation, mal mit einem Terroristen zusammengewesen zu sein, das wäre doch mal was, das man auf Partys erzählen könnte, dann muss man gar keine blöden Spielchen mehr spielen. Aber du selbst bist immer noch nur ein Fenster, an dem Menschen wie sie vorübergehen, so oder so. Also komm, geh auch du einfach weiter, es gibt hier nichts mehr zu sehen.


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Na endlich, du scheinst deine Entscheidung getroffen zu haben. Bleibt nur die Frage, in welche Richtung du diese Straße der Möglichkeiten entlangläufst. In welcher Reihenfolge du an den Fenstern vorbeigehst, durch die du eben geschaut hast. Diese Blechbüchsen im Rucksack und zu allem entschlossen auf dem Weg zu dieser Party zurück, oder später auf dem Rückweg vom Supermarkt; vielleicht hast du ja nur Dosenravioli gekauft und gehst mit deinem schwer gefüllten Rucksack nicht deinem finalen Blaze of Glory entgegen, sondern in deine übliche Belanglosigkeit zurück. Vielleicht gibt es aber auch einen Mittelweg, und man muss nicht mal werfen, sondern einfach nur durch das Fenster langen und im Vorbeigehen eine Dose Ravioli auf den Tisch stellen. Nicht nur Bomben werfen später richtige Fragen auf. Und sie wird die Antworten nie erfahren, vielleicht bleibst du ihr auch so im Gedächtnis. Als postmoderner Terrorist, ja, der Wille war mal da, immerhin. Vielleicht ist es ja sogar gesellschaftsfähig und sie kann beim Smalltalk auf der nächsten Party ihrem nächsten Typen davon erzählen.

Du wolltest dir halt ein Bahnsteigticket für die Revolution kaufen, aber leider hatte um diese Zeit nur noch der Supermarkt geöffnet.

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Stefanie
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Beitrag09.05.2021 21:14

von Stefanie
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Die Fenster zum Selbst, man kann vorbeigehen oder zum Fenster hineinsehen.
Ungewöhnliche Idee, vor allem der Gedanke, wie vergleichbar die Radikalen sind, auch wenn sie sich für so einzigartig halten.
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d.frank
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Beitrag09.05.2021 23:49

von d.frank
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Noch gar nichts dazu gesagt, obwohl nach dem ersten Durchgang 12 Punkte hier standen.
Eigentlich mag ich diese Gestaltungsspielchen nicht - der Text sollte für sich allein sprechen können. Aber das kann er auch. Ich mag ihn jedenfalls wiederlesen. Vielleicht hatte er nicht diese Hammerschlagwirkung, derer andere Texte sich bedienen, aber vielleicht hätte er auch gerade deshalb mehr Punkte verdient. Vielleicht ist er aber auch ein bisschen zu verkopft und routiniert? Was ich mag, ist der Tonfall leiser Ironie, die nicht giftig oder boshaft ist und mich deshalb nicht erschüttert, sondern trägt. Am Ende nimmt der Text auch sich selbst nicht so ernst und lässt alles von einer Verbindung abhängen. Das ist kluge und offen gedachte Gesellschaftskritik, auch wenn die Schablone des Amokläufers schon irgendwie mit Stereotypen spielt, gibt acht Punkte hier.


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hobbes
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Beitrag10.05.2021 20:11

von hobbes
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Diese Kästchen sind ziemlich fatal: Ich erwische mich alle zwanzig Wörter dabei, dass ich unbedingt reinklicken will.

Eine Dose Ravioli ins Fenster stellen lol

Ich hatte ja zuerst die Befürchtung, dass wäre einer dieser schrecklichen E-Texte, von denen alle immer reden (oder na ja: geredet haben). Aber Pustekuchen. Also Moment, vielleicht ist es ja doch einer. Aber dann mag ich ihn trotzdem smile

Verzeihung für diesen höchst tiefsinnigen, konstruktiven und hilfreichen Kommentar. Eventuell kriege ich das ja noch besser hin. Ich freue mich jedenfalls aufs Wiederlesen.

Nein, ich kriege es nicht sonderlich besser hin. Ich mag die ohnmächtige Wut, die einen hier anfällt. Ich mag den Erzähler. Ich mag den Text und hey, es war echt knapp, fast hättest du es sogar auf den ersten Platz geschafft, genaugenommen hast du das sogar, einen kleinen Moment lang, aber dann, tja, dann, hat dich doch noch einer da runtergeschubst. Haarscharf.


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V.K.B.
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Beitrag11.05.2021 16:28

von V.K.B.
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Eigenkommentar, weil es ja Tradition ist (und Glück bringt, seinen eigenen Text zu verreißen):

Also, Veith, was hast du da wieder für einen Lötzinn geschrieben? Meinst du wirklich, ein Wettbewerb zu E-Literatur ist der richtige Ort, sich über E-Literatur lustig zu machen? Und einen Text zu schreiben, der sich eigentlich nur um sich selbst dreht und sich auch noch ständig selbst verarscht ("Mit endogenem Dreisatzgetriebe Planlosigkeit zur Kunst erheben, hättest du wohl gerne." [=auch als Steilvorlage zum Zitieren geschrieben])?

Und wieso überhaupt diese unsägliche Du-Perspektive, das will doch keiner lesen und wahrscheinlich kommt es der Hälfte der Leser wieder wie Leseransprache vor. Du sagst ja bei Perspektivdiskussionen immer selbst, "du" geht nicht einfach so, sondern braucht eine spezielle Erzählsituation. Ist die hier gegeben? Ja, aber gleich zweimal, einmal redet der Prota wohl mit sich selbst und reflektiert sich, andere an ihn gerichtete Aussagen stammen von seiner Exfreundin, und beides vermischt sich irgendwie. Okay, vielleicht ist die Erinnerung an die Frau ja zu etwas wie seinem Über-ich geworden, dann ist das eben Kunst. LOL.

