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Prosagonistin Wortedrechsler
Alter: 50 Beiträge: 89 Wohnort: Settingshausen
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26.08.2020 15:48
von Prosagonistin
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Hallo!
Hach, schön, ich steig auch noch mit ein in die Diskussion über U und E.
Ich lese ja gerade die Infantin trägt etc. von Helene Adler. Steht auf der Longlist und ist meiner Meinung nach eindeutiges E (wobei ich das Cover nicht so ganz passig fand... ).
Aber das nur nebenbei. Mich treibt ja eher die Frage um, welche Art von E-Lit denn überhaupt den Weg in die Veröffentlichung findet. Ich denke nämlich, dass es für (veröffentlichtes und vielleicht sogar gefeiertes) E nämlich durchaus einige Kriterien gibt, die eingehalten werden müssen, um überhaupt den Weg zwischen zwei Buchdeckel zu finden. Es wird ja immer gesagt, dass es eben keine festen Regeln für E gibt. Aber ich denke, dass das E, was veröffentlicht wird, eben durchaus eine Art massentaugliches E ist, was nach bestimmten Regeln spielt (die mir leider nicht bekannt sind... ). Was denkt ihr darüber?
Prosagonistin
_________________ "Eat & Chill" - Kurzgeschichte (Anthologie im Storia Verlag)
"Der Frühling neigt sich dem Sommer zu" - Gewinnertext des Monats August 2020 (Schreibwettbewerb Literaturhaus Zürich)
"Märchenstunde" - Kurzgeschichte in der Anthologie darum (Hrsg. Margret Kindermann) |
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Bananenfischin Show-don't-Tellefant
Moderatorin
Beiträge: 5335 Wohnort: NRW
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05.09.2020 15:23
von Bananenfischin
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Der Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Markus Gasser hat mit seinen StudentInnen 15 Kriterien erarbeitet, die auf große Literatur oder gar Weltliteratur zutreffen (dabei schon vorausgesetzt sind Befriedigung sowohl bei der semantischen als auch der ästhetischen Lektüre und das intuitive Gefühl der einem Text innewohnenden Vollendung). Ich denke, sie können, auch was diesen Thread angeht, hilfreich sein (und diskussionswürdig). In diesem Video nennt und erläutert er die Kriterien (insbesondere von Minute 16-42), ich liste sie aber auch gleich mal auf:
01. Dringlichkeit
02. Existenzialität
03. Daseinssteigerung
04. Klischeelosigkeit
05. Keine Behauptungsprosa
06. Figuren nicht banal
07. Gefühl von Fremdheit und Ungleichheit
08. Gefühl der Erstmaligkeit
09. Universalität
10. Weckung von Empathie
11. Komplexität/Ambivalenz/Deutungsergiebigkeit
12. Geheimnis
13. singuläre Aura/Atmosphäre
14. Originalität
und, Trommelwirbel
15. Unterhaltung
_________________ Schriftstellerin, Lektorin, Hundebespaßerin – gern auch in umgekehrter Reihenfolge
Aktuelles Buch: Geliebte Orlando. Virginia Woolf und Vita Sackville-West: Eine Leidenschaft
I assure you, all my novels were first rate before they were written. (Virginia Woolf) |
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Niederrheiner Klammeraffe
N
Beiträge: 821
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N 06.09.2020 10:53
von Niederrheiner
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Das glaub ich sogar, dass sich E-Leser und Literaturkritiker von E-Literatur unterhalten fühlen. Aber im Großen und Ganzen halt auch nur die.
Entscheidend hier sind vor allem die ersten 14 Punkte, von denen mindestens 10 auf das allermeiste aus U nicht zutreffen.
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Mumienfreund Eselsohr
Beiträge: 327
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06.09.2020 12:43
von Mumienfreund
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Niederrheiner hat Folgendes geschrieben: |
Entscheidend hier sind vor allem die ersten 14 Punkte, von denen mindestens 10 auf das allermeiste aus U nicht zutreffen. |
Da widerspreche ich. Die meisten der oben aufgeführten Punkte lassen sich sehr wohl auf U anwenden, es sei denn, man möchte Schemaliteratur schreiben. Heftchenromane und dergleichen.
