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Amanitin - eine Kriminalerzählung


 
 
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Federfuchser
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Beiträge: 147



F
Beitrag07.03.2020 13:43
Amanitin - eine Kriminalerzählung
von Federfuchser
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Zwei Giftmorde, und Hauptkommissar Heinrich Heiland tappt völlig im Dunkeln. Er kennt weder das Gift, noch das Tatmotiv. Die Hinweise sind mehr als widersprüchlich, sie sind absurd. Da bringt ihn ein Gespräch mit seinem körperbehinderten Sohn auf eine Idee...
Ca. 80 Manuskript-Seiten


                                                      Vorspiel in der Unterwelt

   Im Kellerraum ist es warm, es riecht unangenehm nach Heizöl. Gerade schießt wieder ein heißer Strahl wummernd in die Brennkammer ein; in dem kleinen runden Guckloch flimmert es rötlich.
   Die Frau macht Licht und schließt die Tür. Der Mann blickt sich um. Sein Blick gleitet über den Blechschrank mit dem dicken Vorhängeschloss, über die Werkbank mit dem Stuhl davor; über das verwirrende Gewirr der Heizungsrohre, über die summenden Umwälzpumpen, die roten Ausgleichsbehälter, die grauen Zähler. Das alles erinnert ihn an den Maschinenraum des historischen Raddampfers 'Kaiser Wilhelm', den er noch vor wenigen Wochen besichtigt hat. Doch dort hatte er in den Rohren, Ölnippeln, Manometern, Ventilen eine gewisse Ordnung erkannt, eine die Ordnung, die nötig war, um den Antrieb der mächtigen Dampfkolben zu gewährleisten. Diese Ordnung war auf einen bestimmten, erkennbaren Zweck ausgerichtet, es war eine zielgerichtete Ordnung, und sie hatte ihn erfreut, denn er war ein zielstrebiger Mensch. Doch hier liegt der Zweck der Maschinerie außerhalb des Raums: Die Beheizung des Altstadtquartiers 'Wischkuhlenhof', und eine Ordnung in diesem Röhrengewirr ist deshalb für ihn nicht ohne weiteres erkennbar.
   Er dreht sich zu der Frau um und fragt: „Um welches Ventil handelt es sich denn nun?“
   „Um das da, rechts unten auf dem Zuleitungsrohr zu Ihren Geschäftsräumen“, erwidert sie. „Es leckt.“
   Eine gute Weile betrachtet er das Ventil. Dann sagte er: „Ich sehe nichts!“
   „Dann schauen Sie doch mal genau hin!“
   Etwas unsicher beugt er sich vor, dabei stützt er sich mit der Hand an einem Regal ab.
   „Sehen Sie die feuchte Stelle?“, fragt die Frau. Sie ist hinter ihn getreten.
   „Natürlich sehe ich sie, ich bin doch nicht blind!“ Sein Tonfall ist hochnäsig und arrogant. „Und wegen dieser Petitesse bemühen Sie mich her?“ Er seufzt. Schon seit Tagen fühlt er sich unwohl und schlapp, wie von langer Krankheit geschwächt. „Was habe ich damit zu tun? Holen Sie gefälligst einen Installateur!“
  Der Stoß trifft ihn völlig unvorbereitet, so dass er keinerlei Abwehrmaßnahmen ergreifen kann. Sein Körper schnellt vor, mit der Stirn stößt er schmerzhaft an etwas Hartes. Schon kniet die Frau über ihm. Sie biegt seine Arme schmerzhaft nach hinten und bindet ihm die Hände zusammen.
  „Sind Sie wahnsinnig geworden?“, schreit er, nachdem die  Schrecksekunde vorbei ist, „was fällt Ihnen ein? Hören Sie sofort auf damit!“ Er versucht, die Frau abzuschütteln, aber es geht nicht. Sie ist zu schwer. Sein geschwächter Körper findet noch nicht einmal die Kraft, den Kopf zu heben. Er fühlt, wie warmes Blut aus der Stirnwunde ins Auge läuft.
   „Maul zu und halt´ die Beine still“, sagt die Frau böse. Mit dem braunen Packband verschnürte sie seine Füße, dreht ihn um, richtete ihn halb auf und bindet ihn an einem dicken Heizungsrohr fest. Breitbeinig stellt sie sich  hin und sieht ihn gehässig an. Sie ist groß, kräftig, kantig und besitzt Muskeln wie ein Mann. Mit einer unwilligen Handbewegung streicht sie sich eine Strähne ihrer langen blonden Haare aus dem Gesicht.
  Der Mann blickt sie mit wilden Augen an. „Was soll das?“, schreit er, „machen Sie mich sofort los! Das wird ein Nachspiel haben!“ Er bäumt sich auf, zerrt an den Fesseln, doch nichts hält fester als schnödes braunes Klebeband.
Statt zu antworten, öffnet die Frau den Blechschrank neben der Werkbank, nimmt einen ölverschmierten Lappen heraus und wischt ihm das Blut aus dem Gesicht. Dabei sagt sie: „Du bist ein Schwein, und jetzt siehst du auch noch aus wie ein Schwein.“
   Der Mann knirscht, mit Schaum in den Mundwinkeln: „Wenn Sie mich nicht sofort losbinden, schreie ich das Haus zusammen!“
    Sie lacht trocken, es klingt wie das Meckern einer Ziege. „Nur zu“, sagt sie, „hier kannst du schreien, so viel wie du Lust und Laune hast! Der Raum hier hat kein Fenster, und die Brandschutztür hält dicht! Und sollte dich trotzdem jemand hören, denkt er, irgendwo greint ein Säugling.“
   „Was wollen Sie?“, fragt er.
   Die Frau krempelt den rechten Ärmel ihres Overalls hoch und hält ihm ihren nackten Unterarm vor die Nase. „Sag, wie das aussieht!“
   Er blickt hin und schweigt.
   „Sag, wie das aussieht!“ Ihr Ton wird drohend.
   Er schweigt.
   „Du sollst sagen, wie das aussieht!“ schreit sie. Da er immer noch nichts sagt, versetzt sie ihm einen heftigen Tritt in die Seite. „Sag es!“, röhrt sie, „sag, wie das aussieht!“
   „Es sieht nicht gut aus“, murmelt er endlich.
   „Es sieht nicht gut aus!“, wiederholt sie. In gespielter Enttäuschung ringt sie die Hände. „Er sagt, es sieht nicht gut aus! Ts, ts, ts... Mehr fällt dir dazu nicht ein, du Schwein?“ Ihr starrer Blick nietet sich in sein Gesicht, über das schon wieder Blut gesickert ist. „Es sieht scheiße aus!“, schreit sie, „sag: Es sieht scheiße aus!“
   Wieder schnellte der Stiefel vor. Es ist ein großer, fester Stiefel, wie ihn Monteure tragen.
   „Es sieht scheiße aus“, murmelt er.
   „Lauter!“ Sie holt zum Stoß aus.
   „ES SIEHT SCHEISSE AUS!“
   „Na siehst du! Es geht doch!“ Sie lässt den Ärmel wieder herunter. „So sehe ich am ganzen Körper aus“, sagt sie seltsam ruhig. „Seit ich denken kann, laufe ich hochgeschlossen herum wie ein Eskimo.“ Ihre Stimme klingt jetzt sachlich und irgendwie selbstmitleidig. „Natürlich, niemand würde etwas sagen, wenn er das sieht – schließlich wissen wir ja, was sich gehört“, sie lacht hämisch, „aber die Blicke! Die Blicke lügen nicht!... Weißt du, welchen Menschen solche Blicke zugeworfen werden? Na, wird´s bald? Du weißt es nicht?“ Ihr Blick bohrte sich in sein Gesicht. „Na gut, dann sag ich´s dir: Den Aussätzigen, den Leprösen, den hoffnungslosen Fällen!“ Ihre Stimme ist jetzt wieder laut und scharf. „Weißt du überhaupt, was Aussatz bedeutet? Nein? Mann, was weißt du in deinem Scheißhirn eigentlich? Von Tuten und blasen keine Ahnung! Doch, vom Blasen wohl, du Schwein! Hör zu! Aussatz bedeutet ausgesetzt sein aus der menschlichen Gemeinschaft! Ausgesetzt heißt ausgestoßen!“ Die letzten Worte sind schon wieder gebrüllt.
  Dann, ruhiger: „Du hast natürlich keine Ahnung, wie man sich da fühlt. Natürlich. Wie denn auch. Schließlich bist du ein schöner Mann. Ein Schönling, wie man auch sagt. Allerdings: Jetzt siehst du aus, als müsstest du gleich kotzen!“ Sie lacht roh. „Na ja, du hattest ganz andere Sorgen. Und du warst nie einsam. Immer waren irgendwelche Leute um dich herum. Zum Beispiel deine Lustknaben. Also, wie fühlt man sich?“
   „Man fühlt sich alleingelassen“, bringt er mühsam heraus, bevor der Stiefel vorschnellt.
   „Da sagst du mal was Wahres! Man fühlt sich alleingelassen.“ Plötzlich schreit sie: „Mann, was redest du da für ´nen Quatsch! Du hast doch nichts als Scheiße im Hirn! Alleingelassen! Pah... Ich werd´ dir sagen, wie man sich fühlt! Man fühlt sich wie ein weggeworfener Säugling in einer stinkenden Mülltonne!“
   Sie zieht sich einen Stuhl heran, dreht die Lehne zu ihrem Gefangenen und setzte sich breitbeinig vor ihn hin. Aufmerksam betrachtete sie sein Gesicht. „Du hast schon mal besser ausgesehen, mein schöner Junge“, sagt sie hämisch grinsend, „heute siehst du wie ein an die Wand geschissenes Karnickel aus. Bist du krank?“
    Sein Körper bäumt sich auf, seine Glieder zerren an den Fesseln, schließlich sinkt er ermattet zurück. Die Frau betrachtet ihn, gnadenlos wie ein Kind einen auf dem Rücken liegenden Käfer.
 „Was wollen Sie?“, stöhnt er, „wollen Sie Geld?“
   Sie lacht unangenehm schrill. „Pah, Geld! Dass ihr Schweinehunde immer meint, mit Geld kann man alles erreichen! Nein ich will kein Geld. Ich will Gerechtigkeit. Auge um Auge, Zahn um Zahn.“
   Eine Weile herrscht Stille. Der Brenner ist verstummt, nur das leichte Knacken der Rohre, dem Knistern trocknendes Holzes gleich, ist zu vernehmen. Die Frau sagt, wobei sie mehr zu sich als zu dem Mann spricht: „Und dann fiel mir wie aus heiterem Himmel der Jorin in die Arme. Plötzlich wusste ich was Leben heißt! Endlich! Ich lebte! Jorin nahm mich, wie ich war, mit allen hässlichen Flecken, Ecken und Kanten. Es war herrlich... Natürlich wusste ich, dass es nicht von Dauer sein konnte. Ich war schließlich über zwanzig Jahre älter. Nun, was auf dieser Welt ist schon von Dauer... Und ich stelle keine Ansprüche an das Glück... Aber ein paar Jahre mehr hätten es schon sein können... Doch dann kamst du, mein schöner, smarter Knabe, und nahmst ihn mir weg.“
   Sie spring auf. Der Stuhl fliegt krachend in eine Ecke. Angewidert betrachtet sie ihr Opfer, das da, mit blut- und schweißüberströmten Gesicht, vor ihr auf dem kalten Betonboden hockt. Sie betrachtet die hohe schmale Stirn, die scharf geschnittene Nase, die sorgfältig rasierten Wangen, die Piercings in den Ohrläppchen... Hass überschwemmt ihr krankes Hirn, bohrender, schmerzender, magenzersetzender Hass.
   „Dafür wirst du sterben.“ Es klingt auf eine grauenhafte Weise endgültig.
   „Was soll das?“ ruft er mit der ganzen Kraft, die ihm noch geblieben ist, „glauben Sie im Ernst, ein weiterer Mord würde etwas ändern? Ich wusste doch nicht – “
   Wieder bäumt er sich auf, wieder zerrt er an den Fesseln, wieder sinkt er ermattet zurück.
   „Hör´ auf zu winseln! Du widerst mich an!“, sagt sie kalt, „lange halte ich deine Visage nicht mehr aus.“
   Sie ist wahnsinnig, denkt er und wagt einen letzten Versuch.
  „Wenn Sie mich frei lassen, verspreche ich, dass ich von allem dem hier eisern schweigen werde! Ich schwöre!“
   Ihr scharfes Lachen zerschneidet das Band seiner Hoffnung wie eine Rasierklinge einen dünnen Faden.
   „Dazu müsstest du erst einmal eine Schwurhand frei haben, mein Gutster!“ Sie tut so, als denke sie nach. „Gut, nehmen wir einmal an, ich ließe dich laufen. So zum Spaß nehmen wir das mal an. Nur, was geschieht dann, na? Du Arsch rennst schnurstracks zur nächsten Polizeidienststelle – vorausgesetzt, du kämst noch bis dahin –  und plapperst alles haarklein aus. Und weißt du was?  Das wäre mir völlig egal! Du kannst dir nicht vorstellen, wie egal mir das wäre! Scheißegal ist noch zu schwach ausgedrückt! Und weißt du warum – “
   „Sie sind doch wahnsinnig! Ich fordere Sie auf: Lassen Sie mich frei!“ Wieder bäumt er sich auf, doch schon nach wenigen Zuckungen ist er am Ende seiner Kräfte.
   „So, du forderst! Na dann... Weißt du was? Du bist nicht nur eine Schwein, sondern auch noch ein Riesenarschloch. Du hast anscheinend überhaupt keine Ahnung, wie es um dich steht. Auch wenn ich dich tatsächlich frei ließe, mein schöner Junge, es würde dir nichts bringen. Kein Arzt könnte dir noch helfen. Deine Leber ist nämlich seit drei Tagen dabei, sich in eine formlose Masse zu verwandeln. Der Mensch kann zwar ohne Liebe, aber nicht ohne Leber leben.“ Sie runzelt die Stirn. „Dabei wüsste ich im Moment nicht einmal zu sagen, was für mich schlimmer wäre, ein Leben ohne Liebe oder ein Leben ohne Leber... Nein, das mit dem Freilassen kannst du vergessen. Außerdem habe ich noch einiges mit dir vor – als Leiche! Nun scheu doch nicht gleich! Keine Angst, ich werde dich nicht einfrieren oder zerstückeln oder einbetonieren und eine schnöde Garage über deinem Grab errichten. Nein, nein, solche Begräbnisse sind mir zu einfallslos. Da kannst du ganz beruhigt sein... Im Gegenteil, es wird etwas sein, woran du noch lange... Haha, da hätte ich beinahe einen Witz gemacht! Aber Witze sind natürlich jetzt das Letzte, wonach dein Herz verlangt... Weißt du, ich werde dich so herrichten, dass man noch lange von dir spricht... Wisst ihr noch? werden die Leute sagen, damals, als dieser... Na, wie hieß er denn noch gleich... Na, ist auch egal... Namen sind doch nur Schall und Rauch... Aber als man seine Leiche fand, da stand er in allen Zeitungen... Sogar in der Nordschau zeigten sie ihn... Und wenn sich auch keiner mehr an deine lächerliche Figur erinnert, du wirst noch Jahrzehnte, ach was sag ich, Jahrhunderte in den Archiven der Kriminalpolizei herumgeistern... Du bist dann sozusagen begrenzt unsterblich, haha!“ Sie schien sich über ihr hirnloses Geschwätz zu amüsieren.
   Sie tritt näher an ihn heran und schnüffelt. „Kann es sein, dass du die Hosen voll hast? Es stinkt – nein, du stinkst! Mann, ich wusste gar nicht, dass du so empfindsam bist! Nicht schlecht, nicht schlecht! Gestank passt besser zu dir als Rosenduft!“
   „Warum quälen Sie mich?“, kommt es kaum hörbar. „Reicht es nicht, dass Sie schon den Jorin auf dem Gewissen haben?“
   Wütend stampft sie mit dem Fuß auf. „Wage es nicht, diesen Namen noch einmal in deinen dreckigen Mund zu nehmen!“, brüllt sie „dann schlage ich dir die Zähne ein! Der Jorin geht dich einen Scheißdreck an!“ Sie blickt sich nach dem Stuhl um, zieht ihn heran und setzt sich. „Na, wie gefällt dir deine Zukunft als toter Mann? Wie? Du sagst nichts? Kann man denn mit dir überhaupt nicht vernünftig reden? Eigentlich schade. Ich hatte dich für cleverer gehalten.“ Plötzlich überzieht ein irres Lächeln ihr großes feuchtes Gesicht. „Weißt du was? Wenn man mit dir nicht reden kann, dann singen wir eben! Ja, das ist die Lösung! Wir singen! Wir lassen ein Lied erschallen! Ein lustig Lied, ein lustig Lied...“ Einen Moment hält sie inne, anscheinend um nachzudenken. Dann sagt sie: „Wie wär´s denn hiermit:

                                       Die Nachtigall singt auf der Eiche,
                                        das Schwein frisst aus dem Trog.
                                        Und morgen bin ich eine Leiche,
                                         Weil ich den Jorin an mich zog.“

   Sie steht wieder auf und fuchtelt wirr mit den Händen in der Luft herum. „Ja, das ist gut! Es trifft den Nagel auf den Kopf! Also los! Du singst jetzt: Die Nachtigall singt auf der Eiche... Die Melodie kannst du dir aussuchen. Nobel von mir, nicht wahr?“ Ein Fußtritt, dann noch einer, und noch einer. „Du kannst nicht? Du willst nicht! Na gut, dann – “
   „Die Nachtigall sitzt auf der Leiche ...“
   „Herrgottnochmal! Nicht einmal einen läppischen Vers kann sich der Kerl merken... Na gut, dann sing´ ich eben alleine!“
   Sie krümmt ein Knie, zieht den Fuß an, streckt die Hände zur Decke und dreht und wiegt sich in alberner Weise in den Hüften. Dabei grölt sie mit entsetzlich misstönender Stimme:

