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Subtilität in der Lyrik - wer braucht sie noch?

 
 
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Abari
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Beiträge: 1838
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Der bronzene Durchblick


Beitrag20.04.2020 15:54
Subtilität in der Lyrik - wer braucht sie noch?
von Abari
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Mit Subtilität haben es die LyrikerInnen immer versucht. Ergo: "Kann sie/er das wirklich gedacht haben? Warum muss ich das interpretieren? Steht ja eh nichts davon drin!"

Spätestens die Popkultur hat dann das Subtile abgestriffen wie ein altes Kleid und verbrannt. Die Leute können mit subtilen Gesten immer weniger anfangen, egal wo man in der ernsten Kunst schaut. Da muss immer ein Erklärbär her, der es auslegt. Das, was man früher als Holzhammermethode empfunden hätte, ist Normalität geworden ... war es vielleicht schon immer, wenn ich mir die Winterreise beispielsweise anhöre. Nix subtil: Alles offen. Und das war damals einfach spektakulär, nachdem Goethe im Heidenröslein und Erlkönig  Vergewaltigung und Kindsmissbrauch thematisierte: Aber eben so schön subtil.

Für jede Art von Lyrik findet sich ein(e) LeserIn. Und je kleiner der Interpretationsspielraum ist, desto besser (heute)?
Ich liebe das Subtile ja auch, aber es ist eben eine Gratwanderung geworden, zwischen schönem Bild und offensichtlichem Handeln.

Was denkt Ihr? Sitzen die LyrikerInnen im Elfenbeinturm?
Und wie offensichtlich/subtil sollte/darf Lyrik sein?

Als Inspirationsquelle vielleicht dies.


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Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.

LG
Abari
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Elena
Geschlecht:weiblichEselsohr
E

Alter: 82
Beiträge: 218
Wohnort: Berlin


E
Beitrag09.06.2020 07:52
Subtilität in der Lyrik
von Elena
Antworten mit Zitat

Hallo Abari,

ja, das scheint mir noch immer aktuell zu sein, gerade in der Lyrik von Frauen. Man muss ja schließlich nicht alles mitmachen, weil es "modern" ist.
Gerade das Subtile in der Lyrik sollte jeden Lyriker angehen, egal, ob Männlein oder Weiblein, denn gerade er ist es ja, der mit viel mehr Aufmerksamkeit als Leute, die nicht schreiben, Menschen und ihre Handlungen in einer bestimmten Umgebung in seinen Gedichten verdeutlichen muss, damit es eben auch Gedichte werden und nicht bloß Sprechblasen.

Wobei sich das Schreiben von Männern und Frauen unterscheidet, nicht nur im Stilistischen, auch in der Wahl der Themen. Und das ist keine Erkenntnis von heute, meiner Ansicht nach war das schon immer so, seit Frauen schreiben, was sie ja nicht immer getan haben. Ich glaube einfach nicht daran, dass man ein halbwegs gewichtiges Gedicht schreiben kann, ohne auf die Psyche des Menschen in der Interaktion mit seiner Umgebung und seinen daraus resultierenden Handlungen, Einsichten und Weltverständnis einzugehen. Ein Gedicht ohne diesen Hintergrund spricht mich nicht an. Auf diese Ansprache aber kommt es beim Gedicht an, und da ist es auch egal, ob es ein Liebes-, Natur-, Gedanken- oder satirisches oder humorvolles Gedicht ist. Ich muss in einem Gedicht etwas wiederfinden, was für mich das Leben ausmacht.

Lieben Gruß, Elena
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holg
Geschlecht:männlichExposéadler

Moderator

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Bronzenes Licht Der bronzene Roboter


Beitrag09.06.2020 14:39

von holg
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puh, da wüsste ich gerne ein wenig über den Kontext dieser Antwort, bevor ich mich ungefragt mit dem einmische, was mir dazu auf den Fingern liegt.

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Why so testerical?
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Nihil
{ }

Moderator
Alter: 34
Beiträge: 6039



Beitrag09.06.2020 17:22

von Nihil
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Es scheint sich hierbei um die Antwort auf diesen Thread, die versehentlich ein eigenes Thema geworden ist. Ich wedele mal kurz den Zauberstab.

