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Kazuyoshi
Gänsefüßchen
 Alter: 62 Beiträge: 30 Wohnort: Schwarzwald Nord
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Verfasst am: 18.02.2021 11:28 Titel: CORONA oder Die Erhebung
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Hallo erstmal und ohne große Vorrede ein kleiner Text als "Einstand".
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Erhebung
Wir schoben ihn dann erstmal ins Gästeklo. Jochen wurde einfach zu lästig.
Im Grund hatten wir gar keinen richtigen Plan wie das jetzt weitergehen sollte.
Wir: Das ist unsere neue „Dschungel Patrouille“.
Naja, eigentlich sind wir die „Nachbarschaftliche Fürsorge Oststadt n.e.V.“.
Seit unsere ganzen Klima- und Vorgartenprojekte auf Eis liegen wegen dieser weltweiten Corona-Epidemie mussten wir uns zwangsläufig neue Ziele suchen. Andererseits ist es nun auch nicht wieder so, dass Klima und Corona nichts miteinander zu tun hätten.
Ganz im Gegenteil. Beides sind globale Krisen mit vernichtenden Folgen für alles, jede und jeden.
Meine ganz unvoreingenommene Beobachtung ist, dass KlimaleugnerInnen auch fast ausnahmslos CoronaleugnerInnen sind.
Einmal auf der schiefen Bahn, immer auf der schiefen Bahn. Leider ändert aber Empörung alleine nichts an den Menschen oder an dem, was Menschen tun.
Und da kommen wir als „Dschungel Patrouille“ ins Spiel.
Wir helfen, wir unterstützen, wir achten aufeinander. Denn nichts ist wichtiger als solidarische Hilfe und Achtsamkeit. Wir tun etwas, um die Welt besser zu machen.
„Ja, ja, die sozialpädogigischen Mantras der Öko-Elite“, werdet ihr denken.
Mag sein.
Aber sind sie deswegen falsch?
„Ich will hier raus!“, Jochen wurde unruhig in seinem Klogefängnis. Er drückte gegen die Tür, aber Herbert mit seinen stoischen hundertdreißig Kilo hielt mühelos dagegen.
„Joschi, ich glaube, wir sind zu weit gegangen“, sagte Elli durch ihre Atemmaske als wir im Beratungskreis saßen. Die Stühle waren im Kreis -eineinhalb Meter Abstand beachten– aufgestellt.
Jede und jeder hatte das gleiche Rederecht. Aber Rüdiger, Annegret und Walter würden voraussichtlich wie immer regungslos dasitzen als seien sie mit offenen Augen eingeschlafen.
„Elli, du hast das Wort“ , sagte ich. Ich war sozusagen der Anführer, weil ich auch im BürgerInnenrat die Gruppe vertrat.
„Klar ist Jochen ein Coronaleugner. Außerdem hat er Arbi als Ausländer bezeichnet, was ja verletzend ist, weil es ja nicht ganz korrekt ist“, fing Elli an.
Arbi wollte spontan etwas sagen. Ich stupste ihn mit dem Ellenbogen an und sah ihn streng an. Ich zeigte allen den Schweigefuchs, Ringfinger und Mittelfinger auf den Daumen legen - das ist der geschlossene Mund – und die äußeren Finger zeigen wie gespitzte Ohren nach oben. Wir wollen achtsam miteinander umgehen. Arbi senkte ertappt den Kopf, verschränkte die Arme und zog sich innerlich zurück. „Arbi, das ist jetzt gefühlsmäßig aber nicht fair von Dir“, musste ich spontan von mir geben. „Die Elli möchte jetzt etwas sagen und da kannst du nicht einfach zu machen.“ Er nahm die Arme wieder auseinander.
Elli schaute ernst in die Runde. Ihr Anliegen war sehr wichtig für uns und die Sache.
Ich weiß jetzt nicht mehr so genau, was sie sagte. Sicher ist nur, dass wir damals alle gemeinsam beschlossen hatten, nachhaltig und lokal die Ressourcen zu schützen.
