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In der Tiefe


 
 
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Calvin Hobbs
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 55
Beiträge: 563
Wohnort: Deutschland


Beitrag24.04.2020 08:50
In der Tiefe
von Calvin Hobbs
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo smile

Ich freue mich auch über negatives Feedback.
Naja, nicht so wirklich, aber ich weiß, dass mich ein solches stärker fördert wink
Feuer frei und vielen Dank für eure Zeit smile

In der Tiefe
ca. 3300 Wörter, ca. 10 min. Lesedauer

Werner, wenn Du das liest, dann kannst Du Dir sicher sein, dass ich unser Geheimnis mit ins Grab genommen habe. Da ich aber mein Versprechen an Dich bis zum letzten Atemzug bereue, wird nach der Testamentseröffnung die alte Eiche in meinem Garten gefällt werden. Der Baum ist krank und ich kann nur vermuten, warum das so ist. Sieh das bitte als einen Versuch der Wiedergutmachung meinerseits. Die Hölle hatte ich auf Erden, wer weiß, ob sich ein Unterschied nach meinem Tod feststellen lässt. Und auch Du wirst es herausfinden.
Dein Freund Hans


Unschlüssig drehte Anna das verknitterte Blatt Papier in der Hand. Werner, ihr Großvater, 1912 geboren, war vor einigen Monaten, kurz nach seinem 96. Geburtstag friedlich im Bett eingeschlafen. Hans, sein bester Freund und Besitzer des Nachbargrundstücks, war wenige Wochen danach den gleichen Weg gegangen.
Ihr war dieser surreale Moment noch gut im Gedächtnis, als ihre Eltern, zwei Tanten und ein Onkel das Bett des Großvaters umstanden. Als würden sie auf etwas warten, stumm und leise atmend, den alten Mann mit den eingefallenen Wangen und dem spärlichen weißen Haar beobachtend.
Das Ende hatte sich schon vor Monaten abgezeichnet, die Krankheit hielt den Großvater fest. Trotzdem, ob langer oder kurzer Abschied, Anna wusste, dass ein wichtiger Teil ihres Lebens mit ihm sterben würde. Und ganz hinten, versteckt zwischen all den widerstrebenden Gedanken und Gefühlen, auch die Gewissheit, dass sie eines Tages genauso gehen musste. Ihr Vater hatte sie stumm in den Arm genommen, während die Mutter ohne Aufregung kurz danach den Arzt rief und der den Tod festgestellt. Dann verließ der Großvater zum letzten Mal das Haus, in dem er geboren worden war.
Nun sollte es verkauft werden. Interessenten gab es, aber die Auflagen für das unter Denkmalschutz stehende Gebäude waren hoch.
Und, dieses Haus war bekannt, denn es hatte Geschichte gemacht.
Nicht nur, dass es eines der ältesten des Ortes war, es prangte eine liebevoll geputzte Bronzeplakette an der linken Seite des Eingangstores zum Grundstück.
„In diesem Haus versteckten Werner und Margot Mangold zwischen 1940 und 1945, eine jüdische Familie mit drei Töchtern und bewahrte sie so vor dem Tod durch die Nazis.“
Anna kannte die Geschichte in- und auswendig und die Schulexkursion, damals in der 5. Klasse, hatte sie mit unbändigem Stolz erfüllt. Es war auch ihre Familiengeschichte und die Großeltern Helden. Sogar das Fernsehen hatte eines Tages darüber berichtet und Anna war sich sicher, dass man ihren Familiennamen und die Ereignisse damals in der ganzen Welt kannte.
Die jüdische Familie Frankel hatte am anderen Ende der zweitausend Seelengemeinde gewohnt.
Nathan, das Oberhaupt, hatte dort eine Frauenarztpraxis und man kannten sich aus der örtlichen Blaskapelle. Margot und Rachel arbeiteten zusammen in der städtischen Verwaltung. So erfuhr die Deutsche auch von den bevorstehenden Transporten, die den „Säuberungen“ folgten.
Sie warnte die Frankels, aber was hatte die Mangolds dazu gebracht, so zu handeln? Anna hatte es bis heute nicht klar herausfinden können.
Ihre Eltern warfen den Großeltern nachträglich Naivität vor. Was wäre, wenn man sie erwischt hätte? Diesen Vorwurf verbaten sich die Alten vehement. Die Gefahr der Entdeckung hatte sie über Jahre begleitet und jedes Mal stockte ihnen der Atem, wenn jemand am Tor auftauchte.
Der Tenor der Mangolds war, dass die Frankels Menschen waren, die unverschuldet in Bedrängnis gerieten und dagegen musste etwas getan werden. Dieser Glauben und Heldenmut hatte Annas Familie am Ende die Plakette am Eingang des Grundstücks eingebracht.
Anna zweifelte diese Motive keinesfalls an, aber tief in ihrem Hinterkopf glomm der Gedanke, dass es vielleicht auch ein ganz klein wenig Eigennutz gewesen sein könnte? Schließlich war Margot damals schwanger und Frankel der einzige Frauenarzt im Ort ...
Mit zunehmenden Jahren war Anna überzeugt, dass es eine Mischung aus vielen Dingen war, die die Großeltern bewogen hatten.
Wenn sie die Großmutter richtig verstanden hatte, empfand diese damals, dass die Konzentrationslager weit weg waren und doch eigentlich nur für Verbrecher. Und der Krieg hätte über kurz oder lang mit einem Sieg der Deutschen enden sollen. So sagten das Radio und die Zeitungen. Dann wäre die Welt wieder geordnet und alle lebten in Eintracht miteinander. Und bis dahin, musste man dieser armen Familie Unterschlupf gewähren. Schließlich hatten sie nichts Unrechtes getan, im Gegenteil.
Dieser Frieden aber musste zuvor bei den Mangolds hergestellt werden. Anna hatte aus verschiedenen Bemerkungen herausgehört, dass der Großvater zunächst dagegen gewesen war, Juden im eigenen Haus zu verstecken. Wahrscheinlich überzeugte Margot ihren Mann damit, schwanger und gleichzeitig nicht allein daheim zu sein, wenn Werners Einberufung zur Wehrmacht kam.
Kurz darauf zogen in einer Nacht- und Nebelaktion Nathan, Rachel und ihre drei halbwüchsigen Mädchen Miriam, Marina und Michaela in den Keller der Mangolds.
Das Haus war zweistöckig, von einem großen Garten umgeben, der wiederum von einem hohen Eisenzaun begrenzt wurde. Das steinerne Eingangstor wölbte sich halbrund, gerade so breit, dass eine Pferdekutsche hindurchpasste.
Aus den Erzählungen des Großvaters wusste Anna, das damals alle Kellerfenster verdunkelt wurden, schlichte Holzpritschen dienten als Bettstätten und in ausgedienten Schränken verstauten die Frankels ihre Habe.
