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BrianG Klammeraffe
Alter: 47 Beiträge: 709
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03.08.2020 16:39 Warum gilt "Es war eine dunkle und stürmische Nacht" als schlechter Einstieg? von BrianG
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"It was a dark and stormy night", zu Deutsch "Es war eine dunkle und stürmische Nacht" gilt quer durchs Internet wie auch hier im Forum als schlechter Einstiegssatz für eine Geschichte. 1982 begründete er sogar einen Wettbewerb, den Bulwer-Lytton Fiction Contest, der sich mit den schlechtesten Buchanfängen beschäftigte.
Aber warum eigentlich? Was genau macht diesen Satz schlecht?
Ist es, weil es instinktiv redundant scheint, eine Nacht als "dunkel" zu bezeichnen? Nun, wer fernab der Lichtverschmutzung von Großstädten schon mal eine Vollmondnacht erlebt hat, weiß, dass Nächte auch verdammt hell sein können.
Oder liegt es daran, dass es nur "tell" und kein "show" ist? Oder an anderen Gründen? Was macht diesen Satz nun eigentlich schlecht?
Als ich nach den Gründen gesucht hatte, warum dieser Satz schlecht sein soll, fand ich eine Erklärung, dass damit eine Dramatik vermittelt würde, die mit der restlichen Geschichte nichts zu tun hätte. Leider kenne ich "Paul Clifford", die Geschichte, zu der dieser Anfang gehört, nicht. Vielleicht kann ja jemand, der den Roman gelesen hat, diese Behauptung bestätigen oder widerlegen.
Klischee - ein Wort, das ebenfalls häufig im Zusammenhang mit diesem Anfang bemüht wird. Aber warum? Laut Duden ist ein Klischee eine "unschöpferische Nachbildung" (was genau hat Bulwer-Lytton im Jahr 1830 nachgebildet?) oder eine "eingefahrene, überkommene Vorstellung". Aber ist nicht die als allgemein gültig betrachtete Haltung, dieser Satz wäre ein schlechter Anfang, ebenfalls eine, wenn schon nicht überkommene, dann zumindest eingefahrene Vorstellung?
Auch wenn "It was a dark and stormy night" es wohl nicht in den Top 10 der besten Einstiegssätze schafft, woher kommt der Gemeinschafts-Konsens, er wäre schlecht?
_________________ Aus dem Chaos sprach die Stimme: "Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen."
Und ich lächelte und war froh.
Und es kam schlimmer. |
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Taranisa Bücherwurm
Alter: 54 Beiträge: 3215 Wohnort: Frankenberg/Eder
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03.08.2020 17:16
von Taranisa
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Was mir spontan einfällt:
Der Satz soll suggerieren, dass gleich etwas Schreckliches / Grauenvolles oder so passiert. In jedem Fall etwas sehr Ungewöhnliches / Besonderes, manchmal die Geburt von der / dem Auserwählten.
Da er (scheinbar, habe ich nicht überprüft) sehr häufig für so etwas benutzt wird, nutzt er sich ab, und die Leser denken: "Ja, ne, is klar."
Er wirkt auf "Wirkung gequält".
Bei mir spielt die Tageszeit nur eine orientierende Rolle und das Wetter wird nur erwähnt, wenn es wichtig ist (Beispiel: Figur rutscht trotz Vorsicht aus) oder sanft unterstützend zur Stimmung beiträgt (nein, damit meine ich nicht, dass es regnet, wenn die Prota traurig ist ).
_________________ Henkersweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/18
Die Ehre des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 12/20
Spielweib, Burgenwelt Verlag, ET 12/21
Das Gegengift des Henkersweibs, Burgenwelt Verlag, ET 11/22
Der Stab der Seherin, Burgenwelt Verlag, Herbst 2024 |
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Ralphie Forenonkel
Alter: 71 Beiträge: 6400 Wohnort: 50189 Elsdorf
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03.08.2020 17:47
von Ralphie
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Wer sagt denn, dass der Satz schlecht ist?