                                    „Die Nachtigall singt auf der Eiche,
                                       das Schwein frisst aus dem Trog.
                                       Und morgen bin ich eine Leiche,
                                       weil ich den Jorin an mich zog.“

  Plötzlich bleibt sie stehen. „Weißt du, was ich hier gerade gemacht habe?“, fragt sie außer Atem. „Getanzt habe ich! Getanzt! Ich habe unseren Totentanz getanzt. Deinen und meinen! Ja! Denn nach dir werde auch ich sterben. Und das ist auch gut so! Hörst du nicht auch das Totengeklapper? Wie es klappert und knackt und klappert und knackt und klappert und knackt.“
   Sie ist tatsächlich wahnsinnig, denkt er verzweifelt, vollständig wahnsinnig. Das ist das Ende... Mit Wahnsinnigen kann man nicht verhandeln...
   Sein Kopf sinkt auf die Brust.
   Und sie fängt wieder an:

                                          „Die Nachtigall singt auf der Eiche,
                                           das Schwein frisst... aus... dem...“
   
  Sie bemerkt jetzt, dass der Mann weint, und sie verstummt. Sie öffnet Blechschrank entnimmt ihm eine dunkelgrüne Flasche, dreht den Schraubverschluss ab und hält sie ihm an den Mund. „Hier, trink das! Das wird dich aufmuntern! Man ist ja schließlich kein Unmensch!“
   Seine Lippen sind zwei schmale, weiße Striche.
   „Mann, nun hab dich nicht so! Das ist ein hochprozentiger Magenbitter! Oder hast du Angst, ich will dich vergiften?“ Sie lacht dröhnend. „Nur zu deiner Beruhigung: Du bist bereits vergiftet! Seit drei Tagen schon! Oder warum wohl, glaubst du, fühlst du dich seit gestern so kotzelend?... Na gut, wie du willst! Wer nicht will, der hat schon, wie meine Oma immer sagte.“
   Sie schraubt die Flasche wieder zu und stellte sie zurück in den Schrank. „Dabei würde dir der Alkohol nur gut tun. Sehr gut sogar! Alkohol verstärkt nämlich die Wirkung des Gifts, und was folgt daraus? Denk doch mal logisch! Richtig! Der gute Alkohol verkürzt somit deine Leidenszeit. Denn deine letzten Stunden werden fürchterlich sein. Du wirst dich in Krämpfen winden wie ein Aal, dem man das Rückgrat zertrümmert hat. Am liebsten würdest du deine gesamten dreckigen Innereien auskotzen. Doch dann – ich denke so in drei bis vier Stunden – wird der Brei deiner Scheißleber dein Gehirn überschwemmen und allmählich dein Bewusstsein auslöschen. Und irgendwann im Morgengrauen wird deine Seele – solltest du überhaupt so etwas wie eine Seele haben – in deinen scheiß Kinderschänderhimmel auffahren.“
   „Nein! Ich bin kein Kinderschänder! Glauben Sie mir! Männer unter achtzehn habe ich nie angerührt!“
   Es ist der Schrei der gequälten Kreatur, jenseits alle Lüge.
   „Na gut, ich glaube dir! Aber es bessert nichts.“
   „Ich will noch nicht sterben, bitte...“
   „Musst du wohl, mein schöner Verführer, musst du wohl, so leid es mir tut... Mein Vater war genau so ein Dreckskerl wie du, nur vom anderen Ufer... Ein Hurenbock wie er im Buche steht, obwohl er gleich nach dem Papst kam.  Aber er hatte Grundsätze. Zum Beispiel den: Auge um Auge, Zahn um Zahn... Du hast mich getötet, also töte ich dich!“
   Sie schneidet einen Streifen von dem Packband ab und verklebte ihm den Mund. „Für alle Fälle! Man weiß ja nie“, murmelt sie. „Überall gibt es Ohren... Durch das dicke Zuluftrohr könnte man dich hören.“ Sie geht zur Tür und knipst das Licht aus. „So, ich lasse dich jetzt allein. Morgen früh komme ich wieder und hole dich.“
   Der Schlüssel dreht sich im Schloss.
 Durch das kleine runde Guckloch fällt ein Schein der Ölflamme auf die gegenüberliegende Wand. Der Lichtschein hüpft auf und ab wie ein lustiger Kobold...
   Der Mann öffnet den Mund, doch statt des Schreis kommt nur ein kraftloses Röcheln. Sein Kopf sinkt auf die Brust, und bald erfüllt hemmungsloses Schluchzen die Luft.
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Federfuchser
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Beiträge: 147



F
Beitrag13.03.2020 12:23

von Federfuchser
pdf-Datei Antworten mit Zitat

1
   Jaromir Kreutzer betritt den Verkaufsraum durch eine Seitentür und schnuppert. Irgendein seltsamer Geruch liegt in der Luft, leicht säuerlich, als habe sich jemand erbrochen. Wird wohl die Asia-Lieferung sein, denkt er übellaunig, was die da alles an unaussprechlichen Tinkturen zusammenbrauen, weiß doch kein Mensch. Und manche Leute kaufen das Zeug auch noch. Hauptsache billig, billig, billig...    
   Er geht nach vorn, öffnet die Ladentür, um frische Luft hereinzulassen, dann setzt er sich an die Kasse und legt eine neue Papierrolle ein. Wird wohl ne Weile reichen, mosert er im Geiste weiter, der Umsatz ist auch nicht mehr, der er mal war, trotz der 1AA-Lage. Er lacht trocken. Mehr aa als eins! Hat sich was, mit Geiz ist geil läuft nichts mehr! Die Meisten wollen anständige Ware, und keine die nach Kotze stinkt!
   Er lässt das Geldfach hervorschnellen, zerschlägt zwei Kleingeldrollen und sortiert, ein lustig Lied auf den Lippen, das Geld ein: Süßer die Kassengkocken nie kli-hingen, denn zu der Wei-heinachtszeit... Wenn´s so mau wird wie letztes Jahr, kann ich bald wieder zur ARGE tigern. Der Junior, dieser Idiot! Sollte sich mehr um das Geschäft und weniger um seine Lustknaben kümmern! Hmm... Ich denke mal, dies ist überhaupt kein seriöses Geschäft, sondern eine Geldwaschanlage. Letzten Monat sind noch nicht einmal die Kosten für Strom und Heizung übriggeblieben... Na ja, so lange sie mein Gehalt zahlen, soll´s mir recht sein, und wenn Not am Mann ist... Vatter hat genug Geld, der alte Geizknochen.
   Draußen sind zwei junge Mädchen  stehen geblieben und starren in das linke Schaufenster. Durch die geöffnete Tür hört Kreutzer undeutlich ihre Stimmen wie fernes Vogelgezwitscher, hört, wie eines der Mädchen „dumme Kuh!“ ruft. Jetzt wendet sich das Mädchen um und betritt den Laden. Nach kurzem Zögern trippelt es auf Kreutzer zu. Der blickt dem jungen Ding gespannt entgegen. Ein junges Mädchen in einem Geschäft für Herrenoberbekleidung?
   „Darf ich Sie etwas fragen?“, zwitschert es.  Seine Stimme ist weich und von kindlicher Unbefangenheit.
   Kreutzer nickt.
 „Meine Freundin und ich möchten wahnsinnig gerne wissen, ob das da in den Fenstern Schauspieler sind!“ Die Augen: Zwei blaue Sterne. „Ich meine, es sind welche, meine Freundin, die dumme Kuh, ist mal wieder anderer Meinung.“
    Kreutzer blickt sie an. Sie sieht jung, jung, jung aus, auf dem Kopf ein keckes Hütchen, an den Ohren kleine Gehänge, die Beinen stecken in schwarzen Lederstiefeletten. Doch er wagt keine Altersprognose. Seine Nichte ist zwölf, sieht aus wie sechzehn und benimmt sich manchmal wie eine Sechsjährige.
   Eine große Person mit einem tief ins Gesicht gedrückten Hut betritt das Geschäft. Die breite Krempe des dunkelbraunen Lederhutes, an dem hinten drei bunte Bändchen baumeln, beschattet ihr Gesicht, so dass Kreutzer nicht genau erkennen kann, ob es ein Mann oder eine Frau ist. Der Haarzopf deutet auf Frau hin, die ziemlich robust wirkende Figur auf Mann.
   Kreutzer geht auf die Person zu, doch die winkt mit der Bemerkung ab, sie würde sich gern allein umsehen.
   Der Verkäufer wendet sich wieder dem Mädchen zu. „Schauspieler? Wie kommst du gerade auf Schauspieler?“    
 „Ich meine diese Leute vom Stadttheater, die häufig vor dem Rathaus stehen. Die stehen ja auch manchmal stundenlang auf einem Bein, ohne die kleinste Bewegung! Und schwer angemalt sind sie auch. Und auch in solchen komischen Anzügen. Meine Mutter sagt, sie üben Körperbeherrschung und verdienen sich noch ein paar Euro nebenher.“ Sie redet schnell, aber mit Anmut.
   „Nein, nein, mein Kind“ lacht Kreutzer, „da täuschst du dich! Das da im Schaufenster sind keine Leute. Das sind Plastikpuppen!“
   „Ich bin nicht Ihr Kind!“  Das Mädchen sieht ihn böse an. Ihr Blick ist plötzlich hart, erstaunlich hart für so ein junges Ding.
  Kreutzer, im Umgang mit komplizierten Kunden geschult, aber nicht mit frechen Gören, versucht, möglichst charmant zu lächeln. Das andere Kind, die dumme Kuh, drückt ihre Nase an der Schaufensterscheibe platt.
  „Hmm... Nun ja... ich will dich nicht enttäuschen... Diese Puppen sind alle aus Plastik und innen hohl“, erklärt er geduldig, „ohne Fleisch und Blut. In der Fabrik werden zwei Hälften hergestellt, eine vordere und ein hintere und dann miteinander verklebt. So wie man Schokoweihnachtsmänner macht!“
   Das kleine Fräulein zieht ein Mäulchen. „Das verstehe ich nicht!“ murmelt es, „warum hat denn der eine Puppenmann Haare auf den Händen?"
   Kreutzer, verdattert: „Wie bitte? Haare? Das glaub ich nicht!“
   „Ja, Haare! Wenn Sie mir nicht glauben, kommen Sie!“
    Kreutzer, barsch: „Da sind keine Haare! Tut mir Leid, ich muss mich jetzt um verschiedene Dinge kümmern. Für Albernheiten habe ich jetzt keine Zeit. Bitte entschuldige mich.“
  Die Kleine heftet ihren Sternenblick auf Kreutzers Kinn. „Na, Alter!“ stößt sie quietschig hervor, „dann kaufen Sie sich mal `ne Brille! Und Ihre Krawatte sieht scheiße aus“ Sie wirft dem Verkäufer noch einen bitterbösen Blick zu und rennt mit klappernden Stiefeletten hinaus. Kreutzer blickt ihr kopfschüttelnd nach. Noch fünf Jahre, und sie ist genauso ungenießbar wie Dörte. Jetzt sieht er, dass der Strahler über der linken Puppe defekt ist – beziehungsweise er hat es schon vorhin bemerkt, aber jetzt dringt es in sein Bewusstsein ein.  
   Auch der Kunde verlässt kurz darauf mit einem dankbar-gnädigen Kopfnicken das Geschäft.

    Jaromir Kreutzer, 26, ledig, eins achtundsechzig, Schuhgröße 39, Liebhaber knallbunter Krawatten, seines Zeichens fest angestellter Verkäufer im Herrenausstatter Weinhold  & Sohn, geht nach hinten, um sich einen Magentee aufzugießen, denn sein empfindlicher Magen, dieser Mahner in seiner Lebenswüste, meldet sich. Das freche Gör hat ihn ziemlich erregt; selbstbewusste junge Mädchen sind für ihn Neuland.
   Er stutzt.
   Da steht ja noch eine Puppe! Sie steht in einer dunklen Nische, deshalb bemerkt er sie erst jetzt.
   Aber verdammt nochmal, was steht dann jetzt im Schaufenster?
   Jetzt erinnert er sich auch, dass der komische Kunde mehr an dem Schaufenster mit der angeblich behaarten Puppe als an der Ware interessiert gewesen war.
   Mit einem mulmigen Gefühl im Magen geht er in den Verkaufsraum zurück.
   Tatsächlich, mit diesem Puppenmann stimmt etwas nicht. Der Kopf ist seltsam nach vorne gekippt, die Arme hängen merkwürdig schlaff herunter, wie bei einem Erhängten.
 Kreutzer runzelt die Stirn. Auch dieser säuerliche Geruch ist jetzt wieder da.
   Sein Blick fällt auf die Hand des Plastikmannes.
   Feine, blonde Haare, ein zarter Flaum, zart, sehr zart, aber deutlich zu erkennen.
   Er richtet sich auf und mustert er den Hals der Puppe: Blutgefäße, Adern, bläulich schimmernd.
   Mit unendlicher Mühe hebt er den Kopf und sieht der Puppe mit zusammengekniffenen Augen ins Gesicht.
   In seinem Magen explodiert eine Bombe.
  Mit zitternden Fingern zieht er sein Handy und wählt die Polizei. Dann läuft er nach hinten, um sich zu übergeben.
 
 Es ist Montag, der 12. Dezember, 9 Uhr 30. Ort: Ladenlokal der Firma Weinhold & Sohn, Herrenbekleidung, Bahnhofstraße 72. Der Himmel ist wolkenverhangen, die Temperatur für diese Jahreszeit zu mild.

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wunderkerze
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Beiträge: 378



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Beitrag21.03.2020 13:16
Forts.
von wunderkerze
Antworten mit Zitat

2
   Der Hauptkommissar beißt sich auf die Lippen und unterdrückt einen saftigen Fluch.
   Es ist nicht so sehr der Anblick des Todes, der ihn entsetzt. Eine Leiche, sei sie auch noch so furchtbar zugerichtet, nimmt er mit unbewegter Miene und ohne äußere Anzeichen innerer Bewegung zur Kenntnis. Nein, das verstörende Antlitz des Todes jagt ihm keinen Schrecken mehr ein. Und was hat er nicht schon alles an Leichen gesehen. Alte, junge, schöne, hässliche,  stinkende, geruchlose... Manchmal mussten Leichenteile eingesammelt werden, wie zum Beispiel vor einigen Tagen die des Mannes, der kurz vor dem Hundertwasserbahnhof in Uelzen vor einen ICE sprang und anschließend über mehrere hundert Meter auf dem Geleis verteilt lag, oder Täter und Opfer eines Sprengstoffattentats. Auch das nimmt ihn nicht mehr sonderlich mit, außerdem ist das Einsammeln von Leichenteile nicht seine Sache, sondern die der Gerichtsmedizin.
 Nein, es ist auch nicht das stark geschminkte und übelriechende Gesicht des Toten, vor dem er steht, nicht die toten Augen, diese furchtbar entstellten Schwestern des Lichts. Es ist die Art und Weise, wie der Mörder sein Opfer präsentiert, es ist die Art, wie dieser Un-Mensch die stille Erhabenheit des Todes für seine perversen Zwecke instrumentalisiert hat: Der stolze Tod, Bruder der Einsamkeit und des Schlafes, ständiger, zuverlässiger Begleiter aller Kreatur, wahrer Terminator aller Unrast, Gier und Schmerzen – herabgewürdigt zu einem schnöden Spektakel!
   Der Hauptkommissar betrachtet den Toten.
    Die Füße, in schwarz glänzenden Schnürschuhen, stehen auf einer eisernen Bodenplatte, von der eine Stange nach oben ragt. Sie verschwindet durch den Hosenboden des Toten hindurch und setzt sich hinter seiner Oberbekleidung fort. Die Haltung des Körpers ist aufrecht, der Kopf zur Seite geneigt. In Höhe der Schulterblätter fallen zwei eigenartige Höcker auf.
 „Er ist festgeschraubt“, murmelt er. Vorsichtig versucht er, einen der herunterhängenden Arme der Leiche zu bewegen. Er betrachtet kurz das Gesicht des Toten und wendet sich ab.
   „Wo bleibt denn Terulda bloß?“, murmelt er.
   Hauptkommissar Heinrich Heiland, 52, verheiratet, Vater eines körperbehinderten Sohnes, konfessionslos, SPD-Wähler, Leiter der SOKO „Puppe“, geht zur Tür und blickt hinaus. Sein großes Bulldoggengesicht mit den buschigen schwarzen Augenbrauen ist ausdruckslos, wie erstarrt. Draußen, auf der gut besuchten Geschäftsmeile in Bahnhofsnähe, ziehen die Menschen unter dem tiefhängenden, deprimierenden Dezemberhimmel dahin. Der Menschenstrom in seiner ungeheuren quirligen Einsamkeit, schwarz braun grau weiß an Haut und Kleidung, mit Zungen aller Herren Länder, mit Mienen, verschwiegen und schweigsam wie eine Mondnacht oder wild-freudig erregt, kriecht wie ein vielköpfiges stachliges Reptil über das von Millionen Schuhen geschliffene und von Millionen Tritten gezähmte Pflaster.
   Der Hauptkommissar schaut in die flüchtigen Gesichter: Augen, meist zu Boden gerichtet, als läge dort ein kostbares, aber verlorenes Gut oder stumpf und teilnahmslos im Trott des ewig Notwendigen; Blicke, auf einen imaginären Punkt in weiter Ferne gerichtet, mit dem Glanz köstlicher Erwartungen oder mit der Trübe gemachter Enttäuschungen; Gesichter, überhaucht von der seelenlosen Blässe des Winters, in denen sich Erinnerungen an sonnendurchtränkte Urlaugstage spiegeln, an wild-ekstatische dunkelhäutige Tänzerinnen mit einem Minimum an Bekleidung, an Geruch und Geschmack exotischer Speisen, an das Mysterium heißer Nächte und den Morgen danach. Und dann sind da jene, deren Augen starr geradeaus gerichtet sind und im harten grellen Licht der Neonlampen aufblitzen, stählern und frohlockend zugleich; Menschen mit Kinnpartien, die keine Fragen zulassen und Kehlen mit knarrenden oder metallisch-durchdringenden Stimmen, begabt mit unermesslichem Tätigkeitsdrang und beseelt vom Willen, unbedingt auf die Siegerseite zu gelangen und dort auch zu blieben.
  Ameisen, denkt der Hauptkommissar, sind blinde Ameisen. Mit ihrem Tunnelblick sehen sie nur den schnöden Schein, nicht die heitere oder grausame Wirklichkeit, die  hinter den sichtbaren Dingen liegt; sie erkennen nur die schäbige Wahrheit des Augenblicks, die geheimen Mysterien-Spiele des Daseins bleiben ihnen verborgen. Wie sonst wäre es zu erklären, grübelt er, das keiner dieser Tausende und Abertausende die Leiche bemerkt hat, obwohl sie für alle sichtbar im Schaufenster hing? Nein, nein, nein, dass sie perfekt verkleidet und stark geschminkt war, kann kein Grund gewesen sein, denkt er. Auch nicht, dass sie aus irgendeinem Zufall schlecht beleuchtet war. Der Tod zeigt viele Gesichter, warum nicht auch mal das Gesicht einer Schaufensterpuppe? Hätte das junge Mädchen nicht die Haare auf dem Handrücken entdeckt, dann hinge die Leiche wahrscheinlich immer noch da. „Ja, Kinder!“, murmelt er, „Kinder sind manchmal viel näher am Wesentlichen als Erwachsene. Die Kleine muss die Nähe des Todes gespürt haben. Und sie hat genau hingeschaut. Sie hat ihn erkannt, hat ihn akzeptiert, denn noch hat sie keine Angst vor ihm, noch ist er nicht ihr Feind.“
   Der Hauptkommissar betrachtet das Wahlplakat, das, aus Mutwillen oder vom Wind aus der Verankerung gerissen, an einem Laternenpfahl auf der anderen Straßenseite baumelt. Es zeigt zwei blütenweißer und in ihrer Perfektion unglaubwürdige Zahnreihen, so weiß und wuchtig, dass die Botschaft
 
