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Gast







Beitrag20.07.2020 17:09

von Gast
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hobbes hat Folgendes geschrieben:
Verzeihung, Michel, wenn ich jetzt was in deinen Faden packe, was da vielleicht gar nicht hineingehört.

Vielleicht lese ich falsch, aber so manches (nicht nur hier) liest sich ein bisschen so, als wisse man vorher, welche Texte Punkte bekommen. Also dieses "der Text hat ja eh keine Chance / schlechte Karten".
Woher wisst ihr das alle nur?

Ich war ja letztes Jahr in Irsee beim Pegasus. Im Gespräch mit anderen Schreibenden kam dann auch das Thema Wettbewerbe auf und was man da so einreicht, bzw. welche Gedanken man sich macht, was man einreichen könnte bzw. was denn wohl erwünscht sei an Texten.

Und vielleicht liegt es ja an meinem Mangel an Ideen (bei mir läuft das nicht so ab, dass ich von fünftausend Ideen eine auswähle, mehr so, dass ich mich an der einzigen festkralle und hoffe, dass sie irgendwohin führt) und vielleicht mache auch ich mir nur selbst etwas vor, aber was die Wettbewerb-Punkt-Entscheider-Menschen wohl lesen wollen (hier und anderswo) das ist so ziemlich das letzte, worüber ich mir beim Schreiben Gedanken mache.

Hätte ich das Wort "Judenproblem" in meinem Beitrag beibehalten, ich wäre gar nicht zugelassen worden. In diesem Fall habe ich also Gewissheit, das so nicht zu punkten ist. Ansonsten ist es eher eine Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten als ein Wissen. Man muss einen Nerv treffen, um zu punkten und die Gaußsche Glocke sagt nun mal aus, dass ihren Rändern weniger zu holen ist.

Das du dir keine Gedanken darüber machst heisst bloss, dass du es dir nicht bewusst machst. Du kannst sehr wohl unbewusst die richtigen Entscheidungen treffen. Das nennt man dann wahrscheinlich Talent, den aktuellen Nerv zu treffen oder ein gutes Gespür für was bewegt. Kompletter Zufall ist die Punktevergabe ja nicht, da sind wir uns wahrscheinlich einig?
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V.K.B.
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Beitrag20.07.2020 18:22

von V.K.B.
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Zitat:
Kompletter Zufall ist die Punktevergabe ja nicht, da sind wir uns wahrscheinlich einig?
Dem möchte ich allerdings widersprechen. Okay, mal abgesehen davon, dass es wahrscheinlich eh keine Zufälle, sondern nur Ereignisketten mit pseudozufälligem Ausgang gibt, hängt es in erster Linie davon ab, wer sich an der Bewertung beteiligt und wer nicht. Da spielt erst einmal persönlicher Geschmack eine große Rolle. Dann macht es einen Unterschied, welchen Text man vorher gelesen hat. Fand man den richtig gut, steht man dem zweiten Text im Vergleich kritischer gegenüber. Fand man den vorigen Text richtig schlecht, sieht man den zweiten im Vergleich viel positiver. Dann spielt noch die aktuelle Verfassung eine Rolle. Hat man den Kopf frei, hat man genug Zeit, über einen Text nachzudenken, oder liest man wegen Stress oder anderem ungenauer und übersieht eine Menge? Dann kommt noch hinzu, dass jeder seine individuellen Vorstellungen von einer "richtigen" Bewertung hat. Der eine achtet auf akribische Vorgabenumsetzungen und stellt persönlichen Gefallen hintenan, der andere bewertet danach, was ihm am besten gefiel und stellt Vorgabenumsetzung hinten an. Manch einer hat Vorbehalte gegen ein bestimmtes Genre oder bestimmte Stilmittel (Pointengeschichten zum Beispiel, moralischer Zeigefinger, Dialekt, Metaebenen, was auch immer) und stellt das in den Vordergrund oder macht es gar zum Ausschlusskriterium. Wieder jemand anders sieht diese Dinge genau komplementär und gibt in seiner internen Wertung Bonuspunkte dafür. Beim 10k-Wettbewerb kommt dann noch die E/U Frage dazu, die auch wieder jeder für sich selbst nach anderen Kriterien beantwortet und ihr unterschiedlich viel Bedeutung zukommen lässt. Würden hier tausende von Leuten bewerten, würden sich diese Unterschiede ausgleichen. Da es meist aber nur knapp über 20 Bewerter sind, sind diese Unterschiede (und damit stochastische Randextrema) von eklatanter Bedeutung für die Punktzahl am Ende.
Ich behaupte, wenn man den gleichen Wettbewerb mit den gleichen Geschichten, aber in anderer Reihenfolge und zu einem anderen Zeitpunkt bewerten lassen würde (und sei es auch nur um ein paar Tage verschoben), käme wahrscheinlich ein komplett anderes Ergebnis dabei raus.
Wo krieg ich jetzt einen Computer zu Simulation ganzer Universen her, um das belegen zu können?
So bleibt es also erst mal nur meine persönliche Einschätzung.


