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nothingisreal
Geschlecht:weiblichPapiertiger


Beiträge: 4002
Wohnort: unter einer Brücke


Beitrag05.04.2020 14:29
Vergleich Zeit
von nothingisreal
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Schwarmintelligenz!

ich frage mich gerade, in welcher Zeitform eigentlich Vergleiche stehen müssen.

Ich schreibe im Präteritum.

Beispiel (erfunden):

Sie kaufte sich T-Shirts, wie sie Rockstars tragen.

Sie kaufte sich T-Shirts, wie sie Rockstars trugen.

Danke!


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"Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten." - William Somerset Maugham
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Klemens_Fitte
Geschlecht:männlichSpreu

Alter: 41
Beiträge: 2932
Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag05.04.2020 14:42

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Zitat:
Ende der 1950er Jahre erfindet die Philosophin und Literaturwissenschaftlerin Käte Hamburger das epische Präteritum. […] In ihrer Habilitation Die Logik der Dichtung verdeutlicht sie, dass das Präteritum in der Fiktion – im Erzählen – nicht mehr als Zeitangabe funktioniert. Vielmehr ist das Präteritum in der Fiktion der Modus des Erzählens, im Roman wird das Präteritum zum temporalen Nullpunkt. Das Präteritum beschreibt die fiktionale Gegenwart: „Morgen war Weihnachtsabend“ – war zeigt nicht an, dass etwas vergangen ist, sondern vielmehr, dass etwas erzählt wird. […] Wird dann innerhalb der Erzählung von immerwährenden oder andauernden Handlungen oder Ereignissen berichtet, müssen auch diese im Präteritum stehen und nicht im Präsens: „Die Sonne ging jeden Morgen auf und jeden Abend wieder unter.“ Selbst wenn die Sonne in unserer realen Welt jeden Tag auf- und wieder untergeht, in der Fiktion ging sie unter, weil etwa „heute Dienstag war“.


Quelle: http://druckstelle-blog.de/2014/04/12/zeitformen-im-deutschen-morgen-war-ostern/
(Hervorhebungen von mir)


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100% Fitte

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fancy
Geschlecht:weiblichSchmuddelkind

Alter: 64
Beiträge: 2757
Wohnort: Im sonnigen Süden


Beitrag05.04.2020 15:07

von fancy
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Lieber Klemens,

herzlichen Dank für deinen Beitrag!

LIebe Grüße

fancy


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Don't start doing things, just do them. Fang nicht an, Dinge zu tun, tu sie einfach! (Me)
Wer wenig denkt, irrt viel (Leonardo da Vinci)
Meinungsverschiedenheiten über ein Kunstwerk beweisen, dass das Werk neu, komplex und lebenswichtig ist. (Oscar Wilde)
Wenn Kritiker uneins sind, befindet sich der Künstler im Einklang mit sich selbst. (Oscar Wilde)

https//mlpaints.blogspot.com
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nothingisreal
Geschlecht:weiblichPapiertiger


Beiträge: 4002
Wohnort: unter einer Brücke


Beitrag05.04.2020 15:16

von nothingisreal
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Aha, aha, vielen Dank, Klemens!

Bei Sonne etc. wusste ich es, war mir aber bei Vergleichen nicht sicher. Macht aber Sinn. Danke!


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agu
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 49
Beiträge: 2018
Wohnort: deep down in the Brandenburger woods


Beitrag07.04.2020 23:12

von agu
Antworten mit Zitat

Das mit dem fiktionalen Präteritum ist schon richtig.
Es kann aber ein Stilmittel sein, den Vergleich dennoch ins Präsens zu setzen, für eine stärkere Immersion, wenn die Handlung in einer erfundenen Welt (also Fantasy oder ScienceFiction) spielt.

Seit ein paar Jahren sehe ich das häufiger in Romanen - und finde es selbst eigentlich auch recht schön, wenn man es sparsam einsetzt.

Er trug einen dieser Federmäntel, mit denen die die Priester von Ebon Rih ihre Überlegenheit demonstrieren.


