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Deadline


 
 
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taimira
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Alter: 35
Beiträge: 5



T
Beitrag21.03.2021 18:17
Deadline
von taimira
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

„Hallo Ariane,

ich wollte dich nur kurz an die Deadline für ‚100 Tage Paris – zwischen joie de vivre und tristesse‘ erinnern. Wir brauchen das fertige Manuskript dringend bis zum 21.09. Ein weiterer Aufschub ist leider nicht möglich, da wir das Buch sonst nicht rechtzeitig fertig haben.
Wenn du Unterstützung brauchst, melde dich gerne bei mir.

Viele Grüße
Johanna“


Ariane starrte auf die Mail. Sie mochte Johanna gerne, arbeitete immer sehr gut mit ihr zusammen. Aber jetzt gerade wollte sie ihr am liebsten den Stift, den sie fest umklammerte, ins Auge rammen.
Vor ihr auf dem kleinen Tisch standen drei Tassen Kaffee mit unterschiedlichen Stärke- und Wärmegraden. Der letzte dampfte sogar noch ein bisschen, aber sie hatte erst einen einzigen Schluck getrunken. Auch dieser würde langsam kalt und ungenießbar werden, während sie hier saß und versuchte, ihre Wut im Zaum zu halten.
Sie war wütend auf alles und jeden. Auf Johanna, die ihr Druck machte. Auf den Verlag, der von Johanna verlangte, dass sie ihr Druck machte. Auf Mike, der es am Abend zuvor wieder einmal bevorzugt hatte, mit seinen Freunden trinken zu gehen, anstatt mit ihr etwas zu unternehmen. Auf Tina, ihre beste Freundin, die ihre Probleme nicht ernst nahm, sondern immer nur vom Hunger in Afrika redete, wenn sie davon anfing. Sie war auch wütend auf das Café, das anscheinend den Kaffee verändert hatte, sodass dieser nicht mehr schmeckte. Und auch noch viel zu schnell kalt wurde.
Vor allem aber, musste sie sich eingestehen, war sie wütend auf sich selbst. Wütend, dass sie sich auf das Projekt überhaupt eingelassen hatte. Dass sie der viel zu kurzen Deadline zugestimmt hatte. „Nächstes Jahr finden viele große Events in Paris statt. Da muss das Buch fertig sein. Wir planen eine große Marketingkampagne.“ So hatte der Verlag sie geködert. Wer kann schon widerstehen, wenn die Rede von riesigen Pappaufstellern, einer Lesetour und vielleicht sogar Fernsehinterviews war? Sie jedenfalls nicht. Dafür war sie zu eitel und sehnte sich zu sehr danach, endlich den großen Durchbruch zu schaffen. Auch wenn sie das so natürlich niemandem sagen würde.
Also saß sie nun hier und versuchte, ihre 100 Tage in Paris in eine lebendige, lustige, aber auch tiefgründige Geschichte zu verpacken. Und der 21. September rückte immer näher …

Ein kurzer Blick auf die Uhr – 18:15 Uhr war es mittlerweile. In 15 Minuten würde das Café schließen und sie musste sich wieder einen neuen Ort suchen, um vielleicht doch noch ein paar Sätze, Absätze oder – mit viel Glück – sogar ein ganzes Kapitel zu schaffen.
Zu Hause hatte sie es längst aufgegeben. Dort gab es einfach zu viele Ablenkungen. Vor allem zu viel Netflix. Und vor ein paar Wochen hatte sie sogar ihre kleine Trittleiter aus der Abstellkammer geholt und endlich mal alle Fenster blitzblank geputzt. Was man nicht alles so macht, wenn man die eigentliche Arbeit vor sich herschieben will. Procrastination, thy name is Ariane.

