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Poker Creek


 
 
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Fred K. Linden
Geschlecht:männlichWortedrechsler


Beiträge: 57
Wohnort: Stuttgart


Beitrag15.06.2020 00:18
Poker Creek
von Fred K. Linden
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Neue Version »

Poker Creek

Kennen Sie Poker Creek?

Überlegen Sie nicht lange; entweder Sie kennen's oder Sie kennen's eher nicht.

Wir waren vor drei Jahren schon mal dort gewesen, und der Grenzübertritt war damals ganz gemütlich: Ein freundlicher Officer fragte uns, ob wir Schnaps dabei hätten - wir hatten keinen, und dann waren wir durch, bekamen noch einen Touristenstempel - mit Karibu - in den Pass. An der Grenzerbaracke hatten sie ein Schild gemalt: Poker Creek, nördlichster Grenzübergang der Vereinigten Staaten. Das war alles sehr lieb gewesen.

Diesmal sah es anders aus. Schon kilometerweit sahen wir die Wachtürme, und als wir näherkamen, waren wir doch ziemlich entsetzt: Sie hatten ein paar Hektar abgeholzt und asphaltiert und mit Stacheldraht umzäunt. Ein paar Baracken standen herum, und ein Schlagbaum versperrte die Weiterfahrt. Ich fuhr ganz langsam heran und stoppte.

Eine Gruppe von fünf oder sechs Uniformierten kam mit Maschinenpistolen im Anschlag auf uns zu.
Ich legte brav die Hände aufs Lenkrad - so was hat man ja gelernt. Einer kam heran und öffnete die Tür.

"Haben Sie Waffen dabei?"

Ich dachte erst, die wollen abchecken, ob wir in die USA passen, und war schon drauf und dran, freudig zuzustimmen. Dann aber fiel mir ein, dass die bei Leuten aus dem alten Europa doch vielleicht anders denken. Ich blieb dann vorsichtigerweise bei der Wahrheit. "Nein, keine Waffen."

"Fahren Sie langsam bis zu den Fahnen vor," - er deutete in die Mitte des freien Platzes - "steigen Sie beide aus und bleiben Sie mit erhobenen Händen zwanzig Schritt vor dem Wagen stehen".  Er sprach ein schauerliches Amerikanisch, und ich hatte Mühe, ihn zu verstehen. Er schob den Kaugummi auf die andere Seite. "Los!" Die Tür knallte ins Schloss.

Ich fuhr vorsichtig an. Auf dem Asphalt war eine Fahrbahn weiß markiert. In die Mitte des Platzes hatten sie zwei Fahnenmasten gestellt, links Stars and Stripes, rechts Weißkopfseeadler. Die sind dort wahnsinnig stolz auf dieses asoziale Geflügel.

Wir stiegen aus und stellten uns - wie befohlen zwanzig Schritt - vor dem Wagen hin. Irgendwoher plärrte ein Lautsprecher: "Auseinander!". Ich blickte Margarete an, sie blickte mich an, wir zuckten beide mit den Schultern und gingen ein paar Schritte auseinander. Aus einer der Baracken sprangen ein paar Typen auf zwei Jeeps, die rasten auf uns zu und drängten sich zwischen uns. Ich konnte Margarete nicht mehr sehen.

Einer sprang aus dem Jeep und begann, mich mit einem Gerät  - wie auf dem Flughafen - abzutasten; die anderen hielten die MPs auf mich gerichtet. Sein Gerät stellte wohl nichts Auffälliges fest, trotzdem fragte er mich: "Haben Sie eine Waffe dabei?" Ich verneinte brav. "Einsteigen." Ich stieg auf den Jeep - Margarete saß, wie ich sah, schon auf dem anderen. Wir fuhren los - in zwei verschiedene Richtungen.
Es ging zu einer Baracke, und meine Bewacher führten mich zu einem Tresen, hinter dem ein anderer Uniformierter saß.

"Ihren Pass bitte." Immerhin bat er mich; er schien ein höheres Tier zu sein, dass er sich Freundlichkeiten leisten konnte. Ich reichte ihm den Pass, er warf noch nicht einmal einen Blick darauf, sondern steckte ihn sofort in eine Klappe in der Wand. Dann blickte er auf den Monitor vor sich.

"Sie sind Friedrich Linden aus Cologne, Germany?" "Ja."

"Sie kamen am Dienstag mit Condor in Whitehorse, Yukon, Canada an?" "Ja."   

"Haben Sie Waffen dabei?" "Nein, nein, nein."

"Sie haben im Flugzeug Nudeln mit Hühnchen, nicht mit Schinken, bestellt. Warum?"
Ich überlegte kurz. Das war gefährlich. Mir fiel etwas ein. "Meine Eltern erzählten mir von meiner Urgroßmutter, die Halbjüdin gewesen sein soll. Ich esse kein Schweinefleisch." Ich fühlte mich sehr unwohl. Wahrscheinlich hatte mein Microsoft Vista schon längst die Schweinefilets im Gefrierfach zu Hause an den CIA gemeldet. Ging aber gut.

"Haben Sie vor, terroristische Anschläge auf die Vereinigten Staaten auszuüben?" "Nein".
Die Frage kannte ich schon aus dem Formular, das wir vor drei Jahren hatten ausfüllen müssen, auf dem Heimflug, vor der Zwischenlandung in Fairbanks.

Ebenso die nächsten zwei:

"Waren Sie an nationalsozialistischen Verbrechen beteiligt?" "Nein". Der Idiot. Hätte ja auf mein Geburtsdatum sehen können. Gnade der späten Geburt und so.

"Konsumieren Sie Drogen?" "Nein". Zum Glück lag mein letzter Joint drei Monate zurück - müsste eigentlich reichen für einen negativen Nachweis.

Ein prüfender Blick, aber kein Kommentar. Er wies auf eine Tür. "Dort hinein, und ziehen Sie sich um."

Ich drehte mich zu der Tür und stellte erst da fest, dass immer noch drei Uniformierte ihre MPs auf mich gerichtet hielten. Ich ging durch die Tür und fand mich in einer Umkleidekabine wieder. Auf einer Sitzbank lagen eine weiße Hose und ein weißer Umhang. Papier. Toll. Was sollte ich machen. Ich zog mich um.