                                                      … für soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung der Frau

optisch zur Nebensache verkümmert. Das Gesicht mit dem töricht-anbiedernden braunen Blick schwankt im Wind; es entsteht der Eindruck, als schüttele der Kandidat über sein eigenes Wahlversprechen den Kopf.   
 Eine Person mit einem großen, tief ins Gesicht gedrückten Hut bleibt vor dem Schaufenster stehen und blickt hinein. Die breite Krempe der dunkelbraun-ledernen Kopfbedeckung, an der hinten drei bunte Bändchen baumeln, beschattet ihr Gesicht, so dass es nicht genau zu erkennen ist. Der Körper dieses Menschen ist von einem weiten Umhang verhüllt, sodass keine Rückschlüsse auf seine Figur möglich sind.
   Zunächst hat es den Anschein, als betrachte die Person ihr Spiegelbild. Doch dann schiebt sie die Krempe hoch und sieht Heiland an. Sofort hat der Hauptkommissar das Gefühl, dass der Blick dieser Person, von der er jetzt nicht sagen könnte, ob es eine Frau oder ein Mann ist, nicht dem eigenen Spiegelbild, sondern ihm gilt, und dass sie ihm etwas mitteilen will. Jedoch ehe er sich schlüssig wird dreht sich die Person um und ist bald im Gewühl der Straße verschwunden.
   Mein Gott, wo bleibt denn Terulda wieder?
  Ein paar Herzschläge lang wünscht sich der Hauptkommissar weit weg von diesem überbordenden Gewimmel mit seiner hektischen Betriebsamkeit, weit weg von dieser Maschinerie einer wahnwitzigen Zivilisation, die kein Maß kennt. Am liebsten würde er wie in glückhaften Träumen die Arme ausbreiten und sich erheben über die Straßen und Plätze der großen Stadt, über den Lärm ihres Fleißes, über die Ausdünstungen ihrer Verkehrsmittel und Fabriken, über das verwirrende Geflirre und Geflimmer ihrer Lichter; durch die Wolkendecke hindurch hinein in den strahlend blauen Himmel, in dem die Freiheit, wie man sagt, grenzenlos ist. Und weiter, weiter, immer weiter in die Schwärze des Universums mit seiner ungeheuren Weite und dem unwahrscheinlich hell funkelnden Sternenmeer, am Mond vorbei, bis zum Mars  –  
   Jemand berührt ihn an der Schulter. Die Vision zerflattert wie eine Schar aufgescheuchter Spatzen.       
   Der Hauptkommissar wendet seinen massigen Körper mit dem großen quadratischen Schädel. Er blickt topdown in die hellen Augen seines Kollegen Kriminaloberkommissar Ranjet Diercksen, denn er ist fast einen Kopf größer als der.
   „Heinrich“, sagt der, „Terulda ist da.“
   Der Hauptkommissar fährt sich mit den Fingern ernüchtert durch seine weiße Löwenmähne, die in bemerkenswertem Kontrast zu seinen schwarzen Augenbrauen steht. „Gut, ich komme“, knurrt er.

Forts. folgt


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Federfuchser
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Beitrag28.03.2020 10:01

von Federfuchser
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3
   Es ist jetzt 10 Uhr 35.
   Der Gerichtsmediziner Dr. Holm-Siegfried Terulda, ein hagerer Mann mit dem Gesicht eines Affen (Folge eines schweren Motorradunfalls und eines stümperhaften Chirurgen) geht auf den Toten zu, der mit einem Laken bedeckt immer noch in dem mit Tüchern verhängten Schaufenster steht. Auf dem Gesicht des Doktors liegt die Gespanntheit eines Menschen, der sich ständig über Zeitdruck beklagt. Sein Kopf ist leicht geneigt, wie unterwürfig eingezogen; es sieht aus, als trage er eine schwere seelische Lasst oder eine devote Veranlagung; doch es ist nur die schmerzhafte Bekanntschaft mit unzähligen Türrahmen, die sein Haupt so gebeugt hat. Er zieht das Laken ab, sein Blick verweilt einen Moment auf der Gestalt des Toten, dann bringt er seinen Nasenrest nah an dessen Gesicht heran, schnüffelt und sagt: „Salzsäure.“
   „So weit war ich auch schon“, knurrt Heiland lustlos. „War er schon tot?“
   Der Doktor wiegt bedächtig seinen fast kahlen Schädel, der von einem Bündel drahtiger Sehnen gehalten wird. „Ich hoffe es für ihn“, sagt er schmallippig und kratzt sich sein stark fliehendes Kinn, „mit Sicherheit kann ich es erst sagen, wenn ich diese dicke Schminke abgekratzt habe.“ Er ergreift einen Arm des Toten und bewegt ihn ein paarmal hin und her. „Hmmm... Das Zeitliche hat er vor plusminus achtundvierzig Stunden gesegnet.“ Er schnalzt mit der Zunge. „Möglicherweise ist er von uns dreien jetzt am besten dran. Auf jeden Fall ist er gegen Viren immun.“ Mit zusammengezogenen Augenbrauen betrachtet er die Aufwölbungen an den Schulterblättern des Toten. Er bückt sich knurrend und mustert die Stelle, wo die Stange in der Hose verschwindet, mit der Leiche bekleidet ist. Mit seinem langen, mageren Finger auf die Stelle deutend fragt er: „Verstehst du das?“
   „Soll wohl eine Pfählung andeuten“, knurrt Heiland.
   „Pfählung?  Wer macht denn so was?“
   „Tja, wenn ich das wüsste, dann hätte ich den Täter bald.“
   Die Arme des Toten hängen schlaff herab, unbeweglich in ihrer Todesruhe, und dies zusammen mit den furchtbar entstellten Augen und dem abgeknickten Kopf verstärkt noch den grauenhaften Anblick.
  Das Gesicht des Doktors indes zeigt keinerlei Bewegung, kein Zeichen innerer Anteilnahme, keinerlei Erstaunen über das Gesehene, kein Verhalten des Atems wegen des ungewöhnlichen Befundes. Er macht seinen Beruf, erfüllt Pflicht und Schuldigkeit, indem er seine genauen Beobachtungen mit seiner tiefen Stimme in ein Aufnahmegerät hinein dröhnt. Nie ist in seinem Gesicht die Bestätigung dafür zu finden, dass er etwas bedauert, nie auch nur der Hauch einer Anteilnahme. Doch manchmal verrät er sich, wie gerade jetzt, als er sagt: „Muss ziemlich abartig sein, dein Täter! Hängt seine Leiche einem Plüddenladen ins Schaufenster! Da hätte ich doch ein Beerdigungsinstitut vorgezogen!“       
   Der Hauptkommissar sieht ihn milde grinsend an und ergänzt: „Oder vor eine Autobahn-Raststätte, als Warnung und Exempel.“
   Wer die beiden nicht kennt und sie so reden hört – zum Beispiel wenn der Doktor behauptet, er habe schon Hunderte von Schädeldecken aufgemeißelt und nicht einen einzigen vernünftigen Gedanken gefunden – könnte meinen, zwei gefühllose, zynische Zombies vor sich zu haben. Doch kein Urteil wäre falscher.
   Der Doktor hat jetzt seine vorläufige Inaugenscheinnahme des Toten beendet, er dreht sich um und brüllt seinen Leuten, die im Hintergrund 'Hab Acht' stehen zu: „Ihr könnt ihn abschrauben und wegbringen!“
                                                                           *
    Herr Weinhold junior, der Geschäftsführer, hüstelt verlegen und fragt: „Meine Herren, könnte ich Sie kurz sprechen?“
   Heiland nickt.
  Herr Weinhold: „Wann, denken Sie, wird das Geschäft für die Kundschaft wieder zugänglich sein?“ Er sieht Heiland mit offener, aber gleichgültiger Neugier an, so, als habe er ihm eine delikate Frage gestellt und sei nun auf die Antwort gespannt.
   Wie redet der Mann da, denkt der Hauptkommissar bestürzt. Er hat etwas mehr Betroffenheit erwartet. Eine unsichtbare Schranke,  hinter der es tost und schwillt, schiebt sich zwischen ihn und den Geschäftsführer. Doch er will jetzt keine Barrieren aufbauen und antwortet betont freundlich: „Herr Weinhold, das kann ich jetzt noch nicht sagen! Etwas Geduld müssen Sie schon haben. Schließlich handelt es sich hier um eine Mordermittlung. Erst muss ich den Tatort genauer besichtigen, um mir ein Bild zu verschaffen. Und die Leute von der Spurensicherung werden einige Zeit benötigen. Zwei bis drei Tage wird es schon dauern. Bedaure außerordentlich, aber es geht nicht schneller.“
   Auf Weinholds hoher Stirn erscheinen zwei scharfe senkrechte Unmutsfalten. Sein blassblauer Blick geht durch den Hauptkommissar hindurch, mit einer so hochmütig-verächtlichen Arroganz, dass Diercksen die Faust in der Tasche ballt. „Herr Weinhold, wo können wir Sie gleich ungestört sprechen?“ fragt er mühsam beherrscht. Sein olivgrüner Teint ist noch um eine Spur dunkler geworden.
   Weinhold überlegt kurz. „Im Büro. Vor dem Hinterausgang die Tür rechts.“ Er wendet sich schroff um und geht.

 Eine Person kommt mit ausgebreiteten Armen auf die Kriminalbeamten zu. „Meine Herren, was ist denn passiert? Doch hoffentlich nichts Schlimmes! Ich kam gerade vorbei und sah den Menschenauflauf vor dem Schaufenster!“ Das Gesicht der Person, offenbar ein Mann, ist ganz Wissbegierde. Der völlig kahle Schädel sitzt kurzhalsig auf einem mächtigen Oberkörper mit fast weiblichen Rundungen; sein übriger Körper, der in einem Blaumann steckt, scheint nur eine Dimension zu kennen: Die der Breite. Trotzdem wirkt er auf die Beamten nicht wie einer dieser grobschlächtigen Typen, die vor Kraft kaum gehen können, sondern auf eine seltsame Weise geschmeidig; seine Art, sich zu bewegen und zu reden, zeichnet sich durch eine vornehme, fast weiblich anmutende Leichtigkeit aus.      
   „Wer sind Sie denn?“, erkundigt sich Diercksen.
  „Ach ja, entschuldigen Sie! Mein Name ist da Castro. Ich bin der Hausmeister. Wenn ich irgendwie behilflich seine kann, sagen Sie es.“ Die Stimme des Mannes klingt eigenartig sandig-rau,  wie mit Schmirgelpapier abgerieben und doch wieder seltsam weich, wie eine tiefe, rauchige  Frauenstimme.
 „So, Sie sind hier Hausmeister“, echot Heiland. „dann wissen Sie sicherlich, ob sich in diesem Gebäude außer den Geschäftsräumen der Firma Weinhold noch weitere Räume befinden.“
   „Sicherlich weiß ich das. Das Haus wird ausschließlich von der Firma Weinhold genutzt. Im ersten Stock befinden sich Lagerräume, die Räume darüber stehen leer. Übrigens, ich weiß nicht, ob Ihnen das bekannt ist, das Haus gehört zu einem historischen Gebäudekomplex, der von der Firma Haus & Boden verwaltet wird. Ich bin dort angestellt – als Mädchen für alles, haha, wenn Sie so wollen.“ Während der Mann spricht, schielt er mehrmals auffällig verstohlen in die Ecke, in der eben noch das Gestell mit der Leiche stand. „Ist was mit der Schaufensterpuppe da? Wieso ist die weg?“, fragt er interessiert.
   „Sind wir uns schon mal begegnet?“, fragt Heiland ausweichend, „irgendwie kommen Sie mir bekannt vor.“
   „Nicht dass ich wüsste. Wo sollte das gewesen sein?“, gibt der Mann zurück. Er ergreift das Eisenrohr eines Kleiderständers und hält es fest.
    „Herr da Castro, bitte fassen Sie hier nichts an!“, ruft Heiland. „Auf diesem Rohr sind jetzt Ihre Fingerabdrücke. Wie schnell kann da ein misstrauischer Kriminalbeamter wie ich auf unbequeme Gedanken kommen! Ich habe fast den Eindruck, Sie wollen sich hier verdächtig machen! Das Beste wäre, Sie ließen uns jetzt ungestört weiterarbeiten. Wenn wir noch Fragen haben, melden wir uns. Wir wissen ja, wo wir Sie finden können. Und jetzt hinaus mit Ihnen!“
   Der Hausmeister blickt den Hauptkommissar eine Weile halb erstaunt, halb belustigt an. Da beide fast gleich groß sind, geschieht dies auf gleicher Augenhöhe. Heiland sieht in das Gesicht des Mannes, das anscheinend geschminkt ist; der Hausmeister blickt in Heilands kurzsichtig blinzelnde Augen, die durch die starke Brille eulenhaft vergrößert sind. Plötzlich dreht er sich um und verlässt mit langen Schritten den Raum.
   Heiland sieht ihm nach. „Ich könnte schwören“, sagt er, als der seltsame Mann außer Hörweite ist, „dass ich diesen Kerl schon mal gesehen habe, und zwar vor noch gar nicht allzu langer Zeit. Vielleicht fällt´s mir ja noch ein. Und noch etwas. Hast du seine Augen gesehen?“
   „Was ist damit?“
   „Das linke Auge ist braun, das rechte blau. Seltsam, seltsam... Irgendetwas stimmt mit dem Kerl nicht.“
   „Du meinst, wegen der verschiedenen Augenfarben?“
   „Quatsch! Das ist zwar selten, aber es kommt immer wieder vor, wie man sieht. Was mich stutzig macht ist etwas anders. Warum, meinst du, hat er sich vor mich hingestellt und wie ein Weltwunder angestarrt?“
  „Na warum wohl! Weil du eins bist!“
   „Unsinn!“
   „Dann muss ich passen.“
 „Ich werd´ es dir sagen. Weil ich ihm in die Gucker schauen sollte! Ich sollte unbedingt seine verschiedenen Augen sehen.“
   „Glaube ich nicht, da bildest du dir was ein, Heinrich. Er war sauer, dass du ihn hinausgeworfen hast und wollte dich optisch niederzwingen.“
   „Optisch niederzwingen, gut formuliert! Ich denke eher –“
  Herr Weinhold erscheint. „Wenn Sie jetzt Ihre Fragen stellen könnten“, sagt er. Es klingt fast wie ein Befehl. „In einer halben Stunde habe ich einen wichtigen Termin.“
   „Den werden Sie wohl verschieben müssen“, sagt Diercksen kalt.
   
