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Himbeerpink und golden

 
 
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marinaheartsnyc
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 31
Beiträge: 137



Beitrag29.04.2021 19:00
Himbeerpink und golden
von marinaheartsnyc
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Ihre Farbe ähnelte reifen Himbeeren im Spätsommer. Pink, saftig und süß, mit einem goldenen Schimmer, der die ausklingende Wärme erahnen ließ. Eine Spur von Brombeerlila fand sich auch darin, etwas dunkler, doch nicht weniger warm. Und immer wieder dieser goldene Schimmer. Er stellte sich vor, wie er sie berühren würde, nur ganz sanft mit den Fingerspitzen ihre weichen, blonden Haare berühren und dann eins werden würde, mit ihr, und ihrer Aura aus Himbeeren und goldenen Schimmern.

Nach der Farbe kam das Bild. So war es immer schon gewesen, seit dem Tag im Mai vor zwei Jahren, der sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt hatte.
Erst die Farben, dann das Bild.

Ihres war ein kleines Mädchen, zwei oder drei Jahre alt, mit einer Palme aus dünnen, blonden Haaren auf dem Kopf. Sie trug ein blaues Latzkleid und hatte Tränen in den Augen, während eine große, schlanke Frau sie von sich wegschob, auf eine Gruppe mit Kindern zu, die um eine etwas jüngere Frau gedrängt saßen. Es musste wohl ihre Mutter sein, und die Gruppe vielleicht eine Kindergartengruppe. Eine Feriengruppe, ein Hort. Wer wusste das schon. Was zählte, waren ihre großen, traurigen Augen, und ihre zitternde Unterlippe. Er hätte alles dafür gegeben, dass ihre Unterlippe aufhörte zu zittern. Dass er nicht jedes Mal, wenn er sie sah, dieses Zittern sah, zusammen mit dem Himbeerpink und dem goldenen Schimmer.

„Darf es noch etwas sein?“
Ihre Stimme riss ihn aus seinen Gedanken, holte ihn zurück in die Gegenwart, vor die Verkaufstheke der Bäckerei, hinter der sie in einer weinrot gestreiften Schürze stand. Weinrot, nicht Himbeerpink.

„Nein“, sagte er. „Danke.“ Er legte ein Zwei-Euro-Stück auf den Tresen, nahm die Tüte mit der Mohnschnecke und ging. Als er sich noch einmal umdrehte und zurück sah, hatte sie sich schon dem nächsten Kunden gewidmet, ihr warmes Lächeln auf den Lippen. Himbeerpink und golden.

Vor dem Supermarkt saß Theo, auf einem durchgesessenen Umzugskarton und mit seinem entrückten Lächeln. Er nickte ihm zu und warf ein 20-Cent-Stück in den Pappbecher, der vor Theo auf dem Boden stand.

Theos Farbe war ein schillerndes Türkis, und sein Bild ein Mann mit Zornfalten und einem schwarzen Schnurrbart, der einen kleinen jungen über sein Knie gelegt hatte, einen Ledergürtel um die zusammengeballte Faust geschlungen.

Schnell schloss er seine Augen, obwohl das nichts half. Das Bild blieb, die Gefühle blieben. Sein Herz eine kleine, harte Kugel, starr vor Schmerz. Wie bei dem Mädchen hätte er alles dafür gegeben, dieses Bild nicht jedes Mal sehen zu müssen. Dass er wie bei den anderen Menschen nur einmal ein Bild zu sehen bekam, dass sie dann ihre Mauer hochziehen würden, ihren Schutzwall.

***
 
Als er im Mai vor zwei Jahren im Krankenhaus aufgewacht war und plötzlich die Farben und Bilder gesehen hatte, war er zutiefst verwirrt gewesen. Ängstlich und verwirrt. Litt er an Halluzinationen? Hatte der Sturz einen bleibenden Gehirnschaden hinterlassen? Immerhin war er drei Meter durch die Luft geschleudert worden, von einem Rennradfahrer, der ihn einfach umgefahren hatte. Das hatte die Ärztin ihm später erzählt. Mitten im Park, an einem Sonntagvormittag. Ein Schleudertrauma hatte er erlitten, eine Gehirnerschütterung, und zwei gebrochene Rippen.

Doch als er in dem zu weichem Krankenhausbett aufgewacht war, wusste er das noch nicht. Er sah nur die Farbe der Krankenschwester, die ihm gerade eine Infusion legte. Blutrot. So, als ob sie sie sich passendem zu ihrem Beruf ausgesucht hätte. Vielleicht hatte sie das ja auch. Und dann das Bild, eine jugendliche Version von ihr, die neben einer leblosen Frau am Boden kauerte.
Vielleicht ihre Mutter.
Vielleicht ein Herzinfarkt.
Vielleicht der Grund, warum sie Krankenschwester geworden war.

Er schob die Bilder auf den Unfall, hatte Angst, mit der Krankenschwester und seiner behandelnden Ärztin darüber zu sprechen. Wollte abwarten, bis er wieder zuhause war und sich alles normalisiert hatte.

Doch nichts hatte sich normalisiert, alles war geblieben. Die Farben, die Bilder, der Schmerz. So viel Schmerz.

Der einzige Lichtblick war, dass er bei den meisten Menschen die Bilder nur beim ersten Zusammentreffen sah, danach verschwanden sie. Deshalb entwickelte er feste Routinen, ging immer zur gleichen Zeit in den Supermarkt, zum Bäcker. Immerhin arbeitete er in einem Büro mit nur wenigen Kolleginnen und Kollegen, und nach der ersten Farben- und Bilderflut hatte er Ruhe.