Danach hatte sie eingesehen, dass sie woanders ihr Glück versuchen musste. Die ersten Versuche waren kein großer Erfolg. Die Parkbank war eine absolute Katastrophe. Der Wind wehte beinahe alle Notizen weg. Gerade so konnte sie noch die Zettel festhalten und sicher wegpacken. Die Bibliothek sollte als ruhiger Ort ohne große Ablenkung eigentlich perfekt sein. Aber man kann sich kaum vorstellen, wie laut auf einmal ein Husten, Räuspern, Flüstern oder Blättern im Buch sein kann, wenn es sonst keinen Lärm gibt. Und dann erst dieses furchtbar laute Atmen von dem Mann, der immer wieder am Nebentisch saß.
Also war sie jetzt im Café. Jeden Tag von 10:00 bis 18:30 Uhr. Zuerst hatte das auch gut geklappt und sie war schon einige Kapitel weitergekommen. Aber dann schmeckte plötzlich der verdammte Kaffee nicht mehr und es wurde viel interessanter, anderen Leuten bei ihren Gesprächen zuzuhören. Die Dramen, die sich täglich in den Leben der anderen abspielten, würden genug Material für zehn Romane bieten. Nur leider hatte nichts davon mit ihrer Zeit in Paris zu tun.

18:25 Uhr. Sie trank doch noch ihren Kaffee, auch wenn er bitter schmeckte und mittlerweile komplett kalt war. Dann ging sie. Raus aus dem Café, durch eine Seitenstraße und noch eine. Immer weiter, bis sie am Rheinufer angekommen war. Sie blickte aufs Wasser, als würde sie dort Inspiration finden. Als würde sich plötzlich die Seine im dreckigen Wasser widerspiegeln und ihr die Lösung zeigen. Oder zumindest den nächsten Satz. Aber nichts kam. Sie zog ihre Brille aus, lehnte sich auf der Bank zurück und schloss die Augen.
Bilder schossen ihr durch den Kopf: Johanna, die den Vorschuss für das Buch zurückverlangen musste. Mike, der sie trösten wollte und doch nur leere Worthülsen fand. Eine fremde Autorin, die in einer Talkshow begeistert erzählte, dass sie das Buch in nur vier Wochen geschrieben hatte. „Paris war einfach so beeindruckend und inspirierend. Ich könnte noch drei weitere Bücher darüber schreiben. Aber erstmal geht es jetzt nach New York. ‚The Big Apple – Too Big to Chew?‘ ist das Thema. Ich bin schon so gespannt darauf, was ich dort erleben werde.“

Langsam lief ihr eine Träne über die Wange, dann eine zweite. Zwei Stunden lang saß sie auf der Bank und ließ den Tränen freien Lauf. Passanten schauten sie immer wieder an. Manche schienen irritiert, andere lachten einfach. Einige wirkten ehrlich besorgt und schienen sie ansprechen zu wollen, um sicherzugehen, dass es ihr gut ginge. Aber sie blickte resolut weg und ignorierte alle.
Schließlich stand sie auf und machte sich auf den Weg nach Hause. Trotz der warmen Sommertemperaturen fror sie mittlerweile. So wie an dem Tag, als ich die Bootstour auf der Seine gemacht habe, dachte sie. Aber damals war sie glücklich gewesen. Ein Tag, der eindeutig joie de vivre zuzuordnen war. Aber gut, das wusste ja niemand. Vor allem nicht Johanna.
Vielleicht sollte sie einfach eine Neuinterpretation wagen. 100 Tage Paris – aber mit den Gefühlen aus Köln, mit dem dreckigen Wasser des Rheins, mit den markanten Türmen des Doms, mit Mike, mit Tina, mit schlechtem Kaffee …

Zu Hause angekommen, machte sie sich an die Arbeit. Ihr Handy schmiss sie in die hinterste Ecke des Raums, den Fernseher trennte sie vom Strom. Die Musik über den Kopfhörer war so laut, dass sie selbst Mike nicht hörte, als er spätabends nach Hause kam. Sie schrieb und schrieb. Um 6 Uhr morgens war der erste Entwurf fertig.
Also doch die Pappaufsteller, die Lesetour, die Interviews. Der Erfolg hoffentlich. Die Wahrheit konnte sie immer noch schreiben, wenn es nach New York ging …

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Schreibkopf
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 230



Beitrag21.03.2021 19:01
Re: Deadline
von Schreibkopf
Antworten mit Zitat

Mir gefällt deine Geschichte, taimira. Ich bin selbst noch Anfänger, was das Schreiben angeht. Aber lesen kann ich wink Ich finde, du kannst gut schreiben, aber auch Dinge und Zuständer sehr anschaulich beschreiben.