Der Kampf gegen die weltweite Bedrohung der Menschheit, der Tier- und Pflanzenwelt muss natürlich vor Ort beginnen und nicht irgendwo. Diese Gewissheit ist unbestreitbar.
Also hatten wir Jochen – den Abweichler im Gästeklo – einstweilen festgenommen, als man uns entsprechend vor Ort angesprochen hatte. Jochen wollte demnach ohne Einkaufswagen in den Biomarkt beim Rosengarten eindringen und hatte obendrein nur eine blaue statt der vorgeschriebenen grünen Atemmaske. Solches Verhalten bedroht Leben und Gesundheit und erfordert ein rasches und entschlossenes Vorgehen zum Wohle aller – um es einmal ganz gespreizt zu sagen.
Im übrigen – was das Fass zum überlaufen brachte – saß die Maske nicht richtig. Kinn und Nase waren fast frei ! „Mir läuft die Brille an und das Pappding verrutscht halt im Gesicht, wenn man spricht“, wollte sich Jochen herauswinden.
Das passierte heute Morgen. Jetzt war er in Ellis und Rolands Gründerzeitvilla in der Gästetoilette. Mittlerweile war Jochen dort auch schon eine längere Zeit, und der gutmütige Herbert bewachte ihn im Rahmen seiner Fähigkeiten.
Roland war in seiner aktiven Zeit Architekt gewesen und hatte zahlreiche Projekte von der Stadt. Das Vermögen kam von Ellis Seite. Ihre Großeltern hatten die Papierfabrik damals Ende der dreißiger Jahre günstig erwerben können und die Villa gehörte mit dazu. Und jetzt waren wir alle auch schon Ende sechzig. Roland sechsundsiebzig. Er war gerade aus einer Kur zurück. Er hatte schon zwei Herzinfarkte und im Grunde war ihm alles egal. Er interessierte sich für seine Tabletten, seinen Blutdruck, ausgewogene Bioernährung und harmonischen Stuhlgang. Ansonsten hörte er gerne klassische Musik. In den achtziger Jahren war er schon aktiv gegen Atomkraft, demonstrierte gegen die Nachrüstung. Aber erst viel später wurde die Villa zu unserem Stützpunkt.
„Freiheitsberaubung!“, schrie es aus der Toilette.
Wir holten ihn zur Anhörung, allerdings durfte er noch nichts sagen – sonst hätte er wieder zurück gemusst. Da hilft kein Schmusekurs. Geradeheraus muss die Ansage sein, sonst ist sie wirkungslos.
Im Vorhinein hatten wir schon beraten, wie wir vorgehen wollten.
Und das taten wir dann auch, nachdem Jochen nichts Neues vorbringen konnte.
Ausgerechnet Arbi, der von Jochen in ausgrenzender Weise mit der Fremdbezeichnung „Ausländer“ diskriminiert worden war, meinte, Jochen sollte sich so verteidigen dürfen wie das vor der Ausrufung des weltweiten Ausnahmezustandes üblich gewesen war.
Das konnten wir Arbi dann aber doch noch ausreden. Letzten Endes geht es in den weltweiten Krisen dieser Zeit um das Überleben der Menschheit und der Tierwelt. Vielleicht auch der Pflanzen und Ozeane.
Ich will das jetzt gar nicht so differenziert darlegen müssen.
In jedem Fall war er dem Notrichter zu überstellen. Da führte ja dann doch kein Weg vorbei. Immerhin ging es nicht nur um Land- und Hausfriedensbruch sondern eben um versuchten Massenmord, wie das der Bundesgerichtshof damals in einem Musterprozess unanfechtbar festgestellt hatte. Jochen hätte die Pandemie, Krankheit und Tod, verbreiten können.
Theoretisch zumindest. Und: Er handelte ja vorsätzlich, nicht fahrlässig.
