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Teil 37 Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser


 
 
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teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag13.07.2008 14:30
Teil 37 Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Um die Umsätze weiter anzukurbeln, beteiligten wir unsere Mitarbeiter am Erfolg des Geschäftes. Sie bekamen nun Provision auf den Umsatz in ihrer Arbeitszeit und erhielten damit die Möglichkeit durch eigene Arbeit und Engagement den Geldbeutel etwas aufzufüllen.
Diese Maßnahme war für alle noch ungewohnt, doch schon bald vermerkten wir einen deutlichen Anstieg der Einnahmen.



Wir stellten eine neue Mitarbeiterin ein, Heri. Sie kam nur am Wochenende und entlastete unsere Mädels. Nach den ersten zwei Sonntagen kam ihr Mann und bat um ein Gespräch. Er war Belgier, nuschelte und sein Deutsch konnte ich kaum verstehen. Ein kleiner älterer Mann, seine Augen und Nase, das ganze Gesicht erinnerte mich an einen "Kasperl" aus einem Puppenspiel. Er stellte sich vor und sagte uns, wir sollen aufpassen, denn wir werden betrogen, von unseren Mädchen. Sie rechnen falsch ab, nehmen dem Kunden den richtigen Betrag ab, aber schreiben andere Angaben auf und das Das Geld fließt zum Teil nicht in die Kasse sondern in die Tasche der Mädchen. Besonders Rosalie sei auffällig. Er wollte nicht, dass seine Frau von den Mädchen gemobbt wird. Sie traute sich nicht, es mir zu sagen.
Damit hatten wir nicht gerechnet. Wir diskutierten und waren uns einig, wir müssen der Sache nachgehen und überprüfen, ob es der Wahrheit entspricht.
Da wir verschiedene Tarife hatten, nutzte ein Computerprogramm sehr wenig, denn die "Schwachstelle" lag darin, ob sie einen Normaltarif als Studententarif eingaben und die Differenz in die eigene Tasche steckten, einen Kunden gar nicht oder „privat“ abrechneten. Ein Computerprogramm kann nicht unterscheiden welcher Tarif der Richtige für den Kunden ist.

Nun gewarnt, saßen wir im Kundenraum und schrieben die Zeiten und Kunden heimlich auf. Wir protokollierten drei Tage mit.
Das Ergebnis war erschreckend. Einerseits auf den Monat gerechnet, ergab sich ein sehr einträglicher Nebenverdienst für die Mädchen, andererseits ein erheblicher Verlust für uns.
Wir rätselten, wie wir die Stromrechnung und die Miete bezahlen und die Girls lachten über ein nettes "Zubrot".
Wir konnten aber nicht ganz auf sie verzichten. Es war nicht leicht, kurzfristig Angestellte zu finden, die englisch sprechen und entsprechende Vorkenntnisse besaßen.
Heri wurde krank. Nun verblieben uns noch Gastelle, Vero und Rosali. Vero war außen vor. Sie griff nicht in die Kasse. Sie rechnete exakt ab. Rosalie griff unverschämt zu, Gastelle wenig, aber regelmäßig.
Wir baten beide zum Gespräch und sagten den beiden diebischen Elstern, dass diejenige, die in der kommenden Woche besser arbeitet, bleiben kann, wir geben ihnen eine Chance.
Mit dieser Maßnahme wollten wir Zeit gewinnen, um uns nach anderem Personal umzusehen. Allerdings stellten wir die Organisation sofort um. Es ging kein Bargeld mehr durch die Hände der Mädchen.
Nun mussten wir allerdings selbst Dienst schieben und konnten keine Minute mehr das Internetcafe verlassen. Einer musste immer da sein.



Es gab hier Madagassen, die ihre Angestellten im Laden einschlossen, während sie Besorgungen machten. Und wenn die Angestellten dann gingen, war die Taschenkontrolle eine Selbstverständlichkeit.
Als wir von dem Vorfall bei Bekannten berichteten, hörten wir überall: „Oh Gott, bloß kein Geld und keine Kasse den Madagassen überlassen.“ Hm, das konnte doch nicht die Regel sein.
Ein anderer erzählte uns, dass er weiß, dass in seinem Geschäft täglich gestohlen wird, aber er habe keine Zeit zur Kontrolle. Er habe noch einen Nebenerwerb und der würde das wieder ausgleichen. Diese Aussagen stimmten uns nachdenklich.

Die menschliche Enttäuschung war größer, als der Ärger um den Verlust der Einnahmen. Ich mag kein Misstrauen und Zweifel.
Während Gastelle sofort die Wende um 180° hinlegte, mit guten Leistungen glänzte, kehrt Rosalie ihre schnippische Art hervor. Sie wurde entlassen. Mit ihrer Schwester Christin kam sie noch einmal wieder und begann eine wilde Schreierei im Geschäft. Erst als ich mit der Polizei drohte, gingen sie endlich.
Da ich von Gunter wusste, dass Christin an Thoumbasitzungen teilnahm, war mein nächster Gang zum Schamanen, um Schutz zu bitten.
Bei Thoumbasitzungen werden die Toten angerufen und ich wollte den Wirkungen ihrer Verwünschungen vorbeugen.
Seltsamer Weise war Heri seit der Entlassung Rosalies schwer erkrankt. Sie wurde nach Tana in eine Klinik geflogen. Keiner konnte sagen, was sie hat. Ihr Mann kam und holte den restlichen Lohn. Ich riet ihm, mit ihr den Schamanen aufzusuchen, denn der zeitliche Zusammenhang zu den Ereignissen im Internetcafe mit Rosalie, war zu deutlich.
Er befolgte meinen Rat und zwei Wochen später war Heri auf dem Wege der Genesung.
Der Auftritt von Christin und Rosalie war sehr ungewöhnlich, denn das Aggressionspotential war in Madagascar sehr gering. Ich hörte zwar Schauermärchen über Ereignisse in Tana und Tamatave, jedoch waren selbst diese Berichte nicht vergleichbar mit der "normalen" Kriminalität und Aggression im deutschen Alltag.

