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Das Geständnis


 
 
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Ralfchen
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 76
Beiträge: 375



Beitrag13.09.2020 01:20
Das Geständnis
von Ralfchen
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Das Geständnis I


Wie es dazu kommt mein Geständnis gerade hier abzulegen, ist eine amüsante Sache:

Da ich weder schreiben - und auch körperlich dazu nicht in der Lage bin und auf Grund von mehreren schweren Missbildungen - auch nicht sprechen kann, sind mir herkömmliche Wege und Methoden der Kommunikation verschlossen. Sie sind mir: unmöglich. Ich bin - für den phantasiebegabten Leser am ehesten noch vergleichbar mit einem tiefen Brunnen, mit glatten Wänden, an denen es für den Seelenden kein Emporkommen gibt. Ich bleibe also hier unten in der Dunkelheit meines Selbst, aber nur was dieses und jenes betrifft, dass für euch dort oben zur Selbstverständlichkeit geworden ist. (ohne dass ihr diese Privilegien überhaupt wahrnehmt oder jemals wahrgenommen habt.)

Damit diese Zeilen überhaupt zustande kommen, musste ich mir etwas Besonderes einfallen lassen. Und das ist mir nach einiger – besser gesagt – geraumer Zeit gelungen. Man kann davon ausgehen, dass einem Wesen wie mir - nach jahrzehntelangen Selbstgesprächen - einige ausgefallene Ideen durch den Kopf gehen. Nur: die meisten meiner Gedanken sollten besser in meinem dunklen Seelen-Brunnen bleiben, weil: sie würden euch dort oben nur aus der Ruhe bringen. Würden euch in – lasst mich mal sagen – Panik versetzten, euch alle zu einem der wenigen Ausgänge eurer bescheuerten Psychen laufen lassen, (wie das Publikum in einem brennenden Theater).

Leider kann ich nicht sichtbar lachen, weil meine Gesichtszüge derart entstellt sind, dass mir keinerlei grimmassive Regung möglich ist, aber innerlich schreie - nein brülle - ich quietschvergnügt bei dem Gedanken wie ihr, einer über den andern schreiend, eure Angst herausurinierend, um euer Leben zum Ausgang stolpern würdet. Die hinter euch würden euch rücksichtslos zu Tode trampeln, denn wenn man dem Tod entrinnen will, spielt der Tod des Vordermannes oder der Vorderfrau nicht die geringste Rolle. Ja, und ihr tut das auch in meiner Phantasie: trampelt euch gegenseitig zu Tode und: ich lache über diesen Anblick hier unten in meinem Brunnen, ich schlage mir auf die Schenkel. Bildlich gesprochen, denn meine Ärmchen wären zu kurz, mit ihnen könnte ich mir gerade auf die Brust schlagen, wie winziger King Kong. Oh weh - jetzt bin ich ein wenig erschöpft, ich ermatte leider sehr schnell und dieses innere Lachen, man würde es nicht glauben, es entkräftet ungemein.