Ich bin nur über ein paar Kleinigkeiten gestolpert. Nix großes ...:

taimira hat Folgendes geschrieben:
„Hallo Ariane,

ich wollte dich nur kurz an die Deadline für ‚100 Tage Paris – zwischen joie de vivre und tristesse‘ erinnern. Wir brauchen das fertige Manuskript dringend bis zum 21.09. Ein weiterer Aufschub ist leider nicht möglich, da wir das Buch sonst nicht rechtzeitig fertig haben.
Wenn du Unterstützung brauchst, melde dich gerne bei mir.

Viele Grüße
Johanna“


Ariane starrte auf die Mail. Sie mochte Johanna gerne, arbeitete immer sehr gut mit ihr zusammen. Aber jetzt gerade wollte sie ihr am liebsten den Stift, den sie fest umklammerte, ins Auge rammen.
Vor ihr auf dem kleinen Tisch standen drei Tassen Kaffee mit unterschiedlichen Stärke- und Wärmegraden. Der letzte dampfte sogar noch ein bisschen, aber sie hatte erst einen einzigen Schluck getrunken. Auch dieser würde langsam kalt und ungenießbar werden, während sie hier saß und versuchte, ihre Wut im Zaum zu halten.
"dieser" bezieht sich mehr auf den Schluck als auf die Tasse
Sie war wütend auf alles und jeden. Auf Johanna, die ihr Druck machte. Auf den Verlag, der von Johanna verlangte, dass sie ihr Druck machte. Auf Mike, der es am Abend zuvor wieder einmal bevorzugt (vorgezogen) hatte, mit seinen Freunden trinken zu gehen, anstatt mit ihr etwas zu unternehmen. Auf Tina, ihre beste Freundin, die ihre Probleme nicht ernst nahm, sondern immer nur vom Hunger in Afrika redete, wenn sie davon anfing. Sie war auch wütend auf das Café, das anscheinend den Kaffee verändert hatte, sodass dieser nicht mehr schmeckte. Und auch noch viel zu schnell kalt wurde.
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Vor allem aber, musste sie sich eingestehen, war sie wütend auf sich selbst. Wütend, dass sie sich auf das Projekt überhaupt eingelassen hatte. Dass sie der viel zu kurzen Deadline zugestimmt hatte. „Nächstes Jahr finden viele große Events in Paris statt. Da muss das Buch fertig sein. Wir planen eine große Marketingkampagne.“ So hatte der Verlag sie geködert. Wer kann schon widerstehen, wenn die Rede von riesigen Pappaufstellern, einer Lesetour und vielleicht sogar Fernsehinterviews war? Sie jedenfalls nicht. Dafür war sie zu eitel und sehnte sich zu sehr danach, endlich den großen Durchbruch zu schaffen. Auch wenn sie das so natürlich niemandem sagen würde.
Also saß sie nun hier und versuchte, ihre 100 Tage in Paris in eine lebendige, lustige, aber auch tiefgründige Geschichte zu verpacken. Und der 21. September rückte immer näher …

Wenn Sie sich ein Beispiel an dir nimmt, schafft sie das wink

Ein kurzer Blick auf die Uhr – 18:15 Uhr war es mittlerweile. In 15 Minuten würde das Café schließen und sie musste sich wieder einen neuen Ort suchen, um vielleicht doch noch ein paar Sätze, Absätze oder – mit viel Glück – sogar ein ganzes Kapitel zu schaffen.
Zahlen werden im Text (fast) immer ausgeschrieben.

Zu Hause hatte sie es längst aufgegeben. Dort gab es einfach zu viele Ablenkungen. Vor allem zu viel Netflix. Und vor ein paar Wochen hatte sie sogar ihre kleine Trittleiter aus der Abstellkammer geholt und endlich mal alle Fenster blitzblank geputzt. Was man nicht alles so macht, wenn man die eigentliche Arbeit vor sich herschieben will. Procrastination, thy name is Ariane.