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Gast







Beitrag20.07.2020 18:52

von Gast
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Naja, da sind die meisten keine Argumente für Zufall:
Zitat:
Da spielt erst einmal persönlicher Geschmack eine große Rolle.
Forumteilnehmer sind wohl weniger breit im Geschmack als ein Querschnitt durch die ganze Bevölkerung.

Zitat:
Dann spielt noch die aktuelle Verfassung eine Rolle. Hat man den Kopf frei, hat man genug Zeit, über einen Text nachzudenken, oder liest man wegen Stress oder anderem ungenauer und übersieht eine Menge?
Der gute Text unterhält den Gestressten und liefert dem Denker mehr. Wie gewisse Kindergeschichten, die für Kinder und Erwachsene gleichermassen geniessbar sind. Darauf zu bauen, dass genau gelesen wird, ist meines Erachtens bereits ein Fehler.

Zitat:
Der eine achtet auf akribische Vorgabenumsetzungen und stellt persönlichen Gefallen hintenan, der andere bewertet danach, was ihm am besten gefiel und stellt Vorgabenumsetzung hinten an.
Da kann man also nichts falsch machen, wenn man sich genau an die Vorgaben hält.

Zitat:
Manch einer hat Vorbehalte gegen ein bestimmtes Genre oder bestimmte Stilmittel
Ja, den moralischen Zeigefinger würde ich auf keinen Fall verwenden, um gut anzukommen. Schon gar nicht mit arrogantem, überheblichem Ton.

1000 vs 20 Bewerter: Ja, die Volatilität ist hoch.

Bezüglich Reihenfolge der Beiträge: Ich vermute, die Reihenfolge der Veröffentlichung ergibt sich aus der Reihenfolge des Einsendens. Nun kann man steuern, wo man sich finden will und abschätzen, ob Leser eher von vorne nach hinten sich durcharbeiten oder z.B. interessante Titel herauspicken. Wie viel Zufall du zulässt liegt also zumindest teilweise auch in deiner Hand.

Metaebenen: Wer sich nicht dafür interessiert, nimmt sie wahrscheinlich gar nicht wahr. Deshalb schätze ich auch hier, dass sie kaum schaden können (ausser natürlich man vermasselt die Umsetzung, das liegt dann aber nicht an der Metaebene selbst)

alles Beispiele, wie sich zwar keine Sicherheit schaffen lässt, aber mit Wahrscheinlichkeiten gespielt werden kann. Ganz wie beim Pokern.