Die andere Tür ging auf. 3 MPs. Dahinter - oh, eine Frau. Weiße Uniform mit rotem Kreuz. Krankenschwester oder Ärztin oder so.

"Ich untersuche Sie jetzt und nehme Ihnen auch Ihre Genetik ab". Fein, dachte ich. Sie sah eigentlich ganz nett aus, aber dieser Blick - irgendwoher kannte ich den. Diese misstrauischen, gnadenlosen Augen... "Haben Sie Waffen dabei?" Allmählich fand ich das lächerlich. "Ja, sicher."

Ich blickte in die Mündungen von drei MPs, und irgendwo heulte eine Sirene auf. Scheiße.
Ich beeilte mich: "Sorry, sollte ein Scherz sein".
"Hier werden keine Scherze gemacht." Fünf ewige Sekunden Pause. Die MPs senkten sich fast unmerklich, und die Sirene lief aus.
Sie blickte mich wieder an, und mich durchfuhr es: Ja, diesen Blick kannte ich. Das waren die Augen von Wolfgang Schäuble.

Die Prozedur war ziemlich scheußlich, ich will Sie gar nicht damit behelligen. Jedenfalls war ich eine halbe Stunde später wieder in der Umkleidekabine, wurde auf der anderen Seite wieder von drei MPs abgeholt, in einen weiteren Raum gebracht, wo sie mich fragten, ob ich Waffen dabeihätte - diesmal war ich schlauer und sehr treuherzig. Dann ließen sie noch zwei Deutsche Schäferhunde an mir herumschnüffeln - die wandten sich nach ein paar Minuten frustriert ab. Kein Sprengstoff, kein Haschisch, nichts, das nach Kommunismus roch, nur das nötige Maß an Angst. Prüfung bestanden.

Dann kam einer in Zivil, und da wurde mir dann doch ernsthaft mulmig. Er war aber ganz sachlich. "Sie können jetzt das Gebäude verlassen und werden zu Ihrem Fahrzeug gebracht. Ihr Fahrzeug wurde geprüft, sie dürfen damit einreisen. Ihren Pass erhalten Sie am Ausfahrtsposten. Waffen haben Sie keine dabei? "

"Nein, auf keinen Fall".
Er nickte. "Okay. Noch Fragen?"

"Meine Begleiterin?"
"Sie ist schon im Wagen. Noch Fragen?"
"Nein, danke".
"Bitte. God save America."
"Ja, ja, very safe", sagte ich etwas gedankenverloren.

Die drei Uniformierten nahmen mich in die Mitte, brachten mich aus der Baracke, und ihre MPs zeigten mittlerweile doch bemerkenswert weit nach unten. Sie brachten mich zu unseren Camper, er stand ganz in der Nähe.

Ich öffnete die Tür und wollte eben einsteigen. Da hielt mich einer der Uniformierten zurück.
Das durfte doch nicht wahr sein! Und dann stellte er die alles entscheidende Frage.
"Haben Sie Waffen dabei?"

Mich muss der Teufel geritten haben. Ich sagte:
"Ja, ich habe eine Waffe bei mir. Die fürchterlichste Waffe, die es gegen die USA gibt! Absolut wirksam!" Ich grinste ihn an.

Die MPs ruckten hoch. Die drei traten einen Schritt zurück. In den Augen des Wortführers blitzte etwas auf - Angst - Wut?

"Welche Waffe?"

"Das größte Gelächter, das Ihr je erlebt habt!"

Er blickte so dämlich drein, dass ich nicht mehr an mich halten konnte. Ich prustete los.

"Ruhe!" brüllte er mich an. Ich hörte auf zu lachen.

Und dann kam er langsam auf mich zu. In der einen Hand die MP, auf mich gerichtet. Die andere Hand streckte er aus. "Gib sie her. Die Waffe."

Da war es endgültig aus. Mir schossen die Tränen in die Augen, ich hielt mich an der Autotür fest, ich bepinkelte mich und lachte, lachte, wieherte, brüllte, würgte.

Die verstanden überhaupt keinen Spaß.
Die haben überhaupt keinen Humor.

Die schossen!


Jetzt bin ich schon drei Wochen tot, aber ich kann immer noch nicht aufhören zu lachen.



_________________
Das verstehst du noch nicht, sagten sie. Ich verstand.
- Fred K. Linden -
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Justadreamer
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J
Beitrag15.06.2020 09:47

von Justadreamer
Antworten mit Zitat

Hallo Fred K. Linden,

ich empfinde das Ganze als satirische, handwerklich gut umgesetzte Geschichte.

Zitat:
Die sind dort wahnsinnig stolz auf dieses asoziale Geflügel.
Meine Lieblingsstelle

Der satirische Teil ist für mich schon top of the world - ich finde, du könntest auch noch am Anfang etwas "over the top" gehen. Eine kolossale Freiheitsstatue auf dem Dach, die Soldaten mit Amerikaflagge auf dem Gesicht tätowiert, etc. Das gefiele mir persönlich noch besser, sonst hab ich noch das Gefühl, dass das bald zur Standardprozedur wird Laughing

LG
Justadreamer
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Willebroer
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Beitrag15.06.2020 11:22
Re: Poker Creek
von Willebroer
Antworten mit Zitat

Ich sehe eher noch Verdichtungspotenzial. Zum Beispiel könnte man diese Sätze einfach weglassen:

Fred K. Linden hat Folgendes geschrieben:


Da war es endgültig aus. Mir schossen die Tränen in die Augen, ich hielt mich an der Autotür fest, ich bepinkelte mich und lachte, lachte, wieherte, brüllte, würgte.

Die verstanden überhaupt keinen Spaß.
Die haben überhaupt keinen Humor.


Die schossen!


Jetzt bin ich schon drei Wochen tot, aber ich kann immer noch nicht aufhören zu lachen.


Daß sie keinen Spaß verstehen und keinen Humor haben, wurde doch vorher schon deutlich gesagt. Auch "Die schossen" ist eigentlich überflüssig.

Der letzte Satz dagegen ist wieder ein wichtiger Kontrapunkt zu der (mit Recht!) bedrohlichen Situation. Da darf auch das Lachen wieder mit rein. Daumen hoch
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Fred K. Linden
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Beitrag16.06.2020 04:35

von Fred K. Linden
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Hallo Justadreamer,

danke für Deinen Kommentar.