Trotzdem war es irgendwann zu viel geworden, die täglichen Explosionen an Bildern, Farben und Emotionen. Also war er zu einer Psychotherapeutin gegangen. Sie trug eine runde Brille mit einem dünnen, goldenen Rand, und hörte ihm lange zu. Sagte nichts, nickte nur immer wieder, und schrieb ab und an etwas auf den Zettel, der auf einem Klemmbrett in ihrem Schoss lag.
 
Als er schließlich ruhig war, räusperte sie sich und schob mit dem Zeigefinger ihre Brille auf der Nasenwurzel weiter nach oben, Richtung Stirn.
 
„Das wird jetzt befremdlich klingen“, sagte sie. „Und Sie können selbst entscheiden, ob Sie mir glauben. Aber es klingt ganz so, als ob -“ Sie brach kurz ab, schlug ihre Beine übereinander, setzte sich etwas aufrechter in ihren Sessel, „als ob Sie durch den Sturz einen sechsten Sinn entwickelt haben. Drittes Auge, wie auch immer man es nennen möchte. Die Farben, das ist die Aura der Menschen. Die Bilder, ihre wahre Seele. Ihre verletzlichsten Erinnerungen. Das, was sie in der Regel am wenigsten der Welt zeigen wollen. Sich in den meisten Fällen noch nicht einmal selbst eingestehen wollen.“ Sie brach ab und sah gedankenverloren auf das offene Fenster neben ihm, durch das die warme Juniluft hereinstrich. Wie ein Tier, das sich sanft um seinen Nacken legte.

Die Therapeutin holte tief Luft und sprach weiter. „Sie können sich das vorstellen wie offene Fenster, an denen Sie vorübergehen. Die meisten Menschen halten ihre Fenster fest verschlossen und zeigen nur einen Bruchteil ihrer wahren Seele der Welt. Sie halten ihre Fenster geschlossen, um ihren Raum zu schützen, sich zu schützen. Ihre Seele zu schützen. Auch wenn sie damit oft genau das Gegenteil erreichen und sich in Wahrheit von ihrer Seele abspalten. Sie einsperren, wie ein Tier in einen Käfig. Sie haben jetzt die besondere Möglichkeit, an vielen offenen Fenstern vorübergehen zu dürfen.“

Er schluckte. „Aber – das will ich doch gar nicht.“ Er sah auf seine Hände in seinem Schoss, verschränkte seine Finger ineinander. „Es ist so – schmerzhaft.“

Die Therapeutin nickte. „Sie werden lernen müssen, sich davon abzugrenzen. Wenn Sie sich mit Ihrem eigenen Schmerz verbinden, wird es besser werden. Wenn Sie nichts verdrängen.“

Er hatte die Praxis ratlos verlassen, war sich nicht sicher gewesen, ob er verstanden hatte, was seine Therapeutin meinte.

***

Als er am nächsten Morgen zum Bäcker ging, dachte er an die Sitzung bei seiner Therapeutin damals. Er war sich immer noch nicht sicher, wie das gehen sollte. Sich so sehr mit seinem eigenen Schmerz zu verbinden, dass die Bilder verschwinden würden. Bisher war es ihm nur selten gelungen, an einzelnen Tagen. Dann waren die Bilder und die Farben blasser gewesen, aber ganz verschwunden waren sie nie.

„Wie jeden Morgen?“ Das Mädchen lächelte ihn an, Himbeerpink und golden, umrahmt von ihren hellen Haaren.
„Ja“, sagte er und nickte. Legte das Zwei-Euro-Stück auf den Tresen, drehte sich um und ging, mit gesenkten Schultern.

Er war schon draußen auf dem Gehweg an Theo vorbeigelaufen, als er ihre Stimme hinter sich hörte. „Halt!“
Er drehte sich um, mit großen Augen und rasendem Herzen. Doch, sie meinte ihn. Kam geradewegs auf ihn zugelaufen, eine Tüte in der Hand. Er sah an sich hinunter. Keine Tüte, keine Mohnschnecke. Idiot, dachte er.

Sie kam schwer atmend vor ihm zum Stehen, legte eine Hand in ihre Seite und beugte sich etwas, streckte ihm mit der anderen die Tüte entgegen. „Deine Mohnschnecke“, sagte sie.
„Ja“, sagte er und starrte sie mit offenem Mund an. Himbeerpink und Brombeerlila. Zitternde Unterlippe. Und trotzdem so viel Gold. So viel Wärme. Sag etwas, dachte er. Komm schon. Kopf aus, Mund auf.

Doch sie kam ihm zuvor. „Krieg ich deine Handynummer?“, fragte sie und lächelte ihn mit gekräuselten Lippen an. „Jetzt, wo ich für dich schon früh morgens gesprintet bin.“
„Ja“, sagte er und tippte seine Nummer in das Smartphone, das sie ihm reichte. Es steckte in einer Holzhülle mit Blumenmuster.
Als er ihr es wieder reichte, berührten sich ihre Hände. Nur einen zarten Flügelschlag lang, aber genug, um ihre Wärme zum ersten Mal auch körperlich zu spüren.

„Also dann“, sagte er. Wollte noch mehr sagen, doch sein Hirn und sein Mund schienen wie mit Honig verklebt zu sein. Süß und schwer.