Hans Holten, der Nachbar der Mangolds und Werners Freund aus Jugendjahren, wurde ins Vertrauen gezogen. Handwerklich geschickt, aber wegen eines leichten Buckels für das Militär als untauglich eingestuft, installierte er schnell eine Wasserleitung und eine Behelfstoilette.
Heute war davon nichts mehr übrig und der Keller, wie tausende andere Keller auf der Welt, mit Gerümpel und Erinnerungen gefüllt.
Anna saß an dem dunklen Schreibtisch im Arbeitszimmer des Großvaters, vor sich einen Ordner mit Unterlagen, die seit dem Tod der Großmutter vor Jahren, nicht mehr angerührt worden waren. Allerdings war der Brief des Nachbarn nicht dort, sondern im Papierkorb gewesen. Sie konnte sich nicht die Eingebung erklären, wieso sie da nachgeschaut hatte. Vielleicht, weil das Papier trotz seines Zustandes noch neu aussah?
In letzter Zeit hatte sie ihren Großvater nur selten gesehen, da sie in der Stadt, einige Autostunden entfernt, zur Universität ging. Im Nachhinein bereue ich das, dachte sie. Wäre es so anstrengend gewesen, das eine oder andere Wochenende öfter nach Hause zu kommen und ihn besucht zu haben? Seit dem Tod der Großmutter vor Jahren war er, bis auf die regelmäßig erscheinende Altenpflegerin, allein geblieben.
Irgendwo im Haus knarrte eine Diele, sie sah auf. Die Gardinen ließen nur einen Teil des Sommers herein, dunkle Vorhänge machten die Räume düster und der dicke Teppich dämpfte alle Geräusche.
Die große Standuhr im Flur war irgendwann stehen geblieben, aber Anna widerstand dem Verlangen, das schwere Gewicht an der Kette rasselnd nach unten zu ziehen und das schläfrige Tick-Tock wieder in Gang zu setzen.
So saß sie in der tiefen Stille, atmete die Vergangenheit und ihre Augen glitten über die Möbel, die sie schon tausendmal gesehen und berührt hatte. Da unter dem Schrank war ihr Spielzeug verschwunden, dort an der Ecke hatte sie sich den Kopf gestoßen und in dem Sessel da drüben, hatte der Großvater sie auf den Schoß gehoben und ihr Märchen vorgelesen. Darüber war die altertümliche Stehlampe mit dem braunen Schirm eingeschaltet und das Licht hatte nur den Sessel eingehüllt. Die Welt um sie herum war in der Dämmerung versunken, wenn sie der tiefen Stimme lauschte, die von Prinzessinnen, Rittern und Kobolden erzählte.
Ihre Gedanken wanderten aus dem Haus. Auf der breiten Straße hatte der Großvater unter den Sattel des Mädchenfahrrads gegriffen und sie zum Treten der Pedale angefeuert. Hunderte Male musste er beteuern, auf keinen Fall loszulassen. Und sie trat eifrig, begann zu schwitzen, bis sie einen Jubelschrei hinter sich hörte. Sie drehte sich um und erschrak. Trotz des Versprechens hatte er losgelassen, stand viele Meter entfernt. Sie verriss das Lenkrad und stürzte. Mit wenigen Schritten war der Großvater bei ihr. Tröstete sie, trug das wimmernde Bündel ins Haus. Dort wartete die Großmutter mit einer Tasse Kakao und einem Pflaster.
Abwesend strich sich Anna über den Ellenbogen, aber die Narbe von damals war längst verschwunden.
Ein durchdringendes Maschinengeräusch schreckte sie aus ihren Gedanken, ließ sie aufstehen und die Gardine beiseiteschieben.
Auf dem Nachbargrundstück waren drei Männer in Neonwesten damit beschäftigt, die alte Eiche Stück für Stück abzutragen.
Der Wind trug die fliegenden Holzspäne in alle Richtungen, als der, durch ein Seil gesicherte Mann, in der Spitze des Baumes seine aufgeregt brummende Kettensäge ansetzte.
Der Stamm der Eiche war vom Boden mehrere Meter hoch, wie eine Frucht, furchig aufgeplatzt. Als hätte ein Blitz dort eingeschlagen und das Holz mit einer Riesenaxt gespalten. Das Innere war dunkel. Vielleicht ein Versteck für Eichhörnchen oder Marder?
Dann verstummte die Säge, der Mann rief etwas hinunter und krachend folgte dem Ruf ein dicker Ast.
Anna wandt sich ab und bemerkte, dass sie noch immer den Zettel in der Hand hielt. Barg der Baum ein Geheimnis, welches ihren Großvater und den Nachbarn verband?
Wieder wanderten ihre Blicke nach draußen, aber durch den Zaun konnte sie nichts Ungewöhnliches ausmachen. Vielleicht sollte sie die Witwe ansprechen? „Entschuldigung, darf ich mir mal den Baum in ihrem Garten ansehen?“
Sofort verwarf sie den Gedanken. Sollte sie diesen Hinweis ernst nehmen? Die Männer hatten sich ihr Leben lang gekannt, die Zeilen deuteten wahrscheinlich auf ein Ereignis aus ihrer Kindheit.
Nein, entschied Anna, dafür klangen das Geschriebene zu ernst. Etwas hatte Hans Holten beschäftigt und offensichtlich wollte er den Großvater dazu bringen, sich dem zu stellen.
Sie zuckte mit den Schultern. Immerhin könnte es nicht schaden, mit der Witwe ein paar Worte zu wechseln. Sicherlich war auch sie allein und würde sich über einen Besuch freuen.
Kurzentschlossen fuhr Anna zum Bäcker einige Straßen weiter, kaufte einen kleinen Apfelkuchen und schellte auf dem Nachbargrundstück an.
Es dauerte einen Moment, bis sich hinter der matten Glasscheibe der Haustür etwas tat.
Eine alte gebeugte Frau mit einem weißen Dutt trat heraus und ruckelte an ihrer Brille. Anne winkte ihr zu, öffnete das schmiedeeiserne Törchen und stieg die wenigen Stufen hinauf.
„Hallo Frau Holten, ich bin die Enkelin vom Werner ...“
Ein Lächeln zog sich durch das zerfurchte Gesicht aus Pergament. „Ach, die Anna ... Du warst aber schon lange nicht mehr hier.“ Sie trippelte einige Schritte zurück ins Haus und bat den Besuch herein.
„Du bist aber groß und hübsch geworden“, sagte die alte Frau mit sanfter Stimme und Anna sah in ihren Augen, wie sehr sie sich über diesen Besuch freute. Sie wurde rot und entgegnete verlegen: „Ja, ich bin an der Universität ... Es tut mir leid, dass wir uns seit der Beerdigung meines Großvaters nicht mehr gesehen haben.“
Frau Holten überlegte einen Moment und legte ihr dann die schmale, zerknitterte Hand auf den Arm. „Ach, das ist schon in Ordnung, Kindchen. Ihr jungen Leute habt euer eigenes Leben. Was hast Du denn da Feines dabei?“ Ihre Augen blieben an dem duftenden Päckchen hängen.
„Ich hoffe, Sie mögen Apfelkuchen ...?“

