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Gast
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02.02.2021 13:32 Tierpfleger/innen und/oder Veterinär/innen mit Zooerfahrung gesucht von Gast
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Hallo,
im Rahmen eines aktuellen Schreibprojekts würde es mich interessieren, ob Menschenaffen im Zoo regelmäßig Psychopharmaka (Beruhigungsmittel, Neuroleptika, Antidepressiva) erhalten. Es geht mir nicht um Ausnahmesituationen wie Transport oder Prämedikation bei anstehenden Operationen, sondern um die Frage, ob Psychopharmaka sozusagen als Dauermedikation eingesetzt werden, um unerwünschtes Verhalten (Aggression, Selbstverstümmelung etc.) einzudämmen.
Wenn man im Internet recherchiert, stoßen die Meinungen ziemlich unversöhnlich aufeinander, weshalb ich gerne Infos aus erster Hand hätte.
Vielleicht kann mir ja jemand helfen.
LG
DLurie
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Nina C Klammeraffe
Alter: 36 Beiträge: 984 Wohnort: Op dr\' Jück
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03.02.2021 04:01
von Nina C
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Ich habe nie im Zoo gearbeitet, aber mit Menschen, die im Zoo arbeiten. In diesem Fall wurden nicht regelmäßig Medikamente an Menschenaffen verabreicht. Allerdings bekommen Affen (und andere Tiere) Medikamente in Situation, die sonst zu belastend wären - man darf nicht vergessen, dass es sich immer noch um Wildtiere handelt. Dazu zählen in erster Linie Transporte und medizinische Eingriffe (allerdings ist das bei Menschen ja nicht anders!). Außerdem bei Eingewöhnung von neuen Tieren. Solche Dinge enden auch in der Natur gelegentlich tödlich, Zoos möchten aber natürlich ungern den Tod eines Tieres in Kauf nehmen. Dass es in diesem Zoo und heutzutage nicht zur regelmäßigen Medikamentengabe kommt, heißt aber nicht, dass das auf frühere Zeiten oder andere Orte nicht zutrifft. Werden Affen in zu kleinen Gehegen mit zu wenig Beschäftigung gehalten, entwickeln sie sehr unschöne Verhaltensstörungen, auch Fremd- und Autoaggression. Das wollen Besucher natürlich nicht sehen. Umgekehrt sind aber auch einige Untersuchungen fragwürdig, beispielsweise werden Untersuchungen verstorbener Tiere zitiert, bei denen Unterernährung, Beruhigungsmittel und Anästhetika gefunden wurden. Allerdings würde das Ergebnis bei jedem in einem Krankenhaus oder Hospiz verstorbenen Menschen ebenso aussehen, weil nicht spontan gestorbene Tiere zur Linderung des Sterbens selbstverständlich Medikamente bekommen und gerade alte Tiere oft abmagern. Ist also ein schwieriges Thema. Wenn ein Zoo Nachwuchs haben möchte, sieht die Sache sowieso anders aus, denn eine Dauermedikation verträgt sich in den allermeisten Fällen absolut nicht mit Paarungsverhalten, Schwangerschaft, Stillen und Aufzucht von Jungtieren.
Literarisch gesehen würde ich behaupten, dass du da freie Bahn hast. Wenn ein Medikamenteneinsatz stattfinden soll, sollte das beschriebene Gehege und die Beschäftigung aber eben eher minderwertig sein. Möchtest du, dass keine Medikamente eingesetzt werden, ist es sinnvoll ein oder zwei Sätze zu dem großzügigen, modernen und abwechslungsreichen Haltungskonzept zu verlieren.
Liebe Grüße
Nina
_________________ Wenn ihr nicht die gequälten Sklaven der Zeit sein wollt, macht euch trunken, ohn’ Unterlass! Mit Wein, mit Poesie mit Tugend, wie es euch gefällt. (Charles Baudelaire) |
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Gast
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03.02.2021 09:31
von Gast
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Hallo Nina C,
vielen Dank für die Informationen! Sehr hilfreich.
Das ist ein ziemlich aufgeheiztes Thema...schwierig sich ein objektives Bild übers Netz zu verschaffen.