EDIT: Et voilà. Einer meiner schönsten Zusammenführungen.
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holg
Geschlecht:männlichExposéadler

Moderator

Beiträge: 2395
Wohnort: knapp rechts von links
Bronzenes Licht Der bronzene Roboter


Beitrag09.06.2020 21:22

von holg
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Danke.

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Why so testerical?
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Abari
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Alter: 43
Beiträge: 1838
Wohnort: ich-jetzt-hier
Der bronzene Durchblick


Beitrag10.06.2020 13:19

von Abari
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hey Elena,

Du stellst einige interessante Thesen auf. Inwiefern sich feminine von maskuliner Lyrik unterscheidet, weiß ich nicht zu sagen; darüber ist schon viel gestritten worden und wenig zum Schluss gekommen. Ich persönlich scheue mich davor, diese Unterscheidung vorzunehmen, weil ich denke, dass die Trennung der beiden mehr Gefahr als Gutes in sich birgt.

Ein Hintergrund lässt sich mMn oft ausmachen, aber wie verschlüsselt darf der sein? Wenn man von Straßenbattlerap absieht, bemühen sich die LyrikerInnen im Allgemeinen schon darum, dass eine These, ein Gedanke oder eine Einsicht zum Tragen kommt. ME ist es so, dass es eher darum geht, der Leserschaft möglichst großen Interpretationsspielraum zu lassen und sie eher zum Denken und Fühlen zu bewegen. Aber wie groß darf dieser Raum sein?

Ich für meinen Teil möchte gern viele Menschen erreichen. Dennoch wird mir immer wieder gesagt, dass ein simpler Zugang zu meinen Texten nicht möglich ist, wenn man nicht so oft über Literatur nachdenkt. Das wurmt mich, da ich in vielen Fällen nur ein seliges Lächeln hervorbringen möchte. Für mein Empfinden ist es aber gerade die heitere Muse, die der meisten Geisteskraft bedarf, um leicht und locker zu wirken...

Was meinst Du mit "was für mich das Leben ausmacht"?

Danke an holg und nihil für das aufmerksame Lesen und Zusammenfügen.


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LG
Abari
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Gast







Beitrag12.07.2020 06:06

von Gast
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um auf den OP zu antworten:

Ich schätze, es handelte sich beim eingeschlagenen Weg zwischen Subtilität und plakativem Wink mit dem Zaunpfahl schon immer um eine Gratwanderung. Nur hat sich über die Jahre mit der Verschiebung des Zielpublikums hin zur Masse auch dessen Aufnahmekapazität zum durchschnittlichen Schwerpunkt hin verlagert. Will man die flüssigen Zeilen mit der Giesskanne breiter verteilen, ergibt sich das Resultat weniger tief. Man kann wohl auch heute noch aus dem vollen schöpfen, nur ist fast paradoxerweise dank der grösseren Zielscheibe für die pointierten Worte als Ganzes mehr Treffsicherheit erfordert, gerade wenn man nicht die Mitte treffen will. Die Suche nach dem richtigen Weg gestaltet sich weniger orientierungslos, wenn man die Adresse kennt, auf die man hinstrebt. Dazu muss man sich entscheiden, denn auf allen Wegen gelangt man bloss nach Rom und dies war ja bekanntlich die Mitte, die Hannibal in seiner Gratwanderung über die Alpen besser nicht angepeilt hätte. Wer zwei Pfeile im Köcher hat und mit beiden gleichzeitig schiessen will hat nur mehr Sicherheit, beide Ziele zu verfehlen.
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sphinx
Wortedrechsler


Beiträge: 56
Wohnort: Moloch in whom I sit lonely! (Ginsberg)


Beitrag14.08.2021 12:00
Re: Subtilität in der Lyrik - wer braucht sie noch?
von sphinx
Antworten mit Zitat

Abari hat Folgendes geschrieben:

Spätestens die Popkultur hat dann das Subtile abgestriffen wie ein altes Kleid und verbrannt.


Was meinst du mit "Popkultur"?

Zitat:
Das, was man früher als Holzhammermethode empfunden hätte, ist Normalität geworden ... war es vielleicht schon immer, wenn ich mir die Winterreise beispielsweise anhöre. Nix subtil: Alles offen. Und das war damals einfach spektakulär, nachdem Goethe im Heidenröslein und Erlkönig  Vergewaltigung und Kindsmissbrauch thematisierte: Aber eben so schön subtil.