Sie kam ihm zuvor. „Hellgrün“, sagte sie. „Das mag ich. Wie die Bäume im Moment.“ Sie sah zu den Ahornbäumen, die die Straße säumten.
„Was?“, fragte er und schluckte.
„Deine Farbe“, sagte sie.
„Was?“, fragte er und fühlte sich, als wäre sein ganzer Körper mit Honig verklebt.
„Du weißt schon.“ Sie hob einen Mundwinkel und lächelte schief. Himbeerpink und golden.
Er machte große Augen. „Du auch?“
„Ja.“
„Seit wann?“
„Schon immer.“
„Oh“, sagte er.
Sie strich mit den Händen über ihre gestreifte Schürze. „Ich muss jetzt zurück. Ich rufe dich an.“ Ein letztes Lächeln. Dann drehte sie sich um und lief zurück in den Laden.
Er blieb auf dem Gehweg zurück, mit verklebten Gedanken und offenem Mund.

Etwas in ihm knirschte, laut und tief, wie eine Tresortür, die zum ersten Mal seit langer Zeit wieder geöffnet wurde. Dann spürte er, wie etwas durch ihn floss, etwas, das lange nicht mehr geflossen war, und als er seinen Kopf hob und über die Straße voller Menschen sah, waren die einzigen Farben, die er sah, die der Ahornbäume und des blauen Himmels.

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hobbes
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Das goldene Aufbruchstück Das goldene Gleis
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Beitrag10.05.2021 00:29

von hobbes
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Öch nö. Verzeihung, aber ach. Das fing doch ganz gut an. Gut, dann kam die Therapeutin und ich dachte: Rolling Eyes ja, ja, sicherheitshalber die offene Fenster Sache auch noch für den letzten erklären, damit es auch wirklich jeder verstanden hat.
Nun denn, das hätte ich dem Text verziehen, vielleicht hast du ja einmal zu oft die Erfahrung gemacht, das Wettbewerbsthema eingebunden zu haben und keiner hat es gefunden.

Aber dann. Dann plötzlich kitschige Rührseligkeit mit Happy End und Pastellfarben (jaja, himbeerpink und golden und hellgrün, das sind natürlich keine Pastellfarben. Trotzdem)

Ich fürchte, das verzeihe ich dem Text dann nicht.


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Raven1303
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Beitrag10.05.2021 20:23

von Raven1303
Antworten mit Zitat

Eigentlich wollte ich erst alle Geschichten lesen und dann erst bewerten und schreiben, aber deine Geschichte gefällt mir so gut, dass ich dies sofort loswerden muss.
Das Bild von seinen wie von Honig verklebten Gedanken finde ich ganz toll. Sehr schön geschrieben. Hat mich irgendwie sehr berührt. Ganz toll und bisher mein Favorit, da du auch  alle Anforderungen meiner Meinung nach erfüllt hast.

LG

...

Auch beim zweiten Lesen, finde ich deinen Text sehr schön.
Diesen Teil hier:

Zitat:
Erst die Farben, dann das Bild.

Ihres war ein kleines Mädchen, zwei oder drei Jahre alt, mit einer Palme aus dünnen, ...


verstehe ich jetzt besser. Da war ich bei meiner ersten Runde verwirrt und habe das mit den Bildern noch nicht verstanden. Ich dachte, da wäre irgendwie ein richtiges Kind, das er sieht. Vielleicht schreibst du statt "Ihres" besser genauer "Das Bild der Frau war..."

Ich frage mich, warum er auch das Bild des Obdachlosen immer wieder sieht. Hat das mit seinem Schmerz zu tun, den er akzeptieren soll? Wurde er als Kind vielleicht auch geschlagen? Das hätte ich mir vielleicht als Aufklärung noch gewünscht.

Holzhammer (weil das im Treat angesprochen worden ist), finde ich hier auf keinen Fall, da es gut passt und ich es nicht als Wink mit der Schlossmauer empfinde.

Ich mag deinen Text sehr, daher bekommst du von mir auch 12 Punkte!

LG
Raven


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d.frank
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Alter: 44
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D
Beitrag12.05.2021 15:04

von d.frank
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Solide. Im Verlauf habe ich aber eben auch viel überlesen.
Denke. das liegt daran, weil das so schematisch gestrickt ist:
Erst das Bild, die Begegnung (vielleicht hat es die Geschichte auch deshalb gleich ungleich schwer bei mir gehabt). Das mit den Bildern geht anfangs auch völlig unter - man legt es als Fantasie aus. Dann die kurze Auflösung, dann das Happy End.


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*Arthur Schopenhauer
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Nihil
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Moderator
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Beitrag13.05.2021 00:15

von Nihil
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Tsüschoterrapötin Nummer mindestens 3 im Wettbewerb, auch die Außenseiterrolle der Hauptfigur, die auf magische Weise ihr exaktes Gegenteil findet, gab es öfter. Hier finde ich die Liebesgeschichte aber noch am gelungensten, ich kann den synästhetischen Eindrücken schon folgen, hätte sie mir aber, gerade wenn der sie auslösende Unfall als so einschneidend beschrieben wird, noch heftiger vorgestellt, eigentlich vorgestellt bekommen wollen. Hs sind grün, Montage rot, Ls rutschig. Die „Auras“ von Menschen zu sehen, ist sicherlich anfangs ungewöhnlich, aber dass es den Alltag des Protagonisten jetzt schrecklich einschränken würde, kann ich aus dem Text nicht nachvollziehen. Das tsüschologische Traktat, dass man es bei diesen kunterbunten Farbspielen mit geöffneten Seelenfenstern am Zu-Tun-Haben hat, kontextualisiert die Geschichte auch noch einmal schön in den Wettbewerbskontext, damit nicht ungewollt am Thema vorbeispaziert wird.

