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Teil 34 Voodoo auf Madagaskar ("Kri kri")


 
 
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teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag01.07.2008 14:30
Teil 34 Voodoo auf Madagaskar ("Kri kri")
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Es war August 2003, als gegenüber dem Internetcafe ein Franzose ein kleines Lokal eröffnete. Primitiv gemacht. Ein kleiner Verkaufkiosk, ein paar Holzstühle und Tische und eine Musikanlage. Doch seine gute Laune, sein Lachen und seine liebe Art zogen nicht nur Gäste an, uns auch.

Beim täglichen Stromausfall regten wir uns nicht mehr auf. Nahmen es gelassen, sahen es als Gelegenheit zum Franzosen zu gehen und auf seinen Holzbänken bei Kerzenlicht auf die Rückkehr des Stroms zu warten. Er borgte uns seine Gitarre. Jan spielte Lieder und wir sangen dazu. Fast jeden Abend holte ich die Gitarre und Jan spielte oder wir gingen zu ihm hinüber.

Ein großes Ärgernis war regelmäßig die Internetgeschwindigkeit, die nur sekundenweise im vertragsgemäßen Bereich lag. Teilweise standen Kunden auf und gingen, weil es zu lange dauerte, eine Webseite zu öffnen. Ich kannte den Ärger darüber aus meiner Ankunftszeit in Tana. Wir waren fast täglich beim Internetanbieter und beschwerten uns, doch es trat keinerlei Änderung ein, die Vertröstungen wirkten nicht mehr. Das ständige „Online-Offline“ Spiel kostete uns Kunden und damit Einnahmen, die wir so nötig brauchten.

Noch vor unserem Abflug nach Madagascar hatte ich Kontakt zu einem Anbieter für Satellitentechnik. Ich schrieb ihn erneut an und bat um ein Angebot über eine Satellitenanlage für unser Internetcafe. Der Kontakt lebte wieder auf und vertiefte sich.
Wir könnten eine Internetgeschwindigkeit haben, um ein Vielfaches schneller als bisher und kostete monatlich gerade mal halb so viel. Allerdings würden wir dazu eine Genehmigung brauchen.
Die zuständige Behörde trug den Namen OMERT. Unsere schriftliche Anfrage wurde nie beantwortet.
Überhaupt schien es mit Antwortbriefen in Madagaskar schlecht bestellt zu sein. Schriftliche Anfragen wurden, so schien es mir damals, generell ignoriert.

Doch eines Tages erschienen im Internetcafe sechs Leute von OMERT, der Aufsichtsbehörde für Telekommunikation. Sie fragten, was wir hier machen, bei welchem Anbieter wir den Vertrag abgeschlossen hätten. Erkundigten sich auch, ob wir Telefonie per Internet anbieten. Schauten sich die Antenne an und gingen wieder. Wir bekamen ein Protokoll.
War das die Reaktion auf meinen Antrag?
Meine Frage an einen der Herren von OMERT betreffend Satellitenanlage wurde mit dem kurzen Hinweis, wir mögen es schriftlich einreichen, abgeschmettert.
Aha.
Wir gingen daraufhin etwas beunruhigt zum Internetanbieter und erkundigten uns, was das zu bedeuten hatte. Alain, der Chef des Büros saß am Schreibtisch. Er freute sich immer, wenn jemand kam. Ja, er freute sich generell, egal, ob es Ärger gab. Alain lachte immer.
Wir erzählten von dem Besuch der Behörde aus Tana. Alain wusste von nichts. Er fragte, ob wir Telefonie über Internet anbieten. Nein, das gehörte nicht zu unserem Service. Er meinte, es gäbe ein Gerücht in der Stadt. Man erzählte, dass wir diesen Dienst anbieten würden und dies sei nun mal nicht ohne weiteres erlaubt. Man müsse dafür eine Genehmigung von OMERT haben, hatte man diese nicht, kamen diese Herren und schließen mal eben den Laden.
Aha, dann sind wir wohl so eben der Schließung entgangen.
Alain meinte, es kann nur sein, dass jemand aus welchem Grund auch immer, Neid sei ein durchaus mögliches Motiv, OMERT einen Tipp gegeben hatte, wir würden Telefonie anbieten und damit der hiesigen Telekomgesellschaft gesetzwidrig Konkurrenz machen.

