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Die Spritzblumen Affaire


 
 
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Düsterhöft
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
D


Beiträge: 38
Wohnort: Bayern


D
Beitrag08.09.2020 21:45
Die Spritzblumen Affaire
von Düsterhöft
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Lange genug habe ich es nun vor mir her geschoben. Mein erster Post. Ich bin schrecklich aufgeregt, freue mich aber auch auf eure hoffentlich zahlreichen Meinungen.



Hauptfiguren:

In der einen Ecke des Rings stehen: Die Alten!
Meine Mutter
Sabine Geier – Wast´s Mutter

In der anderen Ecke des Rings stehen: Die Jungmütter!
Meine Wenigkeit
Simone Geier – Wast´s Frau

Zwischen den Stühlen steht:
Sebastian Geier – genannt Wast
Daniel Geier – Simones und Wast´s Sohn

Nebenfiguren:

Als Unterstützung auf den Rängen für die Alten! :
Tante Berta
Tabak´s Mutter (keine Ahnung wie die richtig heißt, ich glaube ich kenne nicht einmal
Tabak´s richtigen Namen)

Als Unterstützung auf den Rängen für die Jungmütter! :
Niemand, so traurig es ist, aber Simone und ich kämpfen weitestgehend alleine

Die Fehde zwischen Simone und ihrer Schwiegermutter Sabine besteht schon lange. Das ist zum einen der grenzenlosen Dummheit von Sabine geschuldet, welche an geistige Behinderung grenzt und zum anderen Simones Angewohnheit zu viel in die Dinge hinein zu interpretieren und Ungesagtes negativ zu deuten. Im normalen Alltag ist diese Schwäche kein Problem, reichen ihre grundsätzlichen Skills allemal dafür aus sich in der Gesellschaft zu integrieren und zurecht zu finden.
Doch Sabine stellt jeden Menschen, der mit ihr eng zusammen leben muss, auf eine harte Probe und man glaubt, sich vor einem unlösbaren Problemfall zu sehen. Für Simone ist sie ein unlösbarer Charakter, die beiden sprechen nicht nur nicht dieselbe Sprache, sie stammen aus unterschiedlichen Sonnensystemen, sind unterschiedlichste Lebensformen und es scheint keinen Weg zu geben, einen gemeinsamen Nenner zu finden.

Eines Tages kaufte Wast für sein geliebtes Söhnchen also eine Spritzblume. Eine Spritzblume ist ein etwa achtzig Zentimeter hohes Plastikteil mit einem schwenkbaren oberen Ende, welches von einer großen Schaumstoffblume gekrönt ist. Man kann sie an den Gartenschlauch anschließen und in den Boden stecken. Dreht man dann das Wasser leicht auf, schwenkt der Kopf der Blume nach dem Zufallsprinzip hin und her und vor und zurück und spritzt nebenstehende Personen unter Umständen mit etwas Wasser nass. Nette Idee möchte man meinen, doch genau diese unsägliche Spritzblume ist der Auslöser eines neuerlichen Streits und der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass der Ratscherei zum Überlaufen bringt.

Womit wir bei einem anderen Punkt angelangen. Ich HASSE Ratschereien. Sie beziehen sich immer auf eine Person, die nicht da ist, sagt selten Gutes über Abwesende aus und enthalten oft nicht viel Wahres. Aber irgendwas ist immer wahr, ein kleiner Teil dieser oft unfassbaren Geschichten ist tatsächlich Realität und so kann man Nächte lang wach liegen, um sich zu fragen welcher Teil das wohl sein mag.
Blöd nur, dass ich trotzdem oft dabei bin. Mich dabei erwische, wie ich tatkräftig mit philosophiere. Und da ich diese lästige Angewohnheit nicht ablegen konnte, habe ich mir eine weitere zugelegt. Ich spreche die betreffenden Personen direkt darauf an. Dumm! Sollte ich mir schnell wieder abgewöhnen.