1) Zum asozialen Geflügel:

http://usacanada.de/der-weisskopfseeadler-das-symbol-der-usa/
---
Sein majestätischer Anblick, sein langes Leben und seine große Kraft inspirierten dazu, diesen Vogel zum Wappentier zu wählen.
...
Nicht alle schienen damit jedoch zufrieden zu sein. In einem Brief an seine Tochter führte Benjamin Franklin den „schlechten Charakter“ des Vogels an, der sich die Beute kleinerer Raubvögel stehle. Stattdessen sollte der Truthahn besser geeignet sein, ein original amerikanisches Tier.
...

2) "Top of the world" - ist das Zufall? Poker Creek liegt auf dem Top of the World Highway.

3) Freiheitsstatue und Tätowierung sind mir zu sehr Slapstick. Die Atmosphäre soll aber militant-bedrohlich sein; da passen keine Freiheit hinein und keine Miltärs, die aussehen wie die sogenannten First Nation People.

Liebe Grüße,
Manfred


Hallo Willebroer,

danke für Deinen Vorschlag.

Erstmal zum Verdichtungspotential (ich verwende die Neue Schreibung äußerst sparsam): Das ist ja wohl das Schwierigste: Rauswerfen! Im Schrank wie im Text. Kennen wir alle.

Was lief? Erst Sträuben - kennen wir auch alle. Dann vorsichtiges wiederholtes Ausprobieren, mit den 3 Sätzen und ohne die drei Sätze. Schließlich Erkenntnis: Ohne ist viel besser. Ja, die Sätze sind überflüssig, und das Schöne ist: Ohne sie knallt die Schlusspointe viel besser rein - als stringente Fortsetzung des vorangehenden Satzes.

Ich stelle die verbesserte Version ein.

Liebe Grüße,
Manfred


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- Fred K. Linden -
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Fred K. Linden
Geschlecht:männlichWortedrechsler


Beiträge: 57
Wohnort: Stuttgart


Beitrag16.06.2020 04:39

von Fred K. Linden
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Poker Creek

Kennen Sie Poker Creek?

Überlegen Sie nicht lange; entweder Sie kennen's oder Sie kennen's eher nicht.

Wir waren vor drei Jahren schon mal dort gewesen, und der Grenzübertritt war damals ganz gemütlich: Ein freundlicher Officer fragte uns, ob wir Schnaps dabei hätten - wir hatten keinen, und dann waren wir durch, bekamen noch einen Touristenstempel - mit Karibu - in den Pass. An der Grenzerbaracke hatten sie ein Schild gemalt: Poker Creek, nördlichster Grenzübergang der Vereinigten Staaten. Das war alles sehr lieb gewesen.

Diesmal sah es anders aus. Schon kilometerweit sahen wir die Wachtürme, und als wir näherkamen, waren wir doch ziemlich entsetzt: Sie hatten ein paar Hektar abgeholzt und asphaltiert und mit Stacheldraht umzäunt. Ein paar Baracken standen herum, und ein Schlagbaum versperrte die Weiterfahrt. Ich fuhr ganz langsam heran und stoppte.

Eine Gruppe von fünf oder sechs Uniformierten kam mit Maschinenpistolen im Anschlag auf uns zu.
Ich legte brav die Hände aufs Lenkrad - so was hat man ja gelernt. Einer kam heran und öffnete die Tür.

"Haben Sie Waffen dabei?"

Ich dachte erst, die wollen abchecken, ob wir in die USA passen, und war schon drauf und dran, freudig zuzustimmen. Dann aber fiel mir ein, dass die bei Leuten aus dem alten Europa doch vielleicht anders denken. Ich blieb dann vorsichtigerweise bei der Wahrheit. "Nein, keine Waffen."

"Fahren Sie langsam bis zu den Fahnen vor," - er deutete in die Mitte des freien Platzes - "steigen Sie beide aus und bleiben Sie mit erhobenen Händen zwanzig Schritt vor dem Wagen stehen". Er sprach ein schauerliches Amerikanisch, und ich hatte Mühe, ihn zu verstehen. Er schob den Kaugummi auf die andere Seite. "Los!" Die Tür knallte ins Schloss.

Ich fuhr vorsichtig an. Auf dem Asphalt war eine Fahrbahn weiß markiert. In die Mitte des Platzes hatten sie zwei Fahnenmasten gestellt, links Stars and Stripes, rechts Weißkopfseeadler. Die sind dort wahnsinnig stolz auf dieses asoziale Geflügel.

Wir stiegen aus und stellten uns - wie befohlen zwanzig Schritt - vor dem Wagen hin. Irgendwoher plärrte ein Lautsprecher: "Auseinander!". Ich blickte Margarete an, sie blickte mich an, wir zuckten beide mit den Schultern und gingen ein paar Schritte auseinander. Aus einer der Baracken sprangen ein paar Typen auf zwei Jeeps, die rasten auf uns zu und drängten sich zwischen uns. Ich konnte Margarete nicht mehr sehen.

Einer sprang aus dem Jeep und begann, mich mit einem Gerät - wie auf dem Flughafen - abzutasten; die anderen hielten die MPs auf mich gerichtet. Sein Gerät stellte wohl nichts Auffälliges fest, trotzdem fragte er mich: "Haben Sie eine Waffe dabei?" Ich verneinte brav. "Einsteigen." Ich stieg auf den Jeep - Margarete saß, wie ich sah, schon auf dem anderen. Wir fuhren los - in zwei verschiedene Richtungen.
Es ging zu einer Baracke, und meine Bewacher führten mich zu einem Tresen, hinter dem ein anderer Uniformierter saß.

"Ihren Pass bitte." Immerhin bat er mich; er schien ein höheres Tier zu sein, dass er sich Freundlichkeiten leisten konnte. Ich reichte ihm den Pass, er warf noch nicht einmal einen Blick darauf, sondern steckte ihn sofort in eine Klappe in der Wand. Dann blickte er auf den Monitor vor sich.

"Sie sind Friedrich Linden aus Cologne, Germany?" "Ja."

"Sie kamen am Dienstag mit Condor in Whitehorse, Yukon, Canada an?" "Ja."

"Haben Sie Waffen dabei?" "Nein, nein, nein."