Zitat:
Ich behaupte, wenn man den gleichen Wettbewerb mit den gleichen Geschichten, aber in anderer Reihenfolge und zu einem anderen Zeitpunkt bewerten lassen würde (und sei es auch nur um ein paar Tage verschoben), käme wahrscheinlich ein komplett anderes Ergebnis dabei raus.
Und ich behaupte, von der möglichen Anzahl Permutationen in der gesamten Reihenfolge werden viele in den meisten Test-Universen (die ja hoffentlich sehr ähnlich sind) nicht eintreten wink
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hobbes
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Beitrag20.07.2020 21:35

von hobbes
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Zitat:

Das du dir keine Gedanken darüber machst heisst bloss, dass du es dir nicht bewusst machst. Du kannst sehr wohl unbewusst die richtigen Entscheidungen treffen. Das nennt man dann wahrscheinlich Talent, den aktuellen Nerv zu treffen oder ein gutes Gespür für was bewegt. Kompletter Zufall ist die Punktevergabe ja nicht, da sind wir uns wahrscheinlich einig?

Keine Ahnung. Ich finde es jedenfalls irritierend, also diese Fragestellungen à la: "was wollen die Leute lesen/wofür geben sie Punkte." Vor allem wenn es dazu führt, dass man halt genau das schreibt, von dem man denkt, es sei die Antwort darauf. Statt darüber nachzudenken, was man selbst schreiben will.

Aber vermutlich sind wir da mal wieder an der Frage "warum und wozu schreibt man eigentlich" angekommen und für die gibt es halt auch unterschiedliche Antworten.

Zitat:
Da kann man also nichts falsch machen, wenn man sich genau an die Vorgaben hält.

Ja, die Vorgaben einhalten. Einfachste Sache der Welt.
(Oder halt auch nicht)
(Soweit ich weiß, gab es bisher bei jedem Wettbewerb Diskussionen darüber, wie die Vorgaben denn nun ganz genau gemeint sind)
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Gast







Beitrag20.07.2020 22:13

von Gast
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Zitat:
Ich finde es jedenfalls irritierend, also diese Fragestellungen à la: "was wollen die Leute lesen/wofür geben sie Punkte." Vor allem wenn es dazu führt, dass man halt genau das schreibt, von dem man denkt, es sei die Antwort darauf. Statt darüber nachzudenken, was man selbst schreiben will.

Ja!

Zitat:
Zitat:
Da kann man also nichts falsch machen, wenn man sich genau an die Vorgaben hält.

Ja, die Vorgaben einhalten. Einfachste Sache der Welt.
(Oder halt auch nicht)
(Soweit ich weiß, gab es bisher bei jedem Wettbewerb Diskussionen darüber, wie die Vorgaben denn nun ganz genau gemeint sind)

Die Vorgaben einzuhalten wollte ich nicht als einfach abtun. Es war bloss so gemeint: Es wird einen kaum jemand dafür kritisieren, dass man sie einhält - wenn man sie einhält.
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Heidi
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Beitrag21.07.2020 22:11

von Heidi
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Michel hat Folgendes geschrieben:
Liebe Heidi,

Deine Rückmeldung ist wahrscheinlich länger als die Geschichte selbst. Laughing Ich möchte Dich für den Sonderpreis Rückmeldungen vorschlagen!


Wenn ich wieder mal mitmache, dachte ich, dann mach ichs ordentlich. Danke für das von mir fett markierte. Embarassed Very Happy

Michel hat Folgendes geschrieben:

Zitat:
Er, aus dessen Perspektive erzählt wird, wirkt desillusioniert, er liebt seine Irene trotz ihrer Spielsucht und wünscht sich dennoch weitaus mehr.
Da wiederum bin ich mir nicht so sicher. Aus dem einfachen Grund, dass er eine Konstruktion ist, ein Stück Software und damit nur mit dem Nötigsten ausgestattet, das der Spieler damals auf dem Bildschirm zu sehen bekam.  


Willst du damit sagen, dass er kein Mensch ist? Shocked Aber wie geht das? Sie hat einen Roboter als Freund oder Mann? Krass.

Michel hat Folgendes geschrieben:
Aber dieser Aspekt ist wohl völlig untergegangen, soweit ich sehe, hat keiner ihn aufgegriffen. Was gegen die Geschichte spricht.