Wir brachten ihn also direkt zu Kevin, dem Hausmeister. Der rief dann Thorben unseren Betreuer, der gar nicht richtig zuhören wollte und uns alle in den Speisesaal drängte. Den Rest habe ich jetzt leider vergessen.
Jochen war und ist aber immer noch uneinsichtig. Aber jetzt begleitet uns beim Ausgehen immer eine Fachkraft, was ich jetzt nicht so richtig nachvollziehen kann.
Mich befremdet auch, dass die Dschungel Patrouille aufgelöst wurde.
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Kazuyoshi
_________________ „Wer nicht klar schreiben kann, der hat vielleicht auch nicht klar gedacht.“
von UTB-BLOG-REDAKTION am 1. APRIL 2016 |
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Sören
Gänsefüßchen
Beiträge: 29 Wohnort: Saarland
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Verfasst am: 18.02.2021 15:40 Titel:
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Moin Kazuyoshi!
Handwerklich hat mich an deinem Text nichts gestört. Ganz im Gegenteil, er hat sich gut lesen lassen. Bis auf eine Sache, mit der ich mich nicht anfreunden kann:
Zitat: | CoronaleugnerInnen |
Eine solche gendergerechte Sprache in literarischen Texten finde ich grausam.
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nebenfluss
Papiertiger

Beiträge: 4331 Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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Verfasst am: 18.02.2021 16:20 Titel:
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Erstmal nur in Kürze, weil ich gerade Sörens Kommentar las:
Sören hat Folgendes geschrieben: |
Zitat: | CoronaleugnerInnen |
Eine solche gendergerechte Sprache in literarischen Texten finde ich grausam. |
Trotzdem steht es ja nicht ohne Grund genauso da: Der Ich-Erzähler ist halt einer, der gendert.
_________________ fehlende Quellenangabe: mein Kopf. |
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Merlinor
Art & Brain
 Alter: 69 Beiträge: 8228 Wohnort: Bayern
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Verfasst am: 18.02.2021 17:15 Titel:
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Hallo Kazuyoshi
Das ist eine pfiffige Idee. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich sie mögen will oder nicht.
Diese Pandemie ist eine sehr ernste Sache und ich frage mich, ob es zu dieser Zeit schon angemessen ist, sie in die schräge Parodie einer angenommenen Handlung behinderter Menschen zu verpacken. Dafür ist es möglicherweise noch zu früh, solange die Pandemie in vollem Gange ist.
Aber darüber lässt sich sicher trefflich streiten.
Handwerklich ist der Text sauber gemacht. Ein wenig fehlt mir eine straffe Dramaturgie, aber er liest sich auch ohne die flüssig und hält das Interesse des Lesers bei Laune.
Du solltest den Text aber noch etwas auf unnötige Füllwörter abklopfen. Ein Beispiel:
Kazuyoshi hat Folgendes geschrieben: | „Arbi, das ist jetzt gefühlsmäßig aber nicht fair von Dir“, musste ich spontan von mir geben. „Die Elli möchte jetzt etwas sagen und da kannst du nicht einfach zu machen.“ |
Da würde ich eines der beiden „jetzt“ weglassen. Ich jedenfalls bin beim lesen darüber gestolpert.
Unbedingt streichen solltest Du meiner Meinung nach diese Passage:
Kazuyoshi hat Folgendes geschrieben: | „Ja, ja, die sozialpädogigischen Mantras der Öko-Elite“, werdet ihr denken.
Mag sein.
Aber sind sie deswegen falsch? |
Hier verlässt Du die Parodie, wirst belehrend und wendest Dich direkt an den Leser. Damit fällst Du mit einem Schlag aus dem erzählerischen Kontext. Persönlich finde ich das unnötig. Aber möglicherweise bin ich da auch überempfindlich.
Doch all das sind nur Kleinigkeiten. Insgesamt finde ich den Text gut geschrieben, sprachlich abwechslungsreich gestaltet und stellenweise spaßig.
