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hobbes
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Beitrag02.04.2021 10:52

von hobbes
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Gott behüte dich

Auf dem Friedhof sind die Toten nicht. Das weiß sie, sie ist schon auf vielerlei Friedhöfen gewesen. Solchen, auf denen ihre eigenen Toten begraben liegen, aber auch auf anderen, in fremden Dörfern und Städten. Noch nie hat sie auf einem dieser Friedhöfe einen Toten gesehen, ganz egal, zu welcher Tages- oder Nachtzeit sie dort gewesen ist.
An ihrer mangelnden Ausdauer liegt es nicht. Stundenlang kann sie in Friedhöfen herumsitzen. Immer gibt es irgendwo eine Bank, vielleicht sogar ein Eichhörnchen, mindestens aber einen Vogel. Und die Lebenden, die gibt es natürlich auch. Sie graben in der Erde, gießen Blumen, zünden Kerzen an, halten inne und gedenken ihrer Toten.
Hier sind sie nicht!, will sie ihnen zurufen. Hier sind sie am allerwenigsten!

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d.frank
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D
Beitrag02.04.2021 16:18

von d.frank
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Das ist kein Trash!
ich denke, du bist da an was Großem dran. Das wird schwer, eine Menge Arbeit und Akrobatik, aber das lohnt sich.


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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hobbes
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Beitrag02.04.2021 20:32

von hobbes
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Was ist schon Trash? Ich weiß das nicht. Weiß nur, dass ich keine Lust darauf habe, Sätze auseinander klauben zu lassen (obwohl - sitzt man tatsächlich in Friedhöfen herum? Oder eher auf?). Und Feedback - nun ja. Ich habe noch nicht die geringste Ahnung, wo das hier hinführt, ob es überhaupt irgendwo hinführt, es fing ja sowieso alles ganz anders an. Aber dann gab es diesen Faden hier schon, er fühlt(e) sich gut an, also bin ich ihm treu geblieben.

Was Großes, meinst du. Nun, mir soll es recht sein smile Aber warum wird es schwer werden?
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hobbes
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Beitrag05.04.2021 17:12

von hobbes
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Geisterhaus

Die Toten haben sie zu diesem Haus geführt. Vor dieses Haus. Vor der Tür sind sie stehen geblieben, haben ihr mit einem Nicken zu verstehen gegeben, dass ihre Aufgabe hiermit erledigt ist. Ab sofort ist sie auf sich allein gestellt. Die Toten gehen nicht in Geisterhäuser.

„Tote und Geister – das ist nicht dasselbe“, hat sie zu ihrer Therapeutin gesagt. „Die Leute irren, wenn sie glauben, es wäre das gleiche.“
„Ah ja.“

Das Haus ist verlassen, wie fast alle Geisterhäuser verlassen sind. Niemand wohnt mehr darin, es wurde aufgegeben, sich selbst überlassen, geht langsam verloren und verfällt. Niemand will es haben, niemand will mehr darin wohnen. Oder über seine ehemaligen Bewohner sprechen.
Irgendwann wird der erste Ziegel herunterfallen, die Dachrinne wird anfangen zu lecken, ein Fenster kaputt gehen.
Doch noch ist es nicht so weit. Noch ist es nur verlassen und verstaubt. Auf den Fensterscheiben hat sich der Dreck der letzten Jahre gesammelt, halbblind ist das Glas und trotzdem kann sie noch hindurchschauen. Auf der Fensterbank steht ein Plastikblumenstrauß, dessen Farben sich allenfalls noch erahnen lassen.
Ein Mann kommt die Straße entlang, er sieht von ihr zum Haus, dann wieder zurück zu ihr. Als er an ihr vorübergeht, weicht er ihrem Blick aus.
Geister, denkt sie.

„Was ist denn nun der Unterschied?“, hat ihre Therapeutin gefragt. „Zwischen Geistern und Toten?“
Sie hat versucht, es zu erklären, in Worte zu fassen. Und ist daran gescheitert.
„Es ist mehr so ein Gefühl“, hat sie schließlich gesagt und die Therapeutin hat sie angesehen, mit diesem speziellen Blick, bei dem sie sich jedesmal fragt, ob sie noch nach Hause gehen wird oder ob es jetzt passieren wird. Dass sie eingewiesen wird. Stationäre Aufnahme, nur zu ihrem Besten natürlich.