LG
DLurie
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tiptoe Gänsefüßchen
T
Beiträge: 26
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T 07.02.2021 01:25
von tiptoe
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Der Medikamenten-Einsatz auch in nicht der menschlichen Ernährung dienenden Tierhaltungen ist in aller Regel insoweit unfrei, als die dort zum Einsatz kommenden Mittel (jedenfalls alle Antibiotika, Schmerzmittel, Psychopharmaka, Narkosemittel etc.) apotheken- und dispensierpflichtig sind, also ohne Tierarzt legitim nicht zur Anwendung kommen können.
Wirksame Medikamente und Behandlungen sind auch in der Tiermedizin ausgesprochen teuer, DLurie. Wer schon mal einen Hund, ein Rindvieh oder ein Pferd behandeln ließ, weiß das. Und er weiß, dass in Massentierhaltungen solche individuellen Behandlungen ausgeschlossen sind – sie sind nicht durchführbar und nicht bezahlbar.
Bei Zootieren ist dies ein wenig anders – es sind keine Massentierhaltungen, und sie sind in aller Regel keine privaten, sondern kommunale, nicht gewinnorientierte Einrichtungen. Aber auch in diesen lässt sich der Medikamenteneinsatz mit jenem der Humanmedizin nicht vergleichen. Für die meisten Tierkrankheiten gibt es gar keine spezifisch zugelassenen Heilmittel (rentiert sich für die Pharmaindustrie nicht); zum Einsatz kommen meist nur (in der Regel „umgewidmete“) allgemeine Antibiotika, Cortisone, Fertilizer, Narkotika und Antiparasitika.
Die tierärztliche Kunst bei Zootieren beschränkt sich im Wesentlichen auf die Chirurgie (Verletzungen), Gynäkologie (Fertilisation, Geburtshilfe), Innere Medizin (Darminfektionen, Koliken etc.), die Parasitologie (Würmer, Milben, Haarlinge und andere Schmarotzer) und Impfschutz (Katzenseuche, Hundestaupe, Tollwut). Da hat ein Veterinär, je nach Größe des Zoos, jede Menge ziemlich schwerer Arbeit. Das, was in den obskuren Sendungen des Nullmediums immer wieder gezeigt wird, hat mit der Wirklichkeit meist recht wenig zu tun. Sedativa (Beruhigungsmittel) werden nur im Rahmen von Operationen oder bei Angstzuständen (z. B. Hunde während der Silvesterknallerei) eingesetzt, Psychopharmaka in der Praxis nie.
Einen Zoo halbwegs vernünftig am Leben zu halten, ist nicht nur ein ausgesprochen teures Vergnügen, sondern vor allem ein Knochenjob. Nichts für Zartbesaitete!
tiptoe
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Meanwhile in Canada Gänsefüßchen
M Alter: 48 Beiträge: 48 Wohnort: Oakville, Ontario, Kanada
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M 07.02.2021 06:49
von Meanwhile in Canada
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Hallo DLurie,
als Ergänzung, falls noch gewünscht: Meine Schwester ist ausgebildete Tierärztin und arbeitet im Zoo (nicht in ihrem Beruf, aber in engem Kontakt mit Pflegern - und auch mit Primaten). Wenn du willst, kann ich dir ihre Kontaktdaten per PN geben.
LG
S.
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Gast
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07.02.2021 08:56
von Gast
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Hallo tiptoe, hallo Meanwhile in Canada,
danke für eure Hilfe!
Zum Hintergrund meiner Frage: Ich wollte ursprünglich eine Geschichte schreiben, die u.a. die Haltung von Menschenaffen im Zoo problematisiert.
Meine Informationen stammten größtenteils von einer mir nahestehenden Person, die sehr engagiert im Tierschutz ist und von einschlägigen Seiten im Internet, auf denen behauptet wurde, dass Psychopharmaka praktisch wie Smarties auch von nicht-ärztlichem Personal an die Tiere verteilt würden, um sie ruhigzustellen und die Folgen der Gefangenschaft abzumildern.
Ich habe dann auch mal bei der Gegenseite (z.B. Erklärung deutscher Zooärzte zu dem Thema) recherchiert, und da ergab sich ein ganz anderes Bild.
Dis Sache hat sich für mich insofern erst mal erledigt, als ich meine Geschichte unter Auslassung des Problemkreises Haltung von Menschenaffen im Zoo inzwischen fertig geschrieben habe.
Aber vielen Dank für Eure Mühe.
LG
DLurie
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