Danach hatte sie eingesehen, dass sie woanders ihr Glück versuchen musste. Die ersten Versuche waren kein großer Erfolg. Die Parkbank war eine absolute Katastrophe. Der Wind wehte beinahe alle Notizen weg. Gerade so konnte sie noch die Zettel festhalten und sicher wegpacken. Die Bibliothek sollte als ruhiger Ort ohne große Ablenkung eigentlich perfekt sein. Aber man kann sich kaum vorstellen, wie laut auf einmal ein Husten, Räuspern, Flüstern oder Blättern im Buch sein kann, wenn es sonst keinen Lärm gibt. Und dann erst dieses furchtbar laute Atmen von dem Mann, der immer wieder am Nebentisch saß.
Also war sie jetzt im Café. Jeden Tag von 10:00 bis 18:30 Uhr. Zuerst hatte das auch gut geklappt und sie war schon einige Kapitel weitergekommen. Aber dann schmeckte plötzlich der verdammte Kaffee nicht mehr und es wurde viel interessanter, anderen Leuten bei ihren Gesprächen zuzuhören. Die Dramen, die sich täglich in den Leben der anderen abspielten, würden genug Material für zehn Romane bieten. Nur leider hatte nichts davon mit ihrer Zeit in Paris zu tun.

18:25 Uhr. Sie trank doch noch ihren Kaffee, auch wenn er bitter schmeckte und mittlerweile komplett kalt war. Dann ging sie. Raus aus dem Café, durch eine Seitenstraße und noch eine. Immer weiter, bis sie am Rheinufer angekommen war. Sie blickte aufs Wasser, als würde sie dort Inspiration finden. Als würde sich plötzlich die Seine im dreckigen Wasser widerspiegeln und ihr die Lösung zeigen. Oder zumindest den nächsten Satz. Aber nichts kam. Sie zog ihre Brille aus, lehnte sich auf der Bank zurück und schloss die Augen.
Sie setzte ihre Brille ab
Bilder schossen ihr durch den Kopf: Johanna, die den Vorschuss für das Buch zurückverlangen musste. Mike, der sie trösten wollte und doch nur leere Worthülsen fand. Eine fremde Autorin, die in einer Talkshow begeistert erzählte, dass sie das Buch in nur vier Wochen geschrieben hatte. „Paris war einfach so beeindruckend und inspirierend. Ich könnte noch drei weitere Bücher darüber schreiben. Aber erstmal geht es jetzt nach New York. ‚The Big Apple – Too Big to Chew?‘ ist das Thema. Ich bin schon so gespannt darauf, was ich dort erleben werde.“

Langsam lief ihr eine Träne über die Wange, dann eine zweite. Zwei Stunden lang saß sie auf der Bank und ließ den Tränen freien Lauf. Passanten schauten sie immer wieder an. Manche schienen irritiert, andere lachten einfach. Einige wirkten ehrlich besorgt und schienen sie ansprechen zu wollen, um sicherzugehen, dass es ihr gut ginge. Aber sie blickte resolut weg und ignorierte alle.
Schließlich stand sie auf und machte sich auf den Weg nach Hause. Trotz der warmen Sommertemperaturen fror sie mittlerweile. So wie an dem Tag, als ich die Bootstour auf der Seine gemacht habe, dachte sie. Aber damals war sie glücklich gewesen. Ein Tag, der eindeutig joie de vivre zuzuordnen war. Aber gut, das wusste ja niemand. Vor allem nicht Johanna.
Vielleicht sollte sie einfach eine Neuinterpretation wagen. 100 Tage Paris – aber mit den Gefühlen aus Köln, mit dem dreckigen Wasser des Rheins, mit den markanten Türmen des Doms, mit Mike, mit Tina, mit schlechtem Kaffee …

Zu Hause angekommen, machte sie sich an die Arbeit. Ihr Handy schmiss sie in die hinterste Ecke des Raums, den Fernseher trennte sie vom Strom. Die Musik über den Kopfhörer war so laut, dass sie selbst Mike nicht hörte, als er spätabends nach Hause kam. Sie schrieb und schrieb. Um 6 Uhr morgens war der erste Entwurf fertig.
Also doch die Pappaufsteller, die Lesetour, die Interviews. Der Erfolg hoffentlich. Die Wahrheit konnte sie immer noch schreiben, wenn es nach New York ging …
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taimira
Geschlecht:weiblichSchneckenpost
T

Alter: 35
Beiträge: 5



T
Beitrag21.03.2021 19:20

von taimira
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Danke für das Feedback, Schreibkopf smile Freut mich, dass dir die Geschichte gefällt. Deine Anmerkungen finde ich gut, die Stellen schaue ich mir nochmal genauer an.
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MoL
Geschlecht:weiblichQuelle


Beiträge: 1838
Wohnort: NRW
Das bronzene Stundenglas


Beitrag22.03.2021 18:21
Re: Deadline
von MoL
Antworten mit Zitat

Hallo liebe Taimira!