                                                                           4
   Am frühen Nachmittag desselben Tages im Keller der Gerichtsmedizin.
   Dr. Terulda zieht das Laken zurück.
  Vor dem Hauptkommissar liegt der alabasterweiße Körper eines jungen Mannes, wie von einem antiken Bildhauer gemeißelt. Der einzige erkennbare Makel dieses Körpers ist die grob zugenähte Obduktionswunde. Heiland wirft einen kurzen Blick auf das Gesicht des Toten und wendet sich ab.
   Der Arzt sagt: „Zunächst ging ich von Todesursache unbekannt aus. Aber ich hegte von Anfang an da so meine Zweifel. Es gibt für meinen Geschmack einfach zu viele Todesfälle mit diesem Befund in diesem Land. In Deutschland jedes Jahr über Tausend. Die meisten davon übrigens in Altersheimen. Vermutlich steckt in vielen Fällen Gift dahinter. Schön. Ich musste nicht lange bitten und betteln, die Staatsanwältin erlag meinem Charme, erhörte mich und besorgte mir kurzerhand einen Leichenöffnungsbeschluss. Und ich brauchte nicht lange zu suchen. Jetzt bin ich mir sicher. Er ist vergiftet worden.“
  „Womit?“
  „Tja, das ist die Millionenfrage... Soweit bin ich noch nicht. Aber in ein paar Tagen, denke ich, habe ich den Befund.“
   „Wie alt schätzt du ihn?“
   „Dem Gebiss nach irgendwo zwischen dreißig und fünfunddreißig. Erstaunlich, was? Immer noch ein holder Knabe im lockigen Haar.“
   Ein blasser Lichtstrahl fällt durch das Kellerfenster auf eine Schale mit einer schwabbeligen rot-schwarzen Masse.
   „Irgendwelche Auffälligkeiten im Gebiss oder irgendwas, womit wir ihn identifizieren könnten?“
   „Leider nein. Nichts. Kein fauler Zahn, keine Plombe, keine Fehlstellung, nichts, nichts, absolut nichts, was uns weiterbringen könnte... Sein Gebiss ist so makellos wie der Rest seines Körpers vor dem –“
   „Wie lange, denkst du, ist er schon tot?“
  „Etwa vier bis fünf Tage. Er fängt schon an zu stinken.“
   „Das heißt seit letzten Freitag Mittag plusminus sechs Stunden.“
   Heiland betrachtet versonnen die Haare des Toten, die wie ein Kranz leuchtender Goldfäden um dessen Kopf herumliegen.
   „Gibt es denn wenigstens einen Hinweis auf die genaue Todesursache?“
   „Ja, den gibt es.“
   Dr. Terulda geht zu dem Tisch am Fenster und nimmt das Gefäß mit der dunkelbraunen Masse zur Hand. „Hier, Heinrich, schau dir das mal an!“
   „Ich werde mich hüten! Erklär´es mir von da aus!“
   „Wie du willst!“  Dr. Terulda lächelt nachsichtig. „Mir fielen sofort, als ich ihn auf dem Tisch hatte, seine gelben Augäpfel auf. Vielleicht von der Säure, dachte ich, vielleicht auch nicht. Es könnte auch von der Leber herkommen, wie jedermann weiß. Und siehe da, ich wurde fündig. Seine Leber war gerade dabei, sich in eine formlose Masse zu verwandeln. Hier ist das gute Stück!“
   Terulda stellt das Gefäß wieder ab. „Die behalten wir als Beweismittel. Alles andere geht zurück.“
   Heiland betrachtet die schlanke Gestalt des Toten. „Ein Adonis“, murmelt er, „das perfekte Abbild knabenhaft-männlicher Schönheit. Wie von Michelangelo gemeißelt. Wenn sein Gesicht genau so makellos war wie sein Leib, muss er hinreißend ausgesehen haben.“ Er blickt den Doktor an.  „Du meinst, er hat sich selbst vergiftet? Alkohol, Drogen?“
   „Naaa...! Alkoholabhängige und Drogensüchtige sehen anders aus, mein Lieber, äußerlich wie innerlich. Außerdem stirbt man am Suff nicht unbedingt mit zweiunddreißig. Und unser Jüngling hier sieht ausgesprochen gesund aus, findest du nicht auch? Abgesehen von seinem Gesicht und davon, dass er tot ist.“
   Heiland schweigt. Die aufgesetzte Heiterkeit des Doktors geht ihm allmählich auf die Nerven. Dabei hält sich der Doktor noch zurück.
   „Ein jahrelanger Drogenmissbrauch hätte ihm die Innereien ruiniert“, fährt Terulda erklärungssüchtig fort. „Aber Herz, Lunge, Magen, alles ohne Befund. Bis auf einen kleinen Nierenschaden. Der hängt wahrscheinlich mit dem Gift zusammen. Mit dieser Ausstattung hätte ein Dinosaurier hundert Jahre alt werden können.“ Er lacht trocken. „Nein, nein, damit bist du auf dem Holzweg!“
   „Könnte es nicht auch ein angeborenes Leberleiden gewesen sein?“
  „Du meinst eine kryptogene Hepatitis? Nein, auch nicht. Dann müsste seine Haut zumindest einen Gelbstich aufweisen.“
   „Dann spann mich nicht auf die Folter. Was war es nun?“
  „Eine schwere Leberinsuffizienz, ein hepatischer Schock! Das Labor wird  hoffentlich bald herausfinden, welches Gift ihn so zugerichtet hat.“
   „Das hoffe ich auch. Für die doch bestimmt ein Kinderspiel.“
   „Da wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher, mein Lieber. Wie immer liegt der Teufel im Detail. Es werden immer neue Giftstoffe entwickelt und gefunden. Du hast keine Ahnung, wie viel Gifte es mittlerweile gibt und wo!“
   Terulda machte ein Kunstpause. „In Süddeutschland gibt es einige Orte mit besonders hohem Arsenikgehalt im Grundwasser. Wenn ich davon sagen wir zwei Kubikmeter eindampfe, bleibt ein tödlicher Sud übrig! Überhaupt Grundwasser...“
 Teruldas eisgraue Augen fixieren den Hauptkommissar belustigt. „Weißt du eigentlich, Heinrich, dass im Rheinland jeder Becher Trinkwasser bereits durch den Körper von mindestens sieben Menschen gelaufen ist? Lecker, was? Und wenn wir den globalen Wasserkreislauf betrachten, dann ist es durchaus vorstellbar, dass dein Morgenkaffee einige Tropfen von dem Wasser enthält, das Jesus von Nazareth getrunken und ausgeschieden hat! Köstliche Vorstellung! Stell dir vor: Dein Kaffee wäre dann eine Art stark verdünntes Weihwasser!“ Er wiehert vor Vergnügen. „ Ähem... Kleiner Scherz...“
   Heiland verschränkte die Arme und sagt: „Mach keine faulen Witze und bleib bitte beim Thema!“
  Terulda weist mit einem Skalpell auf zwei kaum noch erkennbare blaurote Streifen an den Fußknöcheln des Toten.
  „Wofür hältst du das?“
   „Hautabschürfungen! Sieht aus, als hätte man ihn gefesselt.“
   „Gut. Und womit?“
   Heiland starrt angestrengt auf die Streifen. Dann blickt er verdutzt auf. „Du meinst –“
   „Ich meine nicht nur, ich weiß. Handschellen! Von Freunden ausgefallener Armbänder auch Brasseletts genannt. Ich konnte Spuren von Metall finden.“
   Heiland erbleicht. „Das deutet möglicherweise auf jemanden aus dem Polizei- oder Justizdienst als Täter hin.“
   Terulda schüttelt den Kopf. „Glaub ich nicht. Diese Dingerchen kannst du auf dem Flohmarkt oder in jedem gut sortierten Sex-Shop kaufen! Komm lieber her und schau dir das an! Das wird dein müdes Herz erfreuen!“
    Heiland richtet sich stöhnend auf. Immer häufiger tut ihm bei solchen Verwirrungen der Rücken weh.
    „Setz dich einmal hier hin und schau einmal da hinein!“ Terulda schiebt Heiland das Mikroskop vor die Nase.
   „Was siehst du da?“
   Der Hauptkommissar drehte ein paarmal am Feintrieb des Geräts und kneift rechte Auge  zu. Schließlich blickt er auf und murmelt: „Viel sehe ich nicht! Höchstens ein paar dunkle Fetzen.“ Er sieht wieder ins Mikroskop.
   „Treffer! Es sind dunkle Hautreste!“
   „Ach! Wo hast du sie her?“
  „Komm, ich zeig´s dir.“ Er tritt neben die Längsseite des Sektionstisches und zeigt mit dem Skalpell auf den Nagel des linken Zeigefingers der Leiche. „Siehst du es?“
   Der Hauptkommissar setzt seine Brille ab und beugt sich über den Finger. Mit unbewaffnetem Auge sieht er nahe Dinge deutlicher. „Ein dunkler Rand. Kaum zu erkennen.“
 „Eben! Fast hätte ich es auch übersehen! Aber wir haben schließlich unsere Erfahrungen, und der olle Terulda ist zwar alt, aber nicht blind. Dein Toter wird mir langsam sympathisch!“
„Du meinst, der Tote wollte uns einen Hinweis auf seinen Mörder geben, indem er ihn kratzte? Dann hätten wir es möglicherweise mit einem dunkelhäutigen Täter zu tun.“
   Terulda schüttelt den Kopf. „Vorsicht! Es könnte sich auch um einen stark gebräunten Nordeuropäer handeln, wenn es denn der Täter sein sollte, woran ich nicht so recht glauben kann.“
 „Könnte denn ein Nordeuropäer in der Sonne so braun werden?“
 „In der Sonne sicherlich nicht, und dann eher rot wie ein Pavianarsch... Aber unlängst wurde in Australien ein Bräunungsmittel entwickelt, das zehnmal wirksamer sein soll als Sonnenlicht... So steht´s zumindest im Medical Observer.“
„Hm... Kann man so etwas feststellen? Ich meine, ob die gekratzte Person wirklich dunkelhäutig ist oder nur ein künstlich gebräunter Friese?“
 „Sicherlich! Durch eine DNA-Sequenzanalyse. Aber ich befürchte, dazu haben wir zu wenig Material.“
 „Und warum gefällt dir nun die Kratztheorie nicht?“
„Weil sie mir auf den ersten Blick unlogisch erscheint, und auf den zweiten auch.“
 „Wieso?“
 „Weil sich da für mich mehrere schlimme Ungereimtheiten ergeben! Schau dir mal seine Nägel genau an!“
 Heiland schaut genau hin.
„Die Nägel dieser marzipanweißen Finger und Füße sind nach seinem Tode gründlichst gereinigt worden“, sagt der Doktor unterdessen. „Da frage ich mich natürlich verwundert, warum der- oder diejenige gerade den dunklen Rand unter dem rechten Zeigefinger übersehen haben sollte. Wer neunzehn Silberlöffel putzen kann, schafft auch zwanzig. Und zweitens“ – Terulda schnippt mit den Fingern, „beim gewöhnlichen Kratzen schülferst du nur die oberste, tote Hornschicht ab. Die Pigmentzellen sitzen aber darunter im lebenden Oberhautgewebe. Er müsste ihn also blutig gekratzt haben. So, jetzt bist du dran!“
 „Wenn ich dich also richtig verstehe, dann sind die Hautreste mit Gewalt unter den Fingernagel gekratzt worden. Hmm... eine interessante Idee... Das würde möglicherweise bedeuten, der Täter wollte eine Trugspur legen und von sich ablenken.“
„Oder auf sich aufmerksam machen! Denn woher sollte er die Hautreste haben, wenn sie nicht von ihm selbst stammen?“
 „Du hast recht, auch das ist möglich, aber eher unwahrscheinlich. Na schön. Dann versuch doch einmal, herauszufinden, ob die gekratzte Person wirklich dunkelhäutig ist oder nur ein gebräunter Friese. Eine Spur wäre es allemal!“
„Aye aye, Sir! Möchtest du noch einen Blick auf sein Gesicht werfen?“
 „Ich werde mich hüten, die Fotos reichen mir schon! Wenn es etwas Wichtiges gibt, wirst du es mir sagen.“
Auf einmal durchströmt den Hauptkommissar das Gefühl von Kälte; sie kriecht die Beine hoch und füllt ihn allmählich vollständig aus. Ich bin alles andere als ein Jammerlappen, denkt er, dies noch, und dann ist Schluss! „Nochmal die Frage: War er schon tot, bevor die Säure – ?“
„Ja!“
 „Bist du sicher?“
 Teruldas Augen strahlen Gewissheit aus. „Die Haut ist verätzt, aber nicht so blasig aufgetrieben, wie es sein müsste, wenn noch Lympfdruck da gewesen wäre. Das Gesicht sieht alt aus, wie bei einem Neugeborenen, nur nicht so rot!“
„Ein Phantombild ist also nicht drin?“
„Hab´ ich das gesagt? Natürlich ist es drin! Wir könnten es nach seinem Gesichtsschädel modellieren, wie du weißt. Allein seine Haare dürften schon ein Hinweis sein!“
Heiland zieht seine Pfeife hervor. „Wenn du nichts mehr Weltbewegendes hast“, sagt er, „würde ich gerne ein bisschen Teer kochen.“
 Terulda knöpfte seinen Kittel auf. „Warte, ich gehe mit!“
 Sie sind schon an der Tür, da klatscht er sich vor die Stirn. „Herrje! Beinahe hätte ich es vergessen! Der Obduktionsbericht!“ Er geht noch mal zurück und kommt mit einer Tonkassette in der Hand wieder, die er Heiland überreicht. „Leider ist Dörte immer noch im Mutterschaftsurlaub. Sei doch so nett und nimm den Bericht mit. Vielleicht findest du ja jemand, der ihn dir tippt. Dann hast du ihn auch gleich auf dem Schreibtisch!“
 „Bestimmt!“ sagt der Hauptkommissar in stirnrunzelnder Zutraulichkeit. „Sag mal, Holm, hing der Spruch da schon immer?“
 „Welcher Spruch?“
 „Na der da über der Tür! Ich seh´ ihn heute zum ersten Mal.“
   Der Doktor zuckt mit den Schultern. „Wird er wohl! Ich hab´ ihn nicht aufgehängt! Wird wohl einer meiner witzigen Vorgänger gewesen sein!“
 Der Hauptkommissar liest:

                   „Selig sind die Entschlafenen, denn ihre Ruhe währet ewiglich.“

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Es ist nicht schlimm, alt zu werden, man muss nur jung dabei bleiben.
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Federfuchser
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Beitrag04.04.2020 15:37

