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Elena Eselsohr
E Alter: 82 Beiträge: 218 Wohnort: Berlin
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E 16.11.2020 14:44 Dass du dich erinnerst von Elena
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Alles braucht seine Zeit,
kein Gras wächst über Nacht,
deine kleine Welt, sie gab dir
zu denken, es häuften sich
kleine und große Abschiede.
Dich trieb es, was dich bewegt,
in Verse zu setzen, in Stanzen
und Sonette, die kaum
jemand las, die nichts veränderten,
weder die Welt noch dich.
Du spürtest, da muss
noch mehr sein, die ganze Welt
in einem Gedicht – war das
nicht dein Traum, hochfliegend
und nie erreicht?
Heute, mitunter,
fallen dir ein paar Zeilen ein,
das Erinnern schmerzt, du lächelst,
und das alte Papier duftet
wie feuchtes Heu.
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Nina Dichterin
Beiträge: 4948 Wohnort: Berlin
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27.11.2020 10:35 Re: Dass du dich erinnerst von Nina
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liebe elena,
das liest sich wie ein gedicht eines dichters/einer dichterin an sich selbst.
Elena hat Folgendes geschrieben: | Alles braucht seine Zeit,
kein Gras wächst über Nacht,
deine kleine Welt, sie gab dir
zu denken, es häuften sich
kleine und große Abschiede. |
alles braucht und hat auch seine zeit.
bei der nächsten zeile stutze ich und möchte den kopf schütteln:
warum wächst gras nicht über nacht? das ist mir neu. ist das so?
ansonsten würde ich die zeile überdenken.
bei der kleinen welt, bin ich nicht sicher, ob das stimmt.
wie klein könnte diese welt sein, wenn dieser mensch in der lage
ist zu dichten? sie muss groß sein, denn sie erschafft aus dem, was
da ist (außen und innen), noch mehr!
vermutlich ist das leben gemeint, das dieses lyrischen ichs. es wird
als klein empfunden. vielleicht weil wünsche unerfüllt blieben, ziele
unerreicht?
es gab begegnungen und abschiede, mit großem und kleinem weh.
Elena hat Folgendes geschrieben: | Dich trieb es, was dich bewegt,
in Verse zu setzen, in Stanzen
und Sonette, die kaum
jemand las, die nichts veränderten,
weder die Welt noch dich. |
ja, so ist es gut. gedichte, stanzen, wunderbar. sonette auch, für
mich nicht unbedingt, aber bitte, gerne. manchmal ja doch. *lach*
eine folge also oder ergebnis aus dem (angeblich) kleinen leben,
der (angeblich) kleinen welt: es wurden gedichte geschrieben.
ob ein gedicht etwas verändert, kann man nie wissen. vielleicht ist
oder wird nicht alles sichtbar. ich denke, gedichte haben viel kraft.
sie verändern meines wissens und meiner erfahrung nach auch den
dichter bzw. die dichterin.
Elena hat Folgendes geschrieben: | Du spürtest, da muss
noch mehr sein, die ganze Welt
in einem Gedicht – war das
nicht dein Traum, hochfliegend
und nie erreicht? |
ja, das ist ein traum. warum sollte der nicht erfüllbar sein? vielleicht
weil das thema zu groß ist, die welt zu umfassend? aber vielleicht
gelingt es ja doch. was ist die/deine welt?
Elena hat Folgendes geschrieben: | Heute, mitunter,
fallen dir ein paar Zeilen ein,
das Erinnern schmerzt, du lächelst,
und das alte Papier duftet
wie feuchtes Heu. |
der wehmütige blick zurück auf die welt, auf das leben und das
erschaffene (geschriebene).
ganz sicher war das nicht nutzlos oder sinnlos. es hat viel freude
auch gebracht. mir auf jeden fall.
durch und durch bescheiden ist dieses gedicht. doch die dichterin
kann. sie hat. und tut. und sie macht es gut.
danke für dieses schöne gedicht, liebe elena.
einen schönen tag wünsche ich dir.
liebe grüße
nina
_________________ Liebe tut der Seele gut. |
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Elena Eselsohr
E Alter: 82 Beiträge: 218 Wohnort: Berlin
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E 29.11.2020 06:42 Dass du dich erinnerst von Elena
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Liebe Nina,
wenn man in meine Jahre kommt, dann kommt man aus den Rückschauen kaum noch heraus. Das Gedicht beschreibt so einen Moment. Glück und Traurigkeit nebeneinander, unsortiert, ungesucht - es fällt einem ein. Da war was. Vorbei. Aber Erinnern ist Leben.
Aber ins Einzelne:
Dass Gras über Nacht nicht wächst, erstaunt dich. Aber es ist doch ganz natürlich - jede Pflanze braucht Licht. Aber ich gebrauche diesen Passus als Metapher: Alles braucht Zeit.
Man lernt im Leben viele Menschen kennen, sie kommen und verschwinden wieder, da häufen sich Abschiede.