Jetzt, wo sie den Plastikblumenstrauß betrachtet, weiß sie endlich eine Antwort. Die Toten, könnte sie sagen, die können sich frei bewegen. Können gehen, wohin sie wollen. Geister hingegen – die sind unfrei. Für immer und ewig an etwas gebunden, das ihnen keine Ruhe lässt.

Zum Beispiel an dieses Haus.

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V.K.B.
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Beitrag05.04.2021 17:41

von V.K.B.
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Daumen hoch
Mehr fällt mir jetzt wirklich gerade nicht ein. Auch ich habe den Eindruck, keine Ahnung, wo das hingehen wird, und ob es überhaupt irgendwo hingeht. Aber es liest sich einfach ganz wunderbar. Mehr davon bitte.
Wenn du mal einen Sammelband der Tretbootliteratur rausbringst, kommt der in meinen Bücherschrank, gleich neben Murakamis "Blinde Weide, schlafende Frau".


_________________
Hang the cosmic muse!

Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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psi
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Beitrag05.04.2021 21:29

von psi
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Oh, es geht weiter! :))

hobbes hat Folgendes geschrieben:
Die Toten, könnte sie sagen, die können sich frei bewegen. Können gehen, wohin sie wollen. Geister hingegen – die sind unfrei. Für immer und ewig an etwas gebunden, das ihnen keine Ruhe lässt.

Da hab ich mich spontan gefragt: Ist sie an die Toten gebunden, die ihr keine Ruhe lassen?

Finde ich schön, mich mit diesen Schnipseln einfach so mittreiben zu lassen, ohne zu wissen, wo es hingeht und ohne das Verlangen danach oder überhaupt einer Destination :)
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hobbes
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Beitrag05.04.2021 21:47

von hobbes
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V.K.B. hat Folgendes geschrieben:
Daumen hoch
Mehr fällt mir jetzt wirklich gerade nicht ein. Auch ich habe den Eindruck, keine Ahnung, wo das hingehen wird, und ob es überhaupt irgendwo hingeht. Aber es liest sich einfach ganz wunderbar. Mehr davon bitte.
Wenn du mal einen Sammelband der Tretbootliteratur rausbringst, kommt der in meinen Bücherschrank, gleich neben Murakamis "Blinde Weide, schlafende Frau".

Danke, das freut mich, auch der prominente Nachbar im Regal. Ich werde dich dann bei Gelegenheit daran erinnern smile

psi hat Folgendes geschrieben:
hobbes hat Folgendes geschrieben:
Die Toten, könnte sie sagen, die können sich frei bewegen. Können gehen, wohin sie wollen. Geister hingegen – die sind unfrei. Für immer und ewig an etwas gebunden, das ihnen keine Ruhe lässt.

Da hab ich mich spontan gefragt: Ist sie an die Toten gebunden, die ihr keine Ruhe lassen?

Du meinst, sie ist selbst ein Geist? Tja, wer weiß. Ich noch nicht smile
Dafür hatte ich kurz die Hoffnung, nun endlich ein Zuhause für das Haus mit dem Plastikblumenstrauß gefunden zu haben. Das gibt (oder gab?) es nämlich wirklich und seit ich davor stand, will ich seine Geschichte schreiben. Die ersten Anläufe gingen ins Leere und vielleicht ist das hier auch nur ein kurzes Intermezzo, mal sehen. Ich lasse mich einfach weitertreiben und freu mich, dass du mit im Boot bist smile
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psi
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Beitrag06.04.2021 00:55

von psi
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hobbes hat Folgendes geschrieben:

Ich lasse mich einfach weitertreiben und freu mich, dass du mit im Boot bist
Mit Vergnügen! :)

hobbes hat Folgendes geschrieben:
Du meinst, sie ist selbst ein Geist? Tja, wer weiß. Ich noch nicht
Och, das war ein Gedanke, der im vorbeidümpeln an die Oberfläche gestiegen ist :)