Gibt es einen Grund, warum du von „golden“ schreibst und nicht gold? Meine Farbe ist ja opaque-schwarz, deshalb fand ich dieses kleine Detail leider von Anfang an blöd. Als sollte es ein bisschen poetischer und romantischer klingen als kapitalistisch einsilbig-stumpfe „gold“. Ich komme ins Labern. Ich mochte deinen Text eigentlich, denke aber, er ist bei einem E-Wettbewerb nicht richtig aufgehoben und konnte ihm daher auch keine Punkte dalassen.
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Babella
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Das goldene Aufbruchstück Der bronzene Roboter


Beitrag13.05.2021 21:33

von Babella
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Hm. Der Bezug auf die offenen Fenster wirkt etwas herbeigezogen. Aber gut, folgen wir dem mal. Jemand erlebt einen Unfall (ich weiß nicht, ob man von einem Rennradfahrer in dieser Weise umgefahren werden kann) und hat danach bei Menschen die Empfindung, dass sie eine Farbe haben - und sieht zugleich ihre wunden Punkte, traumatische Kindheitserinnerungen. Was schwer auszuhalten ist, aber dann entpuppt sich die Bäckereiverkäuferin als verwandte Seele. So weit, so unglaubwürdig. Aber das ist ja auch nur eine Geschichte.

Ich glaube nicht, dass sich die Seele von Menschen auf solche Schlüsselszenen reduzieren lassen und dass sie dies stets geheim halten. Trotzdem ist das natürlich eine interessante Vorstellung. Was, wenn man in die verborgenen Seelenwinkel anderer hineinschauen könnte. Das würde man nicht aushalten, ja. Das ist vielleicht eigentlich das Thema hier. Aber ich tue mich schwer mit der Umsetzung.
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nebenfluss
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Beitrag14.05.2021 01:13

von nebenfluss
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Ich fürchte, das wird ein ziemliches Gemecker. Ich stehe diesem Beitrag seltsam ungnädig gegenüber, ohne szs wirklich den Finger in die Wunde legen zu können. Er scheint mir zu einfach konstruiert und "krankt" wohl auch daran, dass er so viele inhaltliche Aspekte enthält, die sich auch bei der Konkurrenz finden: eine angedeutete Liebesgeschichte mit potenziell heilender Funktion, was leicht ins Kitschige abdriftet, und eine Therapeutin darf auch nicht fehlen.
Die Idee, Menschen als Farben zu sehen, ist leider nicht neu. Ich erinnere mich beispielsweise an eine E-Geschichte Eredors, die auf dieser Grundthematik basierte, unter seinen dsfo-Werken aber leider nicht mehr zu finden ist. Und sollte man sich dann mit der Bezeichnung von Farben nicht etwas genauer auskennen? Himbeeren sind für mich nicht pink, höchstens vielleicht der Saft, der beim Zerdrücken heraustropft. Pink ist diese Barbie-Farbe, zwischen Rosa und Magenta aka Telekom, siehe Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Pink_(Farbe)#Farbton
oder auch in der (Damen)Mode. Da wird dann an einer Textstelle eine feine Unterscheidung zwischen einer weinroten Schürze und himbeerpink aufgemacht, und ich denke: Rotwein, ja, das würde die Farben von Himbeeren zutreffender beschreiben.
Genug drauf herumgeritten, der namenlose Ich-Erzähler sieht ja zusätzlich noch Bilder, vielleicht zu lesen als Situationen aus dem Leben des Betreffenden, und sicherlich die Interpretation des Themas "an offenen Fenstern vorübergehen". Doch haben leider auch die es nicht geschafft, mich näher mit den Figuren zu beschäftigen oder mich zum Nachdenken anzuregen.
Nichts für ungut!


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Gast







Beitrag14.05.2021 16:48

von Gast
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Ein Mann ist nach einem Unfall dazu in der Lage, Auren zu sehen, die ihm einen Einblick in die Seelen anderer Menschen ermöglichen. Weil ihn das überfordert, meidet er Menschen und reduziert seine Kontakte auf ein Minimum.

Bei einem Besuch seiner Stammbäckerei findet er heraus, dass die Verkäuferin die Fähigkeit teilt. Es deutet sich eine Romanze an.

Vorgabentreue:

Die Metapher der offenen Fenster wird genutzt, um die Fähigkeit des Protas, in die Seelen der anderen Menschen sehen zu können, zu umschreiben.

Es gibt keinerlei andere Umsetzung der Vorgaben, und die Metapher kann problemlos ersetzt werden, ohne die Geschichte zu ändern, in sofern würde ich die Vorgabe der offenen Fenster als "zentrales Element der Erzählung" anzweifeln. Ich lasse es aber gerade nochmal durchgehen.

Ausgestaltung:

Eher schwach. Die Therapeutin wird als Trüffelschwein (Dank an holg für das wunderbare Wort) eingesetzt, die in show-and-tell Manier in einem Satz seine Fähigkeit erklärt, als sei das eine Alltagsdiagnose. Das wirkt konstruiert und lässt die Frage offen, warum es dann auch keine Alternativtherapieansätze gibt.

Insgesamt bleibt vieles an der Oberfläche; die Handlung wird gnadenlos und lieblos durchgeprügelt, und am Ende bleiben offene Fenster Fragen, z.B. die, woher die Verkäuferin wusste, dass er auch Auren sehen kann. Wenn das Teil der Fähigkeit ist, hätte es ihm im Gegenzug auch schon bei ihr auffallen müssen.

Keine Punkte.
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag14.05.2021 19:26

von Constantine
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Ich sehe was, was du nicht siehst oder doch, du siehst es zufällig auch

Bonjour Inko,

der Text hat mir sehr gut gefallen, aber mich leider nicht zu 100% überzeugen können. Warum?
- Bei der Therapeutin gibt es keine Farb- und Bildwahrnehmung! Warum nicht?
- Das Ende: auch die Bäckereiangestellte hat die gleiche Fähigkeit wie der Prota! Was für ein Zufall, noch jemand. Dieses Konstrukt hat mir nicht gefallen.