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Meine Bücher:
Engelsbrut (2009 Sieben, 2011 LYX) | Engelsjagd (2010 Sieben) | Engelsdämmerung (2012 Sieben)
Die dunklen Farben des Lichts (2012, SP)
Purpurdämmern (2013, Ueberreuter)
Sonnenfänger (2013, Weltbild)
Kill Order (2013 Sieben)
Choice / als Chris Portman (2014, Rowohlt)
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Rainer Prem
Geschlecht:männlichReißwolf
R

Alter: 66
Beiträge: 1271
Wohnort: Wiesbaden


R
Beitrag08.04.2020 04:56

von Rainer Prem
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agu hat Folgendes geschrieben:
Das mit dem fiktionalen Präteritum ist schon richtig.
Es kann aber ein Stilmittel sein, den Vergleich dennoch ins Präsens zu setzen, für eine stärkere Immersion, wenn die Handlung in einer erfundenen Welt (also Fantasy oder ScienceFiction) spielt.

Seit ein paar Jahren sehe ich das häufiger in Romanen - und finde es selbst eigentlich auch recht schön, wenn man es sparsam einsetzt.

Er trug einen dieser Federmäntel, mit denen die die Priester von Ebon Rih ihre Überlegenheit demonstrieren.


Wenn ich so etwas sehe, dann vermute ich eher Schlamperei von Seiten Autor und Lektor als das Ziel stärkerer Immersion.
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Christof Lais Sperl
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 62
Beiträge: 941
Wohnort: Hangover
Der silberne Roboter


Beitrag08.04.2020 09:07

von Christof Lais Sperl
Antworten mit Zitat

Ist auch ein semantisches Problem.
Beispiel „tragen“: noch heute tragen sie solche Shirts. Springsteen trägt sie bei jedem Konzert.
Beispiel „trugen“: damals trugen Rockstars solche Shirts, heute sehen sie aber wie Lindemann aus.
Fittes Bemerkung ist sehr richtig, ich denke allerdings, dass Fitte/Hamburger das Phänomen zu systematisch angehen. Hier produziert die Sprache Sinnfelder, die aus der Regelhaftigkeit herausragen. Formuliere ich hier mal ein bisschen verschlafen. Vlg C


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Lais
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Klemens_Fitte
Geschlecht:männlichSpreu

Alter: 41
Beiträge: 2932
Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag08.04.2020 09:39

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

agu hat Folgendes geschrieben:
Das mit dem fiktionalen Präteritum ist schon richtig.
Es kann aber ein Stilmittel sein, den Vergleich dennoch ins Präsens zu setzen, für eine stärkere Immersion, wenn die Handlung in einer erfundenen Welt (also Fantasy oder ScienceFiction) spielt.

Seit ein paar Jahren sehe ich das häufiger in Romanen - und finde es selbst eigentlich auch recht schön, wenn man es sparsam einsetzt.

Er trug einen dieser Federmäntel, mit denen die die Priester von Ebon Rih ihre Überlegenheit demonstrieren.


Da sehe ich zwei Probleme:

1) Die Gefahr, aus dem Blickwinkel der Perspektivfigur herausgerissen zu werden. Wenn ich bspw. einen Deep-POV habe – scheint ja in der aktuellen Unterhaltungsliteratur das gängige Mittel zu sein – der plötzlich die Zeitebene verlässt, lese ich nicht mehr die Erzählstimme der Figur, sondern den Autor heraus.

2) Die Gefahr, aus der Erzählung selbst herausgerissen zu werden. Wenn das Präteritum das Jetzt des Romans darstellt und ich eine Behauptung im Präsens lese, dann ist meine erste Reaktion, ins Jetzt meiner eigenen Realität zu wechseln und mir zu denken: Nee, es gibt in der sog. echten Welt doch gar keine Priester von Ebon Rih.

Zudem, wie Rainer Prem schrieb: Was spräche dafür, hier das bewusste Mittel der Immersion herauszulesen und nicht Inkompetenz bzw. ein falsches Verständnis dessen, was das epische Präteritum ist?

Christof Lais Sperl hat Folgendes geschrieben:
Fittes Bemerkung


Vielleicht pedantisch, aber: ich habe nichts "bemerkt". Ich habe auf eine Quelle verwiesen. Natürlich kann man Hamburgers Konzept kritisch hinterfragen – ich würde mir das nicht anmaßen, ich bin kein Literaturwissenschaftler – oder in der Umsetzung eigene Wege finden – das maße ich mir an, schließlich bin ich Schriftsteller – aber das ist nicht das Erste, was mir einfällt, wenn mich jemand fragt, wie etwas gängigerweise gehandhabt wird. Da verweise ich auf die gängige Handhabung, und das ist weit davon entfernt, ein Phänomen "anzugehen", ob systematisch oder nicht.


