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Diese Werke sind ihren Autoren besonders wichtig Die Verführung


 
 
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Graenee
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 36
Wohnort: Deutschland


Beitrag07.08.2020 12:52
Die Verführung
von Graenee
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

"Du bist ganz allein. Du wirst nachgeben… Ich komme wieder." Die Versuchung verschwand und hinterließ das Abbild trostlosen Unheils. Seine Worte des Grauens hingen wie schleimiger Schatten vor dem strahlend hellen Sommerhimmel und verdunkelten den Raum. Langsam wandte sie sich ab. Ihre Augen erblickten den gleichen Raum wie immer, objektiv hatte sich nichts verändert. Und doch… Berge von Büchern füllten die Regale und die Flächen neben Türen und Tischen. Decken bedeckten die zwei weichen Polstersofas und gemütliche Kissen lagen in ordentlichen Haufen zum Einkuscheln bereit. Was sollte ihr schon fehlen? Sie hatte doch alles, alles Erdenkliche, was man zum Leben brauchen könnte. Sie seufzte und sah über ihre Schulter zurück durch das Fenster. Der Schatten war beinahe gänzlich verschwunden und das einfallende Sonnenlicht brannte ihr in den Augen. Es war ein herrlicher Schmerz dem sie sich nicht zu entwinden suchte.
Sie setzte sich auf eins der Sofas und atmete ein paar Mal tief durch, streckte die Beine und genoß das Gefühl ihres gesunden, starken Körpers; wie geschmeidig sich ihre Muskeln bewegten, wie gut sich die Decke auf ihrer weichen Haut anfühlte. Immer wieder wurde ihr Blick vom Fenster angezogen; einmal stand sie bereits davor ohne sich erinnern zu können, wann sie aufgestanden und herübergegangen war. Es war Jahre her, dass sie derart unkonzentriert und unvorsichtig gehandelt hatte. Normalerweise war sie zufrieden mit dem was sie hatte, mit dem was sie war.
Derart zerstreut entschied sie sich für Zerstreuung zu sorgen. Es gab Unmengen Bücher, die sie noch lesen wollte und unzählige Dinge, die sie noch lernen konnte. Sie hatte alle Zeit der Welt. Und sie nahm sie sich. Seite um Seite, Buch um Buch, verbrachte sie eingerollt auf den Sofas oder bäuchlings auf dem sonnenbeschienen Boden. Die Zeit verging und der Drang zu gehen, die Zweifel daran zu bleiben, verschwanden. Das Fenster war ein Fenster, ein schöner Ausblick, nicht länger eine schmerzhaft pochende Wunde der Sehnsucht.
Der Tag war gekommen, da die Sonne sie besonders verlockend anzuzwinkern und nach Draußen einzuladen schien als sie den großen Raum betrat. Bedächtig schritt sie die Reihen von Regalen ab, grüßte die Bücher wie Freunde. Sie wusste, was sie sehen würde, wenn sie sich jetzt zu ihrem Fenster drehen würde, konnte die klebrige Dunkelheit beinahe körperlich spüren. Doch diesmal wandte sie sich der Verführung nicht zu. Sie strich sacht mit ihren Fingern über die Buchrücken, streichelte sie wie die zarte Haut eines Liebhabers.  
"Ich bin nicht allein.", sagte sie und die Verführung verschwand.

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elzero
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 41
Beiträge: 26
Wohnort: Thüringen


Beitrag07.08.2020 14:41

von elzero
Antworten mit Zitat

Schön.

Stolpere nur ein wenig über den schleimigen Schatten, ansonsten rund Sache.
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Graenee
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 36
Wohnort: Deutschland


Beitrag07.08.2020 16:40

von Graenee
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich würde mich auch sehr über eure Interpretationen freuen... :)
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CIPO86
Geschlecht:weiblichLeseratte
C

Alter: 37
Beiträge: 183



C
Beitrag07.08.2020 16:53

von CIPO86
Antworten mit Zitat

Der Text spiegelt für mich die innere Zerissenheit zwischen der Sehnsucht nach (Zugehörigkeit zu?) der Außenwelt und der anziehenden Welt, in die Bücher entführen.
Die Welt draußen ist aus irgendeinem Grund bedrohlich, daher die Flucht in die Welt der Bücher, in der sie zufrieden ist; dort hat sie alles, was sie braucht.
Am Ende sagen ihr die Bücher, dass sie nicht allein ist. Damit entschwindet die Versuchung der Außenwelt.