Die Kaffeemaschine schwieg und die Stille wurde von den Arbeitsgeräuschen im Garten unterbrochen.
Bis dahin hatte Anna erfahren, dass auch die Enkel der Holtens über das Land verstreut waren und seltener zu Besuch kamen. Wenigstens ihr Sohn sah einmal die Woche noch nach ihr.
Als die Kettensäge zwischenzeitlich verstummte, sah Anna die Gelegenheit gekommen. „Scheint ganz schön viel Arbeit zu sein“, sagte sie und deutete aus dem Fenster.
Die Runzeln im Gesicht der alten Frau wurden tiefer, ihre Augen blickten traurig. „Ich kann mich noch erinnern, wie Hans diesen Baum gepflanzt hat. Oberschenkeldick war er gewesen und mit dem Werner zusammen, hatten sie ihn von irgendwo herangeschleppt. Ist älter als ich, das Ding da draußen ...“
„Aber wenn er jetzt alt und eine Gefahr für Sie ist ...?“
Frau Holten hob den Kopf, ihr Blick fragend. „Du kennst Dich mit sowas aus? Hans sprach in letzter Zeit immer davon, dass der Baum von der Wurzel her krank wäre und eines Tages würde ein Unglück passieren.“
Anna versuchte ein Lächeln. „Die Männer da draußen scheinen ihr Handwerk zu verstehen.“
Die alte Frau nickte gedankenverloren. „Wird ein komisches Gefühl sein, wenn der Baum weg ist. Sein Schatten lag nachmittags immer auf der Wohnzimmerseite ... Und wieder eine Erinnerung weniger an Hans ...“
Dann, als sei sie aufgewacht, hob sie den Kopf und fragte sie mit fester Stimme: „Und was studierst Du? Bäume?“
Da musste Anna lachen. „Nein, da habe ich mich falsch ausgedrückt. Ich studiere Umwelttechnik.“
Frau Holten nickte wissend. „Dann hoffe ich, dass ihr in meinem Alter noch genügend Bäume und frische Luft habt.“ Sie lächelte und trank ihre Tasse leer. Und sagte, wie zu sich selbst: „Was ich schon für verrückte Zeiten erlebt. Früher wären wir nie auf solche Gedanken wie Luftverschmutzung und Ozonloch gekommen ...“ Dabei sah sie Annas verwunderten Gesichtsausdruck.
„Was ist so komisch?“
„Nichts, nichts“, versuchte Anna ihre Verlegenheit zu verdecken.
Jetzt war es an der alten Frau, zu lachen. „Glaubst Du denn, mit über neunzig schaue ich keine Nachrichten mehr? Mein Gedächtnis ist noch ganz intakt, obwohl ich manchmal im Supermarkt stehe und den Einkaufszettel vergessen hab.“ Sie gluckste fröhlich.
Anna wurde ernst. „Hatten Sie damals auch Angst? Ich meine, mit den Frankels als Nachbarn?“
Mit gesenktem Blick schob die alte Frau ihren leeren Teller vorsichtig von sich.
Dann raffte sie sich mit einem Seufzer auf, ihre Augen wurde klar.
„Ja!“, gab sie mit fester Stimme zu. „Besonders gegen Ende des Krieges. Ich war mit unserem Kurt schwanger und das mit dem Versteck da drüben war schon zu lange gut gegangen. Und als ich im Februar nach einigen Wochen mit dem Baby wieder zu Hause war, hatten sie die Krengels aus der Schuhmachergasse abgeholt.“
„Wer waren die Krengels?“ Anna klang verwirrt.
„Die Krengels hatten so ein -Kolonialwarenladen-. Heute würde man Mini-Supermarkt sagen. Am Ende gab es da auch nur noch eingedrücktes Obst und gestrecktes Mehl. War halt ne schwere Zeit. Aber aus der kleinen Irene hätte wirklich was werden können. Die war so gescheit und wäre in dem Laden versauert.“
„Ich nehme mir noch einen Kaffee“, unterbrach Anna die Gastgeberin. Sie war sich unsicher, ob sie die Zusammenhänge nur nicht verstand oder ob die alte Frau doch nicht mehr so fit im Kopf war.
„Sie hatten also Angst, abgeholt zu werden?“, versuchte sie, den Faden vom Beginn des Gesprächs erneut aufzunehmen.
„Ach, Kindchen, es gab überall Denunzianten. Jeder konnte über jeden etwas behaupten und wenn Du Pech hattest, haben sie Dich abgeholt. Wäre Irene damals nicht so jung, so zwölf oder dreizehn gewesen, dann hätte ihre Klugheit auch ein Todesurteil sein können.“
„Das verstehe ich nicht“, gab Anna zu.
„Damals machte man sich mit allem verdächtig!“
Die dürre Faust der alten Frau schlug auf das bestickte Tischtuch. „Du warst verdächtig, wenn Du Französisch oder Englisch sprechen konntest, denn das waren ja die Feinde. Jemand wollte seinen Nachbarn aus dem Weg haben? Ein Brief an die Gestapo war schnell geschrieben, dass er oder sie selten oder gar nicht den rechten Arm zum Gruß hob. Oder die Reden des Führers im Radio abschaltete. Und Du kamst garantiert unter die Räder, wenn man Dir nachweisen konnte, dass Du mit Juden verkehrst.“