"Sie haben im Flugzeug Nudeln mit Hühnchen, nicht mit Schinken, bestellt. Warum?"
Ich überlegte kurz. Das war gefährlich. Mir fiel etwas ein. "Meine Eltern erzählten mir von meiner Urgroßmutter, die Halbjüdin gewesen sein soll. Ich esse kein Schweinefleisch." Ich fühlte mich sehr unwohl. Wahrscheinlich hatte mein Microsoft Vista schon längst die Schweinefilets im Gefrierfach zu Hause an den CIA gemeldet. Ging aber gut.

"Haben Sie vor, terroristische Anschläge auf die Vereinigten Staaten auszuüben?" "Nein".
Die Frage kannte ich schon aus dem Formular, das wir vor drei Jahren hatten ausfüllen müssen, auf dem Heimflug, vor der Zwischenlandung in Fairbanks.

Ebenso die nächsten zwei:

"Waren Sie an nationalsozialistischen Verbrechen beteiligt?" "Nein". Der Idiot. Hätte ja auf mein Geburtsdatum sehen können. Gnade der späten Geburt und so.

"Konsumieren Sie Drogen?" "Nein". Zum Glück lag mein letzter Joint drei Monate zurück - müsste eigentlich reichen für einen negativen Nachweis.

Ein prüfender Blick, aber kein Kommentar. Er wies auf eine Tür. "Dort hinein, und ziehen Sie sich um."

Ich drehte mich zu der Tür und stellte erst da fest, dass immer noch drei Uniformierte ihre MPs auf mich gerichtet hielten. Ich ging durch die Tür und fand mich in einer Umkleidekabine wieder. Auf einer Sitzbank lagen eine weiße Hose und ein weißer Umhang. Papier. Toll. Was sollte ich machen. Ich zog mich um.

Die andere Tür ging auf. 3 MPs. Dahinter - oh, eine Frau. Weiße Uniform mit rotem Kreuz. Krankenschwester oder Ärztin oder so.

"Ich untersuche Sie jetzt und nehme Ihnen auch Ihre Genetik ab". Fein, dachte ich. Sie sah eigentlich ganz nett aus, aber dieser Blick - irgendwoher kannte ich den. Diese misstrauischen, gnadenlosen Augen... "Haben Sie Waffen dabei?" Allmählich fand ich das lächerlich. "Ja, sicher."

Ich blickte in die Mündungen von drei MPs, und irgendwo heulte eine Sirene auf. Scheiße.
Ich beeilte mich: "Sorry, sollte ein Scherz sein".
"Hier werden keine Scherze gemacht." Fünf ewige Sekunden Pause. Die MPs senkten sich fast unmerklich, und die Sirene lief aus.
Sie blickte mich wieder an, und mich durchfuhr es: Ja, diesen Blick kannte ich. Das waren die Augen von Wolfgang Schäuble.

Die Prozedur war ziemlich scheußlich, ich will Sie gar nicht damit behelligen. Jedenfalls war ich eine halbe Stunde später wieder in der Umkleidekabine, wurde auf der anderen Seite wieder von drei MPs abgeholt, in einen weiteren Raum gebracht, wo sie mich fragten, ob ich Waffen dabeihätte - diesmal war ich schlauer und sehr treuherzig. Dann ließen sie noch zwei Deutsche Schäferhunde an mir herumschnüffeln - die wandten sich nach ein paar Minuten frustriert ab. Kein Sprengstoff, kein Haschisch, nichts, das nach Kommunismus roch, nur das nötige Maß an Angst. Prüfung bestanden.

Dann kam einer in Zivil, und da wurde mir dann doch ernsthaft mulmig. Er war aber ganz sachlich. "Sie können jetzt das Gebäude verlassen und werden zu Ihrem Fahrzeug gebracht. Ihr Fahrzeug wurde geprüft, sie dürfen damit einreisen. Ihren Pass erhalten Sie am Ausfahrtsposten. Waffen haben Sie keine dabei? "

"Nein, auf keinen Fall".
Er nickte. "Okay. Noch Fragen?"

"Meine Begleiterin?"
"Sie ist schon im Wagen. Noch Fragen?"
"Nein, danke".
"Bitte. God save America."
"Ja, ja, very safe", sagte ich etwas gedankenverloren.

Die drei Uniformierten nahmen mich in die Mitte, brachten mich aus der Baracke, und ihre MPs zeigten mittlerweile doch bemerkenswert weit nach unten. Sie brachten mich zu unseren Camper, er stand ganz in der Nähe.

Ich öffnete die Tür und wollte eben einsteigen. Da hielt mich einer der Uniformierten zurück.
Das durfte doch nicht wahr sein! Und dann stellte er die alles entscheidende Frage.
"Haben Sie Waffen dabei?"

Mich muss der Teufel geritten haben. Ich sagte:
"Ja, ich habe eine Waffe bei mir. Die fürchterlichste Waffe, die es gegen die USA gibt! Absolut wirksam!" Ich grinste ihn an.

Die MPs ruckten hoch. Die drei traten einen Schritt zurück. In den Augen des Wortführers blitzte etwas auf - Angst - Wut?

"Welche Waffe?"

"Das größte Gelächter, das Ihr je erlebt habt!"

Er blickte so dämlich drein, dass ich nicht mehr an mich halten konnte. Ich prustete los.

"Ruhe!" brüllte er mich an. Ich hörte auf zu lachen.

Und dann kam er langsam auf mich zu. In der einen Hand die MP, auf mich gerichtet. Die andere Hand streckte er aus. "Gib sie her. Die Waffe."

Da war es endgültig aus. Mir schossen die Tränen in die Augen, ich hielt mich an der Autotür fest, ich bepinkelte mich und lachte, lachte, wieherte, brüllte, würgte.

Jetzt bin ich schon drei Wochen tot, aber ich kann immer noch nicht aufhören zu lachen.


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Das verstehst du noch nicht, sagten sie. Ich verstand.
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Justadreamer
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J
Beitrag16.06.2020 09:50

von Justadreamer
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Hallo Fred,

ja, das top of the world war Absicht. Nachdem deine Frage "Kennen Sie´s?" bei mir mir "Nein" beantwortet werden musste, habe ich es recherchiert.