Simone und ich sind also Freundinnen. Keine Ahnung wie das passiert ist. In der Schule (sie, ihr jetziger Mann Seff und ich sind zusammen in einer Klasse gewesen) konnten wir nicht viel miteinander anfangen. Doch seit wir beide Söhne im gleichen Alter haben und im selben Ort wohnen, haben wir uns öfter getroffen und irgendwie läufts jetzt. Sie ist ganz anders als ich, macht sich oft viel zu viele Gedanken, ist eher ängstlich und sehr zurückhaltend. Ich bin eher laut, denke nicht so viel über mögliche Konsequenzen nach und leide anscheinend an verbaler Inkontinenz. Wie sich das verträgt ist mir ein Rätsel, doch anstatt mir Gedanken darüber zu machen, genieße ich es lieber, so lange es dauert.

Wie gesagt, Simone und ihre Schwiegermutter können nicht so gut miteinander. In Sabine´s Naivität teilt sie ihren Verdruss über die böse Schwiegertochter gern mit anderen…mit allen anderen! Was dazu führt, dass Simone von den anderen oft darauf angesprochen und verurteilt wird. Simone fühlt sich dadurch verraten (verständlich) und missverstanden (Tatsache!), denn meist gibt Sabine die Vorkommnisse sehr subjektiv weiter und lässt gerne ganze Handlungsstränge weg. Letzteres nicht unbedingt mit böser Absicht. Viel mehr deswegen, weil sie oft nur die Hälfte von dem mitbekommt, was sich tatsächlich zugetragen hat.
Man mische also lückenhafte Berichterstattung mit der mangelnden Aufmerksamkeit seitens der Zuhörer und der sensationslustigen Widergabe dieser mit weitem Interpretationsspielraum und ét voila – fertig ist die Suppe der Waschweiber, die Simone auslöffeln darf.

In Simone´s Fall konnte ich einfach nicht anders, ich musste Partei ergreifen. Es war schon öfter vorgekommen, dass mir meine Tante Sachen über Simone erzählt hat, die ich nicht glauben konnte. Als mir dann Simone auf dem Spielplatz bei einem Plausch die gleiche Geschichte erzählt, nur eben mit der ganzen Handlung, schließt sich der Kreis. Das Missverständnis wird klar und es kristallisiert sich heraus…Simone hat nichts verbrochen!
Als Mutter ist man einfach immer der Depp! Egal was dein Kind tut, du bist schuld! Außer dein Kind tut etwas Tolles, dann heißt es: Oh, der ist aber toll und das obwohl der so ne schreckliche Mutter hat, er ist ein Held!
Arsch lecken drei fünfzig.

An dieser Stelle sei erwähnt: Simone ist eine tolle Mutter! Sie macht vieles anders als ich es handhaben würde, aber immerhin ist Daniel ein ganz anderes Kind als meine es sind, braucht also auch eine andere Hand und er ist ein wundervoller kleiner Schatz. Er ist höflich, freundlich, lacht viel und versprüht Ruhe und Zufriedenheit. Natürlich ist er zu Hause bei Simone auch mal trotzig, rebelliert und treibt seine Eltern in den Wahnsinn. Aber für einen gesunden Buben ist das meiner Meinung nach völlig normal und sogar gesund.

So. Jetzt aber der Reihe nach. Ich habe gerade ein Baby bekommen. Nach zwei Buben endlich ein Mädchen! Dieses wundervolle Ereignis hatte zum Anlass, dass Tante Berta, meine Mutter und ich bei meiner Mutter auf der Terrasse saßen, bei Kaffee und Kuchen und meine Prinzessin bestaunten. Ich weiß nicht mehr wie wir auf dieses Gesprächsthema gekommen sind aber plötzlich fand ich mich wieder, mitten in der Erzählung meiner Tante.
Sabine hatte ihr vor ein paar Tagen die neueste Schandtat ihrer bösen Schwiegertochter geklagt. Keiner stellt natürlich den Wahrheitsgehalt dieser Erzählung in Frage, denn Sabine ist so eine nette Person und würde niemals einer Fliege etwas zu leide tun.