Mir hat das Haus mit dem Plastikblumenstrauß so gut gefallen, vor dem sie steht. Und dann musste ich an "Geister der Vergangenheit" denken, denen wir immer vorwerfen, dass sie uns nicht in Ruhe ließen – aber sind nicht eigentlich wir von diesen Geistern besessen (besitzen diese Geister?) und suchen sie immer und immer wieder heim und macht uns das dann zu Geistern aus der Zukunft?
Und sie wirkt wie eine Person, die gern ruhelos Heime sucht, da hat deine Beschreibung eine interessante Parallele für mich aufgetan, ohne dass ich daraus ihr wörtliches Geistsein ableiten müsste.

hobbes hat Folgendes geschrieben:
Für immer und ewig an etwas gebunden, das ihnen keine Ruhe lässt.
Lassen sich Geister und Begeisterte(s) gegenseitig nicht in Ruhe? Wer bestimmt dann überhaupt, wer der Geist ist? Sind alle Geister außer den Toten?
Dann dachte ich mir, wenn die Toten ein Ziel zu haben scheinen, haben Geister vielleicht nur einen Startpunkt, zu dem sie immer wieder zurückkehren, und dann, dass es spät ist und mein Geist im Schokoladenhasenhigh und dass von diesen Gedankenstrudeln entweder nichts Sinn ergibt oder sie so banal sind, dass es von vornherein überflüssig ist, sie überhaupt auszuformulieren, dann dachte ich "egal, eine Bereicherung für das Internet" und habe auf Absenden gedrückt.
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hobbes
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Beitrag06.04.2021 09:58

von hobbes
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*googelt "Geister der Vergangenheit"*

Geister aus der Zukunft, das ist ja auch ein schöner Ausdruck. Vielleicht ein Henne/Ei-Problem? Was war zuerst da, die Geister oder wir, die wir an ihnen festhalten? Kann es überhaupt Geister geben ohne Begeisterte?
Begeisterte - das finde ich auch sehr schön.

*schiebt noch ein paar Osterhasen rüber*
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anderswolf
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Beitrag07.04.2021 15:28

von anderswolf
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Cosmo verließ das Zimmer und schloss energisch die Tür hinter sich. Traurig, zornig und von Empörung erfüllt, ging er nach oben und legte sich zu Bett.
Er dachte über seinen Phantasiebrief an Con nach.
Ich würde ihn gerne abschicken, dachte er, aber das geht nicht. Es gibt keine Möglichkeit, mit Con in Verbindung zu treten. Oder mit Mark und Ma. Sie sind für mich nicht erreichbar, aber warum? Ich kann einen Brief an Vater schreiben, ihn in einen Umschlag stecken, eine Marke draufkleben, ihn in den Holzkasten auf dem Tisch in der Halle legen, und irgendwie findet er aus diesem Kasten den Weg nach Australien, obwohl es vierzehntausend Kilometer weit weg ist. Was beweist mir denn, dass er aus dem Kasten nach Australien geht? Nichts. Und doch tut er es. Warum gibt es nicht einen Weg, mit Con, Mark und Ma Kontakt aufzunehmen? Das ist doch auch nicht unwahrscheinlicher. Laserstrahlen oder Raumfahrer, die man auf den Mars schickt, interessieren mich nicht die Bohne - warum können sich die Wissenschaftler nicht mehr darum bemühen, Kontakt mit Leuten aufzunehmen, die nicht mehr da sind?

Joan Aiken: Schattengäste (1980)
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hobbes
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Beitrag08.04.2021 10:21

von hobbes
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Oh, noch mehr Geister aus der Vergangenheit! Ich fürchte, ich habe noch nichts von Joan Aiken gelesen. Sollte ich das nachholen?
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hobbes
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Beitrag08.04.2021 20:17

von hobbes
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Bestandsaufname, Geister

Zwischen den Seiten alter Bücher, beispielsweise
in der Widmung,
[Liebe Amelie, zu Deiner Firmung wünsche ich Dir alles Gute und Gottes Segen. Herzlich, deine Patentante Gisela]
im verschmierten Abdruck eines Daumens,
[Schokolade?]
im vergilbten Kassenzettel,
[Engel-Apotheke Oberschildach, Compeed Blasenpflaster, 5er-Packung, € 7,49]
in den Anmerkungen, die mit Bleistift an den Rand gekritzelt wurden,
[Dummes Zeug!!! Wer soll das glauben?]
oder auch in der Postkarte von der Amalfiküste
[Lieber Horst-Günther, zu schade, dass Du nicht mitkommen konntest, der Rotwein ist großartig! Grüß die Familie, alles Liebe, Rainer und Hilde].