Wenn du mit diesem Aspekt die Sache meinst, dass deine Figur gar kein Mensch ist, warum sollte das dann gegen die Geschichte sprechen, wenn ich doch einen Menschen in ihm 'gesehen' habe. Ich habe ja trotzdem - auch mit einem Menschen im Blick - so einiges für mich aus dem Text ziehen können.
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Michel
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Beitrag22.07.2020 10:04

von Michel
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Heidi hat Folgendes geschrieben:
Willst du damit sagen, dass er kein Mensch ist? Shocked
Genau das. Cool
Zitat:
Aber wie geht das? Sie hat einen Roboter als Freund oder Mann? Krass.
Das wiederum nicht. Ich habe in meinen Geschichten gern ein paar … wie sagt man? paranormale? magisch-realistische? Jedenfalls schräge Ideen drin, die der (reale) Alltag nicht hergibt. In diesem Fall ist es (für mich) konsistent, dass eine Spielfigur, also ein reines Stück Software, aus ihrer Spielewelt ins "richtige" Leben wechselt. Dabei bleibt sie allerdings sie selbst. Für mich als Viel-Fantasy-Leser läuft das völlig organisch. Da tritt einem schon mal der Erzengel Michael entgegen (in "Damiano"), Schüler schwingen Zauberstäbe ("Harry Potter") oder ein Buchheld geht nach der "Arbeit" in die Kneipe, wenn der Tagesjob im Buch erledigt ist, und trifft andere Buchcharaktere auf ein Bier. Mit solchen Büchern fühle ich mich wohl und die Ideen fließen zumindest auch in meine Kurzgeschichten ein. Der FFF "Hinter den Spiegeln" war ja auch so ein Magischer-Realismus-Wettbewerb, das fand  ich klasse.

Aber mir ist schon mehrfach passiert, dass LeserInnen mit solchen Ideen ihre Schwierigkeiten hatten. Oder mit Filmen, die mit solchen Ideen spielten. Ich erinnere mich an einen Kinobesuch, irgendein Dörrie-Film, in dem die Protagonistin einen Kurs "Selbstbestimmtes Sterben" besucht und einen selbsterklärten Schamanen aufnimmt, der von einem Mithai vertrieben wurde. Am Ende verrät sie ihm, wo sie ihr Gold aufbewahrt, er nimmt es und verschwindet. Für mich: Erkaufen einer magischen Realität. Für meine damalige Freundin: "Das Schwein klaut ihrer Ersparnisse."
Zitat:
Wenn du mit diesem Aspekt die Sache meinst, dass deine Figur gar kein Mensch ist, warum sollte das dann gegen die Geschichte sprechen, wenn ich doch einen Menschen in ihm 'gesehen' habe. Ich habe ja trotzdem - auch mit einem Menschen im Blick - so einiges für mich aus dem Text ziehen können.
"Gegen die Geschichte sprechen" ist vielleicht ein hartes Urteil. Aber ich wollte diese Idee mit "aus dem Computerspiel gekrochen" schon vermitteln. Das hat aber keiner erkannt. Wenn ich also nicht allen LeserInnen Blind- oder Dummheit unterstellen will, muss ich davon ausgehen, dass meine Art der Vermittlung nicht geklappt hat. Das sind ja gerade die Dinge, die wir aus Wettbewerben ziehen können: Wie wirkt, was ich schreibe? Es schließt für mich auch nicht aus, dass völlig andere, neue, spannende Blicke auf einen Text entstehen. Nur die ursprüngliche Intention ist ins Leere gelaufen.