Zitat:
Diesmal sah es anders aus. Schon kilometerweit sahen wir die Wachtürme


Deshalb dachte ich, du würdest vielleicht noch gerne einen draufsetzen. Klang für mich nach einer 50m hohen Mauer mit Drohnen MG´s  etc Laughing

Hierzu noch ein Einblick

https://www.youtube.com/watch?v=7psxu1wqi0U

Ich verstehe, wenn du den Text erster gestalten willst, dass die Statue etc. nix verloren haben. Vielleicht kannst du in diesem Zug noch die Frage
Zitat:
"Sie haben im Flugzeug Nudeln mit Hühnchen, nicht mit Schinken, bestellt. Warum?"

nochmals überdenken. Hier wird das "militant-bedrohliche" etwas untergraben.
Ich dacht ehrlicherweise bei deinem Beitrag etwas an die "Catbouncer"-Stories, die hier im Forum kursieren, und mMn gerade durch das "over the top" funktionieren. Aber eben nur, wenn man es richtig übertreibt.
Z.B das hier
https://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=69305&highlight=catbouncer

Das heißt natürlich keinesfalls, dass du deine Geschichte jetzt ins Absurde abdriften lassen sollst. Der gekürzte Schluss gefällt mir auch besser.
LG
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51MONSTER2
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Alter: 33
Beiträge: 89
Wohnort: Limburg


Beitrag16.06.2020 11:36

von 51MONSTER2
Antworten mit Zitat

Hallo Fred K. Linden,

mir hat deine Geschichte ganz fabelhaft gefallen! Der Anfang zieht mich als Leser sofort in die Geschichte rein und mit dem Humor hast du meinen Geschmack voll getroffen.
Mich erinnert dein Text sehr an meine Zeit als regelmäßiger Grenzgänger (allerdings zwischen DE und CH). Die Atmosphäre, die während dieser völlig unnötigen Verhöre herrscht, hast du meiner Meinung nach präzise eingefangen (obwohl deutsche und schweizer Grenzbeamte zumindest manchmal versuchen, den Anschein von Subtilität zu erwecken).
Auch die Gedankengänge des Protagonisten kommen mir sehr vertraut vor - jeder, der schon mal so eine Situation erlebt hat, beneidet deinen Protagonisten vermutlich um den Mut, auf diese dämliche Fragerei einfach mit Lachen zu reagieren.
Abgesehen vom Tod aufgrund terroristischen Gelächters nehme ich an, dass das ein Erfahrungsbericht ist - immerhin verwendest du deinen (Foren)Namen. Wenn nicht, bin ich aber umso beeindruckter.
Ich habe kaum etwas Konkretes im Text gefunden, wo ich Verbesserungspotential sehe. Trotzdem findest du hier meine spärlichen Anmerkungen.


Fred K. Linden hat Folgendes geschrieben:
Poker Creek

Kennen Sie Poker Creek?

Überlegen Sie nicht lange; entweder Sie kennen's oder Sie kennen's eher (würde ich weglassen) nicht.

Wir waren vor drei Jahren schon mal dort gewesen, und der Grenzübertritt war damals ganz gemütlich: Ein freundlicher Officer fragte uns, ob wir Schnaps dabei hätten - wir hatten keinen, und dann waren wir durch, bekamen noch einen Touristenstempel - mit Karibu - in den Pass. An der Grenzerbaracke hatten sie ein Schild gemalt: Poker Creek, nördlichster Grenzübergang der Vereinigten Staaten. Das war alles sehr lieb gewesen.

Diesmal sah es anders aus. Schon kilometerweit sahen wir die Wachtürme, und als wir näherkamen, waren wir doch ziemlich entsetzt: Sie hatten ein paar Hektar abgeholzt und asphaltiert und mit Stacheldraht umzäunt. Ein paar Baracken standen herum, und ein Schlagbaum versperrte die Weiterfahrt. Ich fuhr ganz langsam heran und stoppte.

Eine Gruppe von fünf oder sechs Uniformierten kam mit Maschinenpistolen im Anschlag auf uns zu.
Ich legte brav die Hände aufs Lenkrad - so was hat man ja gelernt. Einer kam heran und öffnete die Tür.

"Haben Sie Waffen dabei?"

Ich dachte erst, die wollen abchecken, ob wir in die USA passen, und war schon drauf und dran, freudig zuzustimmen. Dann aber fiel mir ein, dass die bei Leuten aus dem alten Europa doch vielleicht anders denken. Ich blieb dann vorsichtigerweise bei der Wahrheit. "Nein, keine Waffen."

"Fahren Sie langsam bis zu den Fahnen vor," - er deutete in die Mitte des freien Platzes - "steigen Sie beide aus und bleiben Sie mit erhobenen Händen zwanzig Schritt vor dem Wagen stehen". Er sprach ein schauerliches Amerikanisch, und ich hatte Mühe, ihn zu verstehen. Er schob den Kaugummi auf die andere Seite. "Los!" Die Tür knallte ins Schloss.

Ich fuhr vorsichtig an. Auf dem Asphalt war eine Fahrbahn weiß markiert. In die Mitte des Platzes hatten sie zwei Fahnenmasten gestellt, links Stars and Stripes, rechts Weißkopfseeadler. Die sind dort wahnsinnig stolz auf dieses asoziale Geflügel.

Wir stiegen aus und stellten uns - wie befohlen zwanzig Schritt - vor dem Wagen hin. Irgendwoher plärrte ein Lautsprecher: "Auseinander!". Ich blickte Margarete an, sie blickte mich an, wir zuckten beide mit den Schultern und gingen ein paar Schritte auseinander. Aus einer der Baracken sprangen ein paar Typen auf zwei Jeeps, die rasten auf uns zu und drängten sich zwischen uns. Ich konnte Margarete nicht mehr sehen.

Einer sprang aus dem Jeep und begann, mich mit einem Gerät - wie auf dem Flughafen - abzutasten; die anderen hielten die MPs auf mich gerichtet. Sein Gerät stellte wohl nichts Auffälliges fest, trotzdem fragte er mich: "Haben Sie eine Waffe dabei?" Ich verneinte brav. "Einsteigen." Ich stieg auf den Jeep - Margarete saß, wie ich sah, schon auf dem anderen. Wir fuhren los - in zwei verschiedene Richtungen.
Es ging zu einer Baracke, und meine Bewacher führten mich zu einem Tresen, hinter dem ein anderer Uniformierter saß.