Wenigstens hast du dir Mühe gemacht, einen Text zu schreiben, der sich nicht sofort in allem erschließt. Also erklär ihn mal gleich hier, dann musst du das nicht in jedem dritten Antwortpost tun. Nee, sag bloß nichts dazu, mach ich selber:

Dein Prota ist ein Möchtegern-Revoluzzer (Student, nehme ich an, auch wenn die 70er schon lange vorbei sind), der sich eine Kommilitonin verliebt, die nicht wirklich zu ihm passt.  Er lernt die Frau auf einem Kostümfest (2. Abschnitt) kennen (und damit E-Lit-Kunst-Foreshadowing: Alle tragen Masken und spielen nur gesellschaftliche Rollen oder irgendwie so?) und versucht alles, ihr zu gefallen, also auch da mitzumachen, ohne dass es wirklich zu ihm passt. Er versucht sich in ihren Freundeskreis zu integrieren, macht sich mit seinen aufgesetzten "hey, ich bin auch radikal und will eine bessere Welt"-Aussagen aber nur zum Löffel. (Ist das jetzt Meta dafür. wenn du dich an E-Lit und diesem Wettbewerb versuchst?) Auf einer Party kommt es schließlich zum Eklat, er zerstreitet sich mit seiner Angebeteten und fliegt da raus. (Hauptsache, dir ergeht es hier im Wettbewerb besser, wenn wir bei der Meta-Ebene bleiben wollen). Zuerst geht für ihn die Welt unter, er schwingt zwischen Hass auf diese Leute und Selbsthass. Er denkt (anscheinend wenig ernst gemeint) darüber nach, Terrorist zu werden, um denen mal zu zeigen, wie "radikal" wirklich geht. Aber was bitte hat jetzt eigentlich Schubert damit zu tun? Kennt dieses ganze "Der Tod und das Mädchen"-Motiv eigentlich überhaupt noch jemand? Wolltest du mal wieder den Bildungsbürger raushängen lassen, damit das jemand für anspruchsvoll hält? Oder vielleicht sogar noch darüber nachdenkt, ob das Mädchen in der Geschichte stellvertretend für "die Welt" oder "die Gesellschaft" steht, mit der der Prota nicht klarkommen kann? Bedeutete der Name "Wiebke" nicht sowohl ganz allgemein "Mädchen", aber auch "Kämpferin" oder sogar "die Unbezwingbare"? Komm, hör auf, gleich interpretieren wir in die Raviolidosen auch noch Konsumkapitalismuskritik hinein und am Ende ist das dann doch noch mehr als zusammenhanglose, wirre Gedanken. Nicht, dass irgendjemand das ganze noch als Metapher für Orientierungslosigkeit und Entfremdung in einer reizüberfluteten Globalisierungswelt liest, sich in dem Prota und seinem Ringen zwischen Konformität und Rebellion wiedererkennt und dem Text am Ende noch Punkte gibt. Oder sonstwas hineininterpretiert, vielleicht ist es ja auch Science Fiction und damit Genre, kommt ja immerhin das Buzzword "Zeitreise" vor. Oder das ist alles schon komplett überholt. Bahnsteigtickets für die Revolution kann man doch heute rund um Uhr online im Playstation-Store kaufen. Oder bei Amazon-Prime und Netflix, wenn man nur zusehen will. Wieso muss da jemand auf den Supermarkt ausweichen, da fehlt doch mal wieder jeglicher Realitätsbezug!

Zurück zur Handlung, letztendlich fängt er sich aber wieder (also der Prota jetzt, nicht der Autor, sonst hätte er den Text ja weggeworfen, statt ihn hier einzustellen), beschließt diese Frau zu vergessen und seinen Terroranschlag absurd zu machen, indem er ihr eine Dose Ravioli durchs Fenster auf den Tisch stellt, damit sie sich fragt, was das wohl soll und wo die herkommt. (Hallo? Was für eine bescheuerte Idee ist das denn?). Er tut diese Beziehung und seinen Ausflug in diesen Personenkreis damit als absurde Episode in seinem Leben ab, als er eben auch mal "ein Bahnsteigticket für die Revolution kaufen" (Lenin, wie er sich über die Deutschen lustig machte) wollte. Er will eben nicht der Tod für das Mädchen sein (und mit einem Verbrechen seine Zukunft kaputtmachen), sondern nur der Tod der Postmoderne. Auf eine ganz postmoderne Art eben, die sie niemals verstehen soll. Oder irgendwie so. Mann, Veith, du schreibst dir ja einen Stuss zusammen!

Ach so, ja, und er geht also die Straße seiner Erinnerungen entlang und blickt durch die Fenster seiner vergangenen Mindsets oder so? Hölle, wer hat dich da nur angestiftet, den E-Wettbewerb so ernst nicht ernst zu nehmen? Vielleicht der gleiche Plüschtiger, der Calvin auch immer auf die beklopptesten Ideen bringt? [nochmal, alles Spaß, falls sich jemand angesprochen fühlt [und danke für die Inspiration, einen wenig ernsthaften Meta-Text über die Ensthaftigkeit von Kunst zu schreiben, auch wenn die nachträglich kam, aber Zeitlinien und Kontinuität sind wohl immer realtiv, wenn man später darüber nachdenkt Laughing ]]Andererseits – zu Verteidigung hast du bestimmt noch die Chuzpe, zu behaupten zu wagen, diese übertrieben-aufgesetzte Verschiebung von E ins Absurde sei auch schon wieder E. So geht ein Paradoxon oder so? Muss ernsthafte Literatur wirklich immer ernsthaft sein, um als ernsthafte Literatur zu qualifizieren? Ist das wirklich die Frage, die eine Wettbewerbsgeschichte eruieren sollte? Nee, komm, Veith, du spinnst doch! Das war wohl eher Epic Fail.

[post-postmoderner circle-jerk-Verriss Ende Mr. Green ]

Nee, mal ernsthaft, ist das jetzt E? Oder U wie Unsinn? Ehrlich gesagt, ich weiß es selber nicht und hab den Text größtenteils in einer einzigen Nacht runtergeschrieben, ziemlich kurz vor Wettbewerbsende, weil mir nicht Besseres einfiel. Aber damit sich jetzt keiner verarscht fühlt und denkt, ich hätte mir keine Mühe gegeben, so schreibe ich eigentlich immer. Und natürlich ist dieser Eigenkommentar etwas übertrieben (ganz so völlig schlecht finde ich den Text doch nicht, sonst hätte ich ihn ja nicht eingestellt), sollte ja ein Verriss werden, und den wollte ich lieber zum eigenen Text schreiben, damit den nicht wieder hochgeschätzte Kolleginnen abkriegen wie beim letzten Mal. Und beim Mal davor und davor und …

Ich hoffe, der/die ein oder andere kann dem Text was abgewinnen oder sich zumindest davon unterhalten fühlen. Vielleicht hat ja sogar jemand Punkte dafür übrig? Und wenn nein, kann ich ja immer noch behaupten, ich hätte den nur eingestellt, damit hier jeder mal die Gelegenheit hat, sich für meine Verrisse bei den letzten Wettbewerben zu revanchieren. Also, Silke, MoL, Municat (falls du noch mal hier bist), haut rein! Angriffsfläche bietet der Text bestimmt genug, wie ich oben vorzumachen versucht habe. Oder ist er wider Erwarten vielleicht doch gut? Ich kann das echt nie sagen, wenn ich mich an E-Lit versuche. Und das meine ich jetzt wirklich ernst.

Beste Grüße und euch allen vielen Dank fürs Lesen und Kommentare im Voraus (was auch immer ihr dazu geschrieben habt),
Veith

Regrets: Ich hätte den Satz "Ein Schild vor dir hergetragen, Jihad rulez, Deutschland den Deutschen, oder was auch immer." gerne zu "Ein Schild vor dir hergetragen, Jihad rulez, Deutschland den Deutschen, oder was auch immer man heute noch für ›Würdest du mich bitte in den Arm nehmen‹ sagt." erweitert, aber das fiel mir erst ein, nachdem ich schon abgeschickt hatte.


