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sleepless_lives Schall und Wahn
Administrator Alter: 58 Beiträge: 6458 Wohnort: München
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22.10.2020 22:19 Geheimes Notizbuch der phantastischen Art (aufgedeckt) von sleepless_lives
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Geheime Notizen zum Phantastisch!-Wettbewerb 2020 können als Antwort auf diesen Eröffnungsbeitrag gepostet werden. Sie bleiben unsichtbar bis zum 1. November 2020. Danach sind die dann eher ziemlich öffentlich. Wir können kein Geheimnis für uns behalten. Nicht genug Platz im Schrank.
_________________ Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)
If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright) |
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Señora Incógnita Phantom der Worte
Beiträge: 10
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22.10.2020 22:23
von Señora Incógnita
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Der obligatorische Test. Sieht mich jemand? Das Phantom ist unsichtbar oder? Sollte jemand diesen Beitrag lesen können vor dem 1. November bitte umgehend irgendwo melden.
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hobbes Tretbootliteratin & Verkaufsgenie
Moderatorin
Beiträge: 4279
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22.10.2020 22:54
von hobbes
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Ich hatte die Frage so ähnlich schon unter irgendeiner Geschichte kommentiert (ich weiß gerade nicht mehr bei welcher) - sie stellte sich mir dann allerdings auch noch anderswo.
Daher hier noch mal:
Wenn die Phantastik einer Geschichte darin besteht, die Abläufe und Gegebenheiten der realen Welt in einer phantastischen Welt abzubilden - warum?
Also: warum macht man das, wozu braucht es die phantastische Welt, was hat das für einen Mehrwert? Warum reicht die reale nicht aus?
Vielleicht ist das eine blöde Frage, denn: warum nicht? Oder vielleicht ist die Antwort auch ganz einfach: Weil es Spaß macht.
Aber ich frage mich trotzdem, warum macht man das? Warum muss es die andere Welt sein?
Ist ja nicht so, als hätten das nicht schon Leute erfolgreich umgesetzt, spontan fällt mir dazu Watership Down ein oder Farm der Tiere ein.
Wikipedia reicht mir dazu jetzt noch das Stichwort Fabel und ich denke: Joa, Fabel. Fabeln braucht es gewiss auch. Aber wie kommt man dazu, denkt sich wirklich jemand: Hey, ich schreibe jetzt eine Fabel. Wollte ich schon immer mal.
Oder passiert das eher zufällig?
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d.frank Reißwolf
D Alter: 44 Beiträge: 1122 Wohnort: berlin
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Raven1303 Klammeraffe
Alter: 41 Beiträge: 540 Wohnort: NRW
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25.10.2020 11:43
von Raven1303
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Ob das hier der richtige Platz dafür ist?
Sehr gerne würde ich nach dem Wettbewerb noch die disqualifizierte Geschichte lesen und hoffe, dass sie uns dann im Redlight gezeigt wird.
Bestimmt bitter für den Autor gewesen ...
LG
_________________ Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den Nächsten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm und ich kreise Jahrtausende lang.
Und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm? Oder ein großer Gesang... (R.M. Rilke) |
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Constantine Bücherwurm
Beiträge: 3308
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31.10.2020 14:46
von Constantine
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Dieser Wettbewerb hatte wie immer in Wettbewerben seine Eigenheiten. Eine davon machte mich wahnsinnig, kam es mir gefühlt vor, als würde jeder dritte Text mit dem Aufwachen oder dem Schlaf beginnen.
Nach Zählung komme ich auf 6 Texte (entspricht 20,7%):
Anamorphose
Blaulicht
Bürdenblau
Der leere Spiegel
Die Macht der Rose
Nie wieder Alkohol
Jeder fünfte Text. Das ist viel, um mit der Vorgabe Stille & Bewegungslosigkeit zu beginnen.
Die Statistik weiterführend:
13 Texte beginnen mit der Vorgabe Stille & Bewegungslosigkeit = 44,8 %
9 Texte begannen mit einer Verfolgungsjagd =31 %
3 Texte begannen mit einem Unfall = 10,3 %
Der Text Anamorphose beginnt mit Stille & Bewegungslosigkeit im Schlaf und die Halbköpfung wird als Unfall bezeichnet (zwei Vorgaben = 3,4%) , wobei ich die Stille & Bewegungslosigkeit erkenne, das Köpfen nicht als Unfall sehe, aber es geht nicht dabei, bei mehrfach Wahl der Vorgaben zu sagen, welche nicht eingehalten worden ist, sondern ob eine der geforderten vorkommt. Passt.