"Ihren Pass bitte." Immerhin bat er mich; er schien ein höheres Tier zu sein, dass er sich Freundlichkeiten leisten konnte. Ich reichte ihm den Pass, er warf noch nicht einmal einen Blick darauf, sondern steckte ihn sofort in eine Klappe in der Wand. Dann blickte er auf den Monitor vor sich.

"Sie sind Friedrich Linden aus Cologne, Germany (huch, ist das ein Erfahrungsbericht?)?" "Ja."

"Sie kamen am Dienstag mit Condor in Whitehorse, Yukon, Canada an?" "Ja."

"Haben Sie Waffen dabei?" "Nein, nein, nein."

"Sie haben im Flugzeug Nudeln mit Hühnchen, nicht mit Schinken, bestellt. Warum?"
Ich überlegte kurz. Das war gefährlich. Mir fiel etwas ein. "Meine Eltern erzählten mir von meiner Urgroßmutter, die Halbjüdin gewesen sein soll. Ich esse kein Schweinefleisch." Ich fühlte mich sehr unwohl. Wahrscheinlich hatte mein Microsoft Vista schon längst die Schweinefilets im Gefrierfach zu Hause an den CIA gemeldet. Ging aber gut.

"Haben Sie vor, terroristische Anschläge auf die Vereinigten Staaten auszuüben?" "Nein".
Die Frage kannte ich schon aus dem Formular, das wir vor drei Jahren hatten ausfüllen müssen, auf dem Heimflug, vor der Zwischenlandung in Fairbanks.

Ebenso die nächsten zwei:

"Waren Sie an nationalsozialistischen Verbrechen beteiligt?" "Nein". Der Idiot. Hätte ja auf mein Geburtsdatum sehen können. Gnade der späten Geburt und so.

"Konsumieren Sie Drogen?" "Nein". Zum Glück lag mein letzter Joint drei Monate zurück - müsste eigentlich reichen für einen negativen Nachweis.

Ein prüfender Blick, aber kein Kommentar. Er wies auf eine Tür. "Dort hinein, und ziehen Sie sich um."

Ich drehte mich zu der Tür und stellte erst da fest, dass immer noch drei Uniformierte ihre MPs auf mich gerichtet hielten. Ich ging durch die Tür und fand mich in einer Umkleidekabine wieder. Auf einer Sitzbank lagen eine weiße Hose und ein weißer Umhang. Papier. Toll. Was sollte ich machen. Ich zog mich um.

Die andere Tür ging auf. 3 MPs. Dahinter - oh, eine Frau. Weiße Uniform mit rotem Kreuz. Krankenschwester oder Ärztin oder so.

"Ich untersuche Sie jetzt und nehme Ihnen auch Ihre Genetik ab". Fein, dachte ich. Sie sah eigentlich ganz nett aus, aber dieser Blick - irgendwoher kannte ich den. Diese misstrauischen, gnadenlosen Augen... "Haben Sie Waffen dabei?" Allmählich fand ich das lächerlich. "Ja, sicher."

Ich blickte in die Mündungen von drei MPs, und irgendwo heulte eine Sirene auf. Scheiße.
Ich beeilte mich: "Sorry, sollte ein Scherz sein".
"Hier werden keine Scherze gemacht." Fünf ewige Sekunden Pause. Die MPs senkten sich fast unmerklich, und die Sirene lief aus.
Sie blickte mich wieder an, und mich durchfuhr es: Ja, diesen Blick kannte ich. Das waren die Augen (hier hätte ich mir ein Adjektiv gewünscht, um zu klären, welche Aspekt von Schäubles Augen hier der relevante ist) von Wolfgang Schäuble.

Die Prozedur war ziemlich scheußlich, ich will Sie gar nicht damit behelligen. Jedenfalls war ich eine halbe Stunde später wieder in der Umkleidekabine, wurde auf der anderen Seite wieder von drei MPs abgeholt, in einen weiteren Raum gebracht, wo sie mich fragten, ob ich Waffen dabeihätte - diesmal war ich schlauer und sehr treuherzig. Dann ließen sie noch zwei Deutsche Schäferhunde an mir herumschnüffeln - die wandten sich nach ein paar Minuten frustriert ab. Kein Sprengstoff, kein Haschisch, nichts, das nach Kommunismus roch, nur das nötige Maß an Angst. Prüfung bestanden.

Dann kam einer in Zivil, und da wurde mir dann doch ernsthaft mulmig. Er war aber ganz sachlich. "Sie können jetzt das Gebäude verlassen und werden zu Ihrem Fahrzeug gebracht. Ihr Fahrzeug wurde geprüft, sie dürfen damit einreisen. Ihren Pass erhalten Sie am Ausfahrtsposten. Waffen haben Sie keine dabei? "

"Nein, auf keinen Fall".
Er nickte. "Okay. Noch Fragen?"

"Meine Begleiterin?"
"Sie ist schon im Wagen. Noch Fragen?"
"Nein, danke".
"Bitte. God save America."
"Ja, ja, very safe", sagte ich etwas gedankenverloren.

Die drei Uniformierten nahmen mich in die Mitte, brachten mich aus der Baracke, und ihre MPs zeigten mittlerweile doch bemerkenswert weit nach unten. Sie brachten mich zu unseren Camper, er stand ganz in der Nähe.

Ich öffnete die Tür und wollte eben einsteigen. Da hielt mich einer der Uniformierten zurück.
Das durfte doch nicht wahr sein! Und dann stellte er die alles entscheidende Frage.
"Haben Sie Waffen dabei?"

Mich muss der Teufel geritten haben. Ich sagte:
"Ja, ich habe eine Waffe bei mir. Die fürchterlichste Waffe, die es gegen die USA gibt! Absolut wirksam!" Ich grinste ihn an.

Die MPs ruckten hoch. Die drei traten einen Schritt zurück. In den Augen des Wortführers blitzte etwas auf - Angst - Wut?

"Welche Waffe?"

"Das größte Gelächter, das Ihr je erlebt habt!"

Er blickte so dämlich drein, dass ich nicht mehr an mich halten konnte. Ich prustete los.

"Ruhe!" brüllte er mich an. Ich hörte auf zu lachen.

Und dann kam er langsam auf mich zu. In der einen Hand die MP, auf mich gerichtet. Die andere Hand streckte er aus. "Gib sie her. Die Waffe."