Abgesehen davon: coole Idee und kreative Umsetzung der Themenvorgabe. Der Protagonist entdeckt an sich eine neue Fähigkeit nach dem Unfall und das wirft ihm völlig ausufern Bahn. Wie ein Fluch, dem er sich entziehen möchte, aber nicht kann. Sehr authentisch und nah am Prota eingefangen. Am Ende ein Hauch Erlösung, Hoffnung und Glück mit der Gleichgesinnten. Ok, muss ja nicht alles immer ernst und depri enden, sondern mit einem Lichtblick. Ich gönne es dem Prota, dass die Hoffnung siegt und er eine Gleichgesinnte kennenlernt.
Der Text ist in meiner Top Ten: sept points.

Merci beaucoup
Constantine
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V.K.B.
Geschlecht:männlich[Error C7: not in list]

Alter: 51
Beiträge: 6152
Wohnort: Nullraum
Das goldene Rampenlicht Das silberne Boot
Goldenes Licht Weltrettung in Silber


Beitrag14.05.2021 22:45

von V.K.B.
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Hallo unbekanntes schreibendes Wesen,
du machst es mir wirklich schwierig. Also die Gruppeneinteilung meine ich jetzt. Ist das E und gehört in den Wettbewerb, oder doch eher U? Jedenfalls bringt der Text mich zum Nachdenken. Erstmal hauptsächlich darüber, was meine eigene Farbe wäre. Natürlich würde ich estmal "schwarz" sagen. Aber stimmt das überhaupt? Wie sind die Farben hier überhaupt definiert? Kirlian Aura? Warum ist die Krankenschwester dann nicht grün (Heilerfarbe), wenn es zu ihrem Beruf passen soll? Rot würde ich persönlich mit Aggression verbinden, laut Kirlian-Farbtabelle eher Vitalität und Sexualität. War Blut gemeint, weil sie viel damit zu tun hat? Aber egal, wie man definiert (Kirlian-Auren sind ja auch Verläufe und nicht einfarbig), stellt sich die Frage: Kann eine einzelne Farbe einen Menschen definieren? Oder ein einziges (Erinnerungs-)Bild? Ich frage mich gerade, was meins wäre, und könnte es nicht zuordnen. Nein, das ist verdammt eindimensional. Ich würde Menschen nicht so reduzieren. Die Idee der Geschichte ist interessant, aber so richtig durchdacht erscheint mir das nicht. Und gibt von daher auch nicht wirklich was her, außer einem phantastischen Element. Dürfen solche in E-Geschichten auftauchen, ohne das es Fantasy-Genre wird? Ich denke ja. Aber dann müssen sie mehr sein als ein phantastisches Element. Oder auch konsequenter. Mich hätte zum Beispiel Farbe und Bild der Therapeutin interessiert, aber darüber schweigt sich der Text (unkommentiert) aus. Letztendlich passiert dann aber auch nicht wirklich viel. Der Prota entwickelt diese Fähigkeit, leidet darunter, lernt ein Mädchen kennen , die auch Personenfarben sieht, und daraufhin verschwindet seine Gabe oder er nimmt sie nicht mehr als im Fokus stehend und nur noch nebensächlich wahr. Woher weiß sie, dass er auch Farben sehen kann? Bei Theo wird mir die Zuordnung nicht klar, ist der der Junge, der geschlagen wird, oder der Mann, der schlägt? Dass der Mann im Fokus steht, legt die Beschreibung nahe (wenn sein Bild der Mann und nicht der Junge ist), dass der Prota ihm trotzdem Geld gibt, deutet hingegen eher auf den Jungen. Erzählerische Schwäche oder absichtliche Mehrdeutigkeit?
Die Themenumsetzung (diese Farben und Bilder als "offene Fenster" an deren er vorübergeht) erscheint mir irgendwie etwas krampfhaft, verstehst du, was ich meine? So nach dem Motto, "was nicht wirklich passt, wird schon irgendwie passend gemacht, gerne auch mit dem Holzhammer".

Ich muss den Text im gelben Bereich einordnen, denke ich. Für E und Zehntausendertext bleibt mit das alles doch zu sehr an der Oberfläche, und von daher eher ein fantastisches Element in der Unterhaltungsliteratur (die ja auch keinesfalls trivial sein muss). Trotzdem ein Text, der mir gefallen hat und den ich gerne gelesen und darüber nachgedacht habe.

Edit: Zur Endwertung: Ich habe die Texte in die Kategorien grün (genau wie ein Zehntausendertext mMn sein sollte, also definitiv E-Lit, aber auch besonders geschrieben und neue Wege beschreitend, oder das zumindest versuchend), gelb (ernsthafte Themen, aber realtiv traditionell geschrieben) und rot (Text, der mMn nicht in diesen Wettbewerb passt, auch nicht teilweise) eingeteilt. Die Rangfolge für die Punkte erfolgt dann nicht größtenteils nach persönlichem Gefallen, sondern erstmal innerhalb der Gruppen.

Diesen Text habe ich in den gelben Bereich eingeteilt, er erfüllt die Vorgaben dieses Wettbewerbs teilweise, schafft es aber nicht in meine Top Ten und erhält daher leider auch keine Punkte.


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F.J.G.
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Wohnort: Wurde erfragt


Beitrag15.05.2021 10:08

von F.J.G.
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Guten Morgen,

mir hat's gefallen! Eine nette Handlungsstrukturierung, eine außergewöhnliche (aber korrekte) Erfüllung der Fenster-Vorgabe, und eine wirklich, wirklich gute Schreibe.