von Federfuchser
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Am anderen Morgen, 9 Uhr 30, in Heilands Dienstzimmer.
   Der Hauptkommissar steht vor der Kaffeemaschine und beobachtet in Gedanken versunken, wie die braune Brühe röchelnd in den Becher träufelt. Es dauert eine Weile, bis er begreift, dass sein Diensttelefon klingelt. Er lässt die Kaffeemaschine Kaffeemaschine sein und geht an seinen Schreibtisch.
   „HAUPTkommissar Heiland! Hallo Holm-Siegfried! Grüß dich!“, brüllt er.  „Was gibt´s so früh am Morgen?“ Er lauscht angestrengt. „Ach nee! – Das ist ja interessant – Und das geht so einfach? – Gut gut, was geht schon einfach! Deine Info kommt gerade rechtzeitig! Weinhold muss jeden Moment erscheinen – Unschuldig? Was heißt schon unschuldig! Wer das von sich behauptet, ist nur noch nicht gründlich genug verhört worden!“ Er lacht grob. „Und das werden wir gleich tun!... Aber gerne doch! Sagen wir gegen elf! Aye aye, Sir! Hab Dank! Bis dann! Ich glaub, da ist er schon!“
  Heiland knallt den Hörer auf die Gabel und erhebt sich halb, um seinen Besucher zu begrüßen. Dann lässt er sich wieder in seinen Stuhl fallen und sieht seinen Gast mit Unschuldsaugen an. „Schön, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben, Herr Weinhold!“, sagt er, „bitte, nehmen Sie doch Platz!“ Sein Gesicht strahlt vor Wohlwollen und Vergnügen.
    Weinhold verhehlt keineswegs sein Erstaunen. „Aber... Sie... Sie haben mich doch selbst aufgefordert –“
   Heiland winkt gönnerhaft ab.  „Nicht doch, nicht doch! Ich habe lediglich eine Bitte geäußert... Und einer Bitte muss man doch nicht unbedingt Folge leisten, stimmt´s? Herr Weinhold, betrachten Sie sich einfach als mein Gast!“
   Er lehnt sich zurück und sieht seinen 'Gast' interessiert an. Der sieht bleich und mitgenommen aus, wie jemand, der sich mehrere Nächte hintereinander schlaflos in seinem Bett herumgewälzt hat.
   Heiland: „Herr Weinhold, können Sie sich vorstellen, wer Ihnen das angetan hat?“
   Weinhold, entrüstet: „Herr Hauptkommissar, auch wenn Sie mich zehnmal fragen, ich habe auch nicht die geringste Ahnung!“
   „Hmm... na schön... beziehungsweise nicht schön... Herr Weinhold, wo Sie nun schon einmal hier sind: Wie geht es eigentlich Ihrem werten Angestellten, dem Herrn... Wie heißt er noch gleich... Ach ja, dem Herrn Kreutzer? Mir schien, dass ihn die ganze Angelegenheit doch stark mitgenommen hat!“
   „Nun ja, Herr Kreutzer ist sehr sensibel! Die kleinste Aufregung geht ihm gleich auf den Magen. Mit den entsprechenden unangenehmen Folgen.“ Weinhold verzieht angewidert das Gesicht. „Für heute habe ich ihm frei gegeben.“
   „Soso, nun ja... Das ist recht so... Übrigens: Wer bedient jetzt?“ In Heilands Gesicht verrät nicht die kleinste Zuckung, dass er weiß, wie töricht diese Frage ist.
   Auf Weinolds hoher Stirn zeigen sich wieder diese scharfen Falten. „Aber Herr Hauptkommissar!“, braust er auf, „Sie haben das Geschäft doch selbst versiegelt!“ Etwas Unverschämtes, Eitles, Hässliches liegt in dieser Stimme; sein Gehabe enthält den deutlichen Hinweis darauf, dass er sich gerade unter sein Niveau begeben hat.
   Heiland ist ganz Bestürzung. „Ach ja, natürlich! Sie haben ja Recht! Wie dumm von mir!“ Er blickt Weinhold über seine Brille hinweg unschuldig an. Da er mit dem Rücken zum Fenster sitzt, kann er jede Einzelheit im Gesicht des Geschäftsführers erkennen. Er sieht ein männliches Gesicht mit leicht herrischen Zügen, schmalem Mund und schmaler Nase, deren Steg ein wenig eingebogen ist. „Geht Ihnen das auch manchmal so, dass Sie Dinge vom Vortage, die nicht so wichtig sind, einfach vergessen?“
   Anscheinend hat er keine Antwort erwartet, denn bevor der Junior antworten kann, fragt er: „Herr Weinhold, möchten Sie vielleicht einen Kaffee? Warten Sie, ich hol´ uns einen.“
  Von nebenan brüllt er: „Wie trinken Sie ihn?“
   „Schwarz!“ Es kling verächtlich.  
   Der Hauptkommissar kommt mit den Bechern zurück und stellt sie ab.
 „Bitte!“ sagt er. Er scheint sich unendlich wohl zu fühlen. „Ein Großraumbüro ist mir Gottseidank erspart geblieben!“ witzelt er mit einer unbestimmten Handbewegung. „Ich arbeite lieber im Verborgenen!“ Er lachte dröhnend. Plötzlich brüllt er mit seiner lauten Stimme, sodass Weinhold erschrickt: „Friederike, kommst du bitte einmal? Dann muss ich nicht so schreien!“
   Eine Tür öffnet sich, und eine junge Frau in Polizeiuniform, die Pistolentasche an der breiten Hüfte, betritt das Zimmer. „Darf ich vorstellen?“ sagt Heiland, „Frau Polizeiobermeisterin Weichbrodt, meine Assistentin und rechte Hälfte – Herr Weinhold!“
   „Er übertreibt mal wieder!“ wehrt Frau Weichbrodt bescheiden ab und gibt dem Junior eine zierliche Hand, da gar nicht zu ihrer drallen Erscheinung passen will. „Ich bin hier nur für ein paar Wochen abgeordnet, um ihm unter die Arme zu greifen.“
   „Und um was zu lernen“, ergänzt der Hauptkommissar. „Friederike, kannst du bitte einmal bei der Spusi anrufen und dich erkundigen, wie es mit den Ergebnissen in Herrn Weinholds Geschäft steht und wie lange sie noch brauchen? Das war doch Bahnhofstraße“ – er blickt den Geschäftsführer hilfesuchend an –
   „Zweiundsiebzig.“
    „Danke!“
   Die Polizeiobermeisterin Friederike Weichbrodt, in ihrer alten Dienststelle scherzhaft POM Fritz genannt, nickt Zustimmung, wirft Weinhold einen mitleidigen Blick zu und verzieht sich wieder in ihr Zimmer. „Ist er wirklich so vertrottelt oder tut nur so? Vergisst Namen und Hausnummer! Wie blöd ist das denn!“, murmelt sie, während sie zum Telefon greift.
  Der Hauptkommissar beugt sich vor und sagt leise, fast schüchtern, so, als frage er hinter vorgehaltener Hand nach etwas Unanständigem: „Herr Weinhold, wir haben noch keinen Hinweis auf die Identität des Opfers.“ Er klingt ehrlich betrübt. „Sie wissen wirklich nicht, um wen es sich handeln könnte?“
   „Nein.“
    „Aber irgendeine Vermutung werden Sie doch bestimmt haben.“
   „Wie ich schon mehrmals sagte, ich habe keine Ahnung!“,  kommt es mit hochmütig näselnder Stimme zurück. Weinholds blau-kalte Augen mustern den Hauptkommissar mit unverhohlener Herausforderung.
   Heiland ergreift seinen Kaffeebecher und trinkt einen Schluck. Über den Becher hinweg fragt er: „Haben Sie wenigstens eine Idee, wer dahinterstecken könnte? Haben Sie Feinde, Neider? Hat Sie jemand in der letzten Zeit bedroht? Haben sie jemandem geschadet, die Frau ausgespannt oder dergleichen?“
   Weinhold schweigt.
   „Denken Sie nach! Erinnern Sie sich!“
   „Nein, da ist nichts“, würgt Weinhold widerwillig hervor. „Und was sollte es auch bringen? Hat nicht jeder halbwegs erfolgreiche Mensch Neider? Außerdem ist Erinnerung ein zweischneidiges Schwert. Manchmal erinnert man sich an Dinge, die man sich nur einbildet.“
   „Da sagen Sie was!“ Heilands jetzt honigweiche Stimme trieft nur so von Zustimmung. „Wir vom Morddezernat können ein Lied davon singen!“ Er blickt bedrückt in seinen Kaffeebecher, als liege darin das ganze Elend der Welt. „Nun ja, dann eben nicht... Aber etwas Erfreuliches gibt es doch. Wir haben wenigstens die Leiche. Sie werden sich natürlich wundern, warum ich mich über eine Leiche freue. Das würde ich an Ihrer Stelle auch. Sehen Sie: Wir befinden uns hier in einem Morddezernat, die Betonung liegt auf Mord. In einem Betrugsdezernat freut man sich – hm... sagen wir mal, über unversehens wieder aufgetauchte Dokumente, wir von Mord und Totschlag freuen uns eben über eine Leiche, noch dazu, wenn sie uns so zusagen auf dem Präsentierteller geboten wird. Es ist nämlich so: Haben wir die Leiche, finden wir auch meistens bald den Mörder! Das ist fast ein Naturgesetz! Gut, ich will ehrlich sein: Manchmal erst nach zwanzig, dreißig, Jahren, haha! Aber wir finden ihn! Denn es ist nicht möglich, dass ein Mensch einen anderen umbringt, ohne Spuren zu hinterlassen. Sogar ein Heckenschütze hinterlässt welche, zum Beispiel Patronenhülsen oder Fußabdrücke oder Haare. Und nicht selten ist es sogar so, dass sich Opfer und Täter gekannt haben. Und dann: Mord verjährt ja nie! Und wir haben Zeit! Sie glauben ja gar nicht, wie viel Zeit wir haben! Wenn wir von allem so viel hätten wie Zeit!“
   Heiland unterbricht seine Tirade, um ihre Wirkung auf sein Gegenüber zu beobachten. Doch das smarte Opfer zeigt keinerlei Bewegung. Weinhold sitzt regungslos und mit versteinerter Miene auf seinem Stuhl, nur seine Kaumuskulatur arbeitet leicht. „Woher wissen Sie überhaupt, dass es Mord war“, fragt er und schiebt das Kaugummi auf die andere Seite.
   „Alles deutet daraufhin, dass der Täter vorsätzlich gehandelt hat. Und dass er erneut zuschlagen wird.“
   Heiland rümpft die Nase. Plötzlich steht er auf, öffnet das Fenster und atmet mehrmals tief ein und aus. Dann setzt er sich wieder, eine Entschuldigung murmelnd.
   „Wichtig ist, dass wir das Opfer haben“, fährt er fort. „Auch in Ihrem Fall –“ er unterbricht sich und sieht Weinhold  mit zerknittertem Gesicht bekümmert an, „verzeihen Sie, Herr Weinhold,  Sie haben ja mit der Tat nichts zu tun – kurz, da wir das Opfer haben, werden wir auch bald den Täter finden. Da können Sie Gift drauf nehmen!... Ach, apropos Gift, wussten Sie schon, dass der junge Mann vergiftet wurde?“
   „Nein, woher sollte ich das wissen?“
   „Da haben Sie natürlich auch wieder Recht.“  
   Heiland, nach kleiner Kunstpause, kopfschüttelnd: „Er muss einmal ein bildhübscher Junge gewesen sein.“
   Weinhold schweigt. Um seine Lippen liegt ein ironischer Zug, der in den letzten Minuten stärker geworden ist. Sein Gesicht zeigt immer noch keine Regung.  
  „Ich redete vorhin mehrmals von Mord“, fährt der Hauptkommissar im Plauderton fort. „Mord, Mord, Mord... Im Grunde mag ich dieses Wort nicht. Übrigens, Herr Weinhold, nehme ich Ihre Zeit zu sehr in Anspruch? Nein? Schön! Hand aufs Herz, Sie sind doch auch daran interessiert zu erfahren, wie weit unsere Ermittlungen gediehen sind... Was wollte ich sagen... Ach ja! Mord, man hört immer nur Mord... Das Wort klingt mir einfach zu endgültig, zu felsenhaft unverrückbar, zu... wie soll ich sagen – “
  Er blickte Weinhold nachdenklich an. „Ich schildere Ihnen einmal zwei so genannte Morde. Da bringt neulich ein achtzigjähriger Mann seine Ehefrau um, weil er deren furchtbares Krebsleiden im Endstadium nicht mehr ertragen kann – stand übrigens groß in der Zeitung. Etwa zur gleichen Zeit – es mögen auch einige Tage vorher oder nachher gewesen sein, ist ja auch völlig unwichtig – erschoss ein Neonazi bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle eine junge Polizistin. Sozusagen aus heiterem Himmel. Entsetzlich, nicht wahr? Wir hier liefen tagelang wie vor den Kopf geschlagen herum... Und nun raten sie mal, wer vermutlich die höhere Strafe bekommen wird!“
   „Sagen Sie es mir!“
   „Der Rentner. Kurios, was?“
    Weinhold verzieht keine Miene.
   „Manche nennen es die brausende Gewalt der Gerechtigkeit, andere, weniger pathetisch, Rechtslogik“, plaudert Heiland gnadenlos weiter. „Der Rentner handelte mit Vorsatz, der Neoazi im Affekt... Ja, da sträuben sich einem die Haare! Ich rede deshalb lieber von Tötungsdelikt. Da ist man nicht so festgelegt. Sie und ich, die wir davon überzeugt sind, dass die Anerkennung sittlicher Grundwerte eine notwendige Vorbedingung für den Bestand der menschlichen Gesellschaft ist, ja, sein muss, weil sonst alles im Chaos versinkt, und bin ich mir ganz sicher, dass Sie auch so denken. Mich, mein lieber Herr Weinhold, machen solche krassen Unterschiede in der moralischen und juristischen Bewertung einer Handlung geradezu unglücklich.“
    Auf Weinholds Stirn haben sich wieder zwei scharfe, senkrechte Falten gebildet. Er blickt starr auf die Tischkante vor ihm und vermittelte den Eindruck, als fürchte er sich davor, Heilands Augen zu begegnen, eine Gestik, die Heiland dummerweise missversteht. Er sprudelt munter weiter: „Herr Weinhold, ich gehe davon aus, dass Sie mit diesem furchtbaren Giftmord nichts zu tun haben, zumindest nicht, was das eigentliche Tötungsdelikt betrifft. Alles andere –“
   Weinholds Faust kracht auf den Tisch, er springt hoch. „Herr Hauptkommissar Heiland, was soll das? Reitet Sie der Teufel?“, kreischt er, sein Gesicht ist hochrot. Er fasst sich an die Kehle; ein silberner Manschettenknopf blitzt auf. Anscheinend ist er das Schreien nicht gewohnt. „Sie schütten mich hier mit Ihrem Verbalmüll zu, dass mir die Ohren klingeln! Glauben Sie im ernst, dass Ihre fade Komödie auch nur den geringsten Eindruck auf mich macht?“
   „Herr Weinhold, bitte –“
  „Herr Weinhold, Herr Weinhold! Hat sich was! Sie werfen eine Nebelkerze nach der anderen, um Ihre wahren Absichten zu verschleiern. Sie haben mich doch nicht herbeizitiert, um mir diesen hirnverbrannten Unsinn zu erzählen. Halten Sie mich für blöd? Was wollen Sie? Ich habe nichts zu gestehen und zu bekennen! Wenn Sie mich für den Täter halten, sagen Sie es und faseln nicht solch einen ausgemachten Quatsch! Wenn Sie nichts dagegen haben, gehe ich jetzt!“
   Heiland, streng: „Herr Weinhold, setzen Sie sich bitte wieder hin!“
   Weinhold wirft dem Hauptkommissar einen vernichtenden Blick und setzt sich.
   Diercksen kommt herein, grüßt kurz und klemmt sich hinter seinen Schreibtisch. Seinem Gesicht ist nicht anzusehen, ob er von dem Wortwechsel, das bis weit in den Flur hinein zu hören  war, etwas mitbekommen hat. Heiland schaut ihn an, als sähe er ihn zum ersten Mal. „Du bringst hoffentlich gute Nachrichten“, grunzt er.
   Der Oberkommissar lächelt geheimnisvoll. „Und ob, und ob! Sogar hoch interessante! Wir sind ein ganzes Stück weitergekommen!“, flötet er, jedoch eine Idee zu laut.
   Heiland, bestimmt: „Herr Weinhold, wo waren Sie von Freitag morgen drei Uhr bis Montag Vormittag, bevor Sie Ihr Geschäft betraten?“
   Weinhold: „Sie verlangen doch nicht von mir, dass ich mich Ihnen ganz ausliefere!“
 Heiland, seufzend: „Lieber Herr Weinhold, machen Sie mir doch nicht so schwer! Wer redet denn von Auslieferung. Ich will mir doch nur ein Bild verschaffen.“
  Er greift nach einer blauen Mappe und blättert darin herum. „So, hier haben wir es. Laut Obduktionsbericht ist der Mann verwichenen Freitag gegen zehn Uhr vormittags plusminus sechs Stunden aus dem Leben geschieden. Herr Weinhold, ich frage Sie noch einmal – und jetzt antworten Sie bitte ohne Umschweife –: Wo waren Sie zu dieser Zeit?“
   Der Befragte bleibt stumm.
   Heiland: „Herr Weinhold, antworten Sie!“
  „Nun gut. Am Freitag Vormittag, sagten Sie... Lassen Sie mich nachdenken... Ja natürlich! Da lag ich noch im Bett und schlief!“
   Diercksen, hochfahrend: „Bis mittags um eins?“
   Weinhold, schäbig grinsend: „Mögen Sie keine Langschläfer?“
   „Sie sind Geschäftsmann, und da wundere ich mich –“
   „Hören Sie auf, sich zu wundern, und machen Sie ihre Arbeit!“
   Heiland fährt dazwischen. „Kann das jemand bezeugen?“
   „Wohl kaum, ich schlafe allein.“
   Der Hauptkommissar: „Herr Weinhold, ich will nicht indiskret sein, aber es dient der Wahrheitsfindung. Hatte der lange Schlaf einen besonderen Grund?“
   „Ja sicher doch!“
  „Dürfen wir erfahren, welchen?“
   „Nein!“
   Heiland: „Herr Weinhold, dies ist eine Mordermittlung. Wenn Sie nicht kooperieren, muss ich davon –“
  „Schon gut, sparen Sie sich den Senf. Ich musste mich von den ermüdenden Ausschweifungen der vergangenen Nacht erholen. Auch meine Kräfte sind einmal erschöpft!“ Wiegand lacht selbstgefällig.
   Diercksen: „Darf man fragen, um welche Ausschweifungen es sich gehandelt hat?“
   „Ich war bis um drei Uhr morgens im Chez Louis.“
   „Chez Louis?“
   Wiegand: „Eine Herrensauna in der Hafenstraße.“
   Diercksen erbleicht, denn er sieht Heilands Blick auf sich ruhen und vernimmt deutlich seine Worte: Ranjet, schau dich doch da mal um...
   „Nun gut“, sagt Heiland. Es klingt abschließend. „Das wär´s für´s erste.“ Er blickte Weinhold freundlich an. „Erlauben Sie mir eine persönliche Frage? Sie leben im Hause Ihres Vaters?“
  Der Gefragte zögert. Es hat den Anschein, als überlege er, ob der Frager einer Antwort überhaupt würdig sei. Schließlich sagt er gepresst: „Ja, nein, strenggenommen lebt er in meinem. Nach dem Tode meiner Mutter überschrieb er mir die Villa unter dem Vorbehalt lebenslangen Nießbrauchs und einer üppigen Leibrente.“
   „Und wie kommen Sie miteinander aus?“
   „Wie ein homosexueller Sohn mit einem konservativen Vater eben auskommt. Wir leben nicht Kante auf Kante, wenn Sie das meinen. Mittlerweile hat er sich abgefunden. Er dreht sich auch nicht mehr mit seinem Rollstuhl ostentativ um, wenn er Sven – meinen Freund – sieht.“
   „Weiß Ihr Freund von Ihrem... von Ihren Besuchen im Chez Louis?“
  „Natürlich! Was dachten Sie! Wir gehören uns zwar, aber wir besitzen uns nicht! Im übrigen halten wir uns an den Grundsatz: Leben und leben lassen. Sonst noch?“
   „Nein, nein, ich will Sie nicht länger aufhalten. Ach ja! Ihr Geschäft ist wieder frei! Reißen Sie die Versiegelungsbänder einfach ab, und dann gehen Sie wieder Ihren Geschäften nach!“
  Der Hauptkommissar erhebt sich halb und reicht dem Geschäftsführer die Hand. „Ach... Da ist noch eine Frage, bitte! Waren Sie in der letzten Zeit an der Nordsee?“
   Weinhold stutzt. „Ja, vor zwei Wochen zum Anbaden im Büsumer Watt.“
   Diercksen: „Bei diesen Temperaturen?“
   „Ja natürlich.“ Weinhold blickt den Oberkommissar verächtlich an. „Das ist allerdings nichts für Weicheier und Sesselpfurzer!“
  Diercksen bläst die Backen auf, doch Heiland sagt schnell: „Gut, das wär´s jetzt aber wirklich, Herr Weinhold, gehaben Sie sich wohl! Wir bleiben in Kontakt! Und sagen sie dem Herrn Kreutzer, er braucht sich nicht mehr herbemühen! Ein Anruf reicht.“
  Der Junior drehte sich auf dem Absatz um und geht zur Tür. Er ist schon halb draußen, da ruft ihm der Hauptkommissar nach: „Herr Weinhold, wovor haben Sie Angst?“
   Der Junior bleibt stehen. „Wie kommen Sie denn darauf? Wovor und vor wem sollte ich Angst haben?“
   „Ich habe diesen Eindruck.“
   Weinhold knallt die Tür hinter sich zu.

Forts. folgt

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Constantine
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Beitrag07.04.2020 22:08

von Constantine
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Hallo Zusammen,

nur aus Neugier:
Handelt es sich hier um ein Gemeinschaftsprojekt zwischen dir, Federfuchser, und Wunderkerze, da ihr beiden hier Fortsetzungen der Geschichte postet?




LG Constantine
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Federfuchser
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Beitrag08.04.2020 19:09

von Federfuchser
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Hallo Constantine,

endlich hat´s jemand gemerkt. Verstößt hoffentlich nicht gegen die Forenregeln.


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Constantine
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Beitrag09.04.2020 01:06

von Constantine
Antworten mit Zitat

Hallo Federfuchser und wunderkerze,

Federfuchser hat Folgendes geschrieben:
endlich hat´s jemand gemerkt. Verstößt hoffentlich nicht gegen die Forenregeln.

sofern es sich bei den Accounts Federfuchser und wunderkerze nicht um Accounts der gleichen Person im DSFo handelt, spricht nichts gegen ein Gemeinschaftprojekt von mehreren Usern.