Als einziger Text hat Lux Aeterna alle drei Vorhaben umgesetzt = 3,4 %
In zwei Texten (= 6,9%) finde ich hingegen die Vorgaben (Stille&Bewegungslosigkeit/Verfolgungsjagd/Unfall) nicht:
Nimmer 11
Das Lied Aetherions
Am beliebtesten war die Vorgabe Stille & Bewegungslosigkeit. Gefühlt war hierbei am beliebtesten mit dem Aufwachen/Schlafen zu Beginn.
Vielseitiger erwiesen sich die Verfolgungsjagden unterschiedlicher Motivationen.
Am wenigsten beliebt war der Beginn der Story mit einem Unfall.
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Gast
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01.11.2020 16:51
von Gast
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<gelöscht>
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Eliane Klammeraffe
Beiträge: 829
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03.11.2020 02:33
von Eliane
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hobbes hat Folgendes geschrieben: |
Wenn die Phantastik einer Geschichte darin besteht, die Abläufe und Gegebenheiten der realen Welt in einer phantastischen Welt abzubilden - warum?
Also: warum macht man das, wozu braucht es die phantastische Welt, was hat das für einen Mehrwert? Warum reicht die reale nicht aus?
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Ganz einfach: Weil eine erfundene Welt mehr Freiheitsgrade bietet, mit den grundlegenden Emotionen, Konflikten, ... zu spielen und ihre Grenzen auszuloten. Sie kann - muss nicht! - derselben Sache mehr Facetten geben. Oder genau durch die Verfremdung dazu beitragen, dass wir eigentlich vertraute Sachverhalte klarer sehen.
Zitat: | Vielleicht ist das eine blöde Frage, denn: warum nicht? Oder vielleicht ist die Antwort auch ganz einfach: Weil es Spaß macht. |
Was ich jetzt auch nicht grundlegend verkehrt finde
Zitat: | Aber ich frage mich trotzdem, warum macht man das? Warum muss es die andere Welt sein? |
Und ich frage mich, warum ich mich beim Schreiben an dieselben Grenzen halten sollte, denen ich in der realen Welt unterworfen bin? Wozu, wenn ich sie auch überschreiten kann? Wenn ich unter anderen Grundvoraussetzungen möglicherweise ganz andere Lösungen für dieselben Probleme finden kann? Warum sollte ich dann nur um die Achse meiner eigenen Welt kreisen?
Zitat: | Ist ja nicht so, als hätten das nicht schon Leute erfolgreich umgesetzt, spontan fällt mir dazu Watership Down ein oder Farm der Tiere ein. |
Ja. Und warum spricht das dagegen, es auch zu machen? Oder anders?
Zitat: | Wikipedia reicht mir dazu jetzt noch das Stichwort Fabel und ich denke: Joa, Fabel. Fabeln braucht es gewiss auch. Aber wie kommt man dazu, denkt sich wirklich jemand: Hey, ich schreibe jetzt eine Fabel. Wollte ich schon immer mal.
Oder passiert das eher zufällig? |
Sagst Du, die Du selbst schreibst, dass das, was Du schreibst, zufällig und ungeplant entsteht?
bitte nicht als Angriff verstehen, so ist es nicht gemeint!
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Michel Bücherwurm
Alter: 52 Beiträge: 3376 Wohnort: bei Freiburg
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03.11.2020 08:42
von Michel
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Eliane, jetzt warst Du schneller als ich.
Hobbes' Frage kann ich natürlich nur für mich selbst beantworten. Und schon das fällt mir schwer, weil ich vielleicht ähnlich auf die Frage "Warum atmest du eigentlich?" reagieren würde: Ist doch klar, warum, oder?
Nun läuft man nicht blau an, wenn man keine Phantastik liest (ich vielleicht schon und BNs Avatar weist auch in die Richtung), aber für mich fühlt es sich einfach natürlich an. Das ist so gewachsen, das hat mich schon immer fasziniert.
Auf dem Basar würde ich vermutlich nicht beim Dichter stehenbleiben, sondern beim Geschichtenerzähler. Wenn es mehrere Geschichtenerzähler gäbe, stünde ich vermutlich bei dem, der die spannendere / farbigere / phantastischere Erzählung zu bieten hätte und nicht das, was ich zu Hause ohnehin erlebe.