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Beitrag22.07.2020 14:40

von V.K.B.
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Zitat:
Aber ich wollte diese Idee mit "aus dem Computerspiel gekrochen" schon vermitteln. Das hat aber keiner erkannt.
Das Problem dabei ist glaub ich: Du schreibst eigentlich sehr realistisch. Ein halbwegs bodenständiger Leser nimmt das Setting deiner Geschichten als kompatibel zur eigenen Weltsicht an. Da laufen also keine Elfen und Einhörner rum, warum sollte man dann magische Elemente annehmen? Magischer Realismus funktioniert nur dann, wenn das Genre (ich erdreiste mich jetzt mal einfach, diesen als ein Genre zu bezeichnen) klar ist. Niemand würde bei Kafkas "Verwandlung" glauben, dass der Protagonist sich mal einfach so mir nichts dir nichts in ein Insekt verwandelt hat, wenn einem das nicht im berühmten ersten Satz völlig explizit um die Ohren gehauen würde. Zumal das auch noch, wenn ich mich richtig erinnere, der einzige Realitätsbruch in der Geschichte bleibt.
Wenn in ansonsten realistischen Südamerikanischen Romanen die Geister der Ahnen mit am Tisch sitzen, dann muss explizit klar sein, dass das die Geister der Ahnen sind, und nicht einfach irgendwelche Leute. Weil man so etwas sonst nämlich ausschließt.
Anderes Beispiel: Kennst du Christopher Nolans Film "The Prestige"? So genial ich den auch finde (allein durch die Frage: Zu welchen Extremen ist man bereit zu gehen, um sein Publikums zu verblüffen? (geht um zwei rivalisierende Bühnenillusionisten)), ich habe den Film beim ersten Ansehen nicht wirklich verstanden, obwohl eigentlich alles sonnenklar aufgelöst wird und keine große Hirnakrobatik erfordert. In genau dieser habe ich mich aber verfangen, weil ich dem Film eins seiner plot devices (pun intended) nicht geglaubt habe – weil es dem Energieerhaltungssatz widerspricht. Der Film hat ansonsten keinerlei Realitätsbrüche (und geht um die Erzeugung von Illusionen), so dass ich ihm das tatsächliche Vorhandensein eines quasi-magischen Elements nicht abgekauft habe. Was zur Folge hatte, dass ich erstmal so mit der Suche nach einer anderen Erklärung beschäftigt war, dass das, was der Film eigentlich aussagen wollte, komplett an mir vorbeiging.
Genau das gleiche Problem habe ich mit deiner Geschichte: Ich sehe diese Figur und sie erscheint mir auch wie aus einem Computerspiel entsprungen, aber ich kann nicht glauben, dass sie wirklich aus einem Computerspiel entsprungen ist, weil das im Kontrast zum Realismus der Geschichte steht. Also suche ich (vergeblich) nach einer anderen Erklärung und die eigentliche Geschichte läuft daher erstmal an mir vorbei.

Ich denke, wenn man magischen Realismus machen will, muss dem Leser klar sein, dass wirkliche magische Elemente vorkommen können, sonst funktioniert das nicht, auch wenn die Andeutungen klar in diese Richtung gehen. Hättest du irgendwo explizit klargemacht, da sitzt wirkliche eine Computerspielfigur am Tisch, das ist ein Realitätsbruch und es gibt keine andere Erklärung, hätte ich die eigentliche Geschichte viel besser verstanden (und auch viel besser gefunden, (wie es mir jetzt geht, wenn ich sie mit diesem Wissen noch einmal lese)).
Wenn in einem Shevon-Band von dir plötzlich ein Zauberer auftauchen würde, könnte ich das (trotz Fantasy-Welt) auch nicht glauben und würde bis zum Ende fest davon ausgehen, dass der ein Betrüger und Hochstapler sein muss. Weil ich ein festes Bild davon habe (oder zu haben glaube), was in dieser Welt möglich ist und was nicht.

Verstehst du, was ich meine?