Welche Winterreise? Müller? Heines Wintermärchen?


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sphinx
Wortedrechsler


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Beitrag14.08.2021 12:09
Re: Subtilität in der Lyrik
von sphinx
Antworten mit Zitat

Elena hat Folgendes geschrieben:

Wobei sich das Schreiben von Männern und Frauen unterscheidet, nicht nur im Stilistischen, auch in der Wahl der Themen. Und das ist keine Erkenntnis von heute, meiner Ansicht nach war das schon immer so, seit Frauen schreiben, was sie ja nicht immer getan haben.
Ich glaube einfach nicht daran, dass man ein halbwegs gewichtiges Gedicht schreiben kann, ohne auf die Psyche des Menschen in der Interaktion mit seiner Umgebung und seinen daraus resultierenden Handlungen, Einsichten und Weltverständnis einzugehen. Ein Gedicht ohne diesen Hintergrund spricht mich nicht an. Auf diese Ansprache aber kommt es beim Gedicht an, und da ist es auch egal, ob es ein Liebes-, Natur-, Gedanken- oder satirisches oder humorvolles Gedicht ist. Ich muss in einem Gedicht etwas wiederfinden, was für mich das Leben ausmacht.

Lieben Gruß, Elena


1. Da die soziale Kategorie "Frau" (bzw. "Mann"), ergo der soziale Ort "Weiblichkeit" (bzw. "Männlichkeit"), ergo die Psyche der jeweiligen konkreten Geschlechts-Besitzer weder innerhalb einer Gesellschaft noch geschichtsübergreifend identisch sind, gibt es keine trashistorischen "weiblichen" Stile oder fixen Themen und kann auch keine geben.

2. Dass Frauen nicht immer geschrieben haben, ist insofern richtig, als es Schrift nicht immer gegeben hat.
Ansonsten ist aber meinem Wissenstand nach die älteste identifizierbare "Autorenpersönlichkeit" (bzw, mindestens eine der ältesten) weiblich:

https://de.wikipedia.org/wiki/En-hedu-anna

("Autorenpersönlichkeit" in Anführungsstrichen, weil auch Autorschaft ja nichts transhistorisches ist)

Dass es historische Phasen gibt, in denen schreibende Frauen seltener sind, stimmt - aber daraus ist eben nicht auf ein allgemeines finsteres "Früher" zu schließen (was das "seit" etwas suggeriert).


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Ingo.H
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Wohnort: Herford


Beitrag05.01.2022 10:54
Re: Subtilität in der Lyrik
von Ingo.H
Antworten mit Zitat

[quote="sphinx"]
Elena hat Folgendes geschrieben:

Ansonsten ist aber meinem Wissenstand nach die älteste identifizierbare "Autorenpersönlichkeit" (bzw, mindestens eine der ältesten) weiblich:

https://de.wikipedia.org/wiki/En-hedu-anna


Mir ist eigentlich egal ob ein Mann oder eine Frau oder was ganz anderes als erstes mit dem Schreiben angefangen hat, aber zumindest bei den Ägyptern gibt es ältere bekannte Autoren. Imhotep, Priester zur Zeit König Djosers, dessen Werk zwar als verloren gilt, wurde schon zu Lebzeiten als Verfasser von Weisheiten erwähnt und der lebte 400 Jahre vor En-hedu-anna.
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Ingo.H
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Beitrag05.01.2022 11:00
Re: Subtilität in der Lyrik - wer braucht sie noch?
von Ingo.H
Antworten mit Zitat

Abari hat Folgendes geschrieben:
Mit Subtilität haben es die LyrikerInnen immer versucht. Ergo: "Kann sie/er das wirklich gedacht haben? Warum muss ich das interpretieren? Steht ja eh nichts davon drin!"

Spätestens die Popkultur hat dann das Subtile abgestriffen wie ein altes Kleid und verbrannt. Die Leute können mit subtilen Gesten immer weniger anfangen, egal wo man in der ernsten Kunst schaut. Da muss immer ein Erklärbär her, der es auslegt.