Sabine beobachtete ihren Enkelsohn durch das Fenster ihres Hauses, wie er im Nachbargarten herumtollte. Die Spritzblume steckte im Rasen, war an den Gartenschlauch angeschlossen und wirbelte ihren Kopf unkontrolliert in alle Richtungen, während ein feiner Wasserstrahl aus ihrer Blütenmitte hervorquoll und den fünfjährigen Jungen langsam aber sicher nass spritzte.
Plötzlich ging das Küchenfenster des Nachbarhauses auf und die böse Schwiegertochter schaute heraus. Sie schrie den armen Jungen an, dass er sofort ins Haus kommen solle, denn sonst würde er krank werden.
Schon klar, in Zeiten von Corona fürchtet jeder einen Schnupfen, aber das ging der lieben Schwiegermutter zu weit.
Sie öffnete nun ihrerseits das Fenster und rief ihrer Schwiegertochter entgegen „Gönnst du dem armen Buben denn gar keinen Spaß?“
Daraufhin habe die Schwiegertochter einen wütenden Schrei aufgetan und das Fenster deutlich geschlossen. Als der Enkelsohn am nächsten Tag seine Oma besuchen durfte habe er erzählt, dass die Mama ganz furchtbar geweint habe. Sie hätte ihm die Spritzblume weggenommen, denn davon würde er krank und könne sterben.

Ich habe nur ungläubig die Augenbrauen gehoben während ich von einem Bein auf das andere stieg und meine Kleine sanft im Arm wippte. Meine Tante schürzte missachtend ob der Geschichte die Lippen und ab da ergossen sich die Damen nur noch mit Mittleidsbekundungen über die arme Sabine und den armen Buben.

Ein paar Tage später habe ich mich mit Simone am Spielplatz verabredet, vor allem um unsere Buben miteinander spielen zu lassen. Zu zweit sind meine Jungs nur am Raufen, aber wenn Daniel dabei ist, entsteht eine gewaltfreie Zone in der maximal um eine Schaufel gestritten wird und selbst das kommt dann selten vor.
Aber auch weil mir nach Gesellschaft war und bei Simone habe ich immer das Gefühl mich nicht verstellen zu müssen. Und wie es der Zufall will, erzählte sie mir die gleiche Geschichte. Nur weitaus aufschlussreicher.

Wast hatte also eine Spritzblume gekauft. Eigentlich wollten sie in diesem Sommer einen Pool haben, doch Wast wartete so lange mit dem Kauf, dass sie schließlich ausverkauft waren. Er hatte darauf gehofft, dass die Preise fallen würden, doch dann kam Corona und niemand wollte oder konnte mehr in den Urlaub fahren – alle Pools vergriffen.
Das Planschbecken vom Vorjahr hatte er aus lauter Vorfreude auf die nächste Badesaison schon entsorgt, jetzt war Daniel erfrischungslos.
Nur eigentlich war an diesem Tag gar keine Erfrischung nötig. Es hatte kaum zweiundzwanzig Grad. Die Sonne schien zwar immer wieder kräftig zwischen den dicken Regenwolken durch, aber der Wind war frisch – alles in allem kein Julitag zum Planschen.
Aber gut, Daniel wollte sie natürlich trotzdem ausprobieren und Simone war einverstanden, weil sie dann in Ruhe kochen konnte. Wast ging mit raus und arbeitete etwas im Garten.
Schließlich war Simone mit dem Essen soweit fertig und ging nach draußen um nach ihren Männern zu sehen. Natürlich war Daniel pitsch nass. Das T-Shirt und die Hose hingen tropfend an dem Jungen herunter und seine Haare und sein Gesicht waren von Wassertropfen übersäht.
„Domi, jetzt ist´s genug. Geh bitte rein und zieh dir was Trockenes an, gleich gibt’s Abendessen.“
Daniel lacht, dreht sich um und läuft davon.
Aber Wast hatte das Wasser für die Spritzblume schon abgedreht und ermahnte den Jungen ebenfalls, dass er sich umziehen sollte, da er sich bei den Temperaturen erkälten könnte.
Simone war wieder nach drinnen gegangen um den Tisch zu decken und bekam nicht mit, dass Daniel das Wasser wieder aufdrehte und seine Eltern ignorierend weiterspielte.
Als sie ihn durchs Küchenfenster sah, hat sie es geöffnet und Daniel geschimpft.
Ich hätte es genauso gemacht! Ich kann es auf den Tod nicht leiden, wenn meine Buben nicht folgen und ich alles hundert Mal sagen muss. Meiner Erfahrung nach folgen sie erst, wenn man mit hochrotem Kopf rumschreit und mit Sanktionen droht.
An dieser Stelle hat sich Sabine eingeschaltet und herübergerufen, „Warum gönnst du dem armen Buben überhaupt keinen Spaß?“
Daraufhin hat Simone tatsächlich frustriert aufgeschrien, aber das kann ich tatsächlich auch nachvollziehen. Ist es ja nicht das erste Mal gewesen, dass sie sich ungefragt eingeschaltet hat. Damit kämpfte Simone schon seit gut zwei Jahren.
Simone hatte wenig später ihr Söhnchen im Bad beim Umziehen. Daniels Laune war merklich im Keller und plötzlich sagt er zu ihr mit einer ordentlichen Schnute „Mama, warum gönnst du mir eigentlich gar keinen Spaß?“

