Kinderreime bis zum Abwinken

[menetekel]

Es gibt Vierzeiler mit jambischen Paarungen, die eher weniger bekannte Besonderheiten aufweisen.
Beispielsweise bei zwei männlichen Vierhebern, gefolgt von weiblichen Dreihebern (a a b b), deren strophische Zweiteilung (oft) durch einen inhaltlichen Wechsel im zweiten Vers angezeigt wird.

Handbetrieb

Von Zweifeln frei und selbstverliebt
schreibt Hinz bei Kunz