Ich atme schnell ein paar Mal durch, sauge die Brunnenluft in den einen Lungenflügel, den ich habe und unterlasse es, mir auf die Brust zu schlagen – denn: ich würde es vielleicht nicht überleben. Wie ich schon Eingangs sagte, ich ließ mir etwas Besonders einfallen für meine Kommunikation, für mein Geständnis. Nämlich das, dass ich mir zuallererst ein Medium suchen würde. Ein Opfer eher noch, das ich als Werkzeug und Sprachrohr - wenn sie so wollen, benützen kann. Auf Grund der Fähigkeiten, die ich hier tief unten in meinem Brunnen hegen und pflegen durfte, ist mir das ein Leichtes. Ich zögerte es immer wieder hinaus, denn man muss mit dieser Gabe vorsichtig umgehen. Das Opfer darf nichts bemerken, Misstrauen ist schnell auf den Barrikaden, wenn man sich zu hurtig im Opfer umtut. Das richtige Opfer zu finden, ist eine Sache an und für sich, wie Aristoteles sagen würde. Wie ich bei meiner Suche zur Sache vorging, soll hier nicht näher erläutert werden, weil ich nicht will, dass meine Methode Schule macht. Und Sie dürfen nicht vergessen: es geht um mich und mein Geständnis und nicht um meine kleinen Geheimnisse. Ich bin nun schon seit geraumer Zeit in meinem Opfer und es, respektive er hat noch – noch – keinen Verdacht geschöpft. Dabei wollen wir es auch bewenden lassen, sonst käme womöglich nur ein Teil meines Geständnisses ans Tageslicht. Ja, zu meinem Opfer: der Typ nennt sich Ralf und noch etwas; er hat sich ein Anagram für seinem wahren Namen gewählt und tummelt sich damit durch diverse Foren. Beifall heischend für den Schmarren, den er verzapft. Ein komplexschleppender Hirnuch, ja so nenne ich Wichser wie ihn. Ab und zu lege ich ein gutes Wort für ihn ein, lege es ihm in sein hechelndes Maul und er kommt sich dann gut – oder sagen wir besser vor. Ich bin es, der in seiner Sublimousine nach Herzenslust kreuz und quer fährt, seine Träume steuert und sich krumm lacht, wie sich jemand, der krumm von Geburt ist, eben krumm lachen kann. Und er bemerkt es nicht und ich randaliere manchmal ganz schön in seinen Erinnerungen; hätte manchmal Lust da ein wenig Verwirrung zu stiften, tu es aber nicht, weil ich den Zerebralkastraten noch einige Zeit verwenden will. Besonders lustig finde ich seine, an den Haaren herangezogenen Melodien und Filmfragmente, mit welchen er Eindrücke, die er nicht literarisch vermitteln kann, substituiert. Ein Clown. Ich höre nur eine Melodie in seinem Sub und die ist echt gut: „ Ein Männlein steht im Walde “, in einem Arrangement von Tricky*). Wenn man zum allerersten mal zu Wort kommt, wie ich gerade jetzt, verplaudert man sich schnell mal und ich bin für heute schon zu erschöpft, kann nicht mehr. Mein einziges Augenlid ist schwer das Auge wässrig. Ich lasse die Missgeburt für eine Weile wieder ihn selbst sein, begebe mich zu pechschwarzer Ruhe.

Ich bin ein Geschöpf der Finsterei, der Dunkelung - wenn ich das so sagen darf: ich bin: Motterle.

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hans1
Wortedrechsler
H


Beiträge: 62



H
Beitrag20.09.2020 20:11

von hans1
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schwierig schwierig schwierig. was mir fehlt : wer ist das monstrum, warum ist es wie es ist.
was ist motterle? eine motte?
wo geht es hin mit dem gestaendnis?
bis jetzt ist es ja nur eine ankuendigung.
fliessend geschrieben, keine frage. aber inhaltlich mir unbefriedigend. sorry.
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CIPO86
Geschlecht:weiblichLeseratte
C

Alter: 37
Beiträge: 183



C
Beitrag20.09.2020 20:45

von CIPO86
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Motterle scheint mir „Motte“ zu sein, und das eine Anspielung auf den Rohrschach-Test.
Den Text interpretiere ich als Darstellung eine Art „Besessenheit“, aber im Sinne davon, dass derjenige, der vom Monstrum besessen ist, sich selbst fremd ist, und sich bestimmten seelischen Anteilen nicht bewusst ist, von denen er aber gesteuert wird.
Kann aber auch völlig daneben liegen.

Wirklich gut geschrieben finde ich den Text jetzt nicht. Vielleicht trifft er aber auch einfach nur nicht meinen Geschmack.
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Raven1303
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 41
Beiträge: 540
Wohnort: NRW


Beitrag20.09.2020 21:55

von Raven1303
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Ich kann mich meinen Vorgängern nicht anschließen.

Ich finde deinen Text richtig, richtig gut!
Deine Formulierungen gefallen mir. Du hast einen eigenwilligen Stil, der aber gut zum Text passt, finde ich.
Er ist toll düster und macht sehr neugierig. Mich zumindest.
Könnte gut der Prolog zu einem Psychohorrorroman sein, den ich mir kaufen würde.
Was Motterle ist, das weiß ich auch noch nicht. Aber ich hoffe, du stellst demnächst eine Fortsetzung ein! Dann werden wir es wohl erfahren.
(Ich höre ihn schon da unten in seinem Brunnen lachen ...)