Die kleine Welt des Ich. Ja, das ist wohl auch Einsicht in Realitäten. Natürlich, der Mensch ist der Herrscher der Welt, aber jeder Einzelne ist eine Welt für sich, und da gibt es Zeiten, da ist sie klein, und Zeiten gibt es, da ist sie groß.
Natürlich, wenn man zu schreiben beginnt, will man etwas an der Welt ändern, man will ihr etwas sagen, in der Hoffnung, dass sie hinhört. Meist tut sie es nicht. Dem Ich reichte es aber nicht, sich auszuprobieren, ohne dass die Welt hinhörte. Ob es sich selbst geändert hat? Wer weiß.
Die nächste Strophe schließt an die zweite an, führt den Gedanken weiter:
Du wolltest doch etwas! Und du ahnst, das Schreiben gibt dir etwas, es gehört zu deinem Leben. Und du wolltest das ganz Große. Aber kann das ganz Große größer sein als das Erreichte? Du weißt, du hast dein Bestes gegeben, das du in dem Moment, als du schriebst, hattest.
Ein bisschen Wehmut ist immer dabei, wenn man rückschaut. Was war, ist vorbei und kommt nicht wieder. Und wenn dem Ich eines seiner ersten Gedichte in die Finger gerät, muss es lächeln - so klein fängt jeder an. Zum Schreiben braucht man Leben, man muss dazu nicht in die Ferne reisen, man muss nur wissen, wer man ist, und das Ziel haben, Mensch zu sein.
Liebe Nina, du hast dich wieder in dieses Gedicht hineingekniet, und ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll. Hast du mir doch Gelegenheit gegeben, das Ungeschriebene zwischen den Zeilen auch noch aufzuschreiben. Dankeschön für das genaue Lesen.
Lieben Gruß und schönen Sonntag, Elena
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Nina Dichterin
Beiträge: 4948 Wohnort: Berlin
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24.12.2020 12:29 Re: Dass du dich erinnerst von Nina
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Elena hat Folgendes geschrieben: | Liebe Nina, du hast dich wieder in dieses Gedicht hineingekniet, und ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll. Hast du mir doch Gelegenheit gegeben, das Ungeschriebene zwischen den Zeilen auch noch aufzuschreiben. Dankeschön für das genaue Lesen.
Lieben Gruß und schönen Sonntag, Elena |
liebe elena,
gern geschehen. heute nur ganz kurz, weil ich auf dem
weg zur arbeit bin: ich wünsche dir schöne feiertage.
und alles liebe,
nina
_________________ Liebe tut der Seele gut. |
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Elena Eselsohr
E Alter: 82 Beiträge: 218 Wohnort: Berlin
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Nina Dichterin
Beiträge: 4948 Wohnort: Berlin
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26.12.2020 14:22 Re: Dass du dich erinnerst von Nina
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Liebe Elena,
ich freue mich, Dich zu lesen und sag danke schön für die lieben Wünsche.
Rutsch Du auch gut rein! Noch sind es ja ein paar Tage. Und an Dich danke
für Deine schönen Gedichte und den immer sehr angenehmen und
bereichernden Austausch mit Dir. Ich lerne so viel, danke.
Beste Wünsche und Grüße auch zu Dir.
Nina
_________________ Liebe tut der Seele gut. |
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dürüm Wolf im Negligé
Alter: 46 Beiträge: 966 Wohnort: Cape Town
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26.12.2020 16:23 Re: Dass du dich erinnerst von dürüm
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Elena hat Folgendes geschrieben: | Alles braucht seine Zeit,
kein Gras wächst über Nacht,
deine kleine Welt, sie gab dir
zu denken, es häuften sich
kleine und große Abschiede.
Dich trieb es, was dich bewegt,
in Verse zu setzen, in Stanzen
und Sonette, die kaum
jemand las, die nichts veränderten,
weder die Welt noch dich.
Du spürtest, da muss
noch mehr sein, die ganze Welt
in einem Gedicht – war das
nicht dein Traum, hochfliegend
und nie erreicht?
Heute, mitunter,
fallen dir ein paar Zeilen ein,
das Erinnern schmerzt, du lächelst,
und das alte Papier duftet
wie feuchtes Heu. |
Hallo Elena,
ein "leises" Gedicht. Ich mag das.
Die erste Strophe ist völlig klar, in der Rückschau und der Entwicklung von Geduld und Akzeptanz. Es ist, wie es ist, das Leben.
In der zweiten Strophe möchte ich Dir widersprechen.
Ja, vielleicht verändern Deine Verse nicht die Welt. Aber Dich doch auf jeden Fall? Und vielleicht auch den einen oder anderen Leser?
Den Anspruch/Traum der dritten Strophe finde ich beachtlich, die ganze Welt in einem Gedicht? Das ist gewagt. Hoch gegriffen. Und meiner Meinung nach noch nie einem Dichter gelungen. Also kein Problem, oder?
Und der Abschluss ist perfekt, mit dem Dufteindruck von feuchtem Heu, nach all den "duftlosen" Gedanken, das krönende, und aromatisierende Ende. Nur dass das Erinnern schmerzt finde ich schade.