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Hang the cosmic muse!

Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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Babella
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Das goldene Aufbruchstück Der bronzene Roboter


Beitrag11.05.2021 22:30

von Babella
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Ich versuche drei- viermal in diesen Text hineinzukommen, aber ich werde einfach nicht warm damit.
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Gast







Beitrag12.05.2021 23:32

von Gast
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Ein kulturhistorischer Abriss der Zeit seit den 60er Jahren bis heute, komprimiert in sieben Momentaufnahmen (grob ein Jahrzehnt pro Abschnitt) und projiziert auf einen namenlosen Wanderer, der über die Jahre an vielen Fenstern vorübergeht.

Vorgabentreue:

Definitiv, und zwar auf so vielen Ebenen und so sehr auf die Zeiten angepasst, dass LeserIn der Atem wegbleibt. Die sieben Jahrzehnte ziehen an LeserIn so eindringlich an während der Wanderung entlang offenstehenden Fenstern vorbei, dass man sich an Dinge, die man nie erlebt hat, erinnert, als wäre es gestern gewesen. In jedem Jahrzehnt findet die Metapher der offenen Fenster eine neue Bedeutung, nur um den Leser jedes Mal am Ende mit dem Kommentar "geh weiter, es gibt hier nichts zu sehen" unbarmherzig ins nächste Jahrzehnt zu werfen. Bis auf das Heute, wo man irgendwie angekommen ist. Die kritische Frage ist nur: Gibt es hier und heute endlich etwas zu sehen, so dass sich das weiter gehen erübrigt - oder gibt es nichts mehr, wo man hin gehen könnte? Irgendwie hat man das Gefühl, dass die Fenster früher viel offener waren, oder ist es nur das Alter?

Ausgestaltung:

1. Kapitel: Die Oberfläche

Wow. Bob Dylan meets road movie. Selten schafft es ein Text, ein Fenster in die Vergangenheit so weit zu öffnen, dass man meint, sogar den Geruch des Zeitgeistes wahrnehmen zu können.

Die Aufbruchstimmung, die Empathie und der Mut der 60er bis hin zum Wutbürgertum über eine entmenschlichte Welt der Gegenwart - wie konnte es dazu kommen? Fragen wir uns das nicht Alle immer wieder? Dieser Text gibt keine Antwort, aber er nimmt uns mit auf die Reise, die die Welt in der Zeit gemacht hat, und durch die Fenster sehen wir uns, und wir erinnern uns. Und Alles in 10000 Zeichen.

2. Kapitel: Die Tiefe

Der einzige Wermutstropfen ist, dass der Titel die Interpretation eigentlich schon vorweg nimmt: Der Wanderer über die Jahrzehnte ist natürlich der symbolisierte Postmodernismus, d.h. der (Hinter)Fragende, der Anklagende, der in die Fenster schaut und das Leid und die Ungerechtigkeit sieht, die alle Anderen nicht sehen wollen - und damit auch die Party gewaltig stört, an der er eigentlich teilnehmen möchte. Sein "Ankommen" (in weniger euphemistischen Worten seine Assimilation) ist dann im Umkehrschluss natürlich der Tod des Postmodernismus.

Interessant - und/oder problematisch - wird es, wenn wir uns den zweiten Teil des Titels - "das Mädchen" - etwas genauer ansehen. DER Postmodernismus ist männlich, und so ist der wandernde, zweifelnde Protagonist. Frauen kommen im Text nur in sehr eigentümlichen und diffusen Rollen vor: Im ersten Teil als die ihn sowohl bremsende als auch auf Spur bringende Instanz der Vernunft, die ihm klar macht, wie ziellos und auspowernd seine Daueranklage ist. Im zweiten Teil ist es Leonard Cohen's Suzanne, nun selber fragend und esoterisch ziellos durch die Welt geht. In Buch 3 dann eine unbenannte und gesichtslose Partnerin auf einem Candlelight Dinner, und schließlich, im 6. Buch, seine Antwort auf ihre Anklage im 1. Buch: Nein, ich kriege etwas auf die Reihe. Leider aber ist dieses "etwas" zerstörerisch, verzweifelt und blindwütig, und er wird es nicht schaffen, sie durch eine schlüssige Antwort auf das "Warum" zu beeindrucken. Nach der Ziellosigkeit des 1. Buches, der Entwicklung zur bequemen Anpassung bis Buch 4, der Radikalisierung bis zur Zerstörung in Büchern 5 und 6 kommt er zu dem Ergebnis, dass es einfach nichts gibt, was man tun kann.

Die Frau - "das Mädchen" - letztendlich ist es das Ziel all seines Strebens, seiner Suchen, seiner Entwicklung, sie zu beeindrucken, Anerkennung und damit eine Heimat in ihrer Liebe zu finden. Er scheitert.

Im klassischen "Der Tod und das Mädchen" ist es die Ambivalenz zwischen den Gegenspielern, die den Reiz ausmacht - der Tod ist stärker als Alles, und er wird sie gewinnen; die Frage ist nur, ob er sie bezirzen kann, freiwillig mit ihm zu kommen oder nicht. In diesem Text sind die Rollen verdreht; das Mädchen hat die Macht darüber, den Weg des Wanderers (der Zeit) zu bestimmen.


Großes Kino. Sehr großes Kino. Und ein großes E. Es schmerzt, dass ich zwischen diesem Text und "Sorry, Michael Collins" eine Rangfolge erstellen muss. Ich halte beide für gleichwertig, was die Vorgabenerfüllung und die hohe literarische Qualität betrifft.

Nachtrag: Möglicherweise lehne ich mich hier zu weit aus dem (offenen) Fenster, aber ich vermute mal, dass der Autor hier Jemand ist, dem ich beim letzten Mal eine sorgfältigere Rezension versprochen habe Wink Wenn dem so ist, ist mir sehr wahrscheinlich mindestens eine wichtige Lesart entgangen; ich hoffe aber trotzdem (egal jetzt wer AutorIn ist), dem Text einigermaßen gerecht geworden zu sein.
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nebenfluss
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Beitrag13.05.2021 11:06