Du bist noch nicht lange hier, scheint es, daher erschrick bitte nicht. Ich sage Dir hier meine Meinung, und das mache ich ganz ungeschminkt und manchmal etwas arg direkt. Das ist nicht böse gemeint, spiegelt meine Meinung wieder und soll Dich weiterbringen. Daher bin ich mal ganz direkt.

Sollte ich Deine Geschichte von der Qualität her mit einem Wort beschreiben, würde ich sagen, sie ist unausgereift. Sprachlich und Inhaltlich.

1. Inhaltlich:
Damit eine Autorin für ein unvollendetes Manuskript einen erwähnenswerten Vorschuss vom Verlag erhält, muss sie sich schon einen Namen gemacht haben. Sofern sie also nicht prominent ist, bedeutet das, dass sie schon einiges an Erfolgen nachweisen kann. Das wiederum bedeutet, dass sie ein Profi ist.
Leider benimmt sie sich aber absolut nicht so, sondern wirkt im Gegenteil undiszipliniert, leicht ablenkbar, selbstmitleidig und kindisch - und das im negativen Sinne.
WENN sie also so ist, dann muss es dafür einen verdammt guten Grund geben. Und den musst Du mindestens andeuten! Sonst wirkt das Ganze nicht glaubwürdig.
Was übrigens letztendlich dazu geführt hat, dass sie doch noch schreibt, ist mir unklar geblieben. Außerdem wäre es nett gewesen, zu wissen, wie viel sie noch schreiben musste. Von wie vielen Normseiten oder Zeichen reden wir? Wenn sie das Buch über Nacht fertig geschrieben hat, kann es ehrlich gesagt nicht sonderlich viel gewesen sein, was noch fehlte. Ich z.B. schreibe wirklich schnell, würde aber in der Zeit, also in 12 Stunden... also wenn ich WIRKLICH gut drauf wäre und so... sicher nicht mehr als 36.000, evtl. 48.000 Zeichen schaffen. Das wären ca. 20-26 Normseiten und nichts, weswegen man sich da Sorgen machen müsste. Es sei denn natürlich, morgen WÄRE der Abgabetermin. Aber dann müsste man das auch wissen als Leser.
Die Mail von der Lektorin? Prorammchefin? wirkt übrigens auch recht unrealistisch. Sprachlich, vom Ausdruck her.

2. Sprachlich:
Je kürzer der Text, desto wichtiger ist jeder einzelne Satz. Mir kommt es vor, als hättest Du die Sätze einfach dahingeschrieben und gut ist. Kann man machen, wenn man es beim ersten Mal perfekt macht. Dein Text strotzt aber leider nur so vor Wiederholungen, Bandwurmsätzen und überflüssigen Doppelerklärungen. Ich wette, dass Du ihn mindestens um die Hälfte kürzen kannst, ohne dass etwas Wichtiges ungesagt bleibt!
Ich bin mal so frei und markiere alles rot, was meiner Meinung nach weg kann.


taimira hat Folgendes geschrieben:
„Hallo Ariane,

ich wollte dich nur kurz an die Deadline für ‚100 Tage Paris – zwischen joie de vivre und tristesse‘ erinnern. Wir brauchen das fertige Manuskript dringend bis zum 21.09. Ein weiterer Aufschub ist leider nicht möglich, da wir das Buch sonst nicht rechtzeitig fertig haben.
Wenn du Unterstützung brauchst, melde dich gerne bei mir.