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SickBoy
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Beitrag08.04.2020 11:27

von SickBoy
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Ich denke nicht, dass es dahin gehend eine straffe, unbedingt einzuhaltende Regelung gibt, was heißt, dass es letztendlich im Ermessen des Autors liegt. Wie weiter oben bereits angemerkt wurde, findet man derlei Vergleiche im Präsens häufig in Romanen; auch von namhaften Autoren/Verlagen. Da würde ich jetzt spontan nicht unbedingt von Schlamperei ausgehen Wink
Am Ende des Tages bleibt es wie so vieles im Leben und auch beim Schreiben/Lesen Geschmackssache.

Beste Grüße
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Klemens_Fitte
Geschlecht:männlichSpreu

Alter: 41
Beiträge: 2932
Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag08.04.2020 11:34

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Natürlich gibt es keine Regelung. Es gibt Konventionen (auch die können sich verändern, klar). Das bedeutet aber nicht, dass jede Entscheidung für oder gegen eine Konvention eine bewusste ist; es schließt auch Schlamperei nicht aus.

SickBoy hat Folgendes geschrieben:
Da würde ich jetzt spontan nicht unbedingt von Schlamperei ausgehen Wink


Ich schon. Bei Autoren – auch bei "namhaft" kommt es mE auf den Namen an – und bei Verlagen schon dreimal. Dazu ist mir schon zu viel Schlamperei begegnet.


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SickBoy
Geschlecht:männlichLeseratte


Beiträge: 199
Wohnort: am Arsch der Welt


Beitrag08.04.2020 11:49

von SickBoy
Antworten mit Zitat

Klemens_Fitte hat Folgendes geschrieben:
Dazu ist mir schon zu viel Schlamperei begegnet.


Mir auch, glaub mir. Aber in manchen Fällen ist es nun mal ein bewusst vom Autor gewähltes Stilmittel, was mit Schlamperei nichts zu tun hat (zumindest meiner Meinung nach).
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Klemens_Fitte
Geschlecht:männlichSpreu

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Beiträge: 2932
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Beitrag08.04.2020 12:00

von Klemens_Fitte
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SickBoy hat Folgendes geschrieben:
Aber in manchen Fällen ist es nun mal ein bewusst vom Autor gewähltes Stilmittel, was mit Schlamperei nichts zu tun hat (zumindest meiner Meinung nach).


Hat ja zum Glück auch niemand was Gegenteiliges behauptet, nech.


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agu
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Beitrag08.04.2020 12:02

von agu
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Ich kann nur für mich sprechen - ich setze das bewusst ein. Nicht aus Schlamperei.
Und ich habe auch den Eindruck, dass das - zumindest dort, wo es mir aktiv aufgefallen ist - auch von anderen Autoren absichtlich als Stilmittel getan wurde (was, wie gesagt, meiner Meinung nach auf gut funktioniert. Nicht, weil man denkt - oh, welch immersionsfördernder Winkelzug wink. Sondern einfach weil es sich gut anfühlt beim Lesen, aka die gewünschte Wirkung erzielt wird)


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Klemens_Fitte
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Beitrag08.04.2020 12:14

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

agu hat Folgendes geschrieben:
Ich kann nur für mich sprechen - ich setze das bewusst ein. Nicht aus Schlamperei.
Und ich habe auch den Eindruck, dass das - zumindest dort, wo es mir aktiv aufgefallen ist - auch von anderen Autoren absichtlich als Stilmittel getan wurde (was, wie gesagt, meiner Meinung nach auf gut funktioniert. Nicht, weil man denkt - oh, welch immersionsfördernder Winkelzug wink. Sondern einfach weil es sich gut anfühlt beim Lesen, aka die gewünschte Wirkung erzielt wird)


Wenn du es bewusst einsetzt, ist das die eine Seite – wenn ich es als potentieller Leser anders wahrnehme, wirst du nichts dagegen tun können; das ist die andere Seite.