Und jetzt zeigt mir mal jemand eine Mutter, die sich darüber nicht aufregen würde? Selbst wenn die Beziehung zwischen Schwiegertochter und Schwiegermutter gut ist, würde sich die Kindsmutter in solch einer Situation über die Schwiegermutter oder sogar die eigene Mutter ärgern.

Kindergarten! Ja stimmt, gebe ich zu. Aber die Geschichte ist noch nicht abgeschlossen. Das war nur die erste Runde. In Runde zwei sitze ich neben Simone auf der Bank am Spielplatz, wieder mit gehobenen Augenbrauen und mache meinen dummen Mund auf, hole Luft und sage „Die Story habe ich anders gehört.“

Simone ist entsetzt. Dass dieser, in ihren Augen nichtige Zwischenfall, wichtig genug für Sabine war, um das im Dorf weiter zu tratschen. Und dann auch noch die Hälfte weg zu lassen, so dass Simone dasteht wie eine Irre. Ich kann richtig fühlen wie sie sich bloßgestellt fühlt. Wie reagiert man Leuten gegenüber, von denen man weiß, sie halten einen für eine böse Verrückte? Man zieht sich zurück, vermeidet den Kontakt mit diesen Leuten. Da ist man nach zwei Jahren des Rufmords oft alleine. Und das obwohl man eine liebenswerte, freundliche und warmherzige Person ist. Nur eben verletzlich…schade!

Missverstanden, bloßgestellt und machtlos. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! Und ich – Superwoman – bin gekommen um die Schwachen und ungerecht Behandelten zu rächen! Drum erzähle ich Simone, was man über sie erzählt und bilde mir ein, es würde etwas ändern, etwas besser machen. Sie hätte dann die Macht sich zu wehren, dem ewig währenden Strudel der Verleumdungen zu entkommen.
Schlimmer habe ich es gemacht! Natürlich habe ich es schlimmer gemacht. Was sollte Simone mit der Information auch anfangen? Das Gefühl der Hilflosigkeit hatte sich nur verschlimmert. Sie vertraut sich ihrem Mann an. Warum auch nicht? In einer guten Partnerschaft erzählt man sich die Dinge die einen Bewegen, gerade dann, wenn man sich durch diese Dinge verletzt fühlt.
Wast ist halt auch geil. Bei der nächsten Gelegenheit macht er seine Mutter brüllend zur Schnecke, sodass sie in Tränen ausbricht und ihm ins Gesicht schwört, dass sie familieninterne Dinge nicht mehr rum erzählt.