LG Constantine
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Federfuchser
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Beitrag12.04.2020 19:26

von Federfuchser
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*
   Die Obermeisterin kommt laut lachend aus ihrem Zimmer. „Mann, Heinrich, da hast du aber ´ne astreine Komödie hingelegt!“, ruft sie begeistert, „ein paarmal wäre ich fast geplatzt vor lachen! Besonders, als du angeblich Kreutzers Namen und die Hausnummer nicht mehr wusstest.“ Sie kichert weiter in sich hinein. „Sag mal, was sollte das Verwirrspiel? Schließlich bin ich hier, um etwas zu lernen.“
   „Das ist seine spezielle Methode“, sagt Diercksen, „mit dieser gespielten Vergesslichkeit will er seine Kundschaft einlullen, nach dem Motto: Ach, dein Fall ist gar nicht so wichtig, da hab ich noch ganz andere Kaliber am Hals.“
   „Und was soll das bringen?“
   „Die Leute sollen unvorsichtig, vielleicht sogar zutraulich werden und Sachen ausplaudern, die die Ermittlungen beschleunigen könnten.“
   „Und was sollte dieses dumme Gequatsche von dem Rentner und warum du das Wort Mord nicht magst?“
   Heiland lacht kratzig. „Darauf kommt ihr nicht, gell? Ganz einfach: Ich hab ihm dabei verbaliter eine geballte Ladung Mord und Totschlag um die Ohren geknallt. Ich wollte seine  Angst schüren. Wer Angst hat, macht Fehler.“
   „Nur, beim Weinhold hat´s verbaliter leider nicht geklappt“, meint die Obermeisterin schnippisch.
   „Doch hat es!“, röhrt Heiland fröhlich.
   „Wieso?“
   „Weinhold stank vor Angst.“
   Diercksen rauft sich die Haare. „Ach jetzt kommt die Tour schon wieder! Dann geh ich jetzt mal lieber.“
   Frau Weichbrodt, drängend: „Stopp! Welche Tour?“
   „Er kann Angst riechen.“
    „Wie bitte?“
   „Ja, Friederike, du hast richtig gehört. Er kann Angst von Weitem riechen. Wie eine Ratte faule Eier.“
   Die Obermeisterin klatscht in die Hände. „Hey, das ist ja ´n Onk! Das wüsste ich dann doch gern etwas genauer. Heinrich, nun sag doch auch mal was!“
 Diercksen: „Will noch jemand Kaffee? Nein? Okay, dann bring´ ich schon mal die Tassen weg!“
   Die Obermeisterin: „Heinrich, nun red´ schon! Spiel jetzt nicht den müden August! Ich bin doch hier, um was zu lernen!“
  „Das kann man nicht lernen“, brummt Heiland endlich. „Das muss man haben. Wer´s nicht hat, wird´s auch nie lernen.“
   „Was muss man haben?“
   Heiland zieht die Schreibtischschublade auf und entnimmt ihr einen Doppelbackkeks. „Möchtest du auch einen?“ fragt er und beißt ab.
   „Nein. Schieß endlich los!“
   Heiland grinst schief. „Friederike, du gibst wohl nie auf, was?“
    „Natürlich nicht! Wär´ ich sonst bei der Kripo?“
   Heiland blickt zur Uhr. „Na schön, wenn du´s unbedingt wissen willst, dann legen wir jetzt eine vorgezogene Frühstückspause ein. Aber ich übernehme keine Haftung für geistige Folgeschäden!“
   Er räuspert sich umständlich und lehnt sich zurück. „Ich begann meine glorreiche Tätigkeit nicht hier, sondern im Betrugsdezernat. Unsere Kundschaft damals stammte nicht unbedingt aus der 'Ehrenwerten', aber meist aus der 'Besseren' Gesellschaft: Damen und Herren in Nadelstreifen, perfekt frisiert, dezent parfümiert, auf den Lippen das arrogante Lächeln der Herrenkaste. Diese Herrschaften waren mit allen Wassern gewaschen und gestandene Kriminelle: Gewissenlose Anlageberater, findige Insolvenzverschlepper, bestechliche Lokalpolitiker, kurz, diese ganze unerträgliche Korruptionsmuschpoke, deren Machenschaften einem das Zeitungslesen vergällen. Bei der Befragung zuckten die meisten mit keiner Morsader, sie ließen ihre Anwälte schwadronieren. In manchem Pokerface stand deutlich: Ihr kriegt mich nicht, auch wenn ihr euch noch so anstrengt. Da müsst ihr früher aufstehen!
   Nun ja. Ich erinnere mich noch genau an einen Fall, der auch durch die Medien ging: Insiderhandel mit Aktien. Es war damals, als die Leman-Brothers-Pleite die Finanzwelt erschütterte. Der Beschuldigte, der da auf der Anklagebank saß, ein smarter Junge von der Börse, war umgeben von einer Korona von Anwälten. Er war gut gekleidet und sah aus, als sei er gerade einem Managermagazin entstiegen. Schmales Gesicht, rote Krawatte, dunkelblauer Anzug. Lässig schob er ein Kaugummiknöllchen im Mund herum, am liebsten wäre ich aufgestanden und hätte ihm eine in die Fresse geschlagen.  Wir waren überzeugt, dass er sein Wissen für ungedeckte Leerverkäufe von Aktien – damals waren sie in Deutschland noch nicht verboten – genutzt hatte, um eine Firma über die Börsenkurse in den Ruin zu treiben, um sie dann für einen Appel und ´nen Ei von seinen Auftraggebern oder Hintermännern aufkaufen zu lassen – und das war kriminell. Nur: Die Beweislage war äußerst dürftig, streng genommen: Nahezu null. Wir besaßen zwar die Daten von Telefonaten, die er mit anderen Börsenmaklern kurz vor dem Börsendebakel der Firma geführt hatte, aber natürlich keine Gesprächsinhalte. Trotzdem: Verdächtig genug erschien er uns. Allerdings: Dem Gericht reichte es nicht, und der Richter stellte das Verfahren schließlich mangels Beweisen ein.
  Ich saß damals als Ermittler auch im Saal. Der Beklagte thronte mit triumphierender Miene neben seinen Verteidigern, er sah aus, als habe er gerade Kirschen gepflückt. Ein Pokerface. Das ganze Verfahren schien ihn nichts anzugehen.
  Mein Platz war in unmittelbarer Nähe des Beschuldigten. Ich muss dir nicht beschreiben, wie ein Verhandlungssaal riecht. Dieser roch wie ein ungelüftetes Krankenzimmer, in dem noch die Nachttöpfe unter den Betten stehen – zumindest schien es mir so. Plötzlich merkte ich, dass sich da noch eine andere, scheue Geruchsempfindung einschlich. Es war die Erinnerung an einen längst vergessenen Geruch, an den Geruch nämlich, den ich als Kind roch, wenn ich in den finster-muffigen Kohlenkeller herunter musste, um Kartoffeln oder Kohlen zu holen. Dieser Geruch war mit schwarzer Angst verbunden, denn damals war ich ein ausgemachter Hasenfuß. Jede dunkle Ecke, jeder Schatten brachte mich aus dem Häuschen, trieb mir Schweißperlen auf die Stirn. Der Gang in den finsteren Keller war wie sterben, fallen, verlöschen, Begräbnis, Nacht, Zahnarzt – “
    „Ostern, Pfingsten, Weihnachten... Heinrich, komm zur Sache!“, stöhnte die POM.
 „Diese Geruchsempfindung verschwand, als der Beklagte den Saal verließ“, fuhr Heiland fort. „In diesem Moment dachte ich zunächst an eine Geruchshalluzination, wie man sie zuweilen hat, wenn man besonders erregt ist. Ich ärgerte mich nämlich maßlos darüber, dass der hübsche Junge davongekommen war. Das blasierte Gehabe dieses sauberen Kunden war mir zum Schluss unerträglich.
  Nun ja... so geht´s eben manchmal... Doch dann, etwa acht Tage später, wurde bei einem Hauseinbruch ein Knabe geschnappt, ein elendes Bürschchen, wegen seiner Strafunmündigkeit von einer südosteuropäischen Bande auf Diebestour gezwungen. Ich sehe ihn wieder vor mir, dieses Häufchen Elend – ein dunkelhäutiges Kind mit sanftem Gesicht und wachsamen Augen, ich sehe die speckige Mütze, die schief auf seinen rabenschwarzen Haaren thronte, die abgelaufenen Schuhe, den verschlissenen Anorak, der seine knochigen Schultern bedeckte. Er gab an, elf Jahre alt zu sein, war aber für dieses Alter viel zu groß.   
   Der Junge konnte natürlich kein Wort deutsch – zumindest tat er so; während der Dolmetscher versuchte, etwas aus ihm herauszubekommen, stieg mir wieder dieser faulig-muffige Geruch in die Nase, verbunden mit einer kurzen, aber heftigen Angstattacke. Dass der Knabe von Angst gepeinigt war, sah man auf den ersten Blick, allerdings nicht unbedingt vor der deutschen Justiz, aber wohl davor, von seinen Leute verprügelt zu werden, weil er sich hatte erwischen lassen.
  Zu Hause bei einigen Tropfen hochkarätigem Whisky dachte ich lange über diesen Jungen -nach. Wäre es möglich, überlegte ich, dass sich die Angst dieses Burschen auf mich übertragen hatte? Er war nur wenig älter als ich damals bei meinen Abstiegen in den finsteren Orcus. Vielleicht hatte ja die Erinnerung an meine eigene Knabenzeit Geruch und Angst wieder aufleben lassen, und meine Fantasie war mit mir durchgegangen. Vorerst erzählte ich niemanden von dieser seltsamen Empfindsamkeit. Es fehlten weitere, schlüssige Beobachtungen.“
   Heiland blickte die Obermeisterin nachdenklich an. „Interessiert dich das wirklich?“ fragte er.
   „Nun mach´s nicht so spannend! Erzähl´ schon weiter!“
   „Sagt dir der Name Höhninger etwas?“
   „Momentan nicht.“
  „Dieser Höhninger war damals Präsident eines großen norddeutschen Fußballclubs. Eines Tages tauchte sein Name in einer Steuer-CD auf, die unserer Finanzbehörde zugespielt wurde – dem Finanzamt für Fahndung und Strafsachen, wie es sich heute nennt. Er hatte etliche bedeutende Summen am Finanzamt vorbei auf Schweizer Nummernkonten jongliert. Irgendeiner seiner Amigos warnte ihn, dass etwas gegen ihn lief. Sofort griff er zum Mittel der Selbstanzeige; doch dummerweise übersahen seine Leute in der Hektik wichtige Posten. Anscheinend wusste niemand so genau, wo er überall unversteuertes Geld liegen hatte. Damit war die Anzeige unvollständig, also unwirksam.
   Er war einer dieser kurzhalsigen Amigotypen: Bullige, halslose Figur, runder kahler Schädel, blinzelnde Schweinsäuglein. Eine weitergehende Personenbeschreibung erspare ich mir, wenn du mehr wissen willst, kannst du ihn dir im Internet ansehen, denn er ist wieder oben auf, und er sieht mir nicht so aus, als hätte ihm der Knast auch nur einen Fingerhut voll seines Selbstbewusstseins geraubt.
 Wir nahmen ihn gründlich in die Mangel. Nachdem wir ihn zwei Stunden gegrillt hatten, wie man in Amerika sagt, bekam er Schweißringe unter den Achseln, und er begann zu stinken. Aber es war nicht nur dieser penetrante Schweißgeruch, den ich wahrnahm, sondern auch ganz deutlich wieder den Geruch faulender Kartoffeln. Und da war sie wieder, diese schwarze Angst, die ich nur zu gut kannte. Bestürzt merkte ich, wie sie sich immer mehr in mich hineinpresste. Mein Herz fing an zu hämmern, für einen kurzen Moment stockte mir der Atem... Als ich wieder klar denken konnte, wusste ich: Die Angst dieses Mannes war auf mich übergegangen, und ich empfand sie, als wäre es meine eigene: Eine Angst-Projektion.  Denn eines war gewiss: So hartgesotten konnte auch dieser Typ nicht sein. Denn mit einer Geldstrafe würde er auf keinen Fall davonkommen, das war bei der Höhe der unterschlagenen Steuern so sicher wie das Amen in der Kirche. Seine Fassade des heiteren Biedermannes und eifrigen Mäzens war auf jeden Fall ruiniert. Und Sympathie meinerseits, wie bei dem Knaben, spielte mit Sicherheit keine Rolle.“
  Der Hauptkommissar schweigt und streicht sich durch die Haare.
  „Kann es so eine Art Telepathie gewesen sein?“, fragt die Obermeisterin nach einer Weile.
   „Nenne es, wie du willst, erklären kann ich es nicht. Es gibt ja auch Leute, die Wasseradern aufspüren. Wissenschaftlich erklären kann man auch das nicht.“
   „Das hieße also, du kannst die Angst der Leute nicht wirklich riechen. Es ist deine  eigene Angst, die du empfindest. Dann ist dieser Ausspruch: 'Heinrich kann Angst riechen' nur so eine Art... Metapher!“
   Der Hauptkommissar betrachtete die zierliche Nase der Obermeisterin, die von ein paar entzückenden Sommersprossen gesäumt wird. „Du triffst den Nagel auf den Kopf, meine Liebe. Genau das ist es: Eine Metapher.“
   Frau Weichbrodt blickt nachdenklich vor sich hin. „Hmmm... So recht kann ich es noch nicht glauben“,  murmelt sie. „Kann denn Kinderangst so nachhaltig sein?“
  Heiland sucht ihre Augen. In seinem Blick liegt das Verlangen nach Vertraulichkeit.
  „Da ist noch etwas“, beginnt er wieder, „über das ich immer noch ungern rede, obwohl es schon so lange zurück liegt und eigentlich ganz harmlos ist. Aber wo ich schon dabei bin, auch dies noch – wenn du willst.“ Die Obermeisterin nickt.
 „Gut.“ Heiland beugt sich leicht vor und senkt die Stimme. „In diesem Kohlenkeller geschah eines Tages etwas Unstatthaftes“, raunt er. „Ein Mädchen aus der Nachbarschaft, mit dem ich häufig durch die Gärten streifte und allerlei Schabernack trieb, bugsierte mich eines Tages in eine Ecke des Kellers, zog mir die Hosen herunter und befummelte meine Weichteile. Reine Neugier, eine natürliche Regung, würde man heute sagen. Denn woher sollten sich die Kinder damals informieren? Viele Eltern arbeiteten noch mit dem Storch, und in der Schule? Pah, Fehlanzeige!
  Und ich Jammerlappen hatte nun nichts Besseres zu tun, als den Vorfall meinen Eltern zu beichten... Nun ja, das alles liegt schon mehr als ein halbes Jahrhundert zurück. Damals hatte man andere Moralvorstellungen als heutzutage... Mein Vater lief mit hochrotem Kopf durch´s Zimmer, ich dachte: Gleich fällt er um. Der Umgang mit Mädchen wurde mir verboten. Die kleine neugierige Amazone habe ich nie wiedergesehen... Und das Allerschlimmste war: Noch jahrelang fühlte ich mich als Verräter. Das Mädchen und ich – war waren in aller Unschuld ein Herz und eine Seele.“
   Der Hauptkommissar schweigt ein Weilchen. Dann fährt er sichtlich erleichtert fort: „Wenn sich also die Angst eines Beschuldigten auf mich überträgt, habe ich gleichzeitig das Gefühl des Unstatthaften, des Widergesetzlichen, des Verrats. Über diese Zusammenhänge grübele ich schon lange nicht mehr nach, ich sehe nur den Mann vor mir und denke: Der hat Dreck am Stecken, auch wenn er hartnäckig leugnet. Und du wirst lachen, ich irre mich selten.“
   Diercksen kommt zurück und setzt sich hinter seinen PC.
  „Um es kurz zu machen“, sagt Heiland mit einem Seitenblick auf den Kollegen, „nach reiflicher Überlegung gelangte ich zu der Einsicht, dass diese meine Fähigkeit in einer Mordkommission nützlicher sein könnte als beim Betrugsdezernat, denn Mord ist doch eine ganz andere Nummer als – nun ja, sagen wir eine Insolvenzverschleppung. Folgerichtig stellte ich einen Versetzungsantrag – allerdings nicht mit dieser Begründung, da wäre ich wahrscheinlich in der Psychiatrie gelandet – und nun bin ich hier.“
   „Da bist du vom Regen in die Traufe gekommen“, murmelt der Oberkommissar.
   „Na ja“, brummelt Frau Weichbrodt, „alles schön und gut, nur was nützt uns diese deine Fähigkeit? Du stellst dich doch kaum vor den Richter und sagst: Herr Vorsitzender, der Angeklagte riecht nach faulen Kartoffeln, also ist er schuldig!“
  Diercksen lacht etwas zu herzhaft.  „Erzähl ihr doch mal die Sache mit den DNA-Tests!“ sagt er, nachdem er wieder zu Atem gekommen ist.
   „Ein andermal“, entscheidet der Hauptkommissar. „Die Pause ist gleich um! Und ich werde nicht fürs Geschichten erzählen bezahlt.“
   Frau Weichbrodt beugte sich vor und tätschelte Heilands behaarte Pranke. „Ach, Heinrich,  nun sei doch nicht so“, säuselte sie, „d i e Zeit wird doch noch sein! Mir zu liebe!“
   Heiland lehnt sich entspannt lächelnd zurück. Insgeheim hat er gehofft, dass sie so etwas in dieser Richtung sagen würde, denn ein bisschen eitel ist er schon.
   „Es klingt verblüffend, aber ich war selbst dabei!“, log Diercksen. „Schließlich war es sein Glanzstück, der Hauptbaustein seines Ruhms!“
   Die POM schaut Heiland an, als wollte sie ihn leerblicken. „Au ja, Heinrich, verblüffe mich!“
  Heiland seufzte theatralisch. „Na schön, sei´s drum! Aber dann ist Schluss! Vor etwa anderthalb Jahren fanden Pilzsammler die Leiche einer jungen Frau in der Raubkammer, einem großen Waldgebiet in der Ostheide. Vergewaltigt und erdrosselt. Vom Täter natürlich keine Spur. Wir luden aus den umliegenden Dörfern etwa hundert Männer zum DNA-Test. Solche Tests sind, sollen sie gerichtsfest sein, ziemlich aufwändig und teuer – nun gut, wem erzähl´ich das. Am ersten Tag sollten Speichelproben von fünfzig Personen genommen werden. Ich setzte mich in den Raum, in dem die Laborantin die Abstriche machte, und dachte an allerlei, nur nicht an Vergewaltigung und Mord. Vierzig Männer liefen so durch – nichts. Plötzlich, beim einundvierzigsten – es kann auch der zwei- oder dreiundvierzigste gewesen sein –“
   „Mir hast du vom fünfundvierzigsten erzählt!“ höhnte der Oberkommissar.
  „Wirklich? Na dann war es eben der fünfundvierzigste. Wie dem auch sei, plötzlich stutzte ich. Als die Laborantin dem Mann den Spatel in den Mund steckte, da war wieder diese Geruchsempfindung. Die betreffende Probe schickte ich als erste ins Labor: Treffer. Die DNA des Mannes stammte mit der gesuchten überein. Die anderen Proben wurden verworfen, die Männer nach Hause geschickt. So war der Staatskasse ein Haufen Geld erspart geblieben.“
    „Und du wurdest zum Häuptling befördert!“
   Heiland schmunzelt honigsüß. „Nun ja, irgendwie muss man ja sehen, dass man weiterkommt.“
  