Lediglich hiermit:

Zitat:
Sie kam ihm zuvor. „Hellgrün“, sagte sie. „Das mag ich. Wie die Bäume im Moment.“ Sie sah zu den Ahornbäumen, die die Straße säumten.
„Was?“, fragte er und schluckte.
„Deine Farbe“, sagte sie.
„Was?“, fragte er und fühlte sich, als wäre sein ganzer Körper mit Honig verklebt.
„Du weißt schon.“ Sie hob einen Mundwinkel und lächelte schief. Himbeerpink und golden.
Er machte große Augen. „Du auch?“
„Ja.“
„Seit wann?“
„Schon immer.“
„Oh“, sagte er.


... habe ich leichte Probleme. Wenn wirklich zwei "Auraseher" aufeinandertreffen und bis dato nichts von den Fähigkeiten des Gegenüber wussten, geht die Erwartungshaltung garantiert nicht in die Richtung, dass nach quasi einem Wort schon bescheidgewusst wird.

Sehr, sehr gern gelesen -- und daher mit 8 Punkten belohnt.
Der Kojote


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Gast







Beitrag15.05.2021 14:09

von Gast
Antworten mit Zitat

Liebe/r Autor/in,

das ist eine ansprechende, kleine Geschichte, die du da geschrieben hast. Mit Happy End, das mag ich ja. Das geforderte Thema hast du erkennbar im Text umgesetzt, was aber "inhaltlich und stilistisch anspruchsvoll" und "ungefügig und mehrschichtig" angeht, so sehe ich deinen Beitrag im Hinblick auf diesen Wettbewerb und im Vergleich zu anderen Wettbewerbsbeiträgen leider nicht in meiner Top Ten.

Liebe Grüße,
Katinka
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silke-k-weiler
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 49
Beiträge: 748

Das goldene Schiff Der goldene Eisbecher mit Sahne


Beitrag17.05.2021 12:58

von silke-k-weiler
Antworten mit Zitat

Lieber Text,

jetzt ist er da, der Moment, in dem ich schockverliebt bin. Klasse Umsetzung des Themas. Auch vom Gefühl her, das geht durchaus in die Tiefe, ist auch schmerzhaft, trotzdem positiv. Vielen Dank, dass ich Dich lesen durfte, Du bist DER Anwärter für meine 12 Punkte.

Herzlichst
Silke

Edit: Auch nach der 2 Runde bist Du eine sehr schöne Geschichte, die in mir tatsächlich solch ein gutes Gefühl ausglöst hat, dass ich das mit 12 Punkten belohnen will. Und ich betrachte den "6. Sinn" nicht als Fantasy-Einschlag, sollte damit jemand argumentieren.
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag17.05.2021 22:25

von Jenni
Antworten mit Zitat

Nach einem Unfall sieht der Ich-Erzähler die Aura (Farbe) und wahre Seele (schlimmste Erinnerung) aller Menschen. Etwas esoterisch zwar aber eine nicht uninteressante Idee als Ausgangssituation. Die Psychologin erklärt ihm und dem Leser das Phänomen (ohne dass er ihr etwas über sie erzählen würde, was seine Psychose vielleicht glaubhaft machen könnte), und sie vergleicht es mit offenen Fenstern - ein schlechter Vergleich, weil die Menschen ja nicht ihre Fenster jetzt öffnen, sondern er nur trotz geschlossener Fenster hineinsehen kann. Das wirkt auf mich ziemlich wie nachträglich in die Geschichte gepappt und nicht wie das Thema der Geschichte.
Das pink-goldene Mädchen schließlich heilt ihn, denn sie kann schon immer Aura und Seele sehen - und weiß aus nicht näher ausgeführtem Grund davon, dass er es neuerdings auch kann. Und das ist der Moment, wo ich denke: schade, nichts aus der nicht uninteressanten Idee gemacht.
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Gast







Beitrag18.05.2021 11:26

von Gast
Antworten mit Zitat

Aus Zeitgründen muss ich mich auf das Kommentieren meiner zehn Favoriten beschränken, und unter der Vielzahl der Texte hat es dieser nicht in meine (höchst subjektiven) Top Ten geschafft.
Dennoch vielen Dank fürs Lesendürfen!
LG
DLurie
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Kiara
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 44
Beiträge: 1404
Wohnort: bayerisch-Schwaben


Beitrag18.05.2021 14:30

von Kiara
Antworten mit Zitat

Großartig!
Toll geschrieben, eine schöne Wendung, mal was Positives. Ich gebe dir 4 Punkte.


_________________
Zum Schweigen fehlen mir die Worte.

- Düstere Lande: Das Mahnmal (2018)
- Düstere Lande: Schatten des Zorns (2020)
- Düstere Lande: Die dritte Klinge (2023)
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Globo85
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 38
Beiträge: 738
Wohnort: Saarland
Das silberne Eis in der Waffel DSFo-Sponsor


Beitrag20.05.2021 14:16

von Globo85
Antworten mit Zitat

Die Fenster sind offen, einfach mit der Maus vorübergehen.


Disclaimer

Die folgende Bewertung stellt nur meine persönlichen Leseeindrücke dar. Wertende Aussagen beziehen sich lediglich auf den gelesenen Text, nie auf die Verfasser:innen. Die Punktevergabe und meine persönliche Rangliste ist natürlich vollkommen subjektiv, insbesondere die Bewertung unter dem Gesichtspunkt E-Literatur.


Ersteindruck

Endlich eine erfreuliche Geschichte. Leicht, wie eine Frühlingsmorgen.