Da war es endgültig aus. Mir schossen die Tränen in die Augen, ich hielt mich an der Autotür fest, ich bepinkelte mich und lachte, lachte, wieherte, brüllte, würgte.

Jetzt bin ich schon drei Wochen tot, aber ich kann immer noch nicht aufhören zu lachen.


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Klemens_Fitte
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Beitrag16.06.2020 14:49

von Klemens_Fitte
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Ich gestehe, mir erschließt sich die Zielrichtung des Textes nicht so recht; fängt damit an, dass man mE an den meisten Grenzen ein Problem mit der Einfuhr von Waffen haben dürfte (ist ja auch logisch, denke ich), insofern scheint mir das satirische Potential da von vornherein nicht übermäßig hoch.

Natürlich wird das hier überzeichnet … wobei, überzeichnet trifft es nicht ganz – es wird ja nichts auf die Spitze getrieben oder der Aspekt Grenzer mit MPs fragen Zivilisten, ob sie Waffen dabei haben auf etwas geführt, eine Erkenntnis des Absurden o.Ä. – stattdessen scheint das (einzige?) humoristische Mittel die Wiederholung, und auch die, habe ich am Ende den Eindruck, dient nur dazu, dem Erzähler die Vorlage zu liefern, damit er seine Pointe vom Gelächter als Waffe anbringen kann.

Grundsätzlich sind die USA aktuell ein naheliegendes, erprobtes, aber trotzdem noch spannendes Ziel satirischer Betrachtung
wobei man da aufpassen muss, dass man nicht von der Realität rechts überholt wird; ging mir kürzlich so, als ich einen Text schrieb, der auf humoreske Weise mit den Trump'schen Sprachmanierismen spielt, im Licht aktueller Entwicklungen inhaltlich aber unglaublich harmlos daherkommtnur: diese ganzen interessanten Themen finde ich auch nicht im Text, deshalb wundert es mich, dass er direkt zu Beginn explizit
Zitat:
Diesmal sah es anders aus.

auf seine (im Text-Kontext) Aktualität verweist, oder zumindest darauf, dass es hier um etwas geht, das es zuvor nicht gab. Merkwürdig, wo sich doch grade im Brennglas USA auch unser eigenes Leben und Denken oder unsere Sozialisation, Kultur, was auch immer kritisch (satirisch) betrachten ließen.

Introspektion oder Selbstreflexion suche ich beim Erzähler allerdings vergeblich – er mag auf inhaltlicher Ebene das passive Opfer der Umstände sein, aber die Rolle, die er eigentlich gibt, ist die des Überlegenen, dem alles lächerlich vorkommt.

Und da wird's als Satire halt – für mich – doppelt zahnlos, denn weder scheint mir das Sujet ein allzu abgründiges oder komplexes, noch begibt sich der Text an irgendeiner Stelle ins Risiko, weder ins Risiko einer kontroversen Meinung/Haltung noch ins Risiko, dass sich der Erzähler in seinem spöttischen Blick selbst entlarvt (bzw. nur in den Augen eines böswilligen Lesers). Die Sprache passt da auch ins Bild; irgendwie nett und ohne echte Spitzen.

Jetzt steht das Ganze natürlich in der Werkstatt und nicht im Feedback – ich bin aber schon lang davon weg, mit Buntstiften in Texte reinzumalen, und aus meiner Rückmeldung geht ja hervor, dass die (werkstättlich zu behebenden) Mängel des Textes ein wenig tiefer liegen als im dsfo-eigenen Anstreichen und Beheben sprachlicher Stolperstellen.


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Fred K. Linden
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Beitrag16.06.2020 23:46

von Fred K. Linden
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Lieber Simon, lieber Klemens,

danke für Eure Antworten.

Muss man wissen, in welchem zeitlichen Kontext eine Geschichte geschrieben wurde?
Das ist so eine Sache. Spontan würde ich sagen, nein, eine gute Geschichte erklärt sich selbst. Andererseits: Wer versteht heute noch Tucholsky ohne Hintergrund? Oder Schiller?

Unser erster Urlaub im Yukon 2004 ging über Whitehorse - Dawson - Tok, Alaska - Beaver Creek. Das ist die einzige mögliche Rundstrecke.
... "und der Grenzübertritt war damals ganz gemütlich" ... Das ist noch voll an der Realität.

Im zweiten Yukon Urlaub 2007 fuhren wir dieselbe Strecke, und da wurden wir erkennungsdienstlich behandelt (Fingerabdrücke).
Poker Creek habe ich dann 2008 geschrieben. Von daher weiß die Geschichte nichts von der heutigen Situation. (An der versucht sich eh jede Satire vergeblich).

Wie ich auf Schäuble kam - der war damals Innenminister!:
https://www.zeit.de/online/2007/01/terror-abschuss-schaeuble
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/flugzeug-abschuss-schaeuble-verbittet-sich-ratschlaege-von-verfassungsrichtern-a-529752.html


@Simon:

- Sie kennen's eher (würde ich weglassen) nicht. => Ich meinte das "eher" schon so, nämlich: Ich glaube nicht, dass Sie das kennen, das kennt doch keiner, weil es nicht wichtig ist. Herabsetzend.
- huch, ist das ein Erfahrungsbericht?) => versteh ich nicht, sorry.
- die Augen (hier hätte ich mir ein Adjektiv gewünscht, um zu klären, welche Aspekt von Schäubles Augen hier der relevante ist) => steht ein paar Zeilen vorher: " Diese misstrauischen, gnadenlosen Augen..."


@Klemens:

Da war ich wohl zu naiv mit der Wahl des Bereichs. Wie schreibt doch Boro über den Prosa Feedback-Bereich: Hier wird das Gewicht der Schläge in Karat gemessen.
Soweit ich mich erinnern kann, habe ich das Ding recht zügig runtergeschrieben und wusste zu Beginn noch nicht, was daraus wird. Das erklärt (nicht: entschuldigt) wohl die schwache Dramaturgie.
Zum Thema USA aktuell siehe oben.
Ich habe Deine Kritik mehrfach daraufhin untersucht, ob ich ihr etwas entgegenzusetzen habe. Habe ich nicht. Für mich ist es eine neue Erfahrung, entwaffnet zu sein. Tut aber - ich staune selbst - gar nicht so sehr weh.