Letztendlich kann jeder hier nur für sich sprechen; du, wenn es sich für dich gut anfühlt bzw. die gewünschte Wirkung erzielt, ich, wenn sich mir nicht erschließt, warum so etwas Immersion fördern soll (meine Einwände habe ich ja aufgeführt). Insofern erübrigt sich die Diskussion, wer jetzt richtig liegt, würde ich sagen.


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Christof Lais Sperl
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Beitrag08.04.2020 12:29

von Christof Lais Sperl
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Alles nice. Aber was ist nun mit der Semantik?

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Abari
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Beitrag08.04.2020 14:31

von Abari
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Was mich schon seit Klemens' Posting wundert, ist, dass sich "Franziska" so weit aus der deskriptiven in die präskriptive Richtung begibt. Das ist erstens unwissenschaftlich, zweitens gefährlich und drittens zumindest heute mW strikt verboten. Denn die Wissenschaft läuft idR der Sprachentwicklung hinterher und hütet sich, noch irgendwelche Normen festzusetzen. Ende der 1950er, anfang der 1960er war das vielleicht noch anders. Zumal die erwähnte Autorin auch sicher nichts "erfindet", sondern bestenfalls beschreibt - wie alle Wissenschaftler. Das Einzige, was sie "erfindet", ist der Begriff. (Bitte nicht böse sein, Klemens.)

@ CLS: Zur Semantik: Worauf willst Du hinaus?


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Rübenach
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Beitrag08.04.2020 15:00

von Rübenach
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Abari hat Folgendes geschrieben:
Was mich schon seit Klemens' Posting wundert, ist, dass sich "Franziska" so weit aus der deskriptiven in die präskriptive Richtung begibt. Das ist erstens unwissenschaftlich, zweitens gefährlich und drittens zumindest heute mW strikt verboten. Denn die Wissenschaft läuft idR der Sprachentwicklung hinterher und hütet sich, noch irgendwelche Normen festzusetzen. Ende der 1950er, anfang der 1960er war das vielleicht noch anders. Zumal die erwähnte Autorin auch sicher nichts "erfindet", sondern bestenfalls beschreibt - wie alle Wissenschaftler. Das Einzige, was sie "erfindet", ist der Begriff. (Bitte nicht böse sein, Klemens.)

@ CLS: Zur Semantik: Worauf willst Du hinaus?


"Franziska" referiert doch nur Käthe Hamburger und dies erkennbar deskriptiv.
Zitat:

Ende der 1950er Jahre erfindet die Philosophin und Literaturwissenschaftlerin Käte Hamburger das epische Präteritum. Was in der Literatur längst existiert, hat nun auch einen Begriff. In ihrer Habilitation Die Logik der Dichtung verdeutlicht sie, dass das Präteritum in der Fiktion – im Erzählen – nicht mehr als Zeitangabe funktioniert. Vielmehr ist das Präteritum in der Fiktion der Modus des Erzählens, im Roman wird das Präteritum zum temporalen Nullpunkt. Das Präteritum beschreibt die fiktionale Gegenwart: „Morgen war Weihnachtsabend“ – war zeigt nicht an, dass etwas vergangen ist, sondern vielmehr, dass etwas erzählt wird. Zur Versöhnung: Weil im Grunde alles was erzählt wird, bereits geschehen ist, war morgen Weihnachten. Wird dann innerhalb der Erzählung von immerwährenden oder andauernden Handlungen oder Ereignissen berichtet, müssen auch diese im Präteritum stehen und nicht im Präsens: „Die Sonne ging jeden Morgen auf und jeden Abend wieder unter.“ Selbst wenn die Sonne in unserer realen Welt jeden Tag auf- und wieder untergeht, in der Fiktion ging sie unter, weil etwa „heute Dienstag war“. Und einmal das epischen Präteritum gewählt, steht ebenso erlebte Rede in der Vergangenheit: Lisa fragte sich, ob heute Montag oder Dienstag war. Was davor – genauer: vor der fiktionalen Gegenwart – geschieht, steht folgerichtig im Plusquamperfekt: „Gestern war Lisa nicht ans Telefon gegangen. Heute sprach sie jedoch mit ihm.“