von nebenfluss
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Erzählt wird hier das Leben - oder das mögliche Leben - eines selbsternannten Weltverbessys. Da mit dem Gestus moralischer Überlegenheit im sozialen Radius nichts zu gewinnen ist, radikalisiert es sich zum Terroristischen hin. Die Entlarvung des Prota als eigentlich nur "jemand, der keinen vernünftigen Job hat und nichts auf die Reihe kriegt", wird ihm in der 2. Person Singular und vermeintlich auktorialer, vor allem dermaßen arrogantem, zynischem Tonfall unter die Nase gerieben, dass man gar nicht weiß, wen man nun unsymathischer findet - oder ob sich die beiden nicht so wesensähnlich sind, dass man von einem Selbstgespräch ausgehen kann. Oder erzählt hier "sie", also jene Frau, die Hauptziel der Bemühungen war? Wie auch immer, wird in meinen Augen hier vor allem der Erzählende charakterisiert als ein Mensch, der politischen Aktivismus, in welcher Form auch immer, der Nebenwirkungen wegen ablehnt, sich wahrscheinlich generell nicht die Hände dreckigmacht, sondern lieber über den Tod der Postmoderne philosophiert, oder ob sich "mit endogenem Dreisatzgetriebe Planlosigkeit zur Kunst erheben" lässt (natürlich nicht, wenn man mit solch entlarvendem Scharfsinn gesegnet ist).
Das erschwert es, diesem Beitrag mit der nötigen Offenheit zu begegnen: Er wirkt auf mich merkwürdig seelenlos - warum schreibt das jemand, warum soll ich es lesen? Für ein Denk- oder Diskursangebot ist mir die präsentierte Haltung zu selbstgerecht, dieses Fenster scheint mir von Anfang an geschlossen zu sein. Die Umsetzung des Themas und das Bemühen um "E" erkenne ich natürlich an.
Ungewöhnlich ist die Art, wie die Stationen dieses als umfassend verpfuscht empfundenen Lebens (vorgestellt als Fenster, in denen es nicht Merkenswertes zu sehen gibt) voneinander abgetrennt werden. Drei winzige, etwas skaterhaft-kurzbeinig geratene Comicfiguren (und zweifellos mit den Händen in den Hosentaschen) laufen unter einem simplen Quadrat (dem Fenster) vorbei. An passender Stelle taucht auch noch die hindurchgeworfene Bombe als Minigrafik auf. Dem Text fügen diese Gimmicks zwar keine Bedeutungsebene hinzu, aber ich mag sie trotzdem, vielleicht der auflockernden Wirkung wegen.


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F.J.G.
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Beitrag13.05.2021 11:42

von F.J.G.
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Guten Morgen!

Hmm … mein Eindruck ist durchwachsen.

Der Schreibstil ist professionell, aber in einer Weise professionell, für die mir die Antenne fehlt. So ähnlich wie bei moderner Kunst.

Der erhobene politische Zeigefinger — schön und gut, nur bitte nicht so mit dem Holzhammer. Geradezu schockiert war ich, den Koran in einem Atemzug mit Mein Kampf erwähnt zu sehen.

Viele Grüße
Der Kojote


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Nihil
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Beitrag13.05.2021 14:22

von Nihil
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Da schau an, wie sich Meinungen auch ändern können. Bei diesem Text wollte ich erst schreiben, dass da doch der ein oder andere Holzhammer durchs Fenster geschleudert wurde, um den Themenbezug so richtig deutlich reinzubringen. Was nicht offen steht, wird offen gemacht. Eigentlich denke ich das auch immer noch, denke mir, ob wirklich in jeder dieser kleinen Szenen noch ein Fenster hätte erwähnt werden müssen und das ein Er oder Wer daran vorüberschlendert. (Auch die piktographischen Kapiteltrenner gehören zum dicken Pinselstrich dazu.) Dann aber muss ich auch so ehrlich sein und mich fragen, ob ich das nur wegen der Wettbewerbsvorgabe denke und ob der Text nicht auch ohne den ganzen 10k-Kontext funktionierten würde. Und das tut er und ziemlich gut sogar.  

Was mir hier vor allem so gut gefällt, ist der frische Ton in der Sprache, den ich bei anderen Texten vermisst habe. Großartig:
Der Tod der Postmoderne und das Mädchen hat Folgendes geschrieben:
Nicht nur Bomben werfen später richtige Fragen auf.
Weitere Beispiele sind der Beruf des Fensteröffners, mit dem der Spruch des Vaters persifliert wird oder – sprachlich gelungen, inhaltlich tendenziös – das internationale Wallstreettum, das ich in seiner Originalität schätze, sich jedoch, gerade weil die gewünschte Ausrottung direkt angeschlossen wird, offensichtlich ans internationale Finanzjudentum anlehnt. Dem Text ist es ebenso offensichtlich nicht anzulasten, versteht sich, allein auf formaler Ebene sind hier bereits die Figurenrede und die Du-Perspektive als Gegenargumente zu benennen, die für die Distanzierung sorgen.

Viel wichtiger ist jedoch, dass derartige Vorwürfe gegen den Text dessen Intention vollständig verfehlen. Denn gerade die Weltmüdigkeit und Lebenssattheit, die den Protagonisten, naja, eigentlich sollte man nicht „antreibt“ schreiben, also schreibe ich „in die Radikalität treibt“, sind die Hauptthemen dieses Textes. Da ist jemand, der sich immer außen vor fühlt, auch wenn ihm viele Möglichkeiten des Anschlusses geboten werden – hier entpuppen sich die holzhammergeöffneten Fenster sogar als Strukturprinzip –, denn er kommt aus gutem Hause, sein Vater ist vermögend, bei Dates und Partys redet er sich um Kopf und Kragen, wahrscheinlich weil er bereits unheilbar mit Weltekel infiziert ist und sich in dieser Position auch gut gefällt.

Kritisch muss ich jedoch anmerken, dass ich zwar durchaus nachvollziehen kann, was den Protagonisten langweilt, nervt, verächtlich stimmt, aber das zu einem großen Teil auch deswegen, weil ich eine Definition der Postmoderne als Leser mitbringe. Der Umstand, dass es alles schon gegeben hat und nichts wesentlich Neues mehr zu kommen scheint, dass alles, was früher mal feste Formen hatte, heute nur zum  permutativen und damit belanglosen Spiel geworden ist, das seinen Wert verloren hat ... Das hätte ich mir schon noch etwas deutlicher von diesem Text behandelt gewünscht. Ich weiß, es sind zu wenig Zeichen (das verstehe ich sehr gut). Und es wird zumindest angedeutet in der Weise, dass die Art der Radikalität, die ideologische Denkrichtung, eigentlich keine Rolle spielt, solange man nur wieder einen Drang verspürt, etwas zu tun, auf festem Boden stehen kann, auch wenn der vielleicht nur Illusion ist. Für mich wird es zwar auch so deutlich – und vielleicht sollte man die Rezeptionsseite auch nicht unterschätzen – aber ich mein ja bloß.