Ding – Runde drei
Sabine dreht sich um, nimmt den Telefonhörer in die Hand und ruft – meine Mutter an!
An dieser Stelle würde ich gerne den WhatsApp Smiley verwenden der sich resignierend die Hand vors Gesicht hält.
Sie ruft meine Mutter an? Echt jetzt? Geht’s noch?
Am nächsten Morgen gehe ich mit meiner Tochter auf dem Arm zu meiner Mutter in die Wohnung hinunter, die gerade beim Frühstück sitzt.
„Gestern habe ich einen sehr unangenehmen Anruf erhalten.“, sagt sie.
„So? Von wem denn?“, frage ich ahnungslos.
„Von der Geier Sabine.“
Mein Magen krampft sich unangenehm zusammen und Hitze steigt mir ins Gesicht. Ich weiß, was jetzt kommt. Simone hatte mir erzählt, dass Wast seine Mutter zur Schnecke gemacht hatte, sie hatte nur nicht mitbekommen weshalb.
Jetzt faselte meine Mutter irgendwas davon, dass Wast auf Sabine losgegangen war und dass er Sachen wusste, die sie nur meiner Mutter erzählt hatte und als sie ihn fragte von wem er das wisse, habe er gesagt: von Franzi (das wäre dann ich)
„Ist ja gar nicht wahr!“, verteidige ich mich sofort.
„Natürlich ist das wahr.“ Meine Mutter blieb ruhig, aber ich kenne ihr an, wie sehr sie sich ärgert. Tja liebste Mutter, in solche Situationen manövriert man sich halt als Waschweib. Sie tut zwar immer so, als würde sie so etwas nicht tun, schließlich ist sie ja unfehlbar, aber sie hatte sich rege an den Ratschereien über Simone beteiligt. Nicht zuletzt angestachelt von den fehlerhaften Erzählungen seitens meiner Tante und Sabine höchst selbst.
„Die Geschichte mit der scheiß Spritzblume hat Berta dahergebracht, von wegen das hätte Sabine nur dir erzählt. Die Frau ist so dumm wie fünf Meter Feldweg.“, rege ich mich auf.
„So.“, sagt meine Mutter immer noch eiskalt und schmiert Butter auf eine halbe Semmel.
„Ja, so.“ Ich lasse meiner Wut freien Lauf, verstecke meinen Ärger über die Sache vor meiner Mutter nicht. Im Gegensatz zu ihr, schließlich ist sie unfehlbar.
„Ist dir wohl noch nicht aufgefallen, dass Sabine´s Naivität an Körperverletzung grenzt? Wenn sie nicht will, dass Simone solche Dinge zugetragen werden, dann sollte sie vielleicht aufhören ihre Schwiegertochter im ganzen Dorf schlecht zu machen. Sie kann nicht mal mehr in Ruhe mit den Nachbarn reden, weil sie die auch schon gegen Simone aufgebracht hat.“
„Wie meinst du das?“, fragt meine Mutter. Langsam fängt ihre Kälte an, mich richtig in Rage zu bringen. Dieser Frau kann man keine emotionale Reaktion entlocken. Nicht zu fassen, dass ich ihre Tochter bin. Ich bin voller Emotionen und spare selten damit, diese nach Außen gut sichtbar zu zeigen.
„Sogar bei Tabak´s Mutter, die von Gegenüber, hat sie sie schlecht gemacht und das obwohl sie mit der Frau normalerweise überhaupt nichts am Hut hat. Sie erzählt Sachen rum, von denen sie selbst nur die Hälfte mitbekommen hat und sich den Rest zusammenreimt, Hauptsache Simone steht blöd da.“
„Das kann ich nicht beurteilen, ich war nicht dabei.“, sagt sie und beißt in die Semmel.
An diesem Punkt meine Hochachtung an mich selbst, dass ich nicht laut aufgelacht und meine Mutter eine Heuchlerin genannt habe.
Nach einer Weile des Schweigens frage ich also.
„Wie bist du mit Sabine verblieben?“
„Sie sagte, sie wolle keinen Streit und keinen Zwist, aber ich sollte es dir halt sagen.“
Mir was sagen? Dass ich Simone nicht mehr erzählen darf, dass man schlecht über sie redet? Damit sie in Ruhe weiter Unsinn erzählen kann? Niemals! Doch wieder schweige ich. Ich weiß nicht was mich gegenüber meiner Mutter blockiert, aber ich habe es noch nie fertiggebracht, ihr zu sagen was ich tatsächlich über sie denke. Ich glaube, sie würde es auch gar nicht verkraften.