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Christof Lais Sperl
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Beitrag08.04.2020 15:04
Abari
von Christof Lais Sperl
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Mal  den Streit zwischen Forenschreibern ausgenommen: Abari hat hier etwas extrem Wichtiges geschrieben. Es geht nicht um präskriptive Linguistik!
Unterschiedliche Öberflächenstrukturen (Chomsky) haben unterschiedliche Tiefenstrukturen (Fodor und Katz). Womit wir wieder bei "meiner" Semantik wären, liebe Leute.
Herzliche Grüße, CLS


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Rübenach
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Beitrag08.04.2020 15:14
Re: Abari
von Rübenach
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Christof Lais Sperl hat Folgendes geschrieben:
Mal  den Streit zwischen Forenschreibern ausgenommen: Abari hat hier etwas extrem Wichtiges geschrieben. Es geht nicht um präskriptive Linguistik!
Unterschiedliche Öberflächenstrukturen (Chomsky) haben unterschiedliche Tiefenstrukturen (Fodor und Katz). Womit wir wieder bei "meiner" Semantik wären, liebe Leute.
Herzliche Grüße, CLS


Auch wenn ich den Bezug zu "deiner" Semantik nicht verstehe (und das meine ich durchaus ernst, es wäre schön, wenn du deine These in einer auch für Nicht-Sprachwissenschaftler verstehbaren Form erläutern würdest), in einem Punkt sollten wir uns doch alle einig sein: Erzähltheorie ist immer deskriptiv und nie normativ. (Auch wenn einige Schreibratgeber anderes behaupten.)


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Abari
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Beitrag08.04.2020 15:23

von Abari
Antworten mit Zitat

Christof Lais Sperl hat Folgendes geschrieben:
Ist auch ein semantisches Problem.
Beispiel „tragen“: noch heute tragen sie solche Shirts. Springsteen trägt sie bei jedem Konzert.
Beispiel „trugen“: damals trugen Rockstars solche Shirts, heute sehen sie aber wie Lindemann aus.
Fittes Bemerkung ist sehr richtig, ich denke allerdings, dass Fitte/Hamburger das Phänomen zu systematisch angehen. Hier produziert die Sprache Sinnfelder, die aus der Regelhaftigkeit herausragen.


Die Logik gebietet mir, Dir recht zu geben. Ich würde - um wieder auf den Eingangspost zurückzukommen - von Fall zu Fall entscheiden müssen, ob es logisch richtig wäre, an dieser Stelle jeweils aus dem epischen Präteritum herauszutreten oder nicht. Die Stellen, die 'Franziska' aufführt, sind logisch richtig gedacht. Allerdings berücksichtigt sie nicht die Möglichkeit, dass Dinge, wie das Tragen von bestimmten Shirts, in die Gegenwart hineinragen können.

Freilich ist immer wieder Weihnachten. Aber: Wenn textimmanent ein bestimmtes Weihnachten gemeint ist, ist es logisch, textimmanent im Präteritum zu schreiben. Ist es das nicht, sondern die Menge aller (kommenden) Weihnachten gemeint, halte ich es für logischer, dies im Präsens zu setzen. Gesetzt den Fall, es überkäme in einem Buch einen Propheten 285 v. Chr., dass es überhaupt ein Weihnachten geben kann, so sogar im Futur.

Ich würde mich diesbezüglich immer auf die Textlogik verlassen. Denn wie wir sehen, ist die noch die verlässlichste Quelle für das kategorische epische Präteritum - oder eben Nicht-Präteritum.


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LG
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Willebroer
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Wohnort: OWL


Beitrag08.04.2020 15:39

von Willebroer
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Ein guter Erzähler weiß mit beiden Varianten umzugehen und sie gezielt einzusetzen. Nur als Leser weiß man oft nicht, ob der Autor weiß, was er tut oder was er eigentlich wollte.
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Christof Lais Sperl
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Der silberne Roboter


Beitrag09.04.2020 12:56
@Rübenach
von Christof Lais Sperl
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Hallo Rübenach, hier eine Erklärung: zwei verschiedene sprachliche Äußerungen haben immer unterschiedliche psychische und semantische Grundlagen. D.h. Sprache nicht nur ästhetisch und regelgesteuert-konventionell sehen, sondern auch als natürliches „Produkt“. Zuletzt entscheiden die Schriftsteller über die Form, welche ihren Gedanken am nächsten kommt. Vlg c

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