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Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den Nächsten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm und ich kreise Jahrtausende lang.
Und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm? Oder ein großer Gesang... (R.M. Rilke)
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Ralfchen
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 76
Beiträge: 375



Beitrag20.09.2020 23:22

von Ralfchen
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Liebe Foren Freunde –

Die Fortsetzungen folgen in Kürze

Mit besten Grüßen euer R


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Ralfchen
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 76
Beiträge: 375



Beitrag26.11.2020 00:28
Das Geständnis II
von Ralfchen
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Das Geständnis II


Nun ja, ich würde mit und ohne eurer Zustimmung meinen: jedes Sächlein zu seiner Zeit. Es gibt eine Zeit des Lachens und eine Zeit der Tränen. Jetzt ist die Zeit der Tränen. Nicht die meiner Tränen, wenn das jemand - irrend - vermuten sollte. Oh nein, es geht um eure Tränen. Ich möchte eure satten Seelen feucht machen, nicht mit reptilen Augenwässerchen, nein, mit dem wirklichen Stoff aus dem das Weh gemacht wird. Die echte Qualität, nicht der schale Ersatz, der euch an jeder Ecke und aus jedem Lügenbildwerfer dutzendweise anwimmert. Auch ich werde Tränen vergießen, es werden Lachtränen über euer Entsetzen sein, jedoch nicht in der guten Absicht, damit die Feuersbrunst dieses Entsetzens zu löschen.

Nein, den dunklen Eimer meiner Belustigung, werde ich mit ihnen überreich füllen. Mein Auge ist ausgeweint, was Schmerz, Trauer und lächerliches Selbstmitleid betrifft. Wer so ist wie ich, macht nur kurz halt, in der Station „zum Selbstmitleid“. Das Vehikel in die Abgründe stoppt nur gezwungener Massen dort, auf der letzten luftigen Anhöhe, wo Wolken noch freundlich den blauen Äther streicheln. Meine Seele ist eine wüste Landschaft und war es von Anfang an, wie ich euch noch eindringlicher und ausführlicher gestehen werde. Es geht gar wüst zu in ihr, ja das tut es. Ihr wisst nicht was es heißt, als eine zur Verkrüppelung verdammte Seele in einem verkrüppelten Körper eingekerkert zu sein. In diesem tiefen Brunnen, mit glatten Wänden zu schmachten. Sich zu sehnen nach Helle, einem freundlichen Wort, einer Berührung. Nichts dergleichen wisst ihr und ich bin euch böse deswegen, weil ihr ignorante selbstgefällige heuchelnde Verzweifler an euch selbst seid. Ich spüre immer noch die Absätze euresgleichen, die sich auf mir zerquetschend drehen. Aber ich wuchs unter diesen Absätzen, weil sie irgendwann abgetreten waren, abgestumpft an der wüsten Schärfe meiner Resistenz. Und merkt euch ihr toupet-tragenden Arroganzen: dafür gibt es keinen Schuster, außer ihr wollt Absätze auf eure nackten Fersen genagelt. Dafür wäre ich sehr wohl zuständig, der Motterle, für Fleisch das bar jeglichen schützenden Leders ist und Blut, das honigsüß schmeckt und mir mundet. Und mich an eurem Blut zu laben, wäre gar passend, sozusagen die Krönung meines Ausfluges an die Überwelt. Es geht mir übrigens vorzüglich in diesem Seelennest, in dem ich wie ein Kuckuck meinen messerscharfen Flaum behutsam ausgebreitet habe. Der Typ merkt nichts, rein gar nichts, was auch damit zu tun hat, dass ich feinstes Seelenspitzengefühl entwickelt habe. Ich bin gut vorbereitet, denn man sagt: gründliche Vorbereitung ist die halbe Tat. Danach muss man sie nur mehr vollbringen, exekutieren, wenn irgendwer das so bezeichnen will. Ich spüre eine gewisse Nervosität in ihm, er ist unsicher, hatte seine lächerlichen Siege bisweilen immer leicht errungen. Menschen manipuliert, zu seinem Vorteil hin und her geschoben, wie billige Figuren auf einem Brett, ohne Regeln. Ich hasse ihn dafür, hab mir seine Seele auch nur deswegen ausgesucht, um seine Demut am Rande der Sache wie einen kleinen Pokal einzuheimsen. Er ist so ein Bold, wie er sein Gesabber in diesem Forum platziert, heischt winselnd nach Beifall und sieht sich seit gestern von einem Moment zum anderen als Verlierer. Der Imperator gibt ihm den verkrüppelten Daumen nach unten, er liegt im Staub der lärmenden Arena, mit den Absätzen der Genies auf seiner eingefallenen Brust, die da warten, mit brillanten Gedankenschwertern, um auszuholen zum vernichtenden Hieb. Nicht einen Daumen, nein mehrere, weil er mehrere Tode sterben soll, was ich köstlich finde. Eitler selbstgefälliger Lacke. Endlich wird die Lächerlichkeit seines strukturlosen Geschreibsels schonungslos zum stinkenden Abfall dessen gesteckt, zu dem es gehört. Jetzt ist er umzingelt von brillanten Rechtschreiberinnen, süffisanten Denkern, talentierten aufgehenden Sternen eines lyrisch poetischen Morgenlandes. Sehr bald wird er bemerken, dass er sich auf Geleisen bewegt, an deren Rändern das Unkraut zusehends immer höher wird, bis am bitteren Ende gar keine Geleise mehr sichtbar sein werden. Das wird auch das Ende seiner Seele sein, beschleunigt noch dazu, durch das Gift, welches er nun täglich zu sich nimmt, dieses verfluchte Seelen-Manuskript. Ich verwünsche es, weil es mein Nest in seiner Seele unnötig gefährdet, es das gierige Machwerk eines Sehenden ist; Sehende sind der Horror für die allgemeine Bosheit und Geschöpfe wie mich. Ich muss mich beeilen mit meinem Geständnis, er darf nicht zu früh aus meinen Krallen in die Dunkelheit versinken, mein Ralf.