So, ich hab noch andere Texte vor mir. Nimm deine Zw EDIT: Haaalt, Stopp, Momentchen mal. Ja, es ist wahr, ich muss dich leider mit 1 Tackle vom Thron stoßen. Kam leider ein ***** von woher und hat dein Platz beansprucht, isso, Schwesta. Klär mit ihm, ich bin unschuldig, wirklich!
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holg
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Bronzenes Licht Der bronzene Roboter


Beitrag13.05.2021 17:09

von holg
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Sehr cooler Text. Die Iconleiste zwischen den Teilen, weiß nicht. Aber die Miniaturen in ihren Abschnitten sind besonders.
Das Thema ist klar umgesetzt, an offenen Fenstern wird in mehrfacher Hinsicht vorbei gegangen.
Zitat:
da bekommt an offenen Fenstern vorübergehen gleich eine ganz neue Bedeutung

Sprachlich originell und in losen Fragmenten unkonventionell erzählt. Die Erzählstimme selbst unzuverlässig, schludrig, spekulierend, verzerrend, relativierend, lässt vieles offen oder verschleiert es gar. Was war da eigentlich wirklich passiert?

Na, auf jeden Fall gab's Punkte.

Zu den Utilitaristen hat Ethics in Bricks einen schönen Twitterthread gebastelt.

In meinen Titeltopdrei ist der Text übrigens auch.

Bei den Texten auf Platz 2.

Komm, geh weiter.


_________________
Why so testerical?
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Constantine
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Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag14.05.2021 19:24

von Constantine
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Du, Ihr, Sie oder bitte einmal alles mit Extrasahne. Danke.

Bonjour Inko,

ein Du-Text, der sich nicht entscheiden kann, wie sehr Du oder doch gleich eine undefinierte Gruppe oder doch noch eine Sie beim Du mit dabei. Da passt für mich einiges nicht.

Gleich zu Beginn:
Zitat:
Vorüber, ach, vorüber, geh wilder Rucksackmann! Aber an was eigentlich? Jetzt bleibst du doch stehen und riskierst einen Blick. Gefällt dir, was du siehst? An offenen Fenstern vorübergehen, und hinter diesem fand jene Party statt, am Tag, als für dich die Welt unterging. Wie wart ihr eigentlich auf dieses Thema gekommen? Und klar, du konntest mal wieder nicht deine Klappe halten, musstest ihnen gleich all das an den Kopf werfen, was sie nicht hören wollten. Oder besser wollte. Sie, Einzahl. Es geht doch nur um sie, die anderen sind dir egal. Waren sie schon immer. Wir gehen jeden Tag an offenen Fenster vorbei und schauen nicht rein. In dem Zimmer dort hungert ein Kind und wahrscheinlich heißt das Haus Afrika, würdest du als Nächstes sagen, wenn dir jemand zuhören wollte. Jetzt komm mir nicht noch mit all den anderen Fenstern, hinter denen das Klima kaputtgeht, Kriege toben, Tiere an Massenhaltung leiden, Faschisten sich für den Aufmarsch feinmachen oder was dir sonst noch so einfällt, sagte sie.

???
Zu Beginn wird ein Rucksackmann adressiert. Eindeutig für mich, dass der "Erzähler" jemanden anspricht und ihm einen langen Monolog hält. Soweit ok. Plötzlich dann diese Frage über ein Thema (???) und Ihr? Welche Ihr denn plötzlich, ging es doch um den Rucksackmann? Du. Später kommt dann noch eine sie dazu, die was sagt, und jetzt bin ich komplett raus. Nicht, dass hier alles Mögliche des Weltgeschehens hinter den Fenstern reingequetscht wird, was sicherlich dieses Ich, dass dem Du oder den Ihr oder ihr (Einzahl) vieles in den Mund legt, aus sich rauskotzt, aber wen dieser Ich-Erzähler mit dem Du, Ihr, sie letztenendes meint, scheint irrelevant. Zu sehr ist dieses trötende Ich mit sich und seinem Monolog beschäftigt.
I'm out as a reader.


Zitat:
[...]Nein, du suchst was Originelleres. Landschaftsbeschreibungen, komm, geh weg, das ist so 18. Jahrhundert. Da sollte mal lieber was passieren. Aber dir fällt nichts ein. Du wartest also, vielleicht passiert ja gleich was. Genau, dieses Mädel. Sei ganz ehrlich, sagt sie, was denkst du? Wow, denkst du, sprichst es aber nicht aus...[...]

Geht es hier mit dem Rucksackmann, den der "Erzähler" anspricht, weiter? Oder ein anderes Du? Und dann ist das wieder eine Sie. Mit wem redet denn der "Erzähler" bloß und warum? Nein, das Warum ist nicht so wichtig, da er ja scheinbar viel zu erzählen hat, was er über den Rucksackmann oder den Ihr oder der ihr denkt. Wer was sagt oder zu wem und über wen. I don't know. Sorry.

Zitat:
Interessiert nur keinen mehr, und dich selbst eigentlich auch nicht.

Wahre Worte. Könnte ich fast auf den Text übertragen, den ich gelesen habe, und dieses Gefühl des immer mehr schwindenden Interesses an ihm, dem Text, finde ich sehr schade, denn eigentlich ist die Idee, die im Text verborgen liegt, gut.

Aber du hast absolut recht, Text:
Zitat:
Komm, geh weiter, es gibt hier nichts mehr zu sehen.

Dann tue ich dir den Gefallen.

Es tut mir leid. Leider nicht in meiner Top Ten: zéro points.

Merci beaucoup
Constantine
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Raven1303
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Beitrag14.05.2021 20:59

von Raven1303
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Liebe/r Unbekannte/r,

dass ist mir irgendwie zu wirr.
Wie viele verschiedene Gedanken und Klischees in einen Topf geworfen, mit ordentlich "Fenster" gewürzt und durchgerührt.

Beim zweiten Lesen, hab ich zum Ende hin - ehrlich gesagt - nur noch überflogen.

Sorry, aber das war nicht so meins Embarassed

LG Raven


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Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den Nächsten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm und ich kreise Jahrtausende lang.
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Selanna
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Wohnort: Süddeutschland


Beitrag15.05.2021 01:16

von Selanna
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Die ersten beiden Sätze gefallen mir gleich. Der erste Satz klingt nach veralteter Sprache, nach einem Standardeinstieg in Gedichte vor zweihundert Jahren – dann erfolgt der Bruch: „Aber an was eigentlich?“ Das klingt moderner, stellt den Standardsatz in Frage, reißt mich raus. Schön!
Zitat:
hinter diesem fand jene Party

An dem „jenem“ störe ich mich irgendwie. Wenn das Fenster „dieses“ ist, warum ist dahinter „jene“ Party? – Ja, zugegeben, manchmal übertreib ich es wirklich mit der Erbsenzählerei. Embarassed
Zitat:
Faschisten sich für den Aufmarsch feinmachen