Viele Grüße
Johanna“


Ariane starrte auf die Mail. Sie mochte Johanna gerne, arbeitete immer sehr gut mit ihr zusammen. Aber jetzt gerade wollte sie ihr am liebsten den Stift, den sie fest umklammerte, ins Auge rammen.
Vor ihr auf dem kleinen Tisch standen drei Tassen Kaffee mit unterschiedlichen Stärke- und Wärmegraden. Der letzte dampfte sogar noch ein bisschen, aber sie hatte erst einen einzigen Schluck getrunken. Auch dieser würde langsam kalt und ungenießbar werden, während sie hier saß und versuchte, ihre Wut im Zaum zu halten.
Sie war wütend auf alles und jeden. Auf Johanna, die ihr Druck machte. Auf den Verlag, der von Johanna verlangte, dass sie ihr Druck machte. Auf Mike, der es am Abend zuvor wieder einmal bevorzugt hatte, mit seinen Freunden trinken zu gehen, anstatt mit ihr etwas zu unternehmen. Auf Tina, ihre beste Freundin, die ihre Probleme nicht ernst nahm, sondern immer nur vom Hunger in Afrika redete, wenn sie davon anfing. Sie war auch wütend auf das Café, das anscheinend den Kaffee verändert hatte, sodass dieser nicht mehr schmeckte. Und auch noch viel zu schnell kalt wurde.
Vor allem aber, musste sie sich eingestehen, war sie wütend auf sich selbst. Wütend, dass sie sich auf das Projekt überhaupt eingelassen hatte. Dass sie der viel zu kurzen Deadline zugestimmt hatte. „Nächstes Jahr finden viele große Events in Paris statt. Da muss das Buch fertig sein. Wir planen eine große Marketingkampagne.“ So hatte der Verlag sie geködert. Wer kann schon widerstehen, wenn die Rede von riesigen Pappaufstellern, einer Lesetour und vielleicht sogar Fernsehinterviews war? Sie jedenfalls nicht. Dafür war sie zu eitel und sehnte sich zu sehr danach, endlich den großen Durchbruch zu schaffen. Auch wenn sie das so natürlich niemandem sagen würde.
Also saß sie nun hier und versuchte, ihre 100 Tage in Paris in eine lebendige, lustige, aber auch tiefgründige Geschichte zu verpacken. Und der 21. September rückte immer näher …

Ein kurzer Blick auf die Uhr – 18:15 Uhr war es mittlerweile. In 15 Minuten würde das Café schließen und sie musste sich wieder einen neuen Ort suchen, um vielleicht doch noch ein paar Sätze, Absätze oder – mit viel Glück – sogar ein ganzes Kapitel zu schaffen.
Zu Hause hatte sie es längst aufgegeben. Dort gab es einfach zu viele Ablenkungen. Vor allem zu viel Netflix. Und vor ein paar Wochen hatte sie sogar ihre kleine Trittleiter aus der Abstellkammer geholt und endlich mal alle Fenster blitzblank geputzt. Was man nicht alles so macht, wenn man die eigentliche Arbeit vor sich herschieben will. Procrastination, thy name is Ariane.

Danach hatte sie eingesehen, dass sie woanders ihr Glück versuchen musste. Die ersten Versuche waren kein großer Erfolg. Die Parkbank war eine absolute Katastrophe. Der Wind wehte beinahe alle Notizen weg. Gerade so konnte sie noch die Zettel festhalten und sicher wegpacken. Die Bibliothek sollte als ruhiger Ort ohne große Ablenkung eigentlich perfekt sein. Aber man kann sich kaum vorstellen, wie laut auf einmal ein Husten, Räuspern, Flüstern oder Blättern im Buch sein kann, wenn es sonst keinen Lärm gibt. Und dann erst dieses furchtbar laute Atmen von dem Mann, der immer wieder am Nebentisch saß.
Also war sie jetzt im Café. Jeden Tag von 10:00 bis 18:30 Uhr. Zuerst hatte das auch gut geklappt und sie war schon einige Kapitel weitergekommen. Aber dann schmeckte plötzlich der verdammte Kaffee nicht mehr und es wurde viel interessanter, anderen Leuten bei ihren Gesprächen zuzuhören. Die Dramen, die sich täglich in den Leben der anderen abspielten, würden genug Material für zehn Romane bieten. Nur leider hatte nichts davon mit ihrer Zeit in Paris zu tun.