Ich sehe das anders. Ich glaube das es zwei Tendenzen gibt. Die eine prophan alles in die Leute reinzuhämmern, damit sie es auch bloß kapieren (wie bei "Die unendliche Leichtigkeit des Seins"), auf der anderen Seite gibt es doch eben auch genau jene, die ein Konstrukt um ihre Botschaft aufbauen. Gerade im Film der 1990er/2000er Jahre wurde das deutlich durch einige (wie ich finde) herausragende Werke.
Zwischendurch wurde so etwas sogar von Netflix extrem gefördert, fällt jetzt aber dem Einheitswahn zum Opfer, in dem alles klar formuliert wird, jede Ethnie/Sexualität vertreten ist und alles für jeden verständlich sein muss. Was auch das Netflix-Programm (in meinen Augen) stark geschädigt hat.
Jetzt mag man mir vorhalten: Filme und Serien sind keine Lyrik und in den meisten Fällen dürfte das auch stimmen.
Womit meine Aussage eigentlich wertlos ist.
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Abari
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Der bronzene Durchblick


Beitrag26.03.2022 19:50
Re: Subtilität in der Lyrik - wer braucht sie noch?
von Abari
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Hey,

ich bitte die Verzögerung zu entschuldigen.

sphinx hat Folgendes geschrieben:
Was meinst du mit "Popkultur"?


Die musikgestützte Kulturbewegung der 1960er Jahre, Beatlesff, die gern als Volksliedermacher des 20. Jahrhunderts gehandelt werden.

sphinx hat Folgendes geschrieben:
Welche Winterreise? Müller? Heines Wintermärchen?


Ja, Schubert/Müller.

Ingo.H hat Folgendes geschrieben:
Mir ist eigentlich egal ob ein Mann oder eine Frau oder was ganz anderes als erstes mit dem Schreiben angefangen hat, aber zumindest bei den Ägyptern gibt es ältere bekannte Autoren.


Mir auch. Aber leider wurden in Mitteleuropa schreibende Frauen bis ins 20. Jahrhundert nicht ernst genommen. Frauen mussten idR auf dem Umweg über ihren Mann veröffentlichen, wenn sie überhaupt "was werden" wollten.

Ingo.H hat Folgendes geschrieben:
Ich glaube das es zwei Tendenzen gibt. Die eine prophan alles in die Leute reinzuhämmern, damit sie es auch bloß kapieren (wie bei "Die unendliche Leichtigkeit des Seins"), auf der anderen Seite gibt es doch eben auch genau jene, die ein Konstrukt um ihre Botschaft aufbauen.


Es geht mir nicht um ein Konstrukt im eigentlichen Sinne, sondern die Subtilität. Freilich kann ich sagen (um beim Eingangspost zu bleiben):

Ein Jüngling sich wohl hergemacht
hat über eine schöne Maid,
und hat ihr freundlich zugelacht
dort auf der grünen Schäferweid [etc. pp.]

wie es vermutlich der Bänkelsang verfertigt hätte. Oder ich bin Goethe und verwandle das ganze in das "Heidenröslein", das mit der Melodie von Werner zum Stammrepertoire jedes Volkschores gehört.

Die Frage bleibt, ob sich subtile Texte entschlüsseln lassen und es noch Sinn hat, welche zu schreiben. Und wenn ja, wie viel Subtilität der Text verträgt?


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Beitrag27.03.2022 00:18

von V.K.B.
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Zitat:
Oder ich bin Goethe und verwandle das ganze in das "Heidenröslein", das mit der Melodie von Werner zum Stammrepertoire jedes Volkschores gehört.

Die Frage bleibt, ob sich subtile Texte entschlüsseln lassen und es noch Sinn hat, welche zu schreiben. Und wenn ja, wie viel Subtilität der Text verträgt?
Man könnte sich als Dichter eigentlich auch ins Fäustchen lachen. Ich frage mich nämlich immer, wie viele der Heidenröslein-Sänger da eigentlich verstehen, was sie da tatsächlich besingen.

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Abari
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Beitrag27.03.2022 00:28

von Abari
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V.K.B. hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Oder ich bin Goethe und verwandle das ganze in das "Heidenröslein", das mit der Melodie von Werner zum Stammrepertoire jedes Volkschores gehört.