Eine Zeitlang hat sie in einem Antiquariat gearbeitet. Aber sie war langsam, zu langsam. Hat sich in Büchern verloren, in gelesenen und ungelesenen Seiten.
Schließlich wurde sie von ihrem Chef mit einem „So geht das nicht, für was bezahle ich Sie?“ wieder vor die Tür gesetzt. Statt ihrer stellte er einen jungen Anglistik-Studenten ein (Nebenfach BWL), der die staubigen Bücher in Windeseile auf Marktchancen prüfte. Verkäuflich oder Müll – ein Dazwischen gab es nicht.
Alles, was ihm aus den Büchern entgegenfiel, sortierte er ebenfalls in den Müll. Einzig den Zehn-Euro-Schein aus einem der vielen Die Säulen der Erde behielt er.

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Klemens_Fitte
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Beitrag10.04.2021 12:22

von Klemens_Fitte
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Ich lese hier immer wieder, immer noch und immer noch gerner (wtf?!) mit, freue mich über das Überraschungsmoment, das mit jeder dieser Vignetten einhergeht, wie so etwas, das man zufällig findet und zum ersten Mal wahrnimmt, und dann denkt man sich: ein Glück hab ich das gefunden, denn selber hätt ich's nicht sagen können.

Das (dieses Überraschende, das für mich immer der Hauptantrieb beim Lesen ist) hat auch viel mit diesen Prozessen zu tun, in denen sich aus all dem Fragmentarischen dann doch wieder ein Ganzes zusammensetzt, wenn auch nur kurz, und dann kann man einzelne Fäden verknüpfen oder sie wieder voneinander lösen, anderweitig verbinden, wie ein Spiel, in das ich mich als Leser voll und ganz eingebunden fühle – ich schreib das auch deshalb, weil ich beim ersten Lesen von "Geisterhaus" so ein Oh-oh-Gefühl hatte, diese kurze Befürchtung (die natürlich sehr meinen eigenen Vorlieben und Reserviertheiten geschuldet ist), da könnte jetzt direkt ein Plot um die Ecke kommen, und dann würde mir der rote Handlungsfaden gereicht, dem ich "nur noch" zu folgen brauche. Ich schrub das "damals" nicht, weil ich's immer schwierig (und meist unnötig) finde, in Entstehungsprozesse einzugreifen, aber weil du genau das an anderer Stelle thematisiert hattest, scheint's mir okay zu sagen schreiben: ja, ich versteh das, auch die Bedenken darüber, was man gewinnt und eventuell verliert, wenn man sich für eine Geschichte entscheidet. – An der Stelle würd ich aber sagen schreiben: Mach einfach mal.

Und eigentlich bin ich eh nur hergekommen, um das zu sagen schreiben.

Ach so, und der aktuelle Teil ist einfach schön. Also so hach schön.


_________________
100% Fitte

»Es ist illusionär, Schreiben als etwas anderes zu sehen als den Versuch zur extremen Individualisierung.« (Karl Heinz Bohrer)
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hobbes
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Beitrag10.04.2021 17:11

von hobbes
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Dann muss ich es jetzt auch sagen: Hach! smile

Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
(...) diese kurze Befürchtung (die natürlich sehr meinen eigenen Vorlieben und Reserviertheiten geschuldet ist), da könnte jetzt direkt ein Plot um die Ecke kommen, und dann würde mir der rote Handlungsfaden gereicht, dem ich "nur noch" zu folgen brauche.