Aha, da wir die Idee, Telefonie über Internet anzubieten jede Woche wenigstens drei mal von Gunter erzählt bekamen, konnte ich mir denken, wem wir sowohl das Gerücht in der Stadt also auch demzufolge diesen ominösen Besuch von OMERT zu verdanken hatten.
Wie ich einige Monate später erfuhr gab es nur die Möglichkeit, selbst Internetprovider zu werden. Doch damit ging man die Verpflichtung ein, auch Internet der breiten Masse anzubieten. Nutzte man diese Lizenz jedoch nur für den Eigenbedarf, so wurde das Geschäft geschlossen. Also war dieser Weg auch nicht der richtige.
Wir schrieben unzählige Reklamationen an den Internetprovider und drohten mit Anwalt. Wir kämpften um die Vertragserfüllung. Die Leistungen wurden jedoch monatlich voll berechnet, ob wir tagelang keine Verbindung hatten, war wohl egal. Wir reduzierten die Rechnungen, um so Gehör zu finden und eine Klärung herbei zu führen. Ohne Ergebnis.
„Neid als mögliches Motiv?“ Ging mir durch den Kopf. Unser Internetcafe sah schon recht gut aus, stellte ich fest, als wir wieder im Geschäft ankamen.
Aber eines fehlte noch zur gemütlichen Atmosphäre: Pflanzen! So zog ich am nächsten Tag mit Rondro los, handelte und kaufte schließlich einige Pflanzen. Diese bekam ich in verrosteten Blecheimern. Wir verpackten sie provisorisch mit Plastiktüten und ich ging auf die Suche nach Übertöpfen. Es gab auch solche, jedoch aus gegossenem Beton. Machte nichts, Farbe wurde gekauft und angepinselt. So sah es dann schon wieder ein kleines Stückchen besser aus und die Sache mit dem Neid überließ ich dem Schamanen Hassan.

Die Eigenart „Neid“ war in Madagaskar immer wieder ein Problem.
Wenn in Deutschland der Nachbar ein größeres Auto hat, versuchte man noch mehr Geld zu erarbeiten, strengte sich noch mehr an, um den Nachbarn zu übertrumpfen.
Doch hier reagierte der neidische Mensch radikaler. Er steckte das Auto des Nachbarn an. Fertig.
So wurde uns erzählt, ging es schon einigen Geschäftsleuten, die, nach Meinung anderer, zu erfolgreich waren.

Ein anderes Problem, über das ich mit keinem Menschen reden konnte, beschäftigte mich in dieser Zeit.
Wenn ich nachts heimging, sobald ich in den Weg einbog zum Haus, durch den unbeleuchteten tropischen Garten ging, überkam mich ein Grausen, dass sich mir die Nackenhaare aufstellten. Gänsehaut und das Gefühl, hier ist etwas Böses, ließ mich schneller gehen. Sobald ich die Treppe zum Haus hinauf kam, hatte ich es hinter mir gelassen. Doch jeden Abend bevor ich den Heimweg antrat, dachte ich mit Schaudern an dieses Stück des Weges.

Also fuhr ich mit Rondro zum Schamanen und befragte ihn. Er sagte mir „Jemand hat etwas gemacht, damit du weg gehst und möglichst das Land verlässt.“
Ich glaubte ihm ungesehen, denn die Menschen, besonders hier an der Küste, lebten mit magischen Ritualen. Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als man sehen kann. Hier waren Magie und Rituale ein Bestandteil des normalen Alltags.

Außerhalb der Stadt konnte man am Samstag schon mal die Trommeln einer Toumbasitzung hören. Bei diesen Treffen nahm ein Medium Kontakt zu den Toten auf, um bestimmte Wünsche zu forcieren.

Du merktest nur, dass bestimmte "Zufälle" passierten und sich häuften und du sagtest dir immer wieder "das geht nicht mit rechten Dingen zu" und je öfter du dies gesagt hast, um so wahrscheinlicher war es, dass da jemand "nachgeholfen" hat.
Ob man daran glaubte oder nicht, das spielte keine Rolle.
Hassan, der Schamane gab mir ein Gegenmittel und meinte: „Wenn es nicht reicht, kommst du wieder. Denn es kann sein, dass derjenige 'nicht locker lässt' und sein Ziel weiterhin verfolgt.“

Die Geschichten, die ich zu diesem Thema gehört und auch selbst erlebt hatte, würden ein Buch füllen. Laut Niccolo Machiavelli soll man einen Krieg mit gleichen Mitteln führen, also ging ich, als bekennender Feigling, zum Schamanen und ließ mich beschützen. Leider putzte meine Georgina sehr gut und so musste man diese Krümel immer wieder "nachlegen", die ähnlich einem Kraftfeld, das negative Einflüsse fern hält, einen Bann legten gegen das "unbekannte Böse".