Die Frage bleibt, ob sich subtile Texte entschlüsseln lassen und es noch Sinn hat, welche zu schreiben. Und wenn ja, wie viel Subtilität der Text verträgt?
Man könnte sich als Dichter eigentlich auch ins Fäustchen lachen. Ich frage mich nämlich immer, wie viele der Heidenröslein-Sänger da eigentlich verstehen, was sie da tatsächlich besingen.


Ich habe das in einem meiner Chöre mal rumposaunt, was das laut einhelliger Literaturwissenschaftsmeinung darstellen soll ... Harsche Entrüstung war von etlichen die Antwort. Goethe? D A S ? Nie und nimmer! - Andere waren bestürzt, dritte haben einfach nur gelacht. Vielleicht war ihnen bekannt, dass das gute Johannerl Wolferl auch kein Röcklein ungehoben gelassen hat, wenn es ging.

So ist es eben mit den subtilen Texten, dass sie so große Deutungsspielräume lassen.


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Beitrag27.03.2022 01:12

von V.K.B.
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Zitat:
Harsche Entrüstung war von etlichen die Antwort. Goethe?
Finde ich gerade ziemlich unglaublich. Ich mein, der Text ist doch eindeutig:

a: Ich will dich BRECHEN
b: Ich werde dich stechen (mich wehren)
a: Ich breche dich trotzdem, das Wehren nützt dir nichts und du musst halt leiden

Die Frage ist nur, ob man es jetzt wirklich nur auf das Pflücken einer Rose bezieht, oder allegorisch auf eine Frau überträgt. Aber eigentlich ist es doch sonnenklar, oder?


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Abari
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Beitrag27.03.2022 02:01

von Abari
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V.K.B. hat Folgendes geschrieben:
Aber eigentlich ist es doch sonnenklar, oder?


Im Grunde hast Du Recht, aber die Leute wollen oder können das nicht sehen, weil sie dem Dichterfürsten solch ein heikles Thema nicht zutrauen. Und erst recht nicht so einem lieblich-naiven Liedchen wie dem "Heidenröslein". Ich mein, der Text ist auch gut und eingängig gemacht, sowohl auf technischer als auch inhaltlicher Ebene. Goethe lässt zB die entschlüsselnde Moral weg, was ihm seinerzeit auch womöglich mindestens einen Riesenskandal eingebrockt hätte. Er musste sich ja auch schützen und hat sich ... wie viele DDR-Künstler auch, wie mir gerade einfällt ... auf das Subtile zurückgezogen. Es steht eben auf der Textebene nichts davon drin, dass es sich um eine Vergewaltigung handelt, sondern nur, dass ein Knäblein eine Rose sieht, sie abbrechen will, die Rose (als ein sagenhaftes Element) das Knäblein warnt, es die Warnung in den Wind schlägt und sich verletzt.

Mehr ist da nicht.

Interpretatorisch betrachtet, ist die Vergewaltigung naheliegend und eventuell auch intendiert. Vielleicht. Ich habe hierin gelesen, dass der Stoff älter ist. Und einem "züchtigen Liedelein" wird man wohl kaum eine solche Interpretation unterstellen dürfen. Ok, ob Goethe den Stoff gekannt hat, weiß keiner. Aber gesetzt den Fall, wäre eine Wiederaufnahme nach Gesichtspunkten des letzten Drittels des 18. Jahrhunderts durchaus denkbar und eher als eine Verarsche der anfänglichen Zierlichkeiten der Friederike Brion und das jähe Ende der Liaison zu werten.

Das wäre genauso denkbar wie der allgemeine Hang zu Vergewaltigungsinterpretation, den ich sehr wohl verstehe.


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PaulaSam
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Beitrag27.03.2022 11:06

von PaulaSam
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Ich habe jetzt nicht alle Antworten gelesen, weshalb es sein kann, dass das, was ich gleich schreibe, schon erwähnt wurde. Ich bitte um Verständnis und Irgnoranz, falls das so sein sollte.

Gedichte sollen nach meinem Wissensstand das Herz des Lesers erreichen, also Gefühle und Assoziationen zu seinen eigenen Erfahrungen. Dafür ist das beste Mittel einerseits die Methaphorik andererseits das Spielen mit emotionsbehafteten Bildern/Formulierungen.