Ich habe schon in der Schule lieber den "Berg des Unheils" oder "Blauvogel" gelesen als Geschichten über Hans, der von Bert verhauen wird, oder über erfolglose Fußballmannschaften. Kenn ich alles selbst, wozu soll ich das noch lesen? Aber die Augen schließen und über der Goldenen Stadt schweben (kommt in meinem Band 2) oder die Lorarran-Wasserfälle auf Shen besuchen (hab ich als Schüler geschrieben) oder meinem Helden durchs Wildwasser folgen (ist gerade fertig geworden): Da geht mir schlicht das Herz auf. Im Kino sitze ich auch eher in den Filmen mit phantastischen Landschaften als im französischen Beziehungsprobleme-Film.
Vielleicht, weil ich im Beruf ohnehin genug davon bekomme.
_________________ Seit 27. April im Handel: "Rond", der dritte Band der Flüchtlings-Chroniken |
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hobbes Tretbootliteratin & Verkaufsgenie
Moderatorin
Beiträge: 4279
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03.11.2020 09:16
von hobbes
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Vorneweg: Meine Frage(n) waren natürlich auch nicht als Angriff gedacht. Es ist mehr so, dass ich staunend daneben/davor stehe und mich frage: Warum tut sich das jemand an?
Was natürlich Quatsch ist, denn wie ihr ja schon geschrieben habt, tut ihr euch das nicht an, sondern es macht Spaß.
Und natürlich soll jeder das tun, was ihm Spaß macht. Irgendwer schreibt ja auch die Bücher, die mir Spaß machen
Obwohl, das kann ich jetzt auch nicht mehr sagen, dass Phantastik keinen Spaß macht, ich hatte ziemlich viel Spaß beim Lesen der Geschichten
Es läuft bei mir wohl auf die grundlegende Frage hinaus, also die, die mich interessiert, auch und gerade beim Schreiben: Warum tut das* jemand? Warum verhält der sich so?
Im Grunde also ganz ähnlich wie die Frage, die ich im Smalltalk gestellt hatte: Warum habt ihr euch gerade für diese Vorgabe(n) entschieden (also als Teilnehmer:in)? Warum Stille und kein Unfall?
Nicht, dass ich die Frage irgendwie beantworten könnte. Also abgesehen davon, dass die Antwort sofort da war, natürlich muss es die Stille sein, weil Stille das ist, was mich (mehr) interessiert.
Und vielleicht kann man das auch wirklich nicht so richtig beantworten, weil man ja selbst manchmal gar nicht so genau weiß, warum man irgendwas tut.
Genau wie bei der Frage, warum man überhaupt schreibt. Ich verweise da ja gern auf das Bergsteiger-Interview:
Interviewer: Warum steigst du auf Berge?
Bergsteiger: Weil sie da sind.
Wenn ich eure Antworten so lese, habe ich jedenfalls den Eindruck, dass die Entscheidung für Phantastik auch viel damit zu tun hat, warum man schreibt. Dieser Spaß am Verlassen der realen Welt, die Faszination an dem, was im normalen nicht möglich ist, das geht mir halt völlig ab, vielleicht, weil ich im Kino tatsächlich lieber im Beziehungsprobleme-Film sitze. Wie gehen die Menschen miteinander um, warum verhalten die sich so. Das will ich wissen, darüber will ich schreiben und wenn ich da jetzt noch (fremde) Landschaften beschreiben müsste, um Himmels willen.
Michel hat Folgendes geschrieben: | Kenn ich alles selbst, wozu soll ich das noch lesen? |
Das ist dann auch so eine Aussage, die ich mit Staunen lese. Weil mich eben genau das interessiert, das ganz normale Leben bzw. die Menschen darin und weil ich manchmal den Eindruck habe, dass ich es nie verstehen, nie kennen werde. Warum die so handeln. Wie sie es schaffen, wie sie es überhaupt aushalten, dieses ganz normale Leben. Warum sie nicht daran zugrunde gehen. Oder auch: wie sie daran zugrunde gehen.
* was auch immer
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Westmonster Wortedrechsler
Beiträge: 94
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03.11.2020 09:54
von Westmonster
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Raven1303 hat Folgendes geschrieben: | Sehr gerne würde ich nach dem Wettbewerb noch die disqualifizierte Geschichte lesen und hoffe, dass sie uns dann im Redlight gezeigt wird.