Hier war es undenkbar, dass eine Rauferei in einer Gaststätte entsteht, weil jemand einen anderen Gast anrempelt oder dass jemand ohne Grund zusammengeschlagen oder abgestochen wird.
Ja Streitigkeiten zwischen Mann und Frau auf der Straße waren ein Ereignis, das die Umstehenden gern neugierig und lachend verfolgten, denn dies würde in den nächsten Tagen Stadtgespräch sein.
Auch im Straßenverkehr gab es selten aggressive Fahrweisen oder Verhalten, das auf Aggressionen schließen ließen. Nein, es ist keine Insel der Glückseligen, aber vielleicht die Insel, der Lachenden.
Während des Regierungswechsels 2002 kam es zu einer Blockade in Majunga, die mit einem einzigen Schuss beendet wurde. Ein Armeegeschütz feuerte einen einzigen Schuss über die Köpfe der Ratsiraka-Anhänger ab, so wurde berichtet. Und die Soldaten ergriffen die Flucht. Es gab hier keine Untergrundbewegung, keine Rebellen.
Fanja berichtete mir, dass in der Zeit des Regierungswechsel 2002, der "Krise", das ganze Land morgens um 9.00 Uhr gebetet hat, es möge nicht zum Bürgerkrieg kommen. Einem Krieg, in dem der Vater die Waffe auf den eigenen Sohn richtet. In allen Kirchen, Institutionen, öffentlichen Gebäuden, Schulen, Firmen, ja selbst in den Häusern und Hütten wurde zur gleichen Zeit gebetet.
Es kam damals zu Demonstrationen auf der Rue d’ Independance in Tana, die blutig vom damaligen Regierungsoberhaupt beendet wurden. Man schoss wahllos in die Menge. Es gab viele Tote. Solche Vorkommnisse wären vielleicht in einem anderen Land, Anlass zu einem Bürgerkrieg gewesen. Nicht so in Madagascar.
Das erinnerte mich an eine Parole aus den 80-er Jahren: „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ In Madagascar könnte man sagen: „Stell dir vor, es ist Krieg und alle gehen heim.“



Da die Kunden immer wieder lange auf einen freien Platz warteten, aber andererseits unsere Einnahmen nicht ausreichten, kauften wir einen Rechner hier vor Ort und konnten nun wieder 6 Rechner anbieten.
Sebastian bastelte aus Svens Uraltrechnern einen brauchbaren zusammen, der sehr verbeult und ramponiert aus sah, aber als "Sven1" auf seine alten Tage gute Dienste leistete.

Allianz Francais war eine Einrichtung, die Weiterbildung und eine Bibliothek in Majunga betrieb.
Dort wurden Kurse für Aus- und Weiterbildung angeboten. Das Haus stand direkt an der Uferpromenade und hatte eine wunderschöne große Terrasse.
Dazu muss man sagen, dass die Uferpromenade eine vergleichbare Lage hat wie der Kudamm in Berlin. Jeder der Majunga besucht, flaniert auch diese Strasse entlang. Zudem war an der Uferpromenade nur ein Restaurant zu finden, das von 12-14 Uhr und von 19-22 Uhr geöffnet hatte.
Immer wenn ich am Gebäude der Allianz Francaise vorbei ging und das war fast täglich, dachte ich mir, das wäre eine tolle Lage. Aber dieser Gedanke war aussichtslos, denn man konnte sich nicht in einem öffentlichen Gebäude ein mieten.
Als eines Tages der Direktor von Allianz Francaise zu uns kam und erzählte, dass es eine Ausschreibung gibt, an der wir uns beteiligen können, war es für uns keine Frage. Die Einrichtung wollte einen Raum vermieten werden, in dem ein Internetcafe eröffnen soll, außerdem sollte die Terrasse bewirtschaftet werden. Alles zusammen zu einem günstigen Preis.
Ich entwarf ein Konzept: Internetcafe in dem kleinen Raum, Eiscafe tagsüber auf der Terrasse und abends eine Sport- und Musikbar. Sportveranstaltungen auf einer Großbildleinwand live übertragen oder aber Musikkonzerte. Und dies alles in gehobenem Ambiente zu vertretbaren Preisen, das sollte es sein.
Ich erstellte eine Fotomontage, aus Fotos, vom jetzigen Zustand und wie es eingerichtet aussehen könnte. Wir gaben unser Konzept ab. Es beeindruckte die Mitarbeiter dort. Ein Gremium wird später die Entscheidung endgültig fällen.
Ich hoffte und glaubte, dass sich auch die Finanzierung eines solchen Projektes bis dahin regeln würde.
Alles kommt zur rechten Zeit.

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Fotos privat
Aus rechtlichen Gründen: alles frei erfunden...



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