18:25 Uhr. Sie trank doch noch ihren Kaffee, auch wenn er bitter schmeckte und mittlerweile komplett kalt war. Dann ging sie. Raus aus dem Café, durch eine Seitenstraße und noch eine. Immer weiter, bis sie am Rheinufer angekommen war. Sie blickte aufs Wasser, als würde sie dort Inspiration finden. Als würde sich plötzlich die Seine im dreckigen Wasser widerspiegeln und ihr die Lösung zeigen. Oder zumindest den nächsten Satz. Aber nichts kam. Sie zog ihre Brille aus, lehnte sich auf der Bank zurück und schloss die Augen.
Bilder schossen ihr durch den Kopf: Johanna, die den Vorschuss für das Buch zurückverlangen musste. Mike, der sie trösten wollte und doch nur leere Worthülsen fand. Eine fremde Autorin, die in einer Talkshow begeistert erzählte, dass sie das Buch in nur vier Wochen geschrieben hatte. „Paris war einfach so beeindruckend und inspirierend. Ich könnte noch drei weitere Bücher darüber schreiben. Aber erstmal geht es jetzt nach New York. ‚The Big Apple – Too Big to Chew?‘ ist das Thema. Ich bin schon so gespannt darauf, was ich dort erleben werde.“
Langsam lief ihr eine Träne über die Wange, dann eine zweite. Zwei Stunden lang saß sie auf der Bank und ließ den Tränen freien Lauf. Passanten schauten sie immer wieder an. Manche schienen irritiert, andere lachten einfach. Einige wirkten ehrlich besorgt und schienen sie ansprechen zu wollen, um sicherzugehen, dass es ihr gut ginge. Aber sie blickte resolut weg und ignorierte alle.
Schließlich stand sie auf und machte sich auf den Weg nach Hause. Trotz der warmen Sommertemperaturen fror sie mittlerweile. So wie an dem Tag, als ich die Bootstour auf der Seine gemacht habe, dachte sie. Aber damals war sie glücklich gewesen. Ein Tag, der eindeutig joie de vivre zuzuordnen war. Aber gut, das wusste ja niemand. Vor allem nicht Johanna.
Vielleicht sollte sie einfach eine Neuinterpretation wagen. 100 Tage Paris – aber mit den Gefühlen aus Köln, mit dem dreckigen Wasser des Rheins, mit den markanten Türmen des Doms, mit Mike, mit Tina, mit schlechtem Kaffee …

Zu Hause angekommen, machte sie sich an die Arbeit. Ihr Handy schmiss sie in die hinterste Ecke des Raums, den Fernseher trennte sie vom Strom. Die Musik über den Kopfhörer war so laut, dass sie selbst Mike nicht hörte, als er spätabends nach Hause kam. Sie schrieb und schrieb. Um 6 Uhr morgens war der erste Entwurf fertig.
Also doch die Pappaufsteller, die Lesetour, die Interviews. Der Erfolg hoffentlich. Die Wahrheit konnte sie immer noch schreiben, wenn es nach New York ging …


Ich hoffe, das bringt Dich weiter! Smile


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marinaheartsnyc
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Alter: 31
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Beitrag23.03.2021 12:54

von marinaheartsnyc
Antworten mit Zitat

Hallo Taimira,

ich muss sagen, dass mir deine Geschichte sprachlich gesehen ziemlich gut gefallen hat - hätte jetzt im Vergleich zu MoL kaum Dinge zu monieren, aber oft ist das ja auch Geschmackssache Laughing
Inhaltlich stimme ich allerdings zu, dass es mir irgendwie noch zu unausgegoren ist. Tatsächlich liest es sich für mich viel mehr wie ein Kapitel aus (dem Anfang) eine(s)/m Buch(s). Es bleibt ja relativ viel offen, viele Dinge werden angerissen, ohne dass dann klar wird, warum deine Prota so fühlt, wie sie fühlt. Generell ist das jetzt gar nicht so verkehrt, würde ich mal behaupten, da ich tatsächlich gerne wissen wollen würde, wie es weitergeht - sofern du denn einen Roman schreiben willst. Für eine Kurzgeschichte würde ich mir aber ein bisschen mehr Abrundung wünschen.
Insgesamt auf jeden Fall gerne gelesen!

Viele Grüße
Marina


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- Rumi
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Rodge
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Wohnort: Hamburg


Beitrag23.03.2021 14:52

von Rodge
Antworten mit Zitat

Mir gefällt die Geschichte, ich habe auch keine Probleme damit, der Prota zuzutrauen, dass sie eine entsprechende Vorgeschichte hat. Lediglich das Ende hat mich etwas enttäuscht. Hier wird alles, was vorher aus meiner Sicht geschickt aufgebaut wurde, mit einer einzigen Nachtschicht wieder geheilt.

Trotzdem: Aus meiner Sicht ein gelungener Einstand!
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