In der verdichteten Kürze eines Gedichtes kommt man um Subtilität also gar nicht herum. Oder man erzählt nur Ultrakurzgeschichten in Reimen oder Versen.

Am liebsten sind mir aber die Gedichte, die in mir mehr auslösen, als nur eine "erzählte Erinnerungsequenz".

LG Sam
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Abari
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Beitrag27.03.2022 12:05

von Abari
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PaulaSam hat Folgendes geschrieben:
Gedichte sollen nach meinem Wissensstand das Herz des Lesers erreichen, also Gefühle und Assoziationen zu seinen eigenen Erfahrungen. Dafür ist das beste Mittel einerseits die Methaphorik andererseits das Spielen mit emotionsbehafteten Bildern/Formulierungen.

In der verdichteten Kürze eines Gedichtes kommt man um Subtilität also gar nicht herum. Oder man erzählt nur Ultrakurzgeschichten in Reimen oder Versen.


Das Erstre ist eine der Möglichkeiten, wahrscheinlich sogar die mächtigste. Das gute alte (docere) - delectare - movere ist aber nicht lyrikspezifisch. Und Metaphern leider auch nicht, genausowenig wie keines der Stilmittel/Stilfiguren.
Und was machen wir zB mit Dada? Da ging es um Zertrümmerung der Sprache zu Spaßzwecken. Das war weder subtil noch sonderlich rührend, dennoch geheimnisvoll und im Wesen subtile Sprachkritik.

Warum nicht? Wie ist es mit "She loves you" von den Beatles beispielsweise? Oder "Über sieben Brücken musst du gehn" von Karat/Peter Maffay? Ist das keine Lyrik? (Das meine ich ernst, nicht rhetorisch.) Da ist nun so gar nichts verborgen, subtil oder geheimnisvoll. Und wenn ich mir die aktuell erfolgreichen Lyriker:innen so anschaue - die Musiker:innen außen vor, nur die "echten" Lyriker:innen - dann ist das Ganze doch sehr offensiv und offensichtlich.
Vielleicht, weil das Sagbare sagbar ist im Gegensatz zur DDR, wo Panegyrik gewollt, aber Herrscherkritik sehr sanktioniert war und man sich hinter dem Subtilen, wie oben beschrieben, verbarg.
Ich persönlich finde es spannend, so etwas zu entschlüsseln und der Subtilität zu frönen. Die Frage ist doch aber, ob das überhaupt noch zeitgemäß ist. Weil eben die Gefahren weggefallen sind, mindestens eine Akte verpasst zu bekommen. Humm. Ich will aber nicht implizieren, dass Subtilität von der Regierung abhinge; allein die Notwendigkeit dazu ist aber unter einer Diktatur mehr gegeben, als in einer Demokratie.


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LG
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PaulaSam
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Beitrag28.03.2022 11:55

von PaulaSam
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Dem kann ich nicht gänzlich zustimmen. Ja, auch in Geschichten, egal ob kurz oder Roman, ist Subtilität in Form von Metaphern und Manipulation von Denken und Fühlen unabdingbar. Nur in Gedichten oder auch "lyrischen" Liedtexten ist das um einiges notwendiger, da man mit vergleichweise wenigen Worten viel vermitteln will, nicht an Wissen, sondern an Assoziationen und Gefühlen. So sind mit "sieben Brücken" im Lied von Peter Maffay nicht etwas steinerne Brücken gemeint, sondern methaphorische Brücken, Hürden/Grenzen, die es zu überwinden bzw. durchschreiten gilt. Es ist eine andere Ausdrucksweise von der Floskel "alle Brücken hinter sich abbrechen". Und genau diese Assoziation soll der Text hervorrufen, was er auch tut.

LG Sam
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Denisovan
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Beitrag24.04.2022 19:30
Re: Subtilität in der Lyrik - wer braucht sie noch?
von Denisovan
Antworten mit Zitat

Abari hat Folgendes geschrieben:

Was denkt Ihr? Sitzen die LyrikerInnen im Elfenbeinturm?
Und wie offensichtlich/subtil sollte/darf Lyrik sein?



Schöne Frage.

"darf" ? dürfen, wer würde das bestimmen?  Ist in der Kunst kein Hinderungsgrund, sich auszudrücken, oder möchtest du gestorben sein um der sozialen Normen Willen.