Wie sehr ich mir wünsche diese Geschichte hätte hier ein Ende. Ein unbefriedigendes, offenes Ende zwar, aber ein Ende.
Meine Mutter und ich haben dann noch eine Weile über Belangloses gesprochen, doch die Sache stand wie ein undurchdringlicher, dicker, Übelkeit verursachender Brei zwischen uns im Raum. Jede Sekunde die wir schwiegen habe ich darüber nachgedacht. Sabine machte echt meiner Mutter den Vorwurf es mir erzählt zu haben? Mutig! Ich habe meiner Mutter noch nie einen offenen Vorwurf ausgesprochen.
„Ich fahre jetzt dann mit der kleinen nach Mainburg.“, hörte ich mich sagen.
„Was machst du denn da?“
„Ich will zum Hoppala, das Geburtstagsgeschenk für meinen Großen kaufen.“ Ich drückte meiner Kleinen einen Kuss auf die samtweiche Backe. „Willst du noch mitfahren, oder hast du heute keine Zeit?“
„Doch ich fahre mit, dann habe ich auch gleich was für ihn.“
Damit hatte ich nicht gerechnet. Aber fand ich eigentlich gut. So unangenehm die Situation auch war, je eher wir die Angelegenheit ausgeschwiegen hatten, desto besser.
Dennoch fühlte ich mich hundeelend als ich mit meinem Baby im Arm wieder nach oben in meine Wohnung ging.

So, jetzt aber, The End.

Nein, nichts, Tschuldigung.

Runde vier

Die gemeinsame Shoppingtour war, wie zu erwarten, unangenehm und krampfig. Ich war heilfroh, als ich das hinter mir hatte und fragte mich wie lange es dauern würde, bis es sich wieder normal anfühlte ohne dass wir nochmal drüber reden mussten.
Ich war rastlos und überlegte hin und her, was ich tun sollte.
Schließlich tat ich das Dümmste, was mir hätte einfallen können – ich rief Simone an.

Sie fing an zu weinen. Natürlich. Anstatt meinen Frust mit ihr zu teilen und gemeinsam drüber Lachen zu können, bis es nicht mehr weh tat, fühlte ich mich noch schlechter. Und warum fühlte ich mich schlechter? Weil ich es noch schlimmer gemacht hatte.
Simone war am Ende und da verlangte ich auch noch von ihr, sie solle es Wast nicht sagen. Das konnte sie nicht, natürlich nicht.
Er würde seine Konsequenzen daraus ziehen, hatte sie gesagt. Was sollten das für welche sein? Ich habe nicht nachgefragt.

Ich versuchte Schadensbegrenzung zu betreiben und wollte sie davon zu überzeugen, erstmal abzuwarten und nicht gleich wieder über Sabine herzufallen und sie anzuschreien, wie Wast es anscheinend gerne tat. Er behauptete sie würde es anders nicht kapieren, das war wohl schon immer so. Mit reden alleine erreichte man bei dieser Frau offensichtlich nicht viel. Weiß nicht, ob schreien dann besser ist. Bei meinen Kindern hilft das auch nicht.

Zum Glück war Sabine zu dem Zeitpunkt, als Simone ihm von dem Anruf erzählte in der Arbeit. Er hatte also ein paar Stunden Zeit sich zu beruhigen und sich zu überlegen, was er nun tun wollte.
Ab hier weiß ich leider nichts Genaues mehr. Ich glaube Simone, will mir nichts mehr davon erzählen. Ich vermute, ich habe die Freundschaft mit ihr verletzt, obwohl ich eigentlich nur helfen wollte. Helfen ist vielleicht das falsche Wort. Es hat mich genervt, dass alle Simone so Unrecht getan haben und ich wollte, dass sie weiß, dass sie es ihrer Schwiegermutter zu verdanken hat. Wäre ich in der Situation, würde ich es nicht auch wissen wollen? Woher die scheußlichen Gerüchte kommen? Warum mich fast fremde Menschen auf familieninterne Dinge ansprechen?