Ich frage mich gerade, warum ich so oft denke, das wäre das Erstrebenswerte. Also eine Geschichte mit rotem Faden, da ist der Anfang, da das Ende, zack, runterschreiben, fertig. Irgendwie wird es ja doch meist fragmentarisch bei mir.
Aber na ja, warum eigentlich nicht. Warum sollte ich "von A nach B" anstreben, wenn "A, X, M, S, B" so viel leichter den Weg zu mir findet.
Du bist jetzt vermutlich der Falsche, um diese Frage zu beantworten, aber ich glaube, ich rede gerade sowieso mehr mit mir selbst smile
Vielleicht ist das wie mit allem, sich einfach drauf einlassen und dann mal schauen, was passiert.
Ich hatte an dem Geisterhaus ja ein bisschen weitergeschrieben und dachte beim Schreiben so Zeug wie du oben beschreibst, beispielsweise: "was muss jetzt als nächstes passieren?"
Und irgendwie war mir das völlig zuwider, es war auf einmal alles viel zu konkret.
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Gast







Beitrag10.04.2021 22:27

von Gast
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Hallo hobbes ,

hobbes hat Folgendes geschrieben:
Ich frage mich gerade, warum ich so oft denke, das wäre das Erstrebenswerte. Also eine Geschichte mit rotem Faden, da ist der Anfang, da das Ende, zack, runterschreiben, fertig..

Ob der rote Faden nun erstrebenswert ist oder nicht sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall ist eine Geschichte mit rotem Faden m.E. nicht so einfach: zack, runterschreiben , fertig.

hobbes hat Folgendes geschrieben:

Ich hatte an dem Geisterhaus ja ein bisschen weitergeschrieben und dachte beim Schreiben so Zeug wie du oben beschreibst, beispielsweise: "was muss jetzt als nächstes passieren?"

Ob sich aus dem Fragmentarischen ohne roten Faden dann doch wieder ein großes Ganzes zusammensetzt, wie Klemens meint?  Vielleicht. Ich für meinen Teil tue mich schwer ohne den Gedanken an so Zeug wie ‚was muss als jetzt nächstes passieren.

Mir wird das Geisterhaus  zu fragmentarisch. Ich vermisse ihn irgendwie, den roten Faden.

LG
DLurie
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Patrick Schuler
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Beitrag11.04.2021 15:27

von Patrick Schuler
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also ... gerade das fragmetarische, macht die texte ja so spannend!
wer immer nur von a nach b reist, ist eben auch nicht besonders weit gekommen.


_________________
in unserer welt
gehen wir hin über höllen
und sehen die blumen

"Issa"
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psi
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Beitrag11.04.2021 15:46

von psi
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hobbes hat Folgendes geschrieben:
Ich hatte an dem Geisterhaus ja ein bisschen weitergeschrieben und dachte beim Schreiben so Zeug wie du oben beschreibst, beispielsweise: "was muss jetzt als nächstes passieren?"
Und irgendwie war mir das völlig zuwider, es war auf einmal alles viel zu konkret.

Ha, das kenn ich. Und dann gibts immer Ärger: da passiert ja gar nix, das ist gar keine richtige Geschichte wo ist die Moral?Dann habe ich immer das Gefühl, ich müsste jetzt etwas "sagen" anstatt nur zu beschreiben und zu beobachten. Andererseits habe ich sowieso immer die Neigung, Dinge nie "zu Ende" zu denken.

Ach ja, und die Antiquariat-Episode gefällt mir auch :)
Sehr schön, von den Büchern als Objekten zu lesen, die über die Spuren ihrer Interaktionen mit Menschen faszinieren, nicht über ihren Inhalt. Mehr!
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hobbes
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Beitrag11.04.2021 19:15

von hobbes
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Zitat:
Auf jeden Fall ist eine Geschichte mit rotem Faden m.E. nicht so einfach: zack, runterschreiben , fertig.

Da hast du natürlich völlig recht, das war ein bisschen arg lapidar ausgedrückt.
Eventuell liegt aber darin der Schlüssel für mich, also der Grund, warum ich manchmal denke, der rote Faden wäre erstrebenswert. Weil, dann hast du immerhin einen Plan, an dem du dich entlanghangeln kannst. Im Gegensatz zu mir, die inmitten einer Geschichte immer noch nicht weiß, wo sie hinführen wird. Ob sie überhaupt irgendwo hinführen wird.
Was dann aber auch wieder Quatsch ist, also in meinem ganz persönlichen Fall, denn mit einem Plan hätte ich gar keine Lust mehr, die Geschichte aufzuschreiben, weil, dann wüsste ich ja schon, was passiert.