Wie gesagt, ich weiß nicht so recht, was ich davon halten will, aber am Ende muss ich dennoch sagen: Gerne gelesen.
Und das ist ja das Wichtigste ...
LG Merlinor
_________________ „Ich bin fromm geworden, weil ich zu Ende gedacht habe und nicht mehr weiter denken konnte.
Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms:
Es gibt keine Materie an sich, Geist ist der Urgrund der Materie.“
MAX PLANCK (1858-1947), Mailand, 1942 |
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Kazuyoshi
Gänsefüßchen
 Alter: 62 Beiträge: 30 Wohnort: Schwarzwald Nord
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Verfasst am: 18.02.2021 17:17 Titel:
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nebenfluss hat Folgendes geschrieben: | Erstmal nur in Kürze, w2eil ich gerade Sörens Kommentar las:
Sören hat Folgendes geschrieben: |
Zitat: | CoronaleugnerInnen |
Eine solche gendergerechte Sprache in literarischen Texten finde ich grausam. |
Trotzdem steht es ja nicht ohne Grund genauso da: Der Ich-Erzähler ist halt einer, der gendert. |
Und wie.
Leider gehört dieser Gendersprech, den man gelegentlich schon im Radio hören darf, zum Ich-Erzähler, der natürlich eine ganze Menge von mir hat.
Gesprochen wird es dann Coronaleugner-INN mit starker Betonung der Pause - und des Inn.
Ich finde das faszinierend. Vermutlich wird sich genau das durchsetzen und in 20 Jahren völlig normal sein.
Allerdings habe ich auch überlegt, das "Konzept Exit gender" , gesprochen .
Fies ist auch die Schreibweise bei den Politiker*innen der Grünen, die sich für den Genderstar entschieden haben (vor Jahren auf einem Kongress - siehe SPIEGEL).
@Melinor: Ooops. Erwischt. Meistens merke ich selber , dass ich Worte zu oft wiederhole. Und der Einschub aus dem "Off" , die Leseransprache, passt auch eher in ein Filmskript.
_________________ „Wer nicht klar schreiben kann, der hat vielleicht auch nicht klar gedacht.“
von UTB-BLOG-REDAKTION am 1. APRIL 2016 |
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nebenfluss
Papiertiger

Beiträge: 4331 Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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Verfasst am: 18.02.2021 17:39 Titel:
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Merlinor hat Folgendes geschrieben: |
Diese Pandemie ist eine sehr ernste Sache und ich frage mich, ob es zu dieser Zeit schon angemessen ist, sie in die schräge Parodie einer angenommenen Handlung behinderter Menschen zu verpacken. |
Habe ich da etwas überlesen? Wieso behinderte Menschen?
_________________ fehlende Quellenangabe: mein Kopf. |
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Merlinor
Art & Brain
 Alter: 69 Beiträge: 8228 Wohnort: Bayern
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Verfasst am: 18.02.2021 17:52 Titel:
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nebenfluss hat Folgendes geschrieben: | ... Habe ich da etwas überlesen? Wieso behinderte Menschen? ... |
Hallo nebenfluss
Kazuyoshi hat Folgendes geschrieben: | ... Der rief dann Thorben unseren Betreuer, der gar nicht richtig zuhören wollte und uns alle in den Speisesaal drängte ... Aber jetzt begleitet uns beim Ausgehen immer eine Fachkraft ... Mich befremdet auch, dass die Dschungel Patrouille aufgelöst wurde ... |
Ich nehme an, dass es deshalb einen Betreuer gibt.
Jedenfalls fand ich es mutig, dass der Text gleich zwei hoch sensible gesellschaftliche Themen berührt.
Allerdings auch sehr schwierig, wenn ich an die mögliche Rezeption in der Gesellschaft denke.
Aber vielleicht lese ich den Text auch falsch.