Wast muss also zu Sabine gegangen sein und sie gefragt haben ob sie sich an ihren Schwur, Familiäre Dinge für sich zu behalten, hält. Sie hat ihm wohl gleich sehr freiwillig erzählt, dass sie meine Mutter angerufen hatte, aber was er daraufhin gesagt oder welche Konsequenzen er daraus gezogen hat weiß ich nicht. Das wollte mir Simone nicht sagen.

Und wer gewinnt jetzt diesen Kampf? Alt gegen Jung? Wir werden es nie herausfinden, denn an diesem Punkt wird sich beschämtes Schweigen von allen Seiten über diese Sache legen.

Ich ziehe für mich meine eigenen Lehren daraus. Wenn ich höre wie sich die Leute das Maul über eine meiner Freundinnen zerreißen, werde ich mich wieder einmischen. Ich werde wieder mit aller Macht einen Kampf führen, den niemand gewinnen kann und mit dem Kopf gegen die Wand rennen – volle Pulle!

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hobbes
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Beitrag09.09.2020 09:49

von hobbes
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Hallo smile

Eigentlich würde ich wohl eher nichts schreiben. Aber ich mag deinen Nickname immer noch und oh ja, der erste Post und WANN ZUR HÖLLE ANTWORTET DENN ENDLICH JEMAND!!!

Warum ich eigentlich eher nicht antworten würde: Ich bin eher nicht Leserin deiner Geschichten (oder zumindest dieser Geschichte). Womit ich jetzt einfach nur den persönlichen Geschmack meine. Der eine liest das, die andere das, eins ist so gut wie das andere, passt aber halt nicht für jeden.

Problem ist: Wenn ich mich jetzt eher nicht als Leserin deiner Geschichten sehe, stören mich Sachen, mit denen eine Leserin kein Problem hätte.

Aber ich rede drumherum, du willst ja was zu deinem Text wissen.

Diese Figuren-Aufstellung am Anfang: Eigentlich eine witzige Idee, aber puh. Schnell bin ich raus. Wer war jetzt noch mal wer, wer hat welche Rolle? Und dann heißen die auch noch Sabine und Simone, das ist ja quasi ein und derselbe Name, tatsächlich muss ich bis zum Ende hin immer kurz überlegen, welche welche war.

Dann habe ich ein Problem mit dem Tonfall. Diese Geschichte kommt mit einer Moral daher, mit Einteilungen. Das ist vielleicht bei jeder Geschichte so, aber hier wird mir halt ziemlich klar gesagt, was ich von wem zu halten habe und das gefällt mir selten. Noch dazu, wenn die Erzählerin so genau weiß, was sie von wem zu halten hat und sich selbst quasi fast nicht in Frage stellt.

Dann verstehe ich das Problem im Grunde auch nicht. Oder nein, ich verstehe es schon, aber mir sind das zu viele Worte für zu wenig Geschichte.
Emotional packt sie mich im Grunde nur an der Stelle im Bad, als Daniel fragt, warum ihm seine Mama keinen Spaß gönnt.
Aber es muss ja gar keine emotionale Geschichte sein, oder zumindest nicht diese Art von Emotion, ich habe sowieso den Eindruck, du willst mich eher zum Lachen bringen als irgendwas anderes. Und das klappt ja auch, ein bisschen zumindest, das kann man schon auch gut lesen, es ist in einem durchgängigen Ton erzählt und dieser Ton hat schon auch was, aber mir sind das einfach zu viele Worte um zu wenig Inhalt.
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Düsterhöft
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Beiträge: 38
Wohnort: Bayern


D
Beitrag09.09.2020 21:31

von Düsterhöft
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Ja das soll tatsächlich absichtlich lustig sein Very Happy
Ich hatte auch überlegt die Geschichte noch zusätzlich aufzuplustern, doch ich wollte erst einmal sehen, ob die Realität alleine auch das Zeug dazu hat zu begeistern.
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hobbes
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Beiträge: 4294

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Beitrag10.09.2020 09:05

von hobbes
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Na ja, ich könnte mir schon vorstellen, dass die Realtiät das hergibt. Genug Tragikkomik hat sie ja. Ich würde allerdings eher ab- als aufplustern.
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