*

In jedem Fall wollte ich gar nicht sagen, dass das eine gut und das andere schlecht ist. Für jeden passt etwas anderes, für Schreibende genauso wie für Lesende.
Es war wirklich eher eine ganz persönliche Frage: Warum denke ich, dass ich das eine tun sollte, obwohl mir doch das andere viel zugänglicher ist?

Frage mich gerade, wie es mit mir als Lesender eigentlich ist. Roter Faden, ja oder nein? Kann ich gar nicht beantworten, so spontan. Leerstellen mag ich in jedem Fall ganz gern. Also na ja, kommt natürlich dann doch immer auf die Umsetzung an.

Patrick Schuler hat Folgendes geschrieben:

wer immer nur von a nach b reist, ist eben auch nicht besonders weit gekommen.

Oh, ich weiß nicht. Gerade inderaktuellenSituation hat sich für mich gezeigt, dass sich auf dem theoretisch altbekannten Weg von a nach b erstaunliche Dinge finden, die einem in all den Jahren noch nicht aufgefallen sind. Beziehungsweise, dass es erstaunlicherweise nicht nur den einen Weg von a nach b gibt, sondern noch x andere.
Aber na ja, keine Ahnung, ob das jetzt noch besonders viel mit Texten zu tun hat smile

psi hat Folgendes geschrieben:
Dann habe ich immer das Gefühl, ich müsste jetzt etwas "sagen" anstatt nur zu beschreiben und zu beobachten.

Da fällt mir das Kapitel Indirect Narration, or what tells aus Steering the Craft von Ursula K. Le Guin ein. Beziehungsweise diese Übung daraus:
Ursula K. Le Guin hat Folgendes geschrieben:
Describe a character by describing any place inhabited or frequented by that character - a room, house, garden, office, studio, bed, whatever. (The character isn't present at the time.)
(...)
You aren't to say anything directly about the person or the event, which ist in fact the subject of the piece. This ist the stage without the actors on it; this ist the camera panning before the actions starts.

Die Übung hat mir mal zu einem prima Romananfang verholfen smile
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psi
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Beitrag12.04.2021 17:04

von psi
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hobbes hat Folgendes geschrieben:
Die Übung hat mir mal zu einem prima Romananfang verholfen

Klingt nach einer coolen Übung :)
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hobbes
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Beitrag12.04.2021 17:17

von hobbes
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psi hat Folgendes geschrieben:
Klingt nach einer coolen Übung smile

Vielleicht kam sie auch einfach nur zum richtigen Zeitpunkt smile
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anderswolf
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Beitrag12.04.2021 17:47

von anderswolf
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hobbes hat Folgendes geschrieben:
Oh, noch mehr Geister aus der Vergangenheit! Ich fürchte, ich habe noch nichts von Joan Aiken gelesen. Sollte ich das nachholen?


Ich habe auch nur das eine Buch von ihr gelesen. Sie schrieb wohl paranormal angehauchte Jugendliteratur und ausgewachsene Fantasy. Ob sie zum klassischen Literatur-Kanon gehört, weiß ich nicht. Aber ich dachte mir: Geister, Gespenster, Verlorene, warum nicht auch Schattengäste.

Ich bin sowas von aktuell mit meinen Anmerkungen rotwerd

Ansonsten vermisse ich keinen roten Faden in der Tretbootliteratur. Ist ja mehr eine Art Rundfahrt mit Abstechern nach überall, wenn ich das richtig verstanden habe. *hat nichts verstanden*
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Beitrag15.04.2021 09:07

von hobbes
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anderswolf hat Folgendes geschrieben:
Ich habe auch nur das eine Buch von ihr gelesen. Sie schrieb wohl paranormal angehauchte Jugendliteratur und ausgewachsene Fantasy. Ob sie zum klassischen Literatur-Kanon gehört, weiß ich nicht. Aber ich dachte mir: Geister, Gespenster, Verlorene, warum nicht auch Schattengäste.

Natürlich habe ich prompt im öffentlichen Bücherregal ein Buch von ihr gefunden (ein anderes). Da habe ich dann reingelesen, aber es hat mich dann doch nicht so weit überzeugt, dass ich es mit nach Hause genommen hätte.

anderswolf hat Folgendes geschrieben:
*hat nichts verstanden*

Aber, nein, gar nicht wahr.
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