    „Was sollte eigentlich die Komödie mit dem Fenster?“, will die Obermeisterin wenig später wissen, „dein Keuchen konnte man vermutlich noch drei Hinterhöfe weiter hören.“
   „Ich brauchte in diesem Moment frische Luft.“
   „Verstehe! Der Weinhold roch ganz schön aus dem Mund. Tät ich wahrscheinlich auch, in seiner Situation.“
   „Nein, das war es nicht.“
   „Was war es dann? Ich denke, frische Luft ist nicht gut, wenn man in einem Zimmer verdächtigen Gerüchen auf der Spur ist.“
   „Die Gerüche, die ich meine, kann man nicht weglüften. In diesem Moment brauchte ich frische Luft, denn ich war auf einmal sehr erregt.“
   „Ach! Was hat dich denn so erregt? Passt eigentlich nicht so recht zu dir, würd´ ich mal sagen“, meint- die POM.
    „Ein andermal. Die Erklärung würde jetzt zu weit führen.“
  „Uff! Ziemlich kryptisch, was du da erzählst! Trotzdem... Ich sehe immer noch nicht, inwiefern diese deine Fähigkeit im vorliegenden Fall von Nutzen sein könnte!“
  Heiland: „Angst ist ein schlechter Berater. Wer Angst hat, macht dumme Fehler. Jetzt, wo ich weiß, dass Weinhold  Angst hat, und zwar Todesangst. Wir werden wir ihn nicht mehr aus den Augen lassen.“
   „Weiß du denn schon, wovor er sich fürchtet?“
   „Bin ich Hellseher? Na ja, ich vermute, er hat Angst, demnächst als Leiche selbst in seinem Schaufenster zu hängen... Aber, wie gesagt, es ist eine reine Vermutung.“
   Diercksen: „Woher wusstest du eigentlich, dass er an der Nordsee war? Wenn das keine Hellseherei ist!“
   Heiland lacht. „Es war alles andere als Hellseherei! Es war reine Intuition, ein Schuss ins Blaue, und er traf.“
   „Nee, mein Lieba, det gloob ick dir nich“, brabbelt die POM, „da lass dir ma wat besseret einfallen!“
    Der Hauptkommissar ruckelt sich in seinem Stuhl zurecht.
  „Na schön, bevor du weiterberlinerst. Heute morgen rief mich Terulda an. Er hatte sich die Zehennägel des Opfers noch einmal genauer angesehen und ein bisschen gepolkt und gekratzt, wie er sagte. Dabei war ein wenig graue Substanz zu Tage getreten, die sich unter dem Mikroskop als Schluff oder Ton erwies, wie er im Wattenboden oder im Lößboden vorkommt. Da man in der Hildesheimer ober Paderborner Börde um diese Jahreszeit wohl kaum barfuß läuft, kam mir irgendwie das Wattenmeer in den Sinn.“
   Frau Weichbrodt: „Nicht schlecht, Herr Specht! Du vermutest also, Täter und Opfer könnten sich irgendwo an der Nordsee begegnet sein!“
   „Genau!“
  „Halt!“ ruft Diercksen heftig, „das geht mir alles zu schnell. Es gibt doch bestimmt Hunderte solcher Orte mit diesem... diesem Schluffboden auf der Welt. Warum also gerade an der Nordsee? Und dann noch in Büsum?“
  Der Hauptkommissar blinzelt schelmisch. „Ihr Lieben, es ist mehr als eine Vermutung. Als ich Weinhold vorhin die Hand gab und die Nordsee erwähnte, ging ein Ruck durch seinen Körper, als habe er einen elektrischen Schlag oder einen Tritt in den Hintern bekommen. Er war so überrascht, dass ihm Büsum herausrutschte.“ Heilands Miene strahlt geradezu triumphal. „Ich bin mir fast sicher, dass meine Vermutung stimmt. Er kennt das Opfer, und er lügt. Nur beweisen kann ich es nicht. Noch nicht.“
  „Ich konnte mir auch schlecht vorstellen“, sagt Frau Weichbrodt, „dass du seine Hand aus reiner Sympathie so lange in deiner Pranke hieltest.“
   Der Hauptkommissar windet sich aus seinem Stuhl und tritt ans Fenster. Gegenüber, auf der anderen Seite des Flusses, erstrahlt die weiße Brandmauer der Oberfinanzdirektion in der kalten Dezembersonne.
   „Jemand müsste sich den Laden einmal ansehen und Witterung aufnehmen“, sagt er. Seine Stimme klingt fremdartig-dumpf, denn er spricht in die Fensternische hinein. „Leider kenne ich niemanden, der für eine solche Mission infrage käme.“
   „Welchen Laden meinst du?“, will Frau Weichbrodt wissen.
   „Na welchen wohl?“, koddert der Oberkommissar. „Das Chez Louis natürlich.“
  Heiland dreht sich um. Sein Blick fällt auf Diercksen.  Der grinst. „Schon gut! Ich mach´s.“
   Heiland strahlt. „Ja, Ranjet, würdest du das für uns tun? Vielleicht ist es doch gar nicht so schlimm. Wenn du gut auf dich acht gibst, kommst du bestimmt so unschuldig wieder heraus, wie du hineingegangen bist!“
  Diercksen breitete die Arme aus. „Heinrich, du weißt doch, dir kann ich keinen Wunsch abschlagen!“
   „Ich danke dir!“ antwortet Heiland.
   „Ogottogott!“ feixt Frau Weichbrodt. „Dicker geht´s wohl nicht!“
   Heiland grinst. „Das ist bei uns so üblich.“  Er blickt zur Tür. Hinter der Strukturglasscheibe taucht ein bleistiftschmaler, verschwommen wankender Schatten auf. Der Schatten zerfließt und sammelt sich wieder, schließlich löst er sich auf.
  POM Weichbrodt sieht den Hauptkommissar spöttisch an. „Sonderbar! Mir ist noch kein Mann begegnet, der erfolgreich ist, weil er Angst hat!“
   „Nicht hat, sondern empfindet“, verbessert der Hauptkommissar.
   „Man lernt eben nie aus!“, murmelt Diercksen.
   Die POM verzieht sich wieder in ihr Büro.
   Der Schatten ist jetzt wieder da, schmal, lang, unzweideutig.
    Es klopft kernig, und schon steht Dr. Teruldas hagere, hoch aufgeschossene und leicht gebeugte  Leuchtturm-Gestalt in der Tür.

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nicolailevin
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Wohnort: Süddeutschland


Beitrag17.04.2020 12:30

von nicolailevin
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Hi

nachdem sonst keiner reagiert, will ich mal. Ist doch eine Menge Text alles in allem ...

Handwerklich ist das natürlich solide - man merkt die Routine und Erfahrung des Verfassers.

Wohin es gehen wird, stellt sich bei einem Krimi ja erst nach einer Zeit raus, ich kann nur sagen, bis hierhin gefällt es mir leider gar nicht: Zu umständlich, zu geschwätzig, es kommt zu wenig auf den Punkt, da ist zuviel Beiwerk, die Figuren wirken für meinen Geschmack zu überzeichnet, die Dialoge zu mäanderig, die Witzchen zu dünn.

Gerade bei Krimis schätze ich es knapp, lakonisch und reduziert, nur das Nötigste wird preisgegeben. Leute, die Krimis lesen, rätseln gern selbst und kommen dem Autor auf die Schliche, die sind eher genervt von bräsigem Rhabarber. (Mir jedenfalls geht das so.)

Bei den Dialogen hab ich manchmal den Verdacht, die sind drauflos geschrieben, ohne dass zu Beginn schon klar ist, wo das Gespräch hinführen muss. Funktioniert nach meiner Erfahrung gar nicht, Krimis müssen sehr exakt durchgeplottet sein und der Autor muss genau wissen, wer welche Information an welcher Stelle rausrückt (sowohl die echten Hinweise, als auch die Roten Heringe). Den Eindruck hab ich hier gar nicht, nach meinem Geschmack ließe sich das ohne Substanzverlust auf weniger als die Hälfte komprimieren.

Also: Sorry. Definitiv nicht meine Tasse Tee, aber ich hoffe, das ruft jetzt viele andere auf den Plan, die mir vehement widersprechen!

VG
Nico.
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Abari
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Der bronzene Durchblick


Beitrag17.04.2020 13:03

von Abari
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Hey,

ich wünschte, widersprechen zu können, aber das wird wohl leider nichts.

Für detaillierte Textarbeit ist das viel zu viel. Wenn man etwas hier im Forum parat haben sollte, ist es Geduld mit der Leserschaft. Alles andere fordert entweder keine Antworten oder welche wie diese heraus. Ja, warten kann schwer sein. Aber es lohnt sich.

Zum Text: Ich finde die Scherzchen ebenso etwas flach, genau wie die Handlung. Sorry, aber das ist mir zu blümerant für einen Krimi. Vielleicht liebst Du ausschweifende Beschreibungen, aber dann ist eine Kriminalerzählung nicht die glücklichste Wahl. Wenn du ein Pantser bist, müssen Dir jedenfalls im Kopf alle Logiken und Logikbrüche klar sein. Das Gefühl habe ich bisher nicht.
Mal ganz abgesehen davon, dass ich Adjektivitis in Krimis unangebracht finde, geht sowas
federfuchser hat Folgendes geschrieben:
Jaromir Kreutzer, 26, ledig, eins achtundsechzig, Schuhgröße 39, Liebhaber knallbunter Krawatten, seines Zeichens fest angestellter Verkäufer im Herrenausstatter Weinhold & Sohn, geht nach hinten, um sich einen Magentee aufzugießen, denn sein empfindlicher Magen, dieser Mahner in seiner Lebenswüste, meldet sich.

nur schlecht und beweist mir nicht gerade die Solidität, die Dir nicolailevin attestiert. Wenn schon Eigenschaften, dann verpackt im Text und nicht als abgearbeitete Liste. Das funktioniert im Thriller oder modernen Krimisendungen vielleicht, aber nicht im Buch, denke ich. Du hast noch mehr solcher Schnitzerchen drin; aber die gehen mir gerade ab zu suchen.

Ein Erbschen habe ich dann doch noch: Es heißt "Mischpoke", nicht "Muschpoke".


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Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.

LG
Abari
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Federfuchser
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Beitrag17.04.2020 17:41

von Federfuchser
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Hallo, liebe Leute, danke für den Verriss! Das war´s dann! Klappe zu, Affe tot.
 
Übrigens, Mischpoke geht auch mit u.


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Rodge
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Beitrag18.04.2020 11:21

von Rodge
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Federfuchser hat Folgendes geschrieben:
Hallo, liebe Leute, danke für den Verriss! Das war´s dann! Klappe zu, Affe tot.


Warum denn, so schlecht ist es nicht, du müsstest halt nur dran arbeiten. Der Unterschied zwischen amateurhaft und exzellent besteht darin, dass ein sehr guter Text bestimmt 5-12 Überarbeitungen hinter sich hat. Meine Tips für die Überarbeitung wären:

- Fokussierter durch Eindampfen
- Schärfen der Dialoge: Alles was die Geschichte nicht vorantreibt, gehört raus
- Zielgerichtete Führung des Lesers durch die Story
- Entwicklung der Charaktere (wie sie aussehen, ist dabei eher egal)

Dann würde ich die erste Seite (also nicht so viel Umfang wie oben) noch mal einstellen.

Grüße
Rodge
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Beitrag18.04.2020 13:38

von Federfuchser
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Danke, Rodge, deine Bemerkung gibt mir wieder Mut, weiterzumachen.
Ich werde das ganze im Sinne deiner Tipps noch einmal überarbeiten, es kann aber eine Weile dauern.
Was meinst du mit erster Seite? Alles Bisherige?
LG
Federfuchser


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Beitrag18.04.2020 21:45

von Bananenfischin
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Hallo Federfuchser, du hast schon vor einiger Zeit eine PN von mir erhalten. Schau doch bitte mal in deine Nachrichten. smile

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Beitrag19.04.2020 11:30

von Federfuchser
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Hallo Bananefischerin, habe gerade geantwortet.

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Beitrag19.04.2020 13:40

von Bananenfischin
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Daumen hoch

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Beitrag21.04.2020 11:58

von Rodge
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Federfuchser hat Folgendes geschrieben:
Danke, Rodge, deine Bemerkung gibt mir wieder Mut, weiterzumachen.
Ich werde das ganze im Sinne deiner Tipps noch einmal überarbeiten, es kann aber eine Weile dauern.
Was meinst du mit erster Seite? Alles Bisherige?
LG
Federfuchser


Mit "erster Seite" meine ich: Beschränke dich auf einige Absätze (die vielleicht ein bis drei Seiten ergeben). Die Texte durchzugehen und auf Wortebene zu kommentieren, ist sehr viel Arbeit. Wenn du so große Anteil des Buchs hier rein stellst, wird das fast niemand kommentieren wollen. Und: Es ist auch gar nicht nötig, meist merkt man schon nach wenigen Absätzen, wo es klemmt.

Grüße
Rodge
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Beitrag05.02.2021 21:51
Amanitin auf Sahnehäubchen
von Federfuchser
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„Können Sie sich ausweisen?“
   Die Frau zog eine Ausweiskarte hervor und hielt sie dem Kommissar hin. Der nahm das Dokument, beäugte es. Mathilda da Castro, geboren 1972 in Las Palmas, Gran Canaria, z. Zt. wohnhaft in...
   Der Beamte sah die Frau an. Ziemlich robuste Figur. Gesicht wie ein Kirchenfenster: Blonde Haare, ein Auge grau, das andere braun, grün getuschte Wimpern, rosa Wangen, rubinroter Mund, schwarze Ohrclips. Und Schminke, dicke Schminke...
   „Ziemlich ungewöhnlich, Ihre verschiedenen Augenfarben“, sagte er. „Links grau, rechts braun.“
  „Gehört zu meinem Syndrom.“
   „Syndrom?“
   „Ja, Syndrom, Krankheitsbild.“
   „Und welche Krankheit haben Sie, wenn ich fragen darf?“
   „Dürfen Sie. Ich bin ein so genannter Mosaiktyp.“
  Der Kriminalbeamte blickte seinen Kollegen am anderen Ende des Tisches vielsagend an.
  „Wir hatten schon die verschiedensten Typen hier. Aber ein Mosaiktyp war noch nicht darunter.“
  „Reden Sie keinen Schwachsinn! Dazu ist die Sache zu ernst.“
   „Entschuldigung. Nun gut, Frau da Castro, was wollen Sie gestehen?“ Man setzte sich. Der Kollege schaltete das Aufnahmegerät ein.
   „Ich gestehe, den staatenlosen Jaromir Muzikrawitsch kaltblütig mit einem vergifteten Cappuccino-Sahnehäubchen ermordet zu haben.“
   „Mit einem Sahnehäubchen?“, fragte der Kommissar verblüfft.   
   Die Frau griff in ihren weitläufigen Overall, brachte eine kleine weiße Dose mit rotem Deckel zum Vorschein und stellte sie auf den Tisch. „Hier, die Tatwaffe.“
   „Was ist das?“
   „Eine Dose mit getrockneten und pulverisierten grünen Knollenblätterpilzen.“
   „Um diese Jahreszeit? Wo bekommt man denn da grüne Knollenblätterpilze her?“
   Die Frau verdrehte die Augen. „Herrgottnochmal! Seid ihr immer so schwerhörig? Hab ich frische gesagt? Ich sagte getrocknete! Vom letzten Herbst. Hält sich ewig, das Gift und lässt sich in geringem Mengen verabreicht kaum nachweisen.“
   Der Kollege zog ein Tuch hervor und machte Anstalten, die Dose aufzuschrauben.
    „Das lassen Sie mal schön sein! Wenn ich sage, da ist Pilzpulver drin, dann ist da Pilzpulver drin und kein Hasch! Anscheinend wissen Sie nicht, wie gefährlich das Zeug ist.“
   „Und das gefährliche Zeug tragen Sie immer bei sich“, sagte der Kommissar.
   „Nein, nicht immer, aber immer öfter. Ich bin Hausmeisterin in diesem historischen Bauencemble im Wasserviertel, und da gibt es reichlich Ratten.“
   „Na schön, Sie geben an, diesen... äh... Jaromir Muzikrawitsch getötet zu haben. Wo befindet sich nun die Leiche?“
   „Ich denke, bereits in der Gerichtsmedizin.“
   Wieder griff die Frau in ihren Overall und zauberte ein Paar Handschellen hervor, die sie auf den Tisch klimperte. „Damit Sie mir glauben, dass ich keinen Stuss quatsche.“
   Der Kommissar richtete seine germanischblauen Augen mit höchster Aufmerksamkeit auf die 'Kundin'. „Frau da Castro, wollen Sie damit sagen, Sie hätten –“
   „Genau das will ich. Ich bin die Mörderin des noch nicht identifizierten jungen Mannes unbekannter Herkunft. Ihre Leute werden unschwer feststellen, dass die Metallsplitter an den Handgelenken des Verstorbenen mit dem Material der Schellen übereinstimmen.“
   „Woher haben Sie denn diese Handschellen?“, wollte der Kollege des Kommissars wissen.
   „Na woher wohl! Aus ´nem Sex-Shop.“
   Eine Weile herrschte bis auf ein paar undeutliche Außengeräusche Stille. Dann fragte der Kommissar: „Kaffee?“
   „Gerne.“
   „Milch, Zucker?“
   „Schwarz.“