Das gefällt mir, wunderbar ironisch Twisted Evil
Ich komme beim ersten Absatz nicht hundertprozentig mit. Der Rucksackmann kam also von der Party hinter dem Fenster, er wurde rausgeworfen und dreht sich im Weggehen noch einmal danach um? Das kommt meines Erachtens nicht eindeutig rüber. Aber was soll’s, es ist ohnehin etwas anderes gemeint: Eine Gemeinschaft und ein Geduldeter, der zum Ausgestoßenen wird, als er seine Meinung sagt. Tolles Bild!
Der zweite Absatz hat wieder mit (Vorbei)Gehen zu tun, das scheint die Verbindung zum Absatz davor zu sein. Die „Vergänglichkeit“ wird auch direkt angesprochen, ebenso die „vergangene“ Literatur und Mode. Dann platzt Gedankenzensur mitten rein, Gesagtes wird nicht, dann doch, dann nicht ausgesprochen, im Nachhinein ist es unwichtig. Mh. Gefällt mir nicht so, im Endeffekt wird hier Vieles hingeworfen und wieder zurückgenommen, am Schluss ist kaum eine Aussage da. Vielleicht hab ich es auch nur nicht kapiert …
Dass auch der zweite Absatz am Fenster spielt, begriff ich erst durch die Einleitung des dritten Absatzes mit „Diesmal“. Auch dass nach jedem Absatz das Fenster offenbar zugeschlagen wurde.
Zitat:
Erklärst du mir die Pointe, fragt sie später, als ihr da drinnen beim Candlelight-Dinner zusammensitzt

Vom Du zu sie zum Ihr. Ja, ist wohl möglich, aber strengt an. Soll E-Literatur sicher auch. Trotzdem, ist irgendwie verquer und sperrig. Ha, genau was gefordert war Very Happy
Ist der dritte Absatz ein Seitenhieb aufs Krimi-Genre? Dann wäre der zweite einer auf die Literatur vergangener Epochen und der erste auf system-/gesellschaftskritische Literatur? Oder versteige ich mich da gerade? Wahrscheinlich. Also, im dritten Absatz geht es ein bisschen um Mansplaining (vielleicht) und um die Verfolgung von Drogenkriminalität mit drei (Pop-)Kultur-Referenzen. Der Refrain ist nun endgültig etabliert. Bester Satz hier für mich: „Noch eine Ecstasy-Pille, kommt bestimmt richtig gut, ’ne Menge Alkohol dazu und du fühlst dich mal richtig tot“.
Es geht immer um den Du (wahrscheinlich der/die Partner/in der „Sie“) und die „Sie“. Die Trennung erfolgt im ersten Absatz, danach Rückblenden zu ihrer Beziehung, denke ich.
Im vierten Absatz wird in die intellektuellen (Halb)Vollen gegriffen: Schubert, Bildungsbürger, daneben Wörter wie endogen, Kausalzusammenhang implizieren, Wallstreettums. IT als neues großes Element in der Gesellschaft/Wirtschaft, Kapitalismus. Mh. Diesmal geht wohl keiner wirklich am Fenster vorbei, der Refrain bleibt trotzdem.
Fünfter Absatz. Der Begriff „Utilitarismus“ ... Ich glaube, ich habe einen Verdacht, wer den Text geschrieben hat. Auch wegen der drei am Fenster vorbeigehenden Männchen als Absatztrenner und der Mini-Bombe. Ich bin gespannt, ob ich recht habe. – „Mein Kampf oder der Koran“ vs. „Jedem Tierchen sein Pläsierchen“ finde ich krass. Auch die Steigerung danach, wenn das Tierchen zum „Viehzeug“ und gleich darauf zum „Ungeziefer“ degradiert wird. Krass. „da bekommt an offenen Fenstern vorübergehen gleich eine ganz neue Bedeutung“: neben der bisherigen übertragenen Umsetzung des Themas hier also die wortwörtliche. Ich bin mir unsicher, ob ich das gut finde oder nicht. Braucht es das? Ist mir das zu plakativ? Oder ist es genau richtig, das, was bisher der rote Faden war, auch glasklar zu benennen? Oder sollte es lieber nur weiter unausgesprochen mitschwingen? Mh. Schwierige Entscheidung.
„Leider ist deine Stimme lange verstummt“. Das ist gut, das schlägt den Bogen zu oben, als er ausgeschlossen wurde, kaum dass er den Mund aufgemacht hatte. Auch „es gibt hier nichts mehr zu sehen. Sagen dann auch all diese Uniformierten, wenn du ganz Trope-gemäß später noch einmal zum Tatort zurückkehrst“ das ist in sich allein schon richtig gut, wird aber dann auch noch mit der bisherigen Textstruktur in Zusammenhang gebracht: Der Refrain, hier umgedeutet als typisches Krimizitat (also wieder ein Krimi-Genre-Seitenhieb?). Ebenso die typische Rückkehr des Täters an den Tatort.
Aber hier sind die Absätze auch keine Rückblenden mehr, sondern schließen zeitlich an den ersten Absatz an.
Nächster Absatz: „könnte sie zumindest fragen, einfach so, durch irgendwelche offenen Fenster, an denen du vorbeigegangen bist?“ Das Thema hier also noch einmal wortwörtlich, aber paraphrasiert aufgegriffen. „, Jihad rulez, Deutschland den Deutschen“ ist wieder eine Referenz zum Absatz davor, eine erneute Analogsetzung von nur scheinbar gegensätzlichen Extremen; die beiden Absätze sind besonders eng verknüpft. „oder was auch immer. Inhalte sind heute beliebig austauschbar, Hauptsache, man ist radikal“ erklärt für mich die getroffenen Aussagen unnötig. Das möchte ich selbst denken, aber nicht erläutert bekommen Wink . „Es geht ihr doch gar nicht um dich, höchstens um die Sensation, mal mit einem Terroristen zusammengewesen zu sein, das wäre doch mal was, das man auf Partys erzählen könnte, dann muss man gar keine blöden Spielchen mehr spielen“: Das ist bitterböse, frustriert (von Frauen? Beziehungen? Der Gesellschaft? Von allem), pessimistisch und wieder ein Hieb auf die bürgerliche Gesellschaft (Spieleabende). Der Text hegt für die bürgerliche Gesellschaft genauso wenig Sympathie wie für den Terroristen, empfinde ich zumindest so. Gewagt? Muss in einem solchen Text wahrscheinlich fast so sein. „Aber du selbst bist immer noch nur ein Fenster, an dem Menschen wie sie vorübergehen“ ist eine weitere Variation des Fensterthemas und das gefällt mir besser als die anderen davor, die davor erhalten dadurch auch eine Existenzberechtigung, die sie ohne diese Umdeutung (imho, ähem) nicht unbedingt gehabt hätten.
Letzter Absatz. „in welche Richtung du diese Straße der Möglichkeiten entlangläufst“. Ich seh da nur zwei Richtungen: die der Vergangenheit und die der Zukunft? Der zurückliegenden Kleinbürgerlichkeit oder der vor einem liegenden Radikalisierung? Ich übersehe ja oft die Grautöne. Hier auch? „Diese Blechbüchsen im Rucksack und zu allem entschlossen auf dem Weg zu dieser Party zurück“: Oh, jetzt habe ich die Absätze chronologisch richtig geordnet. Es sind doch alles Rückblenden! Er verlässt die Party nicht und sieht über die Schulter zurück, sondern er kehrt mit der Bombe zur Party zurück. Beziehungsweise wäre auch meine ursprüngliche Chronologie legitim, da der Text dem Du die Entscheidung überlässt. Raffiniert! – „Blaze of Glory“ … ich glaube wirklich, ich ahne, wer der Autor ist Wink „Als postmoderner Terrorist“ ist grandios und dann kippt der Text gleich wieder ins Zynische mit „Vielleicht ist es ja sogar gesellschaftsfähig und sie kann beim Smalltalk auf der nächsten Party ihrem nächsten Typen davon erzählen“.
Und ein toller letzter Satz!
Jede Rückblende hat ein gesellschaftlich relevantes Hauptthema, vermischt mit anderen, die nur gestreift werden. Ziemlich viele Themen insgesamt. Und es wird ganz schön ausgeteilt. Und verdammt viele Ebenen, von der Beziehungsebene angefangen über angedeuteten literarischen Themen, Gesellschaftskritik, politische Themen wie Radikalisierung, Kapitalismus, Polizeialltag, etc. Trotzdem ein roter Faden: die Beziehung, das Fenster, ein geschlossener Kreis von der Beziehung über die Trennung bis zur Rache. Oder anders, die Chronologie bleibt ja dem Leser überlassen. Die Absätze sind zusätzlich untereinander über eine Art Refrain verbunden. Über den Erzähler bin ich mir auch nicht ganz im Klaren, ein auktorialer Erzähler, der die Hauptfigur mit Du anspricht und in den Kopf der „sie“ sehen kann?
Mh, da ist mir ja viel eingefallen. Dabei komme ich vllt gar nicht zum Bepunkten, weil ich nicht genügend Texte lesen kann. Ein beeindruckender Text! Hab mich gerne durchgedacht, vllt hab ich sogar das ein oder andere durchschaut.
Sperrig, verquer, anspruchsvoll, sprachlich gewandt formuliert, Thema mehr als doppelt erfüllt. Am Anfang war ich mich nicht sicher, ob mir der Text gefällt. Am Ende angekommen finde ich ihn nahe an genial.
Liebe Grüße
Selanna
P.S.: Ach ja, der Titel gefällt mir nicht so sehr (ich muss ja mindestens einmal nachtreten Embarassed ). Mit „… und das Mädchen“ klingt er abgedroschen. Auch das „Der Tod der …“ ist ausgelutscht. Die Kombination von beidem übererfüllt das Klischee und ist wahrscheinlich ironisch gemeint. Aber drei Substantive im Titel + doppeltes Klischee … ist happig. Natürlich alles subjektiv und nie böse gemeint.