Vielleicht liege ich aber auch komplett falsch Laughing

Jedenfalls gut geschriebener Text. Einzig der "schleimige Schatten" "trostloses Unheil" stören mich etwas.
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Gast







Beitrag07.08.2020 17:49

von Gast
Antworten mit Zitat

Hallo Graenee,

Graenee hat Folgendes geschrieben:
Ich würde mich auch sehr über eure Interpretationen freuen... smile

Na, dann will ich mich mal versuchen und Dir ein kurzes Feedback dalassen Smile.

Dein Text erinnert mich an eine süchtige Person, die versucht, ihrer Abhängigkeit Herr zu werden. Trotz schwacher Momente schafft sie es am Ende aus eigener Kraft heraus, der Versuchung zu widerstehen. Stark bleiben, nicht so schnell aufgeben und für seine Ziele kämpfen, ist die Lehre, die ich aus deiner Geschichte herauslese.

Graenee hat Folgendes geschrieben:
"Du bist ganz allein. Du wirst nachgeben… Ich komme wieder."

Du sprichst die Situation des Alleinseins an, und zunächst scheint es, als hinge ein erfolgreiches Widerstehen davon ab, ob man in dem Vorhaben z.B. von Familie oder Freunden begleitet wird oder nicht.

Deine Protagonistin in der Geschichte sucht sich schließlich Ablenkung in etwas Sächlichem, sie liest ein Buch nach dem anderen, findet, so scheint es, Trost in den Geschichten, erlebt dadurch ein Gefühl des nicht mehr Alleinseins. Obwohl Bücher niemals Freunde oder Familie ersetzen können, schafft sie es mithilfe der Lektüre, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und das Unmögliche zu schaffen. Die Botschaft, dass man eine scheinbar ausweglose Situation auch ohne Hilfe, aus eigener Kraft heraus, überwinden kann, macht Mut und ist ein weiterer Aspekt.

Sprachlich könntest Du mMn noch ein wenig an den Sätzen feilen. Für meinen Geschmack verwendest Du teilweise zu viele Adjektive, wie hier z.B.:

Graenee hat Folgendes geschrieben:
Seine Worte des Grauens hingen wie schleimiger Schatten vor dem strahlenden hellen Sommerhimmel und verdunkelten den Raum.


Graenee hat Folgendes geschrieben:
Decken bedeckten die zwei weichen Polstersofas und gemütliche Kissen lagen in ordentlichen Haufen zum Einkuscheln bereit.

Hier würde ich zumindest das weichen streichen.

Graenee hat Folgendes geschrieben:
Der Schatten war beinahe gänzlich verschwunden und das einfallende Sonnenlicht brannte ihr in den Augen.

Vorschlag: blendete ihre Augen

Mir fällt auf, dass Du für mein Empfinden teilweise lustige Wortkombinationen/Assoziationen/Alliterationen verwendest. Ich bleibe bei einigen hängen, weil sie mir so ungewöhnlich erscheinen, wie z.B. schleimiger Schatten, trostloses Unheil, Decken bedeckten, gemütliche Kissen, die zarte Haut eines Liebhabers (mit zarter Haut würde ich immer etwas Weibliches verbinden). Eigentlich charmant, deine Art die Dinge in Worte zu fassen, das hat etwas Eigenes Smile.

Gerne gelesen!

LG Katinka
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Ralphie
Geschlecht:männlichForenonkel

Alter: 71
Beiträge: 6392
Wohnort: 50189 Elsdorf
DSFo-Sponsor


Beitrag07.08.2020 18:01

von Ralphie
Antworten mit Zitat

Wer ist Er und Sie? Ein Müllsack und eine Backrolle?
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Gast







Beitrag07.08.2020 18:38
Re: Die Verführung
von Gast
Antworten mit Zitat

Graenee hat Folgendes geschrieben:

Derart zerstreut entschied sie sich für Zerstreuung zu sorgen.