Mühsam, gebeugt von der Last der Jahre und der Erinnerungen stand die Witwe auf und schleppte sich zu einem Polstersessel nahe des Fensters zum Garten. Anna machte Anstalten, den Tisch abzuräumen, aber die alte Frau winkte ab. „Das mache ich nachher. Hab doch Zeit ...“ Sie schaute hinaus. „Das Wetter ändert sich. Ich merk’s in meinen Knien.“
Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb sie sich, während Anna einen Blick aus dem Fenster warf.
„Es ist warm und blauer Himmel“, murmelte sie.
„Auf meine Knie ist Verlass. Noch heute wird es gewittern!“, blieb die alte Frau fest.
Anna nahm es so hin und setzte sich ihr gegenüber.
Draußen war die Eiche bereits nur noch ein hoher Stumpf. Überall lagen Ästen und Zweige. Die Männer zerkleinerten alles und trugen es dann aus dem Sichtfeld. Auf der Straße parkte ein Pick-up mit Anhänger.
„Und wegen des Mädchens hatte Sie Angst? Ich muss zugeben, den Namen Krengel nie gehört zu haben.“
Die alte Frau wandt sich ihrem Gast zu. „Die kleine Irene war blitzgescheit. Und überaus hübsch. Sie entsprach diesem Idealbild damals. Dicke blonde Zöpfe, wasserblaue Augen. Sie schwamm wie ein Fisch drüben am Wehr und war Klassenbeste. Die Leute belächelten sie ein wenig, denn meistens trug sie so eine rote Blechkiste mit sich herum.“
„Eine was?“
„So ein rundes Ding, was man über die Schulter hängt. Sah aus, wie diese Briefkästen in den amerikanischen Filmen.“
Anna zog die Stirn kraus: „Sie meinen eine Botanisiertrommel? Hat sie denn Schmetterlinge gefangen?“
Die alte Frau zuckte lächelnd mit den Schultern. „Keine Ahnung. Wahrscheinlich wird sie da so Mädchenzeugs mit sich rumgeschleppt haben. War ja auch bequemer als ein Koffer.“
„Und sie wusste von den Frankels bei uns im Keller?“
„Ja, was denkst Du denn? Die Mädchen waren wie ein Kleeblatt und Irene hat mit ihnen Unterricht gegeben. Jeden zweiten Tag kam sie nach der Schule herüber. Meinst Du, die Judenmädels haben sich bis zum Kriegsende nur gelangweilt? Nein, es wurde gelernt!“
Anna strich sich nachdenklich durch die Haare. „Das wusste ich nicht. Wieso wurde diese Irene nie irgendwo erwähnt?“
„Vielleicht, weil sie und ihre Familie so schnell verschwanden? Und die Frankels machten sich gleich nach der Befreiung durch die Amerikaner auf den Weg nach Israel.“
Die alte Frau deutete mit dem Kopf aus dem Fenster. „Siehst Du? Ich hatte Recht.“
Tatsächlich bildete sich über der Stadt eine schwarze Wolkenwand.
„Was genau mit den Krengels passierte", fuhr sie fort, "kann ich nicht sagen, weil ich damals mit Komplikationen und dem Baby im Krankenhaus war. Aber an die kleine Irene denke ich oft, wenn ich ein blondes Mädchen sehe. Allerdings tragen die Kinder heute nicht mehr diese Blechkästen, sondern sone modernen bunten Schulranzen aus Kunststoff.“ Sie sank wieder in sich zusammen: „Am Ende denke ich, dass wir alle einfach nur Glück hatten ...“
Schweigend beobachteten die beiden Frauen, wie die Männer in ihren orangenen Westen und den Bauhelmen große Kerben in den knapp meterhohen Baumstamm getrieben hatten. Nun schlangen sie eine dicke Kette darum und man hörte den Motor des Pick-ups aufheulen.
Gleichzeitig rollte ein schwerer Donner über die Stadt und die drohenden Wolken schluckten das Licht.
Ein greller Blitz ließ alle zusammenzucken. Verzerrte Schatten erschienen für einen Sekundenbruchteil, das Auto röhrte und gebannt schauten die Frauen zu.
Die Arbeiter riefen sich etwas zu, aber der böige Wind riss ihnen die Worte vom Mund.
Wieder blitzte es, das Grollen kam näher und Frau Holten schloss die Fenster. Was soeben als Sprühregen angefangen hatte, wandelte sich in dicke, gegen die Scheibe klatschende Tropfen. Nochmals brüllten die Männer. Die Kette spannte sich wie eine Gitarrensaite und vibrierte.
Der Baum wehrte sich vehement, aber die Maschine war stärker.