E-Lit-Zugehörigkeit

Inhaltlicher Anspruch/etwas zu sagen/tiefer gründender Inhalt

Den tiefergründenden Inhalt kann man durchaus hineinlesen, der Text lässt einem die Freiheit: Es verbirgt sich mehr hinter der Fassade als man (ohne Unfall und seine fantastischen Folgen) auf den ersten Blick sieht.

Stilistischer Anspruch

Gut geschrieben, sehr flüssig, vielleicht nicht außergewöhnlich, aber einfach rund.

Ungefügigkeit und Mehrschichtigkeit

Eher nein.

Für mich: E-Literatur.


Umsetzung des Themas

Fenster

Siehe Therapiesitzung.

offen

Siehe Therapiesitzung.

Vorübergehen

Siehe Therapiesitzung.

Für mich: Thema umgesetzt.


Was mir gefällt

Die Idee mit den Farben finde ich hervorragend. Die unschuldige Fröhlichkeit der Verkäuferin, dieses Feelgood-Ende.

Was mir nicht gefällt

Dass die Therapeutin keine Farbe und kein Bild hat und die Themenumsetzung so ausführlich erklärt.


Lieblingsstelle/Lieblingssatz

„Hellgrün“, sagte sie. „Das mag ich. Wie die Bäume im Moment.“


Fazit und Punkte

Ein schöner, lebendiger Text, der zeigt E-Lit muss nicht schwer und traurig sein. Es geht auch anders. Weil er mich so berührt mein zehnter Platz.

Ein Punkt.
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MoL
Geschlecht:weiblichQuelle


Beiträge: 1838
Wohnort: NRW
Das bronzene Stundenglas


Beitrag21.05.2021 09:56

von MoL
Antworten mit Zitat

Lieber Inko!

Leider hat Dein Text keine Punkte von mir bekommen.

Mir gefällt die Idee, dieses Farben-Sehen, dieses Momente-Sehen. Woher die Bäckerin jetzt allerdings wusste, dass er das auch kann, ist mir nicht ganz klar geworden.

Besonders schön fand ich, wie Du die Fenster-Vorgabe eingebaut hast!
Insgesamt erinnert mich Dein Text an "Blackbirds" von Chuck Wendig, nur halt andersrum und in schön und nett, lol2

Ein schönes Märchen hast Du da geschrieben! Gefällt mir richtig gut. Wieso dann keine Punkte? Weil mir andere Texte einfach noch besser gefallen haben. Bei einem anderen Wettbewerb oder Umfeld wäre das sicher anders gewesen, aber hier mag ich eher das Ernste, Tiefgründige. Nichtsdestotrotz, wie gesagt, mag ich Deinen Text. Ein schönes, kleines, modernes Märchen. Smile


_________________
NEU - NEU - NEU
gemeinsam mit Leveret Pale:
"Menschen und andere seltsame Wesen"
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Hexenherz-Trilogie: "Eisiger Zorn", "Glühender Hass" & "Goldener Tod", Acabus Verlag 2017, 2019, 2020.
"Die Tote in der Tränenburg", Alea Libris 2019.
"Der Zorn des Schattenkönigs", Legionarion Verlag 2021.
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nicolailevin
Geschlecht:männlichEselsohr


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Wohnort: Süddeutschland


Beitrag21.05.2021 11:39

von nicolailevin
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Seit einem Unfall sieht der Erzähler bei seinen Mitmenschen deren Farben – und Bilder, die sie charakterisieren. Die Bäckereiverkäuferin, die es ihm angetan hat, erweist sich als Seelenverwandte, auch sie hat diese Besonderheit.

Der Anfang reißt mich mit. Saustark! Die unmittelbare Schilderung der Farbwahrnehmung, das ist grandios lebendig und bringt direkt eine Saite in mir zum Schwingen. Ich dachte anfangs, es gehe rein um Synästhesie oder so was in der Richtung, das hätte mir eigentlich schon gereicht, so sehr fühle ich mit dem Erzähler und verliebe mich gleich ein bisschen mit in die Himbeerlippen der schönen Bäckerin. Das ist Literatur, wie ich sie liebe, wegen solcher Momente lese ich so gern.

Folgt die Erklärpassage. Der Unfall, die Psychotherapeutin. Der Zauber verfliegt, ich zweifle daran, dass ein nüchterner Seelenprofi so eine fantastische Erklärung (6. Sinn) anbieten würde, es driftet mir alles zu sehr ins vordergründig Fantastische ab.

Und dann die Begegnung und die Offenbarung der Bäckerin. Ein netter runder Abschluss, den ich weit stärker gefunden hätte, wenn ich ihn schwebend erlebt hätte und nicht vorher von der Psychotante auf den Boden der Realität zurückgeholt worden wäre.

Abzüge in der B-Note, weil das offene Fenster ja nun alles andere als zentral ist. Sprachlich nichts auszusetzen, und wenn – ja wenn es so weitergegangen wäre, wie im ersten Teil, dann wäre das mein klarer Favorit gewesen.

So am Ende knapp auf Platz 2.
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anderswolf
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1069



Beitrag21.05.2021 14:06

von anderswolf
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Übersinnflut. Oder: Du hast da was an der Aura.

Der Text beginnt ... äh ... naja, mit saftig-reifen Früchten, üppig himbrombeerig, und vielleicht geht das nur mir so, und wenn ja, dann sagt das sicher mehr über mich aus als über den Text, aber ich lese das als beabsichtigt sexuell, vor allem wenn dann dieses übergriffige Berühren-Wollen, Verschmelzen-Hoffen beginnt. Und ich denke mir, holla, ist das ein Text, der eigentlich in den Rotlichtbereich gehört und dann kommt das Bild von dem kleinen Mädchen und ich lese das so, als sei sie, mit der der Protagonist da verschmelzen will, dieses Kind, und ich denke mir ... äh ... naja, irgendwie nicht so knorke.