?
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Gast







Beitrag07.08.2020 18:59
Re: Die Verführung
von Gast
Antworten mit Zitat

Zitat:
Graenee hat Folgendes geschrieben:

Derart zerstreut entschied sie sich für Zerstreuung zu sorgen.


?

Das hatte ich bei meiner Aufzählung von lustigen Kombinationen vergessen. Ich denke, die Wortspiele sind durchaus beabsichtigt und der Satz an sich ist ja nicht falsch. Es ist ... eigen.
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Graenee
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 36
Wohnort: Deutschland


Beitrag07.08.2020 19:12

von Graenee
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich danke euch für eure Antworten! Es ist schön, dass Aspekte, die mir wichtig waren anscheinend auch beim Leser ankommen. Ich möchte allerdings gar nicht zu viel sagen und verraten - wer weiß wie viele eurer Interpretationen und Gedanken ich sonst verpasse. Bitte weiter so...
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elzero
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 41
Beiträge: 26
Wohnort: Thüringen


Beitrag08.08.2020 12:12

von elzero
Antworten mit Zitat

Zur Interpretation.
Wegen "Seine Worte des Grauens..." hatte ich eher eine vergangene Beziehung im Kopf. Die Person hat sich vielleicht von einem Partner getrennt, der sie offenbar früher oft in die "Welt da draußen" entführt hat, ins Nachtleben, aufregende Unternehmungen usw.. Der aber auch eine dunkle, bedrohliche Seite hatte, vielleicht narzistisch, herrschsüchtig, eifersüchtig oder ähnliches ist und ihr Schmerz zugefügt hat, vielleicht sogar Gewalt. Oder irgend eine Form der Abhängigkeit hergestellt hat. Nach der Trennung fällt es ihr nun schwer, diese durchzuhalten. Vielleicht ist es auch nicht das erste Mal, dass sie vor ihm geflüchtet ist. Sie muss erstmal das Alleinsein aushalten, um zu sich selbst zu finden und die Vergangenheit / Abhängigkeit zu überwinden.
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Gast







Beitrag08.08.2020 12:25
Re: Die Verführung
von Gast
Antworten mit Zitat

Zitat:
Zitat:
Graenee hat Folgendes geschrieben:

Derart zerstreut entschied sie sich für Zerstreuung zu sorgen.


?

 Ich denke, die Wortspiele sind durchaus beabsichtigt...


könnte sein. Ich finde den Text auch nicht schlecht, und er weckt Lust, sich damit auseinanerzusetzen und das Puzzle gelöst zu sehen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob Alles so bewußt geschmiedet ist - dafür ist die Interpunktion zu willkürlich.
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SannyB
Geschlecht:weiblichLeseratte
S


Beiträge: 174
Wohnort: BaWü


S
Beitrag08.08.2020 13:52

von SannyB
Antworten mit Zitat

Hallo Graenee,

für mich klingt es nach Agoraphobie: Angst, die Wohnung zu verlassen.
Jemand - ein alter Freund, Bruder, Sohn o.ä. - kommt vorbei und versucht dem Lyrischen Ich zu helfen, hinauszugehen. Das LI fühlt sich zwar vom Draußen - vom Fenster und der Sonne - angezogen, aber traut sich einfach nicht. Stattdessen vergräbt es sich in den Büchern, die ein alternatives "Draußen" und Ablenkung bieten, um sich nicht mit ihrer Angst und der echten Welt vor dem Fenster beschäftigen zu müssen.

Ich kenne leider jemanden (wenn auch nur indirekt), dem es vermutlich genau so geht, und ich denke, dass Dein Text das gut beschreibt.

Auch wenn es nicht direkt um Agoraphobie gehen sollte, sondern darum, dass das LI versucht, etwas anderem aus dem echten Leben zu entkommen, indem es sich in seiner Wohnung hinter Büchern verschanzt, bleibt es dasselbe.

Ich glaube, an manchen Stellen fehlen Kommas, aber die von den Anderen genannten "ungewöhnlichen Wortkombinationen" stören mich nicht.

Ich habe es ebenfalls gern gelesen.

Viele Grüße,
Sanny
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