Trotz der frühen Nachmittagsstunde war es duster und Anna blinzelte, um zu sehen, wie der Rasen rund um den Stamm zu beben begann. Das Auto versuchte, den Donner zu übertönen, als mit Krachen und Knirschen der Boden aufriss. Ein meterhoher Wurzelbalg sprang aus der Erde, laut ächzend legte sich der Stumpf besiegt auf die Seite. Eilig liefen die Männer herbei, lösten die Kette und verschwanden.
Anna schaute die alte Frau fragend an.
„Die kommen morgen wieder“, winkte sie lakonisch ab.
Jetzt brach das Unwetter alle Dämme. Gespenstisch erleuchteten die Blitze das Haus, der Donner ließ das Porzellan in der Vitrine klirren und der dichte Regenvorhang verdeckte den Blick nach draußen.
Die Frauen setzten sich wieder an den Tisch, der letzte Rest Kaffee wurde getrunken.
Jetzt erst bemerkte Anna, dass ihr Körper wie ein Bogen gespannt war. Das Herz pochte aufgeregt und immer wieder suchten ihre Augen den umgestürzten Baum. Sie hörte der alten Frau nicht zu, sondern ärgerte sich, dass eine Handvoll hingeworfenen Zeilen an den Großvater sie dermaßen ablenken konnte.
Mit wippendem Fuß konnte sie kaum das Ende des Unwetters abwarten, während Frau Holten sie verstohlen prüfend musterte. Doch das bemerkte Anna nicht. Sie dachte an die neue Maglite in ihrem Kofferraum. Der Gedanken, in der Dunkelheit durch fremde Gärten zu schleichen, ließ ihren Adrenalinspiegel steigen.
Schnell und kurz verabschiedete sie sich, obwohl es noch nieselte.
Die Wolken brachen auf und die Sonne versank rot zwischen den Baumkronen.
Wie ein Tiger im Käfig lief Anna unruhig den Flur auf und ab, die Taschenlampe wog schwer in ihrer Hand. Inzwischen kannte sie den Zettel des Nachbars auswendig.
Was sollte sie sagen, würde man sie nachts in einem fremden Garten erwischen? Was, wenn sie fände, was Hans Holten andeutete? Oder wollte er dem alten Freund nur einen Streich spielen?
Anna spürte, wie ihr Körper und ihr Unterbewusstsein miteinander rangen. Die Gedanken ließen ihr Herz schlagen, alles in ihr lief auf Hochtouren und sie konnte nicht still sitzen.
Sie musste da raus, sich die Überreste des Baumes ansehen. Das hatte dieser Brief mit ihr angerichtet. Vielleicht fand sie etwas, was ihr den Großvater näher brachte?
Die Luft war merklich abgekühlt. Trotzdem streifte Anna ihre Sandalen ab und zog die Terrassentür leise hinter sich zu. Ein verschlafener Vogel zwitscherte einsam, dafür waren die Grillen umso munterer. Der helle Halbmond drängte sich zwischen zerrissenen Wolken hindurch.
Das Gras war noch nass, die feuchte Erde schmatzte unter Annas Füßen. Immer wieder schaute sie links und rechts, ein vorbeifahrendes Auto ließ sie innehalten.
Vor dem Zaun ging sie in die Knie, streckte ihre Hand mit der Lampe hindurch, sie würde nur hinderlich sein. Wieder lauschte sie. Das Haus der Holtens war dunkel. Wahrscheinlich lag die alte Frau bereits im Bett.
Als Anna auf der anderen Seite landete, war sie erstaunt, wie lautlos das gegangen war. Sie zwang sich zur Ruhe. Ihren Atem musste man doch bis zur Straße hören. Sie ergriff ihre Taschenlampe und geduckt huschte sie über die Wiese. Erst im Schutze des Wurzelwerks, traute sie sich, ihre Lampe einzuschalten.
Sofort kniff sie die Augen zu, denn der breite, weiße Lichtstrahl schnitt wie ein Laserschwert durch die Nacht.
Anna macht einen Schritt vorwärts, aber der Boden war so aufgeweicht und lose, dass sie ausrutschte und in den Krater glitt.
Leise fluchte sie, das Licht tanzte über den Nachthimmel.
Systematisch leuchtete sie ihre Umgebung ab. Hier und da kroch etwas, suchte Deckung, verschwand im Dickicht.
Für einen Moment fiel alles von Anna ab. Sie war enttäuscht. Was hatte sie erwartet? Eine Schatztruhe?
Lustlos ging sie mit den Fingern durch die lockere Erde. Steine, Wurzeln ...
„Woher wusstest Du das?“
Anna fuhr herum, der gelbe Schein einer Taschenlampe strahlte ihr ins Gesicht. Sie verschluckte sich, rutschte erneut weg und landete mit dem Hintern in der Tiefe der Grube. Sie stieß sich schmerzhaft den Knöchel.