Ich weiß nicht, ob du dir das Video angesehen hast, aber er zählt auch den Graf von Monte Christo auf, ein Werk, dem selbst Menschen, die kein E lesen, etwas abgewinnen können.
Allerdings geht es in dem Video auch nicht so sehr um den Unterschied zwischen E und U, sondern um Merkmale, die Werke der Weltliteratur miteinander teilen.
Insofern widersprechen die aufgelisteten Merkmale/Gemeinsamkeiten nicht den Schreibratgebern für U-Literatur – im Gegenteil.
01. Dringlichkeit
Er nennt hier am Beispiel Tschechows "Die Dame mit dem Hündchen" die Dringlichkeit eines "wahren Lebens". Übertragen auf einen Unterhaltungsroman würde ich das als die Motive übersetzen, die die Protagonisten antreiben.
02. Existenzialität
Da habe ich nichts Vergleichbares gefunden, es sei denn, Unterhaltungsliteratur dient dazu, die eigene Sterblichkeit für ein paar Stunden vergessen zu können
03. Daseinssteigerung
Soll uns unser eigenes Leben intensiver erleben lassen, als wir es bislang wahrgenommen haben. Immersion kann so etwas bewerkstelligen und wird auch in den Schreibratgebern propagiert.
04. Klischeelosigkeit
Vermeidung von allzuoft benutzten Charakteren, Phrasen, Settings.
05. Keine Behauptungsprosa
Show don't tell.
06. Figuren nicht banal
Keine Abziehbilder, keine holzschnittartigen Charaktere.
07. Gefühl von Fremdheit und Ungleichheit
Konflikte. Die Welt der Protagonisten ist am Ende eine andere als am Anfang -- Charakterentwicklung.
08. Gefühl der Erstmaligkeit
Wird immer wieder gefordert: Nicht noch den tausendsten Aufguss vom Herrn der Ringe.
09. Universalität
Das Thema, die Charaktere sprechen eine breite Leserschaft aus unterschiedlichen Kulturkreisen an.
10. Weckung von Empathie
Ist für Unterhaltungsliteratur eigentlich zwingend.
11. Komplexität/Ambivalenz/Deutungsergiebigkeit
Auch Unterhaltungsliteratur kann mehr als nur die Handlungsebene abbilden.
12. Geheimnis
Spannung, Suspense – hat noch keinem Unterhaltungsroman geschadet. es muss nicht immer alles bis zum Ende erklärt werden – Sense of Wonder.
13. singuläre Aura/Atmosphäre
Eigene, glaubwürdige Welt, gerade im Fantasybereich unentbehrlich.