Bestimmt bitter für den Autor gewesen ... |
Oh ja, ich auch!
Ich hatte direkt den gleichen Gedanken und war froh, dass ich so brav geschrieben hatte.
_________________ Many Things in Life will Catch your Eye.
Only a few will Catch your Heart.
Pursue Those. |
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Westmonster Wortedrechsler
Beiträge: 94
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03.11.2020 09:56
von Westmonster
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d.frank hat Folgendes geschrieben: | Ideenfeuerwerk [...] einschränken |
Feinfein, noch ein schönes Exemplar für meine Oxymoron-Sammlung... eher ein Exot, aber ich nehme es trotzdem mit. [hier Smilie einfügen, der sich lüstern die Hände reibt]
_________________ Many Things in Life will Catch your Eye.
Only a few will Catch your Heart.
Pursue Those. |
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anderswolf Reißwolf
Beiträge: 1069
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03.11.2020 11:56
von anderswolf
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hobbes hat Folgendes geschrieben: | Wenn ich eure Antworten so lese, habe ich jedenfalls den Eindruck, dass die Entscheidung für Phantastik auch viel damit zu tun hat, warum man schreibt. |
Und davor oder darüber hinaus natürlich auch, was man liest (und auch da: warum). Ich lese gerne Phantastisches, ich bin damit aufgewachsen. Für mich stand da ganz klar ein Eskapismus im Vordergrund. Mittlerweile kann ich reine Fantasy kaum noch lesen, dazu habe ich zu viele selbstgebastelte Welten mit zu vielen selbstgebastelten Namen ertragen. Aber Bücher wie die von Matt Ruff sind in ihrer leichten Gesellschaftsverzerrung durch einen halbphantastischen Spiegel auch Reflexionen über die Welt, in der wir leben. Und der Umstand, dass es sich um Phantastik handelt, macht selbst übelste Szenarien erträglich, weil man weiß, so weit wird es ja nun mal nicht kommen. Anders als beim "Report der Magd", den ich aus (speziell) heutiger Sicht mal lieber nicht gelesen hätte.
Als ich meinen Eltern mit 13 gesagt habe, ich wolle Phantastisches nicht nur lesen, sondern auch schreiben, hat mir mein Vater eine ganz andere Perspektive darauf gegeben. Er meinte, das sei ja kein Wunder, Phantastik sei immerhin sehr viel einfacher zu schreiben als richtige Literatur oder - sein Lieblingsgenre - Sachbücher. Man müsse sich ja einfach nur alles ausdenken statt ordentlich zu recherchieren
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Rübenach Exposéadler
R
Beiträge: 2837
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R 03.11.2020 13:19
von Rübenach
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hobbes hat Folgendes geschrieben: |
Wenn die Phantastik einer Geschichte darin besteht, die Abläufe und Gegebenheiten der realen Welt in einer phantastischen Welt abzubilden - warum?
Also: warum macht man das, wozu braucht es die phantastische Welt, was hat das für einen Mehrwert? Warum reicht die reale nicht aus? |
Und was, wenn diese Prämisse falsch ist?
Zitat: | Einem von Caillois und anderen Theoretikern vertretenen Ansatz zufolge handelt phantastische Literatur vom Einbruch des Fremden in eine Welt, die nur vermeintlich vertraut ist, von der Erfahrung der Präsenz des Unbegreiflichen und darum Verstörenden. Etwas zu begreifen heißt, es sich anzueignen, in Eigenes zu verwandeln. Sobald etwas begriffen ist, wird es vertraut. Fremd ist die Welt dann, wenn sie nicht ‘begriffen’, nicht mit Begriffen erfaßt ist. Dieses Befremden auf intellektueller Ebene kann als Kernthema und zugleich als ein Haupteffekt phantastischer Literatur gelten. Mit dem Zusammenbruch des Vertrauens in die Durchschaubarkeit der Welt am Ende der Aufklärung wird der Mensch zum hilflosen Beobachter unauflösbarer Rätsel; eines dieser Rätsel ist er selbst. Phantastische Literatur ist eine Reaktion auf das Befremden angesichts der Welt und angesichts des eigenen Ichs. Autoren phantastischer Texte suchen nach Chiffren und Modellen, um die Erfahrung des Fremden zu vermitteln. Gerade angesichts moderner Kontingenzerfahrung gewinnt das Erzählen von Geschichten an Bedeutung. Es wird zum |
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