„Warst Du deshalb heute bei mir? Wolltest mich aushorchen?“ Eisiger Hass ergoss sich mit der Stimme über sie.
Mist, dachte Anna, Frau Holten gehört nicht zu den früh schlafenden Rentnern.
Mit verzerrtem Gesicht rieb sie sich ihren Fuß. Dabei stießen ihre Finger an einen unförmigen Gegenstand.
„Es tut mir leid“, versuchte sie eine kraftlose Erklärung. „Ihr Mann hat vor seinem Tod meinem Großvater einen Brief geschrieben ... Könnten Sie bitte das Licht aus meinem Gesicht nehmen?“
„Und das gibt Dir das Recht, nachts bei mir einzubrechen?“ Die Stimme klang gar nicht mehr alt, sondern schneidend und aufgebracht. Trotzdem senkte die alte Frau ihre Lampe. Gegen den Mond sah Anna ihre Umrisse.
„Er schrieb, dass etwas mit diesem Baum nicht in Ordnung ist. Und von Wiedergutmachung ...“
Da bemerkte Anna die Stille. Nicht regte sich mehr, kein Wind, kein Tier. Das Universum schien für diesen Moment innezuhalten.
„Ja, das war mein Hans“, schnaufte die alte Frau.  „Ein herzensguter Mensch. Viel zu gut für Deinen ... Großvater.“ Sie schleuderte die Worte hervor.
„Was soll das bedeuten?“ Annas Augen erkannten sie nur schemenhaft und wollte sie nicht mit ihrer Maglite blenden und senkte sie zu Boden.
„Dein Großvater hatte einen Freund wie meinen Mann nicht verdient.“ Die leisen Worte ließen Anna schauern.
„Wie können Sie so etwas sagen?“, regte sie sich auf. „Er hat Menschenleben gerettet und ist immer für seine Familie dagewesen!“
„Das war er“, musste Frau Holten zugeben. „Aber er hatte auch eine böse Seite ...“
Anna richtete sich auf. „Ich lasse das Andenken an ihn nicht von Ihnen und Ihren kranken Ideen beschmutzen!“ Die Worte stachen wie Nadeln in ihr Herz.
„Es sind keine kranken Ideen. Dein Großvater war ein Schwein und niemand ahnte es. Er hat die Frankels nur aufgenommen, weil sie drei halbwüchsige Mädchen hatte. Hätten sie einen Jungen oder gar keine Kinder gehabt, dann gäbe es heute auch kein Schild an eurer Tür.“
Kalte Wut packte Annas Eingeweide. Sie merkte, wie sich ihr Gesicht zu einer zornigen Maske verzerrte. „Ich will Ihre wirren Gedanken nicht hören! Was fällt Ihnen ein?!“, zischte sie.
Frau Holten umschritt langsam und unsicher den Krater, die Lampe tastete über das Erdreich. Ihre trüben Augen suchten etwas und Anna beobachtete sie verständnislos.
„Mein Mann hat mir alles erzählt“, begann die alte Frau. „Den Frankels konnte sich Dein Großvater nicht nähern, dafür war die Familie und das Haus zu eng. Aber das bemerkte er erst, als es schon zu spät war. Er konnte die Juden nicht plötzlich wieder hinauswerfen. Da kam die kleine Irene. Ich weiß nicht, wie oft und was er mit ihr gemacht hat, aber Hans sprach kaum noch mit und noch weniger von ihm.“
Anna musste schwer schlucken, ein Kloß verschloss ihren Hals.
„Das haben Sie sich doch alles nur ausgedacht!“, brachte sie krächzend hervor.
Die alte Frau blieb ruhig. „Indem ich Dir das erzähle, fällt eine große Last von mir ab. Meinem Hans war das nicht vergönnt. Eines Abends brach er zusammen. Die Überredungskünste und Schmeicheleien Deines Großvaters gegenüber Irene fruchteten nicht mehr. Sie hatte gemerkt, dass sie nur ein Spielzeug war und drohte, es ihren Eltern zu sagen. Das war ihr Todesurteil.“
„Sie behaupten, mein Großvater hat sich an kleinen Mädchen vergangen und wurde zum Mörder? Sie sind doch völlig übergeschnappt. Wahrscheinlich sogar dement!“
Fluchend und wütend krabbelte Anna auf allen vieren aus dem Loch, klopfte sich erfolglos den Schmutz von der Kleidung.
„Mein Mann half ihm als Freund aus Kindertagen. Danach fraß ihn das auf, aber da war es zu spät.“
Anna baute sich vor ihr auf, zuckte aber zurück, als Frau Holten nach der Maglite griff. Sie drehte sich weg. „Was soll das?“
„Dein Licht ist stärker ...“
„Wofür?“
„Bitte gib es mir einmal.“
Es war die Sanftheit der Stimme, die Anna mit einem Mal kraftlos macht. Zögernd hielt sie Alten die Lampe hin.
Der weiße Kegel durchzog die Grube und blieb an einem verrosteten Gegenstand hängen. Das meiste der dunkelroten Farbe war bereits abgeblättert.