Gerne gelesen!
Gruß
Kerem
_________________ Versuchungen sollte man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen.
(Oscar Wilde)
Der Willige wird vom Schicksal geführt. Der Störrische geschleift.
(Seneca) |
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Elena Eselsohr
E Alter: 82 Beiträge: 218 Wohnort: Berlin
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E 27.12.2020 13:12
von Elena
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Lieber Kerem,
hab vielen Dank für den Kommentar, der mir einiges zu denken gibt.
Die Welt verändern mit Versen, ich konnte es bestimmt nicht. Aber ich habe Verse gelesen, die etwas in mir verändert haben, es waren nicht meine. Das ist die Frage: Kann Literatur etwas bewirken? Sicher kann sie das. Aber so hoch will ich für meine eigenen Verse nicht greifen.
Die ganze Welt in einem Gedicht - doch, es ist einem Dichter gelungen. Habe ich gelesen bei Neruda. Sicher, wenn man schreibt, stellt man an sich die höchsten Ansprüche. Aber man kann nur das schreiben, was man in sich trägt. Um das zu können, die ganze Welt in einem Gedicht, habe ich vermutlich noch nicht genug gelebt. Sage ich mit fast 80. Und mit diesem Anspruch.
Das Erinnern schmerzt. Sollte ich das erklären? Erklärt sich vielleicht aus den Versen davor? Aber es ist ein Schmerz unter Lächeln: Dummkopf, was bildest du dir ein? Sei zufrieden mit dem, was vorliegt.
Kerem, ich wünsche dir alles Gute im neuen Jahr. Du hast einen klaren Blick, und das gefällt mir.
Mit liebem Gruß
Elena
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dürüm Wolf im Negligé
Alter: 46 Beiträge: 966 Wohnort: Cape Town
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27.12.2020 20:30
von dürüm
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Neruda!
Ich kenne die Verse des Kapitäns.
Welches Gedicht von ihm meinst du? Ich würde es gerne lesen.
Dir auch ein wundervolles 2021!
Gruß
Kerem
_________________ Versuchungen sollte man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen.
(Oscar Wilde)
Der Willige wird vom Schicksal geführt. Der Störrische geschleift.
(Seneca) |
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Elena Eselsohr
E Alter: 82 Beiträge: 218 Wohnort: Berlin
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lilli.vostry Wortschmiedin
Beiträge: 1219 Wohnort: Dresden
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06.01.2021 02:42 aw:Dassdudicherinnerst von lilli.vostry
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Liebe Elena,
ich habe Dein Gedicht mit Interesse gelesen, es sagt viel über das Schreiben und das Leben aus.
Der Gedanke und Anspruch, die ganze Welt in einem Gedicht zu fassen, ist faszinierend, kühn, vermessen, aber wohl doch nicht so unmöglich wie es scheint. Sicher ist Goethes "Faust" unerreicht...
Doch es ist doch eine Frage des Blickwinkels, wie groß oder klein Welt ist, was sie für einen ausmacht, wo und wie sie sich zeigt, sie kann sich in einem Moment, Augenblick spiegeln, der über das Persönliche hinaus etwas Übergreifendes, auch für andere Menschen Gültiges bzw. Ansprechendes hat. Solche Momente versuche ich in meinen Gedichten einzufangen... Wo eigene Bilder, Stimmungen mit den Erfahrungen anderer aufeinander treffen, etwas in einem berühren, anstoßen, zum Weiterdenken und -schreiben anregen.
Das hat Dein Gedicht jedenfalls bei mir erreicht.
Und es macht mich neugierig, mehr von Dir zu lesen.
Der letzte Vers mit dem alten Papier wie feuchtes Heu gefällt mir besonders und werde darauf achten, wenn ich mal welches in den Händen halte.
Mag Bücher- und Papierduft generell sehr gerne, der ist unverändert seit Kindertagen...
Ein gutes neues Jahr!
Frohe Schreibgrüße,
Lilli
_________________ Wer schreibt, bleibt und lebt intensiver |
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Elena Eselsohr
E Alter: 82 Beiträge: 218 Wohnort: Berlin
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E 06.01.2021 16:14 Dass du dich erinnerst von Elena
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Liebe Lilli,
ja, Goethe. Er und Neruda, obwohl zu verschiedenen Zeiten gelebt habend, schrieben sie in einer Liga. Neruda ist der Goethe der Chilenen, keine Übertreibung.
Man will, wenn man sich entschließt, seine Gedanken aufzuschreiben, ob in Prosa oder Lyrik, ja immer alles aus sich rausholen. Wo ein Wille ist, soll angeblich auch ein Weg sein, aber Denken und Aufschreiben sind zwei verschiedene Dinge. Glaubt man erst, wenn man es selber versucht. Es
gibt da einen Spruch: "Kunst kommt von Können und nicht von Wollen, sonst hieße es Wulst."
Ich wünsche dir alles Gute in diesem unserem neuen Jahr 21. Und hab vielen Dank für das Reinsehen und das kluge Kommentieren.
Viele liebe Grüße, Elena
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