LG Merlinor
_________________ „Ich bin fromm geworden, weil ich zu Ende gedacht habe und nicht mehr weiter denken konnte.
Als Physiker sage ich Ihnen nach meinen Erforschungen des Atoms:
Es gibt keine Materie an sich, Geist ist der Urgrund der Materie.“
MAX PLANCK (1858-1947), Mailand, 1942 |
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nebenfluss
Papiertiger

Beiträge: 4331 Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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Verfasst am: 19.02.2021 11:54 Titel:
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Merlinor hat Folgendes geschrieben: | nebenfluss hat Folgendes geschrieben: | ... Habe ich da etwas überlesen? Wieso behinderte Menschen? ... |
Hallo nebenfluss
Kazuyoshi hat Folgendes geschrieben: | ... Der rief dann Thorben unseren Betreuer, der gar nicht richtig zuhören wollte und uns alle in den Speisesaal drängte ... Aber jetzt begleitet uns beim Ausgehen immer eine Fachkraft ... Mich befremdet auch, dass die Dschungel Patrouille aufgelöst wurde ... |
Ich nehme an, dass es deshalb einen Betreuer gibt.
Jedenfalls fand ich es mutig, dass der Text gleich zwei hoch sensible gesellschaftliche Themen berührt.
Allerdings auch sehr schwierig, wenn ich an die mögliche Rezeption in der Gesellschaft denke.
Aber vielleicht lese ich den Text auch falsch.
LG Merlinor |
Oder du liest ihn genau richtig. Mir war der Betreuer tatsächlich nicht aufgefallen. Ich hatte mich schon gefragt, ob das Ende überhaupt eine Pointe beinhaltet. Dann muss ich das Ganze wohl nochmal lesen ...
_________________ fehlende Quellenangabe: mein Kopf. |
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Selanna
Klammeraffe

Beiträge: 671 Wohnort: Süddeutschland
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Verfasst am: 19.02.2021 13:25 Titel:
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Hallo Kazuyoshi,
hier mal meine Eindrücke und Gedanken zum Text:
Das sagt ja schon einiges aus.
Zitat: | Seit unsere ganzen Klima- und Vorgartenprojekte auf Eis liegen wegen dieser weltweiten Corona-Epidemie mussten wir uns zwangsläufig neue Ziele suchen. |
Da fehlt ein Komma und ich würde „wegen dieser weltweiten Corona-Epidemie“ anders im Satz platzieren.
Und: Für meinen Geschmack machst Du zu viele Absätze, aber das ist eben Geschmackssache.
Zitat: | Meine ganz unvoreingenommene Beobachtung |
Ach du jemine…
Zitat: | Einmal auf der schiefen Bahn, |
Auf die „schiefe Bahn geraten“ steht für mich synonym für kriminell werden oder ins soziale Abseits geraten. Das sind weder Klimawandelleugner (nicht: Klimaleugner. Soweit würde wohl kaum einer gehen ) noch Coronaleugner unbedingt. Wie siehst Du das?
Zitat: | Leider ändert aber Empörung alleine nichts an den Menschen oder an dem, was Menschen tun. |
Wie ist da der Bezug? Die Empörung der Coronaleugner ändert nichts an ihrem Handeln oder daran, was sie sind? Warum auch? Sie bringen mit der Empörung doch vielmehr ihre Meinung zum Ausdruck. Wahrscheinlich meinst Du, dass man Coronaleugner nicht ändert, indem sich jemand (man selbst) über sie empört. Aber dafür fehlt der Bezug, das müsstest Du umformulieren.
Zitat: | „Ja, ja, die sozialpädogigischen Mantras der Öko-Elite“, werdet ihr denken.
Mag sein.
Aber sind sie deswegen falsch? |
Sprichst Du da mich als Leser an? Treffender fände ich, wenn der Ich in seinen Gedanken bleibt: werden manche denken. Mag sein. Aber sind sie deswegen falsch?
Zitat: | Die Stühle waren im Kreis -eineinhalb Meter Abstand beachten– aufgestellt. |
Soll das auch eine Stelle sein, die ich als Leser amüsant finden soll? Weil die da so pedantisch und vorschriftenkonform vorgehen? Falls ja: die Stelle finde ich (imho) nicht witzig.