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Justadreamer
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J
Beitrag24.04.2020 11:49

von Justadreamer
Antworten mit Zitat

So, nachdem ich bei dem Versuch des Abschickens der NAchricht zweimal gescheitert bin, nun der dritte.....

Hallo CalvinHobbs,


Ich lasse dir mal ein paar Gedanken da smile


Deinen Erzählanfang finde ich sehr gelungen, da er Spannung erzeugt. Vielleicht hat man ja einen geheimen Gegenstand in die Eiche gesetzt...?
Zitat:
„In diesem Haus versteckten Werner und Margot Mangold zwischen 1940 und 1945,(kein Komma) eine jüdische Familie mit drei


Zitat:
dem Tod durch die Nazis.“ - Ich denke, es würde eher etwas wie "Ermordung durch die Nationalsozialisten" auf einem öffentlichen Schild stehen


Zitat:
zweitausend Seelengemeinde - Ich würde das mit Zwaitausend-Seelen-Gemeinde lösen, da es ja keine Seelengemeinde ist, sondern eher eine Gemeinde mit 2000 Seelen wink


Zitat:
Frauenarztpraxis und man kannten


Zitat:
und der Keller, wie tausende andere Keller auf der Welt, mit Gerümpel und Erinnerungen gefüllt. - eine gute Formulierung!


Zitat:
Nein, entschied Anna, dafür klangen das Geschriebene zu ernst.


Zitat:
Oberschenkeldick war er gewesen und mit dem Werner zusammen, kein Komma Du bist aber nicht allein mit dieser Macke Laughing  hatten sie ihn


Zitat:
Die dürre Faust der alten Frau schlug auf das bestickte Tischtuch - Das kommt mir etwas untypisch für ältere Damen vor Laughing



Noch ein allgemeines Feedback: Den Erzählanfang fand ich am besten,da er Spannung aufbaute. Die Dialoge mit der alten Dame haben für mich nicht 100% natürlich gewirkt - Ich finde aber, dass es trotzdem nicht schlecht gemacht ist, da es unglaublich schwer ist, eine alte Dame in einem Dialog natürlich wirken zu lassen. Deinen Schlusssatz finde ich sehr gut - da hast du dich gut an die Regen "show, don´t tell" gehalten, finde ich. Wenn man eine Veränderung vornehmen würde, würde ich versuchen, ab dem Entschluss, die alte Dame zu besuchen, schneller zum Ende zu gelangen. Ob die Aussagen über die Nazi-Zeit alle stimmig sind, kann ich nicht beurteilen.


Ich hoffe du kannst was damit anfangen smile Weiter so!

Liebe Grüße
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Calvin Hobbs
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Beitrag25.04.2020 06:52

von Calvin Hobbs
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Das kann ich auf jeden Fall Daumen hoch²
Vielen Dank smile


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nicolailevin
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Beitrag25.04.2020 19:32

von nicolailevin
Antworten mit Zitat

Hi

tolle Geschichte, gut erzählt. Glückwunsch!

Wenn ich mit dem Wissen der Pointe Hans' Brief nochmal lese, erscheint er mir allerdings vom Ton her eher unglaubwürdig.