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BrianG Klammeraffe
Alter: 47 Beiträge: 709
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03.08.2020 18:01
von BrianG
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Ralphie hat Folgendes geschrieben: | Wer sagt denn, dass der Satz schlecht ist? |
Hier im Forum gibt es z. B. folgende Beiträge:
click und click
Der Umstand, dass es den eingangs erwähnten Preis gibt, lässt darauf schließen, dass es etliche andere Leute gibt, die es auch so sehen.
_________________ Aus dem Chaos sprach die Stimme: "Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen."
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Corey123 Leseratte
C
Beiträge: 124
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C 03.08.2020 18:08
von Corey123
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Für mich ist dein Argument mit dem Klischee am nachvollziehbarsten, auch wenn mir gerade keine konkreten Beispiele einfallen, wo dieses Motiv ebenfalls vorkommt. Im Prinzip muss der Satz woanders nicht einmal im ähnlichen Wortlaut vorkommen, um unoriginell zu wirken. Er fasst das gängige Motiv der dunklen und stürmischen Nacht in Worte. Damit wären wir nah an deinem Argument, dass zu sehr getellt wird, was schon oft geshowed wurde.
Als weitere klischeehafte Situationen fallen mir eine Beerdigung im Regen ein oder ein Krankenhausbett, das neu bezogen wird, worauf eine Person fragt, ob der (verstorbene) Patient verlegt wurde.
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Willebroer Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5441 Wohnort: OWL
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03.08.2020 18:56
von Willebroer
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Es gibt ja diesen schönen Satz (weiß nicht, ob er direkt von Goethe stammt):
"Der Erste, der Liebe auf Hiebe reimte, war ein Genie, der Tausendste ein Idiot."
Manchmal haben Wiederholungen einen verstärkenden Effekt (bei Demagogen zum Beispiel), aber meistens nutzen sie sich ab.
Wenn man (früher zumindest) eine Kopie von der Kopie machte und davon wieder eine Kopie, dann wurde die Qualität immer schlechter. Aber nach 1000 oder 10.000 war es plötzlich wieder Kunst.
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Nina Dichterin
Beiträge: 5005 Wohnort: Berlin
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03.08.2020 19:56
von Nina
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hallo brianG,
gute frage. ich habe mal recherchiert, weil mich das auch interessiert, warum dieser satz als "schlecht" gilt.
dabei habe ich herausgefunden, dass es ein buch von schulz gibt, dessen bücher u.a. die comics von snoopy sind. das buch hat er unter dem titel "it was a dark and stormy night" veröffentlicht.
außerdem gab es eine autorin, die auch unter diesem titel ein buch veröffentlicht hat.
wikipedia hat auch etwas ergeben. dort heißt es:
"It was a dark and stormy night" is an often-mocked and parodied phrase[1] considered to represent "the archetypal example of a florid, melodramatic style of fiction writing",[1] also known as purple prose.
"es war eine dunkle und stürmische nacht" ist eine häufig verspottete und parodierte phrase, die beispielhaft für den archetyp eines blumigen / überladenen / schwülstigen, melodramatischen stil von fiction writing steht.
mehr hier: https://en.wikipedia.org/wiki/It_was_a_dark_and_stormy_night
woanders fand ich dies:
But is this bad reputation entirely fair? Naturally, as it stands now, writers should probably avoid the opening line because it's overused, but is it inherently bad writing?
Aber ist der schlechte Ruf (dieses Satzes/dieser Formulierung) fair / gerecht[fertigt]? Selbstverständlich sollten Autoren/innen diesen Satz vermeiden, da er "zu häufig verwendet wurde. Aber ist es ein schlecht geschriebener Satz?"
Der Autor des dazugehörigen Artikels ist ebenso eher verhalten diesem Satz gegenüber:
https://litreactor.com/columns/the-maligned-history-of-it-was-a-dark-and-stormy-night
lg
nina
_________________ Liebe tut der Seele gut. |
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Mumienfreund Eselsohr
Beiträge: 327
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03.08.2020 22:16
von Mumienfreund
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Geht man danach, was man als ersten Satz vermeiden sollte gehören der Blick aus dem Fenster, der Blick in den Spiegel, ein allgemeines Aufwachen (Koma/Schlaf/Traum) ebenso dazu wie Landschaftsbeschreibungen. Wäre nur schwierig das alles in einen ersten Satz zu packen.