"Elfenbeinturm" ? Abgesehen von Schreibrobotern für Groschenromane, sind wir Dichter und Schriftsteller und Geschichtenerzähler nicht stets irgendwo außerhalb?

"Lyrik" ?  Ich war und bin gegen klebrige Labels auf Texte.
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PaulaSam
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Beiträge: 561
Wohnort: Regensburg


Beitrag26.04.2022 11:22
Re: Subtilität in der Lyrik - wer braucht sie noch?
von PaulaSam
Antworten mit Zitat

Denisovan hat Folgendes geschrieben:
Abari hat Folgendes geschrieben:

Was denkt Ihr? Sitzen die LyrikerInnen im Elfenbeinturm?
Und wie offensichtlich/subtil sollte/darf Lyrik sein?


Schöne Frage.

"darf" ? dürfen, wer würde das bestimmen?  Ist in der Kunst kein Hinderungsgrund, sich auszudrücken, oder möchtest du gestorben sein um der sozialen Normen Willen.
Das sicher nicht, allerdings, wenn er/sie keine Leser findet, passiert das zumindest literarisch gesehen, schneller als man denkt. Man kann sich also in gewisser Weise auch mit dem betreten neuer Wege "umbringen", oder zumindest sein Werk. Was nützt ein Werk, wenn es niemand liest? Und was ist ein Autor, der nicht gelesen wird?

"Elfenbeinturm" ? Abgesehen von Schreibrobotern für Groschenromane, sind wir Dichter und Schriftsteller und Geschichtenerzähler nicht stets irgendwo außerhalb?
"Außerhalb" impliziert, dass Autoren Träumer sind. Das ist keineswegs so, denn Autoren brauchen die Reflexion ihrer Umwelt, um Leser erreichen zu können. Worüber sonst sollten sie schreiben, was auch Interesse weckt? Außerdem kann bei Lyrikern wohl kaum von Literaten im Elefenbeinturm geredet werden. Lyrik ist in der heutigen Zeit das Stiefkind der Literatur. Oder wie viele Verlage kennst du, die sich hauptsächlich auf Lyrik spezialisiert haben? Wie viele Leser kennst du, die vorrangig Gedichtbände verschlingen?

"Lyrik" ?  Ich war und bin gegen klebrige Labels auf Texte.
Das ist kein Label, sondern eine fachliche Spezialisierung. Davon abgesehen gibt es, trotz meines Einwandes bzgl. Elfenbeinturm, Menschen, die voll auf literarischen, klebrigen Süßkram abfahren. Sonst wüste heute keiner mehr, was Lyrik überhaupt ist.


LG Sam
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nebenfluss
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Beiträge: 5987
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Beitrag26.04.2022 12:34
Re: Subtilität in der Lyrik - wer braucht sie noch?
von nebenfluss
Antworten mit Zitat

PaulaSam hat Folgendes geschrieben:
Was nützt ein Werk, wenn es niemand liest?

Nichts. Ist dem Werk egal (dem Autor eventuell nicht).

PaulaSam hat Folgendes geschrieben:
Und was ist ein Autor, der nicht gelesen wird?

Immer noch ein Autor.

PaulaSam hat Folgendes geschrieben:
Außerdem kann bei Lyrikern wohl kaum von Literaten im Elefenbeinturm geredet werden. Lyrik ist in der heutigen Zeit das Stiefkind der Literatur. Oder wie viele Verlage kennst du, die sich hauptsächlich auf Lyrik spezialisiert haben? Wie viele Leser kennst du, die vorrangig Gedichtbände verschlingen?

Interessant. Offenbar verstehst du unter Elfenbeinturm etwas anderes als ich: Im Elfenbeimturm sitzt, wer erfolgreich den Mainstream bedient? Nein, eben nicht (nach meinem Verständnis des Symbols). Im Elfenbeinturm sitzt die selbstverliebte literarische Elite, die über den Geschmack des einfachen Volkes und des gemeinen Konsums erhaben ist. Das könnten also schon Lyriker sein, die darüber klagen, dass das Abendland untergeht niemand mehr die Zeit/Muse/Anstrengung für anspruchsvolle Lyrik aufbringt.
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