Auch die Erklärung am Ende klingt mir ein bisschen schief. Die alte Dame war nicht dabei, dafür erklärt sie für meinen Geschmack zu viel vom Innenleben Werners und wem er was angetan hat. Ich würde das alles ein bisschen im Unklareren lassen, gerade was den Missbrauch der jüdischen Mädchen angeht. Was genau passiert ist, hat Werner ins Grab genommen- und Hans das, was er davon mitbekommen hat, auch. Das übrige überlass doch der Fantasie deiner Leser.

Und - sachlicher Einwand: Der Baum darf keine Eiche sein, wenn Hans ihn gepflanzt haben soll. Eichen wachsen superlangsam, blühen erstmals mit 60 und werden in ein paar hundert Jahren "alt".

VG
Nico.
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Calvin Hobbs
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Beitrag26.04.2020 07:04

von Calvin Hobbs
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Vielen Dank für Deine Einwände smile

nicolailevin hat Folgendes geschrieben:
Die alte Dame war nicht dabei, dafür erklärt sie für meinen Geschmack zu viel vom Innenleben Werners und wem er was angetan hat.


Das Paar war mindestens 60 Jahre verheiratet und die Situation hat ihren Mann ein Leben lang belastet.
Und warum sollte die alte Frau beim Kaffee Anna die Wahrheit erzählen?

nicolailevin hat Folgendes geschrieben:

Und - sachlicher Einwand: Der Baum darf keine Eiche sein, wenn Hans ihn gepflanzt haben soll. Eichen wachsen superlangsam, blühen erstmals mit 60 und werden in ein paar hundert Jahren "alt".

VG
Nico.


Ja, da habe ich einfach ins Blaue geschossen und mich als absoluter Nichtbotaniker geoutet wink


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V.K.B.
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Beitrag28.04.2020 23:46

von V.K.B.
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Hallo Calvin Hobbs,

Zitat:
Unschlüssig drehte Anna das verknitterte Blatt Papier in der Hand. Werner, ihr Großvater, 1912 geboren, war vor einigen Monaten, kurz nach seinem 96. Geburtstag friedlich im Bett eingeschlafen. Hans, sein bester Freund und Besitzer des Nachbargrundstücks, war wenige Wochen danach den gleichen Weg gegangen.
Du meinst davor, oder? Wenn Werner vor Hans gestorben ist, macht der anfangs zitierte Brief jedenfalls keinen Sinn.

Zitat:
Und der Krieg hätte über kurz oder lang mit einem Sieg der Deutschen enden sollen. So sagten das Radio und die Zeitungen. Dann wäre die Welt wieder geordnet und alle lebten in Eintracht miteinander. Und bis dahin, musste man dieser armen Familie Unterschlupf gewähren. Schließlich hatten sie nichts Unrechtes getan, im Gegenteil.
Das verstehe ich nicht. Mit einem gewonnen Krieg wäre das Problem doch nicht gelöst, sondern ganz im Gegenteil, würde ewig bestehen bleiben, oder bis zur früher oder später erfolgenden Entdeckung.

Zitat:
Die alte Frau blieb ruhig. „Indem ich Dir das erzähle, fällt eine große Last von mir ab. Meinem Hans war das nicht vergönnt.
Und dann regt sie sich zuerst auf, ob Anna sie aushorchen wollte?

Gerne gelesen, war spannend, aber auch etwas vorhersehbar. Ich hab von Anfang an, beim Lesen des Briefs, schon an eine dort vergrabene Leiche gedacht (oder mehrere), und dass  Hans Werner geholfen hat, ein schweres Verbrechen (wahrscheinlich einen Mord) zu vertuschen, das lebenslang bereut hat, aber keinen Rückzieher mehr machen konnte, weil er sich zum Komplizen gemacht hatte. Und dass er wollte, dass wenigstens nach seinem Tod alles ans Tageslicht kommt. Im Laufe der Geschichte hatte ich aber eher vermutet. dort seien im Keller geborene Kinder vergraben, die Werner "versehentlich" gezeugt und dann getötet und vergraben habe.

Was mich allerdings wundert, ist, warum die Witwe da mitspielt und seinem Wunsch nachkommt, den Baum fällen zu lassen, statt das zu verhindern. Wenn zu ihren Lebzeiten noch an Tageslicht kommt, bei was ihr Mann geholfen hat, wäre sie in so einem Kaff garantiert Anfeindungen ausgesetzt. Ich kenn das (aus dem Dorf, wo ich aufgewachsen bin) eher so, dass da ein eiserner Mantel des Schweigens über alles ausgebreitet wird, was Leute sich im Krieg erlaubt haben und jeder seine Geheimnisse mit ins Grab nahm. Da gibt es jedenfalls so einige nie geklärte Mordfälle und verschwundene Personen aus dieser Zeit.

ansonsten gerne gelesen und gut geschrieben (bis auf ein paar kleine Fehler, die ich – weil Feedback-Bereich und nicht Werkstadt – nicht angemerkt habe),
Veith


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Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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Calvin Hobbs
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Wohnort: Deutschland


Beitrag29.04.2020 18:12

von Calvin Hobbs
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke smile
Da ich aus der Großstadt komme, kann ich das Leben "außerhalb" schlecht nachvollziehen. Allerdings kann ich Deine Einwände durchaus nachvollziehen. Danke dafür und ich werde die Geschichte auch unter diesen Punkten für mich nochmals durchleuchten smile
MfG


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