Komischerweise kamen fortan sowohl der Vermieter als auch Alain, der Chef des örtlichen Internetproviders, nur noch ungern in die Räume des Internetcafés. Sie möchten in ihren Räumen reden, hieß es.
Ich zwang sie zu den Terminen in unser Geschäft zu kommen. Sie hatten es dann sehr eilig und alle Gespräche verliefen zu meiner Zufriedenheit.

Mir wurde später erzählt, dass eine Frau nach dem mysteriösen Tod ihres Mannes und den verschiedensten seltsamen Ereignissen einen Schamanen auf ihr Grundstück holte, um ihn zu befragen, ob Voodoo (hier sagt man „Kri-kri“) eine Ursache sein konnte.
Er fand auf dem Grundstück einige Voodoopuppen vergraben. Die Nachbarin der Frau rief den Schamanen auch auf ihr Grundstück und meinte, er könne ja auch mal bei ihr nachsehen, wenn er denn schon mal da sei, denn seit ihrer Ankunft und dem Kauf des Grundstückes hätte sie nur Schwierigkeiten und Probleme. Er fand mehr als 20 Hinweise auf Rituale und "Kri-kri".
Wenn man hier lebte, sollte man dieses Thema durchaus ernst nehmen.

Ich traf bei einem meiner Besuche bei Hassan, dem Schamanen, einen Franzosen, vom Sehen kannte ich ihn. Bis dahin dachte ich immer, die einzige Weiße zu sein, die die Fähigkeit des Schamanen in Anspruch nahm. Er erzählte, er hatte durch eine Madagassin alles verloren und nun hat er eine neue Freundin, möchte sich aber von dieser nicht manipulieren lassen und die Mittel des Schamanen halfen, ihren "Zauber" zu bannen.

Es waren solche banalen Schwierigkeiten, denen man sich plötzlich ausgeliefert sah. Du hattest einen wichtigen Termin. Plötzlich sprang dein Auto nicht an. Ohne ersichtlichen Grund. Du bist um das Auto gesprungen, alles war in Ordnung, aber es startete einfach nicht. Dir gingen alle Eventualitäten durch den Kopf, Wackelkontakte usw. Nichts. Ein Fachmann wurde geholt, auch er war ratlos. Verärgert nimmst du ein Taxi, kommst zu spät oder sagst den Termin ab. Stunden später sprang das Auto wieder an.

Der Kundenraum war voll. Drei Kunden, die einen großen Druckauftrag gaben. Der Drucker tat’s nicht. Nein, kein Virus, keine falsche Verbindung, keine erkennbare Ursache. Die Kunden gingen enttäuscht. Der Drucker ging wieder.

Es kamen sechs Kunden auf einmal. Plötzlich gingen die Computer aus. Ließen sich nicht mehr anschalten. Du prüfst die Stromkabel, alles okay. Die Kunden waren genauso erstaunt wie du und gingen irgendwann. Kaum waren sie weg, gingen die Computer wieder an.
Du hattest den ganzen Tag eine super gute Verbindung. Doch war der Raum voller Kunden, waren alle Computer plötzlich offline. Wir riefen Alain vom Internetprovider an. „Nein, kann nicht sein. Hier ist alles okay, ihr müsst Verbindung haben.“ Sagte er. Waren die Kunden verärgert gegangen, war die Internetverbindung wieder da.
Na Dankeschön auch. So ließe sich die Aufzählung fortsetzen.
Dinge passierten, die man sich nicht erklären konnte, die aber alle in eine Richtung deuteten: Verlust und Schaden.

Ich erzählte meiner Freundin Cindy in Berlin davon. Sie lachte mich nicht aus, meinte aber, ich sollte mir mehr Freizeit gönnen. Wenn man es nicht live erlebt, ist es halt schwer zu glauben.

Ein Schamane kann mit einem Foto sehr viel bewirken. Ein Grund, weshalb sich hier viele Leute nicht oder nur von ihnen bekannten Personen fotografieren ließen. Da konnte der Tourist schon mal in Schwierigkeiten kommen, wenn er einen Einheimischen ungefragt ablichten wollte.



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