Das Entsetzen begann bei meiner Geburt: Niemand konnte auch nur im Traum ahnen, dass ich von der ersten Sekunde an ein bewusstes Wesen sein könnte. Wenngleich ohne die charakteristische Resemblenz von etwas Menschlichem, dennoch mit den klaren Sinnen und scharfen Instinkten eines Raubtieres. Also, sah ich zu allererst das Entsetzen im Gesicht der Hebamme, dieser doppelzüngigen Hure, die noch ein Stunde vor meiner Geburt, ein ungeborenes Wesen in die Hölle gekratzt hatte. Sie wickelte mich ungesäubert in ein grobes Tuch und flüsterte meiner Mutter zu: „Wir sollten es töten, es ist unwertes Leben.“ Unbestreitbar ein guter Beginn. Ich wusste eines: wie immer es jetzt weitergeht, mit ihr werde ich irgendwann einmal abrechnen. Meine Mutter traf die Entscheidung, mich am Leben zu lassen. Typisch Mutter: sie sah nur das Geschäft, dass man mit meinesgleichen auf einem Jahrmarkt machen könnte. Sie sagte es nicht. Aber sie dachte es. Ihre Gedanken waren verschwommen durch die ersten Tränen in meinem Auge, wie auf einer tiefschwarzen Tafel zu lesen. Ich bin müde.

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Ralfchen
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Beitrag29.12.2020 22:17
Das Geständnis III
von Ralfchen
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Das Geständnis III

Der Typ ist mühsam, nie hätte ich erwartet, dass ich es einmal in der Seele eines Verdammten so schwer haben würde. Er schläft lang, zeigt seit zwei Tagen keine Lust am Schreiben und tummelt sich neugierig in den diversen Postings; liest Geschichten und verhurt so seine Zeit in diesem Forum. Seine Träume sind jetzt abwechslungsreicher, aber davon habe ich nichts, denn die grellen Lichtlein der Inquisitionslaternen sind immer an und ich bin ungeduldig, will reden. In anderen Seelen war es leichter, da ich mit ihnen kurzen Prozess machte und nicht so sorgfältig mit dem darin herumlungernden Ich des Opfers hantieren musste. Ritsch-ratsch, machte ich meist und zog die Gardinen flugs runter. Was für ein Vergnügen: es gibt nichts Amüsanteres, als das Verdampfen einer Seele - die nicht weiß wie ihr geschieht - gehirnhautnah zu erleben. Es ist wie ein Rausch; man will vor dem Ende noch darin herumplanschen. Seelen sind weich und widerstandslos, so als ob man mit dem Löffel in einen Pudding hackt. Sie wabbeln noch ein bisschen und wenn das, was sie zusammenhielt platzt, rinnen sie über den glatten Tellerrand der Physe.