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Nur ein mittelmäßiger Mensch ist immer in Hochform. - William Somerset Maugham
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Ribanna
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 61
Beiträge: 772
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Beitrag15.05.2021 09:35

von Ribanna
Antworten mit Zitat

Allein der letzte Satz ist schon 10 Punkte wert! Zuerst hat mich die "graphische Unterstützung" gestört, wirkt ein wenig effektheischend, das hat der Text nicht nötig. Aber super geschrieben, gut gemacht!

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Wenn Du einen Garten hast und eine Bibliothek wird es Dir an nichts fehlen.
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silke-k-weiler
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 49
Beiträge: 748

Das goldene Schiff Der goldene Eisbecher mit Sahne


Beitrag16.05.2021 19:00

von silke-k-weiler
Antworten mit Zitat

Lieber Text,

mit (leider) bemühtem Interesse gelesen, aber im Moment tatsächlich noch etwas ratlos, ob Du mich mitgenommen am offenen Fenster abgeholt hat. Da ich immer noch bei meiner ersten Leserunde bin, stell ich Dich mal zurück und werfe in der zweiten erneut einen Blick auf Dich. Erschreckenderweise bist Du irgendwie an mir vorbeigeplätschert, ohne dass etwas haften geblieben ist.

Bis später
Silke

*****************

Auch bei der 2. Leserunde plätscherst Du weiterhin an mir vorbei. Ich kann noch nicht einmal konkret festmachen, woran es liegt. Werfen wir mal einen Blick auf die einzelnen Abschnitte:

Fenster 1: Party - ist für mich ein Bild für menschliches Miteinander, keine konkrete Party, eher das alltägliche Aufeinandertreffen von Menschen, man tauscht sich aus, einer weist auf Missstände hin, andere wollen es nicht hören, dann kommt die Retourkutsche: Schau mal durch Dein Fenster, bevor Du auf die anderen zeigst. Bäm - Killerphrase, Gespräch zuende. Wilder Rucksackmann, der Typ, der im übertragenen Sinne die Bombe platzen lässt?

Fenster 2: Das ist mir völlig unklar. Geht um Landschaftsbeschreibungen, Kleidung und Gedankenzensur. Muss passen.

Fenster 3: Ernie, der ein E verkauft - bezieht sich auf den Wettbewerb? Drogen, sich wegballern, einfach mal schön bis zum Delir abschalten? Hm.

Fenster 4: Der Teil gefällt mir, mit dem Fensteröffnen und dem Big Business.

Fenster 5: Der auch noch, wobei ich den Schritt: Die Welt mal so richtig grundreinigen, ist doch schon lange überfällig. Du denkst an diese Party und das dämliche Assoziationsspiel zurück, aus dem der letzte Streit deiner Beziehung resultierte. irgendwie gewagt finde. Erinnert mich irgendwie auch an die Ärzte: Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe. Kann natürlich auch wieder in metaphorischen Sinne "die Bombe platzen" gemeint sein.

Fenster 6: Auch hier eine schöne Stelle: Du willst gesehen werden. Gehört werden. Vielleicht hättest du dafür besser auf die Kapuze verzichtet. Aber selbst in Leuchtfarben bepinselt, die Welt heute vergisst schnell.

Fenster 7 und Abschluss: Schöner Schlusssatz - Du wolltest dir halt ein Bahnsteigticket für die Revolution kaufen, aber leider hatte um diese Zeit nur noch der Supermarkt geöffnet.

Ich glaube, das Problem ist, dass hier interessante Ansätze drin stecken, mir aber nur oberflächlich abgehandelt werden. Deswegen löst es auch nichts bei mir aus. Das kann auch wieder ein Verweis auf heutige Kommunikationskultur sein, dass sich die Art der Präsentation auch nochmal als  Ebene darauf bezieht. Da ich aber auch immer mit dem Bauch lese und der sich hier nicht muckst, leider nicht in meiner Endrunde. Sorry Crying or Very sad

Viele Grüße
Silke
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MoL
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Beiträge: 1838
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Das bronzene Stundenglas


Beitrag16.05.2021 20:13

von MoL
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Eigentlich, lieber Inko, mag ich ja diese "Du-Texte" nicht. Dieses plumpe Angespreche und Angeduze, dieses Belehrende, dieses sich über den Leser stellen, auch wenn natürlich der Protagonist gemeint ist, haha.
Eigentlich.
Und dann falle ich doch wieder (darauf) hinein, ging mir erst glaube beim letzten 10.000er mit Michels Text so. Dein Text hier ist einfach zu charmant, zu ehrlich, zu rotzig, zu alles, um ihn nicht einfach grandios zu finden!
Die offenen Fenster sind auch ganz wunderbar umgesetzt. Dein Text hier ist auf meinem Platz Nummer 3. Ich hoffe, er landet schön weit oben!