14. Originalität (da muss man nicht drüber diskutieren)
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nebenfluss Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5976 Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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14.09.2020 17:40
von nebenfluss
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Bananenfischin hat Folgendes geschrieben: | Der Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Markus Gasser hat mit seinen StudentInnen 15 Kriterien erarbeitet, die auf große Literatur oder gar Weltliteratur zutreffen (dabei schon vorausgesetzt sind Befriedigung sowohl bei der semantischen als auch der ästhetischen Lektüre und das intuitive Gefühl der einem Text innewohnenden Vollendung). Ich denke, sie können, auch was diesen Thread angeht, hilfreich sein (und diskussionswürdig). In diesem Video nennt und erläutert er die Kriterien (insbesondere von Minute 16-42), ich liste sie aber auch gleich mal auf:
01. Dringlichkeit
02. Existenzialität
03. Daseinssteigerung
04. Klischeelosigkeit
05. Keine Behauptungsprosa
06. Figuren nicht banal
07. Gefühl von Fremdheit und Ungleichheit
08. Gefühl der Erstmaligkeit
09. Universalität
10. Weckung von Empathie
11. Komplexität/Ambivalenz/Deutungsergiebigkeit
12. Geheimnis
13. singuläre Aura/Atmosphäre
14. Originalität
und, Trommelwirbel
15. Unterhaltung |
Bafi, vielen Dank für den Link! Ich habe mir am Wochenende mal Zeit dafür genommen ... meinem Eindruck nach ist Gassers Unterscheidung nicht ganz die Trennung in U und E, wie sie meistens im Forum herauszuarbeiten versucht wird; insbesondere dann, wenn es um die Definition im 10K geht. Hierzu:
Zehntausend/sleepless_lives hat Folgendes geschrieben: | Vor allem aber soll er keine Trivial-, Unterhaltungs- oder Genreliteratur sein, sondern abseits der ausgetretenen Pfade wandeln, sich dem zugehörig fühlen, was wir hier im Forum als »E(rnste) Literatur« oder kurz »E-Lit.« bezeichnen. In einer Buchhandlung würde man euren Beitrag also nicht in einem Regal mit einer Genre-Bezeichnung wie »Krimi« oder »Fantasy« finden, sondern in den nicht klassifizierten Bereichen unter »Autoren A-Z«. |
verhält sich Gasser noch ziemlich konform, doch von dem hier:
Zehntausend/sleepless_lives hat Folgendes geschrieben: | Bei diesem Wettbewerb zählt, was nicht in die üblichen Schnittmuster passt. Schief gebaut darf es sein, quer stehend, sperrig oder auch einfach nur ruhig, action- und pointenlos. |
findet sich in Gassers Kriterienkatalog praktisch nichts - muss natürlich auch nicht, denn der 10K kann sich als dsfo-Wettbewerb ja abweichend gestalten. Ich kann mir aber - anhand der Diskussionen rund um den WB - durchaus vorstellen, dass er die Vorstellung vieler User von E-(ernster/"großer"/Welt-)Literatur mitgeprägt hat.
Gasser verwendet die Begriffe E und U ja auch nicht; es geht ihm um die Trennung von "trivialer" und "bedeutender" Literatur.
Ich sehe auch keine absolute Deckung zwischen Weltliteratur und E-Literatur, weil der Kanon sich eben über längere Zeiträume und unter Einbeziehung der Bedeutung eines Werkes für seine Zeit konstituiert.
Ein Beispiel dafür ist mMn Gassers Erwähnung des "Herrn der Ringe" als "Klassiker". Das "adelt" Tolkiens Werk nicht automatisch zu E-Literatur, aber es war eben Mitte des 20. Jahrhunderts in seiner Akribie (man kann mit Fug und Recht sagen: E-rnsthaftigkeit) der Darstellung Mittelerdes ein außergewöhnliches literarisches Phänomen, während es uns heute "nur noch" als ein Gründungswerk eines Genres erscheint, dessen Titel wir in aller Regel klar der U-Literatur zuordnen.
_________________ "You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson) |
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Bananenfischin Show-don't-Tellefant
Moderatorin
Beiträge: 5335 Wohnort: NRW
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14.09.2020 22:06
von Bananenfischin
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@nebenfluss: Freut mich, dass du's dir angesehen hast. Ich stimme dir absolut zu, dass es Gasser nicht vorrangig um die Unterscheidung von U und E geht, darauf hatte ich auch hinzuweisen versucht. Ich würde die Punkte vielleicht als Kriterien für bedeutende Bücher bezeichnen, ob nun E, U oder UE, für Werke, die man nicht einfach so wegliest, sondern die etwas mit einem machen beim Lesen, die nachwirken. Aber es gibt sicher so einige Punkte, über die man diskutieren kann. Behauptungsprosa, Klischees, das Nichtwecken von Empathie, all das kann im Text z. B. ja auch bewusst gesetzt sein und eine Funktion erfüllen.
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Aktuelles Buch: Geliebte Orlando. Virginia Woolf und Vita Sackville-West: Eine Leidenschaft
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