Gedanken irren hin und her, wie verscheuchte Ameisen, in deren Haufen man heiß hinein gepinkelt hat. Erinnerungen verlöschen, da es kein Blut mehr gibt, um sie zu wärmen und noch ein wenig lebendig zu erhalten. Aber wie schon gesagt, das Vergnügen ist kurz, sie entbleichen und schnell hat man nichts mehr; so als würde man wie eine Zecke, in einer leeren Blutkonserve, nach den letzten schleimigen Resten suchen, die noch in Falten und Rändern kleben. Ich lecke die Seelen aus, sie schmecken unlauter, weil es etwas Verbotenes ist, sich am kollektiven Gut der Menschheit zu delektierten. An diesem entschwindenden Restchen, des anteiligen Psychoplasmas. Da könnte ich noch einiges erzählen, könnte gar manch entsetzte, unausgesprochene Frage beantworten. Aber die meisten unter euch sind es nicht wert, wollen mein Geständnis gar nicht lesen, scheuen die Tränen. Gut, ich habe es bemerkt, fühle, welch sabbernde Speicheltierchen hier ängsteln. Ja, mein Gift ist bitterster Trunk; man kann mein Geständnis nicht lesen, beiseite legen und so tun als wäre nichts daraus erfahren worden. Aber was soll es? Ich bin es gewöhnt mit Jammerseelen umzugehen und es genügt, wenn nur eine handvoll meine köstlich gemixten Toxereien, über ihre Gedankenzungen träufeln. Schütteln aber nicht umrühren; so muss man Untugenden auf dem Tablett aus abgelaufenen Seelen kredenzen. 

Jetzt ist er soweit, ich habe ihn aufgewärmt meinen Ralf, wie einen Motor der zu lange in der bequemen Kühle von Nebensächlichkeiten, wie euren plumpen Anmacherein herumlungert. Irgendwann einmal, wenn es meine Lust gebiert, werde ich euch sagen was die Seele ist; wo genau sie sich im ich versteckt hält. Aber nicht jetzt. Ich will euch aufgegeilt, ihr farblosen Nager, die ihr mit skorbuten Zahnfleisch und wackligen Zahnwerk zögert, am harten Korn der Wahrheit zu nagen. Werde euch - vielleicht – irgendwann über Thanatos erzählen, was danach kommt, wenn die Seele kleiner als die planksche Zahl ist! Ja, ich kenne das Wort, das alle Worte bedeutet. Aber: ihr müsst es ehrlich verdienen, „Es“ zu lesen. Eure Sehnsucht danach, ihr Tünker, muss so heiß flämmeln, dass sie zischend, Löcher in die arteriellen Zuflüsse eurer verfetteten Herzen brennt.

Ich darf, um es für euch vergnüglicher zu machen, noch einmal ausholen, zurück in Mutters dampfende Fruchtblase schwenken, die ich für einige Zeit mit meinem süßen Zwillingsschwesterchen teilen durfte. Ich hatte ihr Geschlecht früh erkannt, da ich einen angeborenen Blick für diesartiges habe und unverzüglich begonnen es mit ihr pränatal zu treiben. Habe diese süße, wachsende Ritze, keuschlos berührt und muss euch sagen: Sex ist am schönsten mit dem allernächsten Blut, wenn gar auch niemand einen beim Akt überraschen kann, wie eben im Mutterleib. Mein Äuglein nahm alles wahr, weil ich mehr aus dem Licht machen kann, als ihr. Ich bin nokturn, ein Jägerlein der Nacht. Durch Mütterchens Bauchfell drang oft ein wenig Licht; dieses romantische rosarote, das unsereiner bevorzugt, um die erotische Stimmung anzuheizen. Mutter hatte es bis zuletzt getrieben, hatte ihren Körper - gefahrlos für Empfängnis – wahllos jedem Freier feilgeboten, und somit war sie meist nackt und das oft brutale Eindringend ihrer Böcke, entfachte meine Stimmung noch zusätzlich. Es war eine Art von Sex, der mich da formte, wie ihr ihn nie erleben werdet. Er modellierte meine Präferenzen und machte aus mir, was ich heute bin: Motterle, der im Besitz des Wissens um die Dinge an und für sich ist; der vor Strafe und Hölle keine Angst mehr haben muss und gewissenlos jede Tat begeht, weil dieses Wissen die Loslassung von jeglichen moralischen Werten bedeutet. 

Schon bald hatte ich genug von Schwesterchen, war ihrer leblosen Lebhaftigkeit überdrüssig, außerdem war in dieser triefenden Sündenblase, nicht mehr genügend Platz für zwei. So wurde ich sie los, mit einem winzigen Schnappen der beiden Zähnchen, mit welchen mich eine übereifrige Evolution frühzeitig ausgestattet hatte. Habe Schwesterchen sozusagen abortivieren lassen. War die alte Hure von Hebamme, die sie haarscharf an mir vorbei, wegkratzte. Später - viel später - hat sich Schwesterchen dafür an mir gerächt. Doch davon ein andermal. 

Ab jetzt war Meinzeit, ich war da, blitzblanker Horror in Gestalt und Geist (letzteres ahnte niemand), wie man ihn sich selbst in den abhorrendsten Phantasien nur schwer hätte ausmalen können.

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