_________________
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"Menschen und andere seltsame Wesen"
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Hexenherz-Trilogie: "Eisiger Zorn", "Glühender Hass" & "Goldener Tod", Acabus Verlag 2017, 2019, 2020.
"Die Tote in der Tränenburg", Alea Libris 2019.
"Der Zorn des Schattenkönigs", Legionarion Verlag 2021.
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marinaheartsnyc
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Beiträge: 137



Beitrag17.05.2021 17:15

von marinaheartsnyc
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Thema sehr interessant umgesetzt und Sprache gefällt mir gut. Erfüllt für mich auf jeden Fall auch die Kriterien von E-Literatur. Leider ist der Inhalt aber dieses typische "Generation Y wollte alles, hat aber ganz postmodern einfach gar nichts gemacht", und das ist mir irgendwie nicht originell genug bzw. nicht mehr wirklich überraschend. Insgesamt gab es deshalb leider ein paar Texte, die mich etwas mehr überzeugt haben.

_________________
Yesterday I was clever, so I wanted to change the world. Today I am wise, so I am changing myself.

- Rumi
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psi
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Beiträge: 116



Beitrag17.05.2021 19:39

von psi
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Hallo, Text, schön, dass du da bist! :)

Na gut, du willst mir offenbar mit aller Macht ein E verkaufen, da sag ich nicht nein. Sonderpunkte gibts auf jeden Fall schonmal für den Einsatz von E-mojis (ich frag mich, wie oft dieser Witz in den Kommentaren auftauchen wird).


Schon deinen Titel mag ich, nicht nur, aber auch, weil er nach kurzem wikipedian sogar u-gebildeten Leuten wie mir erlaubt, mal hinter die Textfassaden zu schauen. Der wilde Mann, für die Reise bepackt, der immerfort schreitet, weg vom Alleschondaseienden, das nur hinter anderen Verkleidungen steckt, hin zur Innovation oder zurück zur Moderne?
Fortschritt um des Fortschritts willen scheint nicht der Antrieb zu sein, eher die Aussichtslosigkeit der sich bietenden Einsichten.
Da das Mädchen nun in Person in den Zimmern hockt, mag ich mit dem Gedanken spielen, dass auch der Tod der Postmoderne keineswegs abstrakt ist, sondern höchstlebendig in Form eben jenes SensenRucksackmanns dahinschreitet.



Und wie viel es zu sehen gibt, hinter deinen Fenstern! Jemanden, der gern was sagt, aber nichts zu sagen hat, Erinnerungen, die genauso unscharf, beliebig und unveränderlich sind wie Zukunftsszenarien, von Faschen eingefasste Faschisten, virtuelle Fensterverschieber und die Sehnsucht nach Monismus und Zerstörung und Geschichten über Monismus und Zerstörung.


Gibts ja nicht!



Ist das alles neu? Irgendwie nicht, irgendwie schon, aber irgendwie gehts ja auch dadrum. Machst dich self-aware über deine self-awareness lustig und landest direkt von der too-edgy-Ecke in der postmodernen Gefängniszelle (sind Fenster auch offen, wenn sie vergittert sind?).


Und dann der Plottwist (muss ja) mit der Raviolidose und dann der Schlusssatz und warum immer weiter gehen oder fahren und neue Wege suchen und nicht einfach mal was hinzufügen und wenns nur ne Dose Ravioli ist, ein postmodernes Postmirakel, das zumindest besser schmeckt als Splitterbomben, hach!
Ich mein, der Take-away ist jetzt auch nicht neu, aber Raviolidosen! Homedelivered!


Fazit: 😍


Liebe Grüße,
Ψ
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag17.05.2021 22:21

von Jenni
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Einer spaziert über die Metaebene, vorbei an offenen Fenstern, die mögliche Entscheidungen auf einem Lebensweg zeigen, aber auch das Leid der Welt, das es dabei in Betracht zu ziehen gilt oder auch nicht - und das bist DU, der Rucksackmann. Im Rucksack entweder Bomben oder Dosenravioli, je nach Betrachtungsweise.
Das ist schon ganz schön interessant gestrickt, enthält eine Menge Ideen und eine Menge Deutungsebenen und eine Menge Interpretationsmöglichkeiten, aber dann durch diese herablassende Du-Perspektive auch alles noch einmal auf extra Distanz und hinter den Schutzschirm der Ironie. Um das Innen und Außen geht es eh auch, wie auch nicht. Und dann ist da noch der Tod und das Mädchen, sie für immer unerreichbar, und die post-postmoderne Transzendenz. Alles schon ein bisschen drüber, aber das ist das geile an der Post-Post-Postmoderne: Wie drüber auch immer, man ist sich dessen so bewusst und ist längst schon wieder eine Ironieebene weiter. Das kann man mögen oder nicht, ist aber gekonnt und bis ins Letzte konsequent gebaut und selbstverständlich Punkte wert, und zwar 6 Punkte.
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Gast







Beitrag18.05.2021 11:24

von Gast
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Aus Zeitgründen muss ich mich auf das Kommentieren meiner zehn Favoriten beschränken, und unter der Vielzahl der Texte hat es dieser nicht in meine (höchst subjektiven) Top Ten geschafft.
Dennoch vielen Dank fürs Lesendürfen!
LG
DLurie
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Kiara
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 44
Beiträge: 1404
Wohnort: bayerisch-Schwaben


Beitrag18.05.2021 13:35

von Kiara
Antworten mit Zitat

Hallo,
ich bin total gespannt, wie viele KommentatorInnen dir wohl vorwerfen, es mit den Fenstern zu gut gemeint, quasi mit dem Holzhammer druffgehauen zu haben. Mal schauen.
Mir gefallen die Aneinanderreihung von Skurrilem, die Sprache, nur der Inhalt, zwischen den Zeilen, der trifft mich nicht. Eigenartig.
Das Niveau ist hoch und für Punkte reicht es dieses Mal leider nicht.
Trotzdem liebe Grüße und danke für deine Geschichte.


_________________
Zum Schweigen fehlen mir die Worte.

- Düstere Lande: Das Mahnmal (2018)
- Düstere Lande: Schatten des Zorns (2020)
- Düstere Lande: Die dritte Klinge (2023)
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