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BrianG Klammeraffe
Alter: 47 Beiträge: 709
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04.08.2020 10:10
von BrianG
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Hallo und danke für eure Meinungen.
Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass - frei nach Paracelsus - einerseits die Dosis das Gift macht , andererseits das Quälen auf Wirkung (Danke für dieses Bild) den gegenteiligen Effekt hat.
Danke auch an Nina für den Litreactor-Link. Den hatte ich bei meinen eigenen Nachforschungen nicht entdeckt oder übersehen.
_________________ Aus dem Chaos sprach die Stimme: "Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen."
Und ich lächelte und war froh.
Und es kam schlimmer. |
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Rodge Klammeraffe
Beiträge: 845 Wohnort: Hamburg
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04.08.2020 13:54
von Rodge
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Für mich ist dieser Einstiegssatz schlecht, weil ich es schätze, wenn es bereits im ersten Satz ein Ausblick auf das Buch und den darin geschilderten Hauptkonflikt gibt. Oder einen besonderen Einblick auf den Prota, aber nicht eine abgedroschene Formulierung wie "es war kalt und dunkel oder stürmisch - zutreffendes bitte ankreuzen".
Sicherlich gibt es auch gute Buchanfänge, die das nicht berücksichtigen, aber mit einem Sterotyp anfangen würde ich bei meinen Geschichten nicht. Auf der anderen Seite: Wenn es weder die Leser noch den Autor stört, warum nicht? Du könntest sogar eine Serie draus machen, bei der jedes Buch mit diesem (irgendwann dann legendären) Satz anfängt.
Grüße
Rodge
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Stefanie Reißwolf
Beiträge: 1735
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V.K.B. [Error C7: not in list]
Alter: 51 Beiträge: 6154 Wohnort: Nullraum
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04.08.2020 17:57
von V.K.B.
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Ich hab den Anfang tatsächlich mal in einer Kurzgeschichte verwendet, fällt mir ein:
Veith in einem Creative Writing Kurs an der Uni hat Folgendes geschrieben: | It was a dark and stormy night, sunlight had entirely fled the city of Kyoto – only to be replaced by yet brighter artificial lights of neon advertisements – and James G. Parker was aimlessly running through deserted streets, running for his life. |
Kann man schon machen, denke ich. Besonders, wenn die Geschichte "The Unbelievable Downfall of Katsuya Makeru, or: Just Another Atomic Love Tragedy (–A Gothic Story–)" heißt und der Satz auf ein Vorwort folgt, man würde hier ein mehrere hundert Jahre altes hochgradig literarisches Manuskript aus dem Japanischen übersetzen.
Dass schon damals jeder im Kurs den Witz verstanden hat, spricht Bände für die Berüchtigtkeit dieses Zitats.
_________________ Hang the cosmic muse!
Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills … |
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Ralphie Forenonkel
Alter: 71 Beiträge: 6400 Wohnort: 50189 Elsdorf
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04.08.2020 18:15
von Ralphie
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Gegen einen solchen Satz ist auch nichts einzuwenden. Er befolgt zumindest zwei der geforderten fünf großen W's für einen ersten Absatz.
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KlaraAnna Gänsefüßchen
K Alter: 48 Beiträge: 19 Wohnort: Neustadt an der Donau
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Elbenkönigin1980 Reißwolf
E
Beiträge: 1106
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E 04.08.2020 19:36
von Elbenkönigin1980
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Also ich finde für einen Horrorroman oder eine Horrorkurzgeschichte wäre das doch ein Supereinstieg, für einen Liebesroman oder einen Fantasyroman wohl eher nicht.
Es kommt wohl auch auf das Genre an, für das Genre Horror fände ich den Satz als Einstieg echt prima.
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Zirkusaffe Leseratte
Alter: 29 Beiträge: 198 Wohnort: Hoher Norden
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04.08.2020 21:06
von Zirkusaffe
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Neben dem Klischee-Aspekt würde mich an diesem Anfang stören, dass er eine Sache wie das Wetter bedeutungsschwanger macht. Ähnlich wie der Regen bei einer Beerdigung, wie hier schon erwähnt wurde. Es wirkt auf mich so, als müsste das Wetter oder die Uhrzeit einen dramatischen Effekt erzeugen, den die Handlung selbst nicht liefern kann.
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