Klar, das ist gar nicht so beabsichtigt, aber ach, irgendwie sind der Text und ich da schon keine Freunde mehr, und ich kann ihn nur noch überkritisch lesen.

Das Auralesen selbst hinterfrage ich da gar nicht, ich frage mich eher, ob ein Mensch, der mit einem Rennradfahrer kollidiert, wirklich drei Meter weit geschleudert wird und wie es wohl dem Rennradfahrer danach ging. Oder wie in Zeiten von Datenschutz und genereller Kritik an Übergriffigkeit wohl mit Auralesen juristisch umgegangen werden könnte, denn es handelt sich ja sehr wohl um einen Eingriff in Persönlichkeitsrechte, wenn ich anderen Leuten nicht nur in die Aura gucke, sondern auch gleich noch ihre verletzlichsten Erinnerungen. Ist das ethisch vertretbar?

Die eigentliche Geschichte ist da etwas fragwürdiger: da hat er seit zwei Jahren dieses offene dritte Auge und erst am Tag, nachdem ihm die Therapeutin erklärt, was es damit auf sich hat sagt, eröffnet ihm die Bäckereifachverkäuferin seines Herzens, bei der er re-gel-mä-ßig seine Mohnschnecke kauft, dass sie das auch hat; als stünde es ihm auf der Stirn geschrieben, was es wahrscheinlich für Geübte auch ist, aber bei ihm halt erst seit gestern. Ausgerechnet.

Insgesamt scheint mir der ganze Text verunglückt. Die Grundidee ist nämlich eigentlich ja ganz nett: dieses in die Menschen reinsehen wie in offene Fenster. Etwas von ihnen erspüren, sich in sie einfühlen, sie auf einer Ebene verstehen, wie sie sich selbst vielleicht nicht verstehen, das könnte ja ein großes Geschenk, eine gute Gabe sein, eine Möglichkeit auch jemandem zu helfen.
Und grundsätzlich ist auch die Sprache schön, üppig in den Farben und Emotionen (wenngleich in den Figuren etwas holzig, als sei die Farbigkeit an ihnen nur ein dünner Lack auf Holz; Theo z.B. ist samt Karton, entrücktem Lächeln und Trauma ein bisschen arges Klischee); mitunter vielleicht zu viel des Guten: Bei "wie ein Tier, das sich sanft um seinen Nacken legte", ist wahrscheinlich irgendwas nettes, flauschiges gemeint, aber mir fällt nur das kalte Geschupp einer sicherlich schönen, aber letztlich doch eher unkuscheligen Riesenschlange ein.

Keine Punkte.
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holg
Geschlecht:männlichExposéadler

Moderator

Beiträge: 2395
Wohnort: knapp rechts von links
Bronzenes Licht Der bronzene Roboter


Beitrag21.05.2021 19:43

von holg
Antworten mit Zitat

Was für ein Beginn!

Der Titel ist ein Traum, die ersten vier Sätze sind wunderbar. Ein wirklich toller Einstieg in den Text.

Dann entfaltet sich eine Geschichte, und noch bevor ich heraus bekomme, wo es hin geht, wird im zweiten Abschnitt erstmal der Zaubertrick erklärt. Inklusive Unfallgeschichte und Psychologin und so weiter. Das ist wirklich schade, denn das ist so ein bisschen viel und damit es auch wirklich jeder versteht, ohne groß überlegen zu müssen, was denn diese Farbauren und Bilder für ein Ding sind.
Dabei funktioniert das auch am Anfang des Textes ganz gut und ich muss nicht wissen, wie es genau durch welchen Zusammenstoß dazu kam. Jedenfalls ist danach die Spannung raus und auch der Kniff, dass diese Auren und Bilder quasi das Fenster in die Seelen der Menschen sind, ist so toterklärt nur halb so cool.

Deshalb hat es leider nicht für Punkte gereicht, auch wenn das Ende wieder wirklich zauberhaft ist (also, vor dem allerletzten Abschnitt, der einfach nur weg kann).


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Why so testerical?
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marinaheartsnyc
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 31
Beiträge: 137



Beitrag25.05.2021 17:18

von marinaheartsnyc
pdf-Datei Antworten mit Zitat

hobbes hat Folgendes geschrieben:
Öch nö. Verzeihung, aber ach. Das fing doch ganz gut an. Gut, dann kam die Therapeutin und ich dachte: Rolling Eyes ja, ja, sicherheitshalber die offene Fenster Sache auch noch für den letzten erklären, damit es auch wirklich jeder verstanden hat.
Nun denn, das hätte ich dem Text verziehen, vielleicht hast du ja einmal zu oft die Erfahrung gemacht, das Wettbewerbsthema eingebunden zu haben und keiner hat es gefunden.

Aber dann. Dann plötzlich kitschige Rührseligkeit mit Happy End und Pastellfarben (jaja, himbeerpink und golden und hellgrün, das sind natürlich keine Pastellfarben. Trotzdem)

Ich fürchte, das verzeihe ich dem Text dann nicht.


Hi hobbes,

vielen Dank für dein Feedback! Macht nichts, dass dir mein Text nicht so gefallen hat, mir war klar, dass das nicht für jede*n was ist Laughing Dass ich die offene Fenster Erklärung zu sehr mit dem Holzhammer eingebunden habe, finde ich jetzt im Nachhinein auch - aber die Rührseligkeit am Ende wäre geblieben, sorry Laughing

Liebe Grüße
Marina


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Yesterday I was clever, so I wanted to change the world. Today I am wise, so I am changing myself.

- Rumi
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