   Der Kommissar schaltete das Mikro wieder ein. „So nun schildern Sie uns doch mal den Tathergang.“
   „Da gibt’s  nicht viel zu schildern. Ich streute reichlich Pilzpulver auf das Sahnehäubchen seines Cappuccinos. Er löffelte es, und achtundvierzig Stunden später war er tot.“
   „Das müssen Sie uns schon genauer erklären. Ich weiß, das Gift dieser Pilze ist sehr gefährlich. Da war erst neulich der Fall, wo sich damit eine komplette Asylantenfamilie umbrachte. Stand ja dick in der Zeitung. Aber die haben wohl kräftig zugelangt und sind dann, als sich die ersten Symptome zeigten, nicht zum Arzt gegangen. Doch eine Prise Pilzpulver... Ich bitte Sie, von einer Prise stirbt man doch nicht.“
   Die Frau lachte dröhnend. „Ha! Da sind Sie aber wieder einmal nicht im Bilde! Und habe ich Prise gesagt? Ich zeig Ihnen mal was.“ Sie zog ein Foto hervor und hielt es dem Kommissar vor die Nase. „So sah er aus.“
   Der Kommissar nahm das Foto und betrachtete es. „Ist das dieser Muzikrawitsch?“
   „Genau, das ist er. Hübsch, nicht?“
   „Kann ich das Foto behalten?“
   „Nein.“ Die Frau griff blitzschnell zu. „Um das Foto geht auch es nicht. Ich wollte Ihnen etwas ganz anderes zeigen, nämlich, dass Sie zu gutgläubig sind. Während Sie das Foto anstarrten, hab ich Ihnen unbemerkt eine Prise Pilzpulver in den Kaffee gestreut.“
    Der Kommissar blickte ungläubig in seine Tasse. „Ich... ich sehe nichts.“
   „Natürlich nicht! Ich hab es ja auch nicht wirklich getan, aber ich hätte es tun können! Diese Prise, wie Sie in Ihrer heiligen Einfalt sagen, hätte ausgereicht, Ihnen das Leben in den nächsten acht Tagen zur Hölle zu machen, möglicherweise wären Sie sogar gestorben. Noch nicht mal Ihr Famulus hätt´s bemerkt. Und mit dem, was da noch in der Dose ist, könnte ich diese gesamte Behörde flach legen.“
   Auf der Oberlippe des Kriminalbeamten bildeten sich kleine Schweißperlen.
   Die Frau schüttelte den Kopf. „Ich glaub, es hat keinen Zweck.“ Plötzlich kreischte sie los. „Halten Sie mich für eine Idiotin, die sich nur wichtig tun will und einen Mord gesteht, den sie nicht begangen hat? Und Dinge behauptet, die nicht stimmen? Ich sag Ihnen was: Wenn Sie nicht aufhören, meine Worte anzuzweifeln, stehe ich auf und gehe, und Sie haben einen Cold Case mehr. Denn beweisen können Sie mir nichts, absolut nichts. Dazu war der Mord zu gut geplant.“ Dann, ruhiger: „Könnte ich noch einen Kaffee haben?“
   „Sicher doch. Frau da Castro, erzählen Sie weiter.“
   „Wenn einem nach einer Pilzmahlzeit schlecht wird, dann weiß man, woran es liegt. Wenn aber jemand mitten im Hochsommer einen Cappuccino mit Sahnehäubchen trinkt beziehungsweise löffelt, und ihm wird Stunden später speiübel, dann denkt er an weiß Gott was, aber nicht an eine Pilzvergiftung. Dazu kommt noch: Die Wirkung des Amanitins lässt nach einiger Zeit nach, und wie der Mensch so ist, er denkt, hei, war wohl nichts Ernstes, kippt noch ein, zwei Magenbitter und geht zur Tagesordnung über. Aber gerade das ist falsch, denn Alkohol verstärkt die Wirkung des Giftes – wie übrigens auch Coffein. Und wenn dann um Mitternacht die Schmerzen erneut losgehen und er sich mit ´nem Bauch voll Milch die Seele aus dem Hals kotzt, dann ist es bereits zu spät. Seine Leber ist schon so weit geschädigt, dass nur noch eine Transplantation helfen könnte. Aber woher nehmen und nicht stehlen, hä? Geeignete Lebern liegen nicht auf der Straße! Von Nieren ganz zu schweigen.“
   Der Kaffee kam, und Frau da Castro schlürfte genüsslich.
   „Aber manche überleben doch!“, warf der Kommissar zaghaft ein, „es gibt da heutzutage Mittel und Möglichkeiten –“
   „Mann, was reden Sie da für´n Dummdeutsch! Natürlich überleben viele! Aber was ist das für ein Leben, he? Mit einer kaputten Leber und zwei angeschlagenen Nieren! Das ist kein Leben, das ist elendes Dahinvegetieren! Ich erspare Ihnen Einzelheiten.“ Sie setzte die Tasse ab. „Sehen Sie, und deshalb habe ich ihn, als ich merkte, dass das Gift Wirkung zeigte, gefesselt und an ein Heizungsrohr im Keller von Fünfzehn A angekettet, damit er nicht zum Arzt fahren konnte. War ja keine Schwierigkeit, so schwach auf den Beinen wie er schon war. Ein solches Leben wäre sogar für das, was er mir angetan hat, zu grausam gewesen. Er sollte eine begrenzte Zeit leiden und dann sterben. Ein Leben lang sich herumquälen – nein, schließlich bin ich kein Unmensch.“ Sie zog ein kariertes Taschentuch hervor und wischte sich über die Stirn.
   „Frau da Castro“, sagte der 'Famulus', „wenn Ihnen zu warm ist, dann frage ich mich, warum läuft diese Frau bei fünfunddreißig Grad im Schatten hochgeschlossen und langärmelig herum?  Krempeln sie doch wenigstens die Ärmel hoch.“
   „Genau das hatte ich gerade vor.“ Sie schob einen Ärmel hoch. „Na, meine Herren, wie finden Sie das?“
    Die Beamten prallten regelrecht zurück. Der Arm war von oben bis unten mit schwarz-braunen spinnenartigen Flecken übersät – es sah aus, als habe sich dort ein Heer Schwarzer Witwen eingenistet. „So sehe ich am ganzen Körper aus, mehr oder weniger. Kein schöner Anblick, wie? Ein Scheiß-Anblick! Beruht angeblich auf einer Chromosomen-Anomalie mit einem unaussprechlichen Namen, die auch bei Katzen vorkommt. Meine Mutter war eine Weiße, mein Vater ein Schwarzer. Normalerweise gibt’s dann Mischlinge. Doch in ganz seltenen Fällen bleiben die Hautfarben nebeneinander bestehen, fragen Sie mich nicht warum. Deshalb auch die verschiedenen Augenfarben.“ Sie lachte trocken. „Ich bin eben ein seltener Vogel! Wenn Sie´s genau wissen wollen, können Sie gerne im Internet unter Mosaiktyp nachschauen. Und damit wären wir beim Mordmotiv, das Sie sicherlich brennend interessieren dürfte.“
   Sie ließ den Ärmel wieder herunter.
  „Frau da Castro“, sagte der Kommissar, „das geht mir alles zu schnell. Vorerst würde ich gerne einmal wissen, warum Sie das Gesicht des Muzikrawitsch mit Säure übergossen haben. Das waren doch Sie, oder täusche ich mich da?“
  „Sie täuschen sich ausnahmsweise keineswegs, Herr Kommissar, und ehe Sie fragen: Er war schon tot, bevor... Hmm... Warum, ja warum... Wie soll ich sagen...“
   „Sagen Sie es doch einfach und schlagen Sie nicht unsere Zeit tot.“
   Die Frau fuhr hoch. „Oha! Nein, nein, Herr Kriminalmeister, nicht so! Nicht in diesem Ton! Sie wollen etwas von mir, nicht ich von Ihnen! Also bitte immer schön ruhig bleiben!“
   „Wenn Sie mir weiterhin dumm kommen, stecke ich Sie für achtundvierzig Stunden in U-Haft. Die Indizien reichen aus.“
   „Ha! Wollen Sie mir auch noch drohen? Und dann auch noch mit U-Haft! Pah, da kann ich nur lachen! U-Haft –“
   Die Frau schwieg plötzlich; dann massierte sie stöhnend ihren Leib.
   „Was ist mit Ihnen, geht es Ihnen nicht gut?“
   „Doch, doch, es geht schon wieder... Eine kleine Magenverstimmung... Könnte ich vielleicht noch eine Tasse Kaffee haben?“
   „Gern. Also weiter. Der Säureanschlag.“
   Frau da Castro betupfte sich die Stirn. „Sie haben doch eben sein Bild gesehen. Sieht er nicht aus wie ein Engel? So muss Christus in seinem Alter ausgesehen haben, rein und unschuldig. Seine Qualen hatten ihm eine geradezu überirdische Schönheit verliehen.“
   „Frau da Castro, bitte!“
   „Ist ja schon gut! Ich wollte nicht, dass Ihre amtlich bestellten Leichenfledderer in sein Gesicht sehen und es als Fahndungsfoto womöglich noch auf verdreckten Bahnhöfen zur Schau stellen!  Niemand mehr sollte sein Engelsgesicht sehen... Der Anblick gehörte mir allen... Nicht nur sein Körper, auch sein Gesicht sollte nur mir gehören!“
   „Verstehe ich das richtig? Er war ihr Geliebter?“
   „Ja was denken Sie denn? Solch eine Gelegenheit lässt sich eine Frau wie ich doch nicht entgehen! Ich bin eine Katze, aber keine Nonne.“
   „Wie alt war er denn da?“
   „Ich wusste, dass Sie das Fragen! Sechzehn, sechsundzwanzig, sechsunddreißig, sechsundneunzig? Was weiß ich? Sein Ausweis war gefälscht. Spielt das jetzt noch eine Rolle? Und wenn er sechshundert Jahre alt gewesen wäre... Wichtig war, dass er der erste und einzige Mann war, der mich so nahm, wie ich bin. Angeblich, weil ich ihn an jemanden erinnerte, den er sehr geliebt hatte, bevor die Rebellen kamen und seine Familie umbrachten – angeblich. Mehr sagte er nicht, und mehr interessierte mich auch nicht.“
   „Wann und wo haben sie den jungen Mann denn kennengelernt?“
   „Vor sechs Wochen auf dem Parkplatz in der Rackerstraße. Ich wollte gerade ins Auto steigen, da kam er angerannt. Schnell, fahren Sie los, keuchte er, sie sind hinter mir her!, und schon saß er auf dem Beifahrersitz. Wer ist hinter dir her, fragte ich, als wir fuhren. Der albanische Geheimdienst! Aha, dachte ich, na sowas, der albanische Geheimdienst! ´ne schrägere Erklärung konnte dir wohl nicht einfallen! Dabei sah ich ihn an. In dem Moment sprang der Funken über und ich stellte keine Fragen mehr. Zunächst wollte er nur bei mir übernachten, dann blieb er zwei Tage, schließlich zog er ein. Den Nachbarn erzählte ich, er sei ein entfernter Neffe, der an der Uni studiere und noch kein Zimmer habe.“  
   „Schöne Geschichte... Nur, ich verstehe nicht... Wenn das die große Liebe war, warum haben Sie ihn dann umgebracht?“
   Plötzlich sahen die Augen der Frau um Jahre gealtert aus. „Weil er immer mehr Geld von mir wollte und sich gleichzeitig immer rarer machte. Gut, ich hätte es noch eine Weile ertragen, denn welche Rolle spielt schon Geld, wenn man sich wie im Paradies fühlt. Doch dann, vor etwas acht Tagen –“
   Ein Zittern lief durch den Körper der Frau, ihre Finger krampften sich an der Tischkante fest. Der Kommissar sprang auf. „Frau da Castro, brauchen Sie wirklich keinen Arzt?“
   „Nein, nein, es geht vorüber...“ Sie lächelte ihn an. „Sehen Sie, schon vorbei!“
   Der Kommissar setzte sich. „Okay. Was war vor acht Tagen?“
   „Da sah ich ihn zufällig Hand in Hand mit einer anderen Frau.“ Frau da Castro trank mit zitternder Hand die kalte Neige des Kaffees. „Ich war wie betäubt. Es war ein Höllensturz, und zwar mit dem Kopf voran. Pah! Das Geld war mir egal. Scheiß doch aufs Geld! Schließlich hatte er dafür auch reichlich gegeben, zumindest in der ersten Zeit. Doch was ich nicht ertragen konnte... Ich hätte seinen herrlichen Körper, sein schönes Gesicht mit einer anderen Frau teilen müssen... Und dann, irgendwann, hätte er mich verstoßen... Dieser Gedanke machte mich wahnsinnig! Denn welcher Mann will so eine wie mich denn wirklich haben? Für eine Nacht, in irgendeinem muffigen Darkroom, ja schon! Aber darauf kann ich mehr als verzichten! Ich wäre wieder in die Hölle der Einsamkeit zurückgestoßen, eine Aussätzige, eine Paria, eine... Ich musste meine gesamten inneren Kräfte aufbieten, um ihm meine Enttäuschung nicht spüren zu lassen. Und dann, als er wieder mehrere Tage nicht nach Hause kam, fasste ich den Entschluss, ihn zu vergiften. Sein Tod würde uns, in Schmerzen geläutert, wieder vereinen. Als der Entschluss stand, wurde ich ruhiger.“
   „Nun gut. Nachdem das geklärt ist, eine letzte Frage. Warum schraubten Sie die Leiche an den Kleiderständer und stellten sie dann im Schaufenster dieses Bekleidungsgeschäftes aus? Das war übrigens der Punkt, der uns am meisten Kopfzerbrechen bereitete.“
   „Es war reiner Zufall. Ich sah den ausgedienten Kleiderständer auf dem Hof und dachte: Hoppla, da könntest du ein Exempel statuieren! Als Abschreckung für alle treulosen Liebhaber! Da der Laden leer stand und ich die Schlüssel zu den Räumen habe, war das Aufstellen kein Problem.“
    Der Kommissar schaltete das Diktiergerät aus. Dann sagte er: „Wie soll ich das verstehen? Sie meinten eben: In Schmerzen geläutert, und wieso würde Sie sein Tod wieder mit ihm vereinen?“
   „Können Sie sich das nicht denken, Herr Kommissar? Wieder habe ich das bittere Gefühl, Sie nehmen mich nicht ernst. Das ist schade, sehr schade, geradezu jammerschade, denn ich hielt Sie für einen empfindsamen Mann. Nun gut, wenn es denn sein muss, sag ich es Ihnen. Ich glaube fest an ein Weiterleben nach dem Tode. Also trank ich, als Jaromir tot war, in seinem Angedenken einen Cappuccino mit Sahne –“
   Die Faust des Kommissars krachte auf den Tisch; die Tasse machte einen kleinen Satz.
   „Verdammt nochmal! Doch nicht etwa mit –“
   „Aber sicher doch! Für wen halten Sie mich! Mit einem vergifteten Sahnehäubchen. Die Qualen der Vergiftung haben ihn geläutert, und sie werden auch mich läutern. Und dann werden wir auf ewig vereint sein.“
   Der Kommissar griff zum Hörer.
   „Bitte, lassen Sie das. Egal wohin Sie mich auch bringen – in U-Haft, ins Krankenhaus,  meinetwegen in eine Irrenanstalt – es wäre vergebliche Liebesmüh. Ich befinde mich bereits im klinischen Endstadium. Das Einzige, worum ich Sie bitte: Bestellen Sie mir ein Taxi und gönnen Sie mir meine Qualen, damit ich als Gleichberechtigte vor Jaromir treten kann.“
   Der Kommissar legte den Hörer wieder zurück.
  
   „Mannomann“, sagte der 'Famulus', als die beiden Kommissare wieder allein waren. „Da hast du dich aber ganz schön in die Nesseln gesetzt! Das war mindestens unterlassene Hilfeleistung. Du hättest sie festnehmen und dann den Notarzt rufen müssen.“
   „Weiß ich, und ich nehm´s auf meine Kappe! Was soll mir schon groß passieren? In vierzehn Tagen putz ich hier sowieso die Platte!“
   „Was ich mich schon die ganze Zeit frage: Warum hat sie überhaupt das Geständnis abgelegt? So, wie die Dinge liegen, wäre sie als Täterin doch nie infrage gekommen!“
   „Na du hast es doch gehört! Sie wollte uns einen weiteren Cold Case ersparen!“  
  
                                                 ***
Anm: Dies ist der zweite Teil meiner angefangenen Kriminalerzählung "Amanitin", in diesen U-Forum, vom Ende her erzählt, sozusagen ein Retro-Krimi, allerdings abgespeckt und aufs Wesentliche reduziert. Ich denke, nachdem an die tausend (An)-Leser des ersten Teils zu verzeichnen sind, hat vielleicht der eine oder andere Interesse daranzu erfahren, wie es weitergeht.

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Calvin Hobbs
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Wohnort: Deutschland


Beitrag16.02.2021 20:52

von Calvin Hobbs
Antworten mit Zitat

Hallo smile
Ich empfinde Frau da Castro in ihrer Darstellung als äußerst unsympathisch, sowie das Verhalten der Polizisten als unglaubwürdig. Deshalb habe ich nach dem ersten Absatz nur noch quergelesen.
Auf mich wirkt der Text insgesamt, besonders die Dialoge krampfhaft bemüht.
Im Großen und Ganzen flüssig und lesbar geschrieben, allerdings geht für mich der Pep in der Geschwätzigkeit der Protagonistin verloren.
MfG


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