Deine Kritik ist hart, aber nie verletzend. Dass Du Dich mit meinem Text auseinandersetzt, freut mich - Du hast ihn trotz der Schwäche für wert erachtet.

Danke.


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Klemens_Fitte
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Beitrag17.06.2020 07:43

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Fred K. Linden hat Folgendes geschrieben:
Muss man wissen, in welchem zeitlichen Kontext eine Geschichte geschrieben wurde?


Ich würde sagen: zunächst muss dem Leser bewusst sein, dass er sich die Frage nach dem zeitlichen Kontext eines Textes stellen muss. Das ist nicht immer im gleichen Maß der Fall – und sicher auch eine Frage des Mediums. Tucholsky, Schiller – die begegnen mir doch meist in Büchern, ich bin mir also, noch bevor ich das erste Wort gelesen habe, bewusst, dass ich nicht unbedingt einen Aktualitätsanspruch an das Gelesene herantragen sollte, oder anders: dass mir die Frage nach dem zeitlichen Entstehungskontext präsent sein sollte.

Bei einem Text, der in ein Forum eingestellt wird, ist das schon ein wenig schwieriger, zumal ich mir sagen könnte: wäre die Frage, wann der Text entstanden ist, entscheidend, gäbe es einen Autor, der sie mir direkt beantworten bzw. zumindest bewusst machen könnte. Der folgende Text wurde anno X geschrieben o.ä. liest man ja häufig genug.

Stattdessen beginnt der Text mit einer direkten Ansprache an den Leser, im ersten Moment also: mich, der ich mich in einem ganz bestimmten Jetzt befinde. Er verwendet Begriffe wie vor drei Jahren und diesmal, und er ist markiert als Satire, von der ich zunächst einen gewissen Aktualitätsbezug erwarte (wie gesagt: es sei denn, sie begegnet mir in einem Buch, unter dem Namen eines Autors, dessen biografische Daten ich kenne, unter einer Überschrift, die eine zeitliche Rückdatierung formuliert etc.)

Anekdoten, Reiseberichte o.ä., solange sie nicht darum bemüht sind, Zeitloses zu beschreiben, werden an irgendeiner Stelle meist datiert. Es gibt Jahreszahlen oder, indirekter, einen Nebensatz über historische Begebenheiten/Personen, die eine zeitliche Einordnung ermöglichen.

Wolfgang Schäubles Augen sah ich zuletzt vor ein paar Tagen auf einem ganzseitigen Foto neben einem SPIEGEL-Interview. Erschreckend aktuell waren die.
Ob mein Lesen anders gewesen wäre, stünde im Text: Das waren die Augen von Innenminister Schäuble? Ist im Nachhinein schwer zu sagen, ich denke aber schon.

Noch kurz dazu:

Fred K. Linden hat Folgendes geschrieben:
Da war ich wohl zu naiv mit der Wahl des Bereichs. Wie schreibt doch Boro über den Prosa Feedback-Bereich: Hier wird das Gewicht der Schläge in Karat gemessen.
Soweit ich mich erinnern kann, habe ich das Ding recht zügig runtergeschrieben und wusste zu Beginn noch nicht, was daraus wird. Das erklärt (nicht: entschuldigt) wohl die schwache Dramaturgie.


Bin mir jetzt nicht sicher, ob ich dir folge, aber: Da bestand ja kein Fehler von deiner Seite, der Text steht ja in der Werkstatt, nicht im Feedback. Ich wollte nur darauf hinaus, dass man eine so umgreifende – andere würden sagen: oberflächliche – Rückmeldung wie meine eher im Feedback erwarten würde, nicht in der Werkstatt, wo ja an Texten gewerkt werden soll; was im dsfo meist heißt, dass man mit Buntstift (sprachliche) Stolperstellen im Text anstreicht, die der Autor dann ausbessern kann (oder nicht), und wenn man wenig anzustreichen hat, schreibt man: Ich habe gar nichts auszusetzen.

Die ganze Kategorienfrage, Werkstatt, Feedback, Trash etc. ist aber zu kompliziert und müßig, um diesen Faden damit zu belasten. Wenn ich das Gefühl habe, etwas zu einem Text schreiben zu können, schreibe ich es, egal, ob es zum Unterforum passt oder nicht.


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51MONSTER2
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Beitrag17.06.2020 13:27

von 51MONSTER2
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Fred K. Linden hat Folgendes geschrieben:
- huch, ist das ein Erfahrungsbericht?) => versteh ich nicht, sorry.

Damit wollte ich lediglich anmerken, dass ich mit Überraschung festgestellt habe, dass du dich selbst ganz direkt zum Protagonisten gemacht hast. Das ist mir (außer in Biografien) noch nie untergekommen und fand ich einfach bemerkenswert - vor allem, da spätestens der Tod am Ende der Geschichte aufzeigt, dass das nicht 100% so gewesen sein kann... Laughing . Ob/Was du aus dieser Anmerkung machst, ist natürlich dir überlassen.

Der Rest meiner Kommentare hat sich durch deine Erklärungen für mich geklärt und kann ich nachvollziehen.


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Fred K. Linden
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Beitrag19.07.2020 01:32

von Fred K. Linden
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Lieber Klemens,

Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Bin mir jetzt nicht sicher, ob ich dir folge, aber: Da bestand ja kein Fehler von deiner Seite, der Text steht ja in der Werkstatt, nicht im Feedback.


Wär schön gewesen. Sah aber so aus: Ich hatte den Text ins Feedback eingestellt (deshalb meine Bemerkung zur Wahl des Bereichs). Nach Anregung von Willebroer 15.06.2020 11:22 habe ich drei Sätze entfernt und den Text neu eingestellt. Der wurde dann maschinell gnadenlos (eher: gnädig) in den Bereich Werkstatt verschoben - wo Du ihn dann vorfandest.

Deine Bemerkungen zum zeitlichen Kontext kann ich mir voll zu eigen machen - ich bin noch lernfähig.

Liebe Grüße,
Manfred


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Fred K. Linden
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Beitrag19.07.2020 01:38

von Fred K. Linden
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Lieber Monster,
mir fällt es leichter, den Protagonisten selbst zu spielen als einen glaubwürdig zu erfinden. Der Schluss (von dem ich zu Beginn des Schreibens noch nichts ahnte) passt da natürlich gut rein.

Liebe Grüße,
Manfred


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