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Beitrag22.07.2020 17:15

von Michel
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Ja, vielen Dank, guter Hinweis!
(Jetzt habe ich natürlich eine Plotidee im Kopf. Wenn also in einem Shevon-Band irgendwann tatsächlich ein Zauberer auftaucht, bist Du schuld. smile )
Und trotzdem.
Ich frage mich, ob - halt, nicht ob, sondern wie es möglich ist, diese Alternative einzuführen, ohne die Kafka-Käferklatsche rauszuholen. Zu subtil geht nicht, das sehe ich hier. Auf den Rat meiner Frau hin habe ich ohnehin schon ein paar Hinweise mehr geparkt als in der Erstfassung, aber die haben es auch nicht mehr herausgerissen.
Ich glaube, auf dem Feld möchte ich noch weiter experimentieren.
Bei einigen sehr alten Kurzgeschichten war mir das nach eigener Einschätzung ganz gut gelungen. Ein Raddampfer auf dem Styx, eine Welt, die buchstäblich in Scherben bricht, solche Dinge.


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Beitrag22.07.2020 17:54

von V.K.B.
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Michel hat Folgendes geschrieben:

(Jetzt habe ich natürlich eine Plotidee im Kopf. Wenn also in einem Shevon-Band irgendwann tatsächlich ein Zauberer auftaucht, bist Du schuld. smile )
Apropos Shevon-Bände, geht es in deiner AG eigentlich noch mal weiter?

Michel hat Folgendes geschrieben:
Ich frage mich, ob - halt, nicht ob, sondern wie es möglich ist, diese Alternative einzuführen, ohne die Kafka-Käferklatsche rauszuholen.
Ich fürchte, das geht bei Realismus auch nicht anders. Weil diese Dinge eben einen massiven Einbruch in die Realität darstellen. Sowas glaubt man sonst doch nicht. Das ist, wie wenn ich eine dieser angeblich "unerklärlichen und wahren" Geistergeschichten höre. Da bin ich sofort bei "man kann alles behaupten, ist trotzdem nur erfunden". Bis ich an einen Geist glaube, müsste ich ihn mit eigenen Augen sehen (und jede Form eines Projektors, Spiegeltricks, Drogen oder sonstiges ausschließen können). Und selbst dann würde ich mich erst einmal auf paranoide Schizophrenie untersuchen lassen. Ich mag da vielleicht besonders skeptisch sein, aber ich denke, bis man eine Verletzung der Realitätsgewohnheiten akzeptiert, muss diese erstens eklatant sein (so dass man sie nicht als Traum oder falsche Erinnerung abtut) und zweitens muss jede andere mit der Realität kompatible Erklärungsmöglichkeit ausgeschlossen sein.

Michel hat Folgendes geschrieben:
Bei einigen sehr alten Kurzgeschichten war mir das nach eigener Einschätzung ganz gut gelungen. Ein Raddampfer auf dem Styx, eine Welt, die buchstäblich in Scherben bricht, solche Dinge.
Ich weiß jetzt nicht mehr, ob ich die mal gelesen habe (falls sie im Forum standen und ich sie gelesen haben sollte, ist das lange her) aber da denke ich sofort: Das ist so weit von der normalen Realität weg, dass ich da eh sofort im Phantastischen bin.

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Beitrag27.07.2020 21:19

von Michel
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Nee, eine andere Zeit, ein anderes Forum. (Meine Güte, ist das lang her!) Dort hatten wir quasi wöchentlich ein FFF mit nur einer Stunde Zeit, aber eher als Fingerübung. Da habe ich eine ganze Menge über Formulierungen gelernt.

AG: Auf jeden Fall geht die weiter! Nur ist mein Schreibtempo derzeit so grottig, dass ich lieber ein paar Kapitel im Kasten habe, bevor ich noch jemanden damit belästige. Auch auf die Gefahr hin, dass Du der einzige bist, der dann noch weiterliest. Crying or Very sad

Bzgl. Realismus: Ah, da haben wir möglicherweise einfach unterschiedliche Blickwinkel. Ich bin oft bereit, das einfach zu integrieren. Bölls "Ansichten eines Clowns" haben es schön vorgemacht: Durchs Telefon riechen können, einfach so, ohne Erklärung. Auch wenn ich mich mit dem Rest des Buchs schwer getan habe (ist schon 30 Jahre oder so her), die Idee fand ich sofort klasse.


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