Zitat: | Außerdem hat er Arbi als Ausländer bezeichnet, was ja verletzend ist, weil es ja nicht ganz korrekt ist“ |
Sprich, wenn es korrekt wäre, wäre es keine Beleidigung? Die Bedeutung des Satzes im Text ist mir nicht ganz klar: Willst Du hier eine untergründige Ausländerfeinlichkeit Ellis andeuten, ihre Haarspalterei vorführen (nicht ganz korrekt) oder …?
Zitat: | Arbi wollte spontan etwas sagen … musste ich spontan von mir gebe |
Gleiches Rederecht für alle Das ist Dir gut gelungen!
Zitat: | Elli schaute ernst in die Runde. Ihr Anliegen war sehr wichtig für uns und die Sache.
Ich weiß jetzt nicht mehr so genau, was sie sagte. Sicher ist nur, dass wir damals alle gemeinsam beschlossen hatten, nachhaltig und lokal die Ressourcen zu schützen.
Der Kampf gegen die weltweite Bedrohung der Menschheit, der Tier- und Pflanzenwelt muss natürlich vor Ort beginnen und nicht irgendwo. Diese Gewissheit ist unbestreitbar.
Also hatten wir Jochen – den Abweichler im Gästeklo – einstweilen festgenommen, als man uns entsprechend vor Ort angesprochen hatte. Jochen wollte demnach ohne Einkaufswagen in den Biomarkt beim Rosengarten eindringen und hatte obendrein nur eine blaue statt der vorgeschriebenen grünen Atemmaske. Solches Verhalten bedroht Leben und Gesundheit und erfordert ein rasches und entschlossenes Vorgehen zum Wohle aller – um es einmal ganz gespreizt zu sagen. |
Das sind (wieder subjektiv betrachtet) sehr viele Klischees, die Du da verdichtet als Infodump anführst. Hier könnte man deutlich kürzen.
Zitat: | Roland war in seiner aktiven Zeit Architekt gewesen |
Daraus schließe ich, dass es sich um Rentner handelt? Du veräppelst hier also Alt-68er, richtig?
Zitat: | hatte zahlreiche Projekte von der Stadt |
Hier fehlt mE ein Teil des Prädikats.
Zitat: | Ihre Großeltern hatten die Papierfabrik damals Ende der dreißiger Jahre günstig erwerben können |
Also im Dritten Reich. Deutest Du hier auch noch eine Nazi-Vergangenheit der Familie an? Huh, wenn ja, ist das ein ganz enormer Klischeerundumschlag. Das ist aber langsam ganz schön viel.
Und: Warum ist der Beruf Rolands (als einziger) für diese Geschichte wichtig?
Zitat: | Und jetzt waren wir alle auch schon Ende sechzig. Roland sechsundsiebzig |
Rentner, jetzt ist es eindeutig.
Zitat: | im Grunde war ihm alles egal. Er interessierte sich für seine Tabletten, seinen Blutdruck, ausgewogene Bioernährung und harmonischen Stuhlgang. Ansonsten hörte er gerne klassische Musik. In den achtziger Jahren war er schon aktiv gegen Atomkraft, demonstrierte gegen die Nachrüstung. Aber erst viel später wurde die Villa zu unserem Stützpunkt. |
Also selbst für eine überspitzte Satire… das sind zu viele Klischees, denke ich.
Zitat: | sonst hätte er wieder zurück gemusst. |
Das ist zu umgangssprachlich formuliert.
Zitat: | Letzten Endes geht es in den weltweiten Krisen dieser Zeit um das Überleben der Menschheit und der Tierwelt. Vielleicht auch der Pflanzen und Ozeane. |
Das hattest Du oben schon. Du wiederholst die Klischees, vllt kürzt du die hier genannten oben raus und lässt es dafür hier stehen, dann ist es oben weniger geballt.
Zitat: | uns alle in den Speisesaal drängte. |
In Ellis und Rolands Gründerzeitvilla?
Einige Fragen, die sich mir am Schluss noch stellen: Ist der BürgerInnenrat dann auch ein Phantasieprodukt? Oder ist das eine Logiklücke?
Dann: Wenn die Gruppe in „betreutem Wohnen“ lebt, wohnen sie doch in einer Einrichtung/eigenen Campus/Siedlung, oder? Wie kann Jochen dann im WC der Gründerzeitvilla von Roland und Elli eingesperrt sein? Wie passt da der Speisesaal rein? Oder bilden sich Roland und Elli nur ein, dass ihnen das ganze Gebäude gehört? Finde ich unlogisch, aber vllt habe ich es auch nur nicht umrissen.
Eine insgesamt flüssig geschriebene, gut lesbare Kurzgeschichte mit Witz und einigen Spitzen. Es fehlen einige Kommata und manche Wörter gehören großgeschrieben, da könntest Du noch mal kritisch drüberlesen.
Das Thema finde ich schwierig, aber ich gehöre wohl nicht zu Deinem anvisierten Publikum. Ich denke aber, Du könntest den Text noch mehr zuspitzen, alles, was Du ankreiden willst, noch mehr auf den Punkt bringen, wenn Du nicht alle Klischees einflichst und teils sogar wiederholst, vor allem, wenn Du sie nicht ausformulierst. Gelungen sind Dir vielmehr die Stellen, wo der Leser selbst sieht, dass der Ich sich und seine Ideologien konterkariert: Das Rederecht für alle missachtet er; besonders wichtige Wortbeiträge von Elli vergisst er; bei Jochens Anhörung darf Jochen nichts sagen; der angeblich Diskriminierte darf nicht selbst entscheiden, was er als diskriminierend empfindet – das sind die amüsanten Stellen. Das Aufzählen der ideologischen Einstellungen gehört nicht dazu, aber das ist nur meine Meinung.
Viel Spaß beim Feinschleifen!
Liebe Grüße
Selanna
_________________ Nur ein mittelmäßiger Mensch ist immer in Hochform. - William Somerset Maugham |
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Kazuyoshi
Gänsefüßchen
 Alter: 62 Beiträge: 30 Wohnort: Schwarzwald Nord
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Verfasst am: 19.02.2021 13:57 Titel:
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MELINOR hat Folgendes geschrieben: | Text gleich zwei hoch sensible gesellschaftliche Themen berührt.
Allerdings auch sehr schwierig, wenn ich an die mögliche Rezeption in der Gesellschaft denke |
Mohammedkarikaturen?
_________________ „Wer nicht klar schreiben kann, der hat vielleicht auch nicht klar gedacht.“
von UTB-BLOG-REDAKTION am 1. APRIL 2016 |
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nebenfluss
Papiertiger

Beiträge: 4331 Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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Verfasst am: 19.02.2021 14:55 Titel: Re: CORONA oder Die Erhebung
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Hallo Kazuyoshi,
ich würde auch sagen, dass der Text ein paar (leicht zu behebende) handwerkliche Fehler aufweist. Über die will ich hier aber gar nicht schreiben, weil mich sozusagen etwas 'Größeres' irritiert:
Je intensiver ich mich mit der Geschichte befasse (und die anderen Kommentare hinzunehme), desto weniger kann ich damit anfangen.
Was auf jeden Fall bleibt, ist ein ironischer Unterton - der aber macht noch keine gelungene Erzählung.
Die Gemeinschaft, die du hier beschreibst, ist relativ hermetisch und hat sich auf bestimmte Ziele verständigt. Und doch ist mir schleierhaft, worüber ich mich amüsieren soll. Über Rentner? Ökos? Achtsamkeits-Fanatiker? Tatsächliche oder vermeintliche Coronaleugner? Leute, die sich über tatsächliche oder vermeintliche Coronaleugner aufregen? Oder - bitte nicht - diese blöde Maske?
Vielleicht willst du in dem Text einfach zu viel auf einmal.
Ich versuch's mal am Beispiel meiner 'eigentlichen' Lieblingsstelle aufzuzeigen:
Kazuyoshi hat Folgendes geschrieben: |
Elli schaute ernst in die Runde. Ihr Anliegen war sehr wichtig für uns und die Sache.
Ich weiß jetzt nicht mehr so genau, was sie sagte. Sicher ist nur, dass wir damals alle gemeinsam beschlossen hatten, nachhaltig und lokal die Ressourcen zu schützen. |
Super auf den Punkt gebracht! Dachte ich. Denn das ist das Wesen solcher Versammlungen. Jemandem seine volle Aufmerksamkeit, sorry: Achtsamkeit zu schenken, heißt nicht, ihm genau zuzuhören und sich dann seine eigenen Gedanken dazu zu machen. Sondern: Sich von der Weltschmerz-Performance so beeindrucken zu lassen, dass die vorgeschlagene Lösung dieser Person sofort Beschlussvorlage wird - wie realitätsfremd sie auch sein mag. Also Darstellung von Betroffenheit als höchstes Kriterium.
Dann lese ich später, es handle sich um Rentner mit einem Betreuer. Das obige könnte also einfach nur Ausdruck von beginnender Demenz sein (womit ich in der Lesart dann wohl fast bei Merlinor wäre), und das, was mir eben noch so gefiel, bekommt einen schalen, banalen Geschmack.
_________________ fehlende Quellenangabe: mein Kopf. |
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V.K.B.
[Error C7: not in list]
 Alter: 48 Beiträge: 3304 Wohnort: Nullraum
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Verfasst am: 19.02.2021 21:14 Titel:
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Ein sehr mutiger Text, finde ich. Und ist wahrscheinlich auch schon mutig, das zu sagen. Ich bin da gedanklich sofort bei GamerGate und Rowling vs Social Media. Und weiß wieder mal, warum "Paladin" für mich ein Schimpfwort ist. Aber "leben und leben lassen" passt ja nicht mehr ins postfaktische Angstzeitalter, da ist es ja wichtig, dass jeder seine "gefestigte", einzig korrekte Meinung hat und den Andersdenkenden als Sau durchs Dorf jagt. Wo sind die Betreuer bei Facebook, wenn man sie braucht?
Diese Entwicklung einer neuen Diskussions"kultur" nimmt der Text herrlich auf die Schippe, so verstehe ich ihn zumindest. Und deshalb dürfen da auch ruhig die ganzen Klischees rein, denn es geht ja schließlich um Schubladendenken. Und da genügt ja nur ein unüberlegtes Buzzword, um in eine solche reinzugeraten.
Ob die Protas jetzt Rentner sind oder was auch immer, finde ich dabei egal. Das Phänomenen zieht sich ja durch die ganze Gesellschaft. Hauptsache extrem und Zero Tolerance, auch wenn man sich letztere mal als Ideal auf die Fahnen geschrieben hat. Und diese Widersprüchlichkeit zeigt der Text durchs Reden und Handeln seiner Protas auch immer wieder auf. Rentner müssen wohl von daher sein, damit am Ende den Betreuer als Deus ex Machina auftreten lassen kann, um den Spuk noch beenden zu können. Bevor Jochen für seine Verbrechen gegen die Menschlichkeit vielleicht noch an den nächsten Baum gehängt wird.
Ist es okay, so einen Text zu schreiben? Ich denke ja! Satire darf, nein, muss überspitzen und alles dürfen. Auf wie viel Gegenliebe so eine Gesellschaftskritik dann stößt, ist eine andere Frage. "Mohammedkarikaturen" (um das Zitat aufzugreifen) fürs Facebook-Zeitalter halt.
Ich jedenfalls hab den Text gerne gelesen,
Veith
_________________ Warning: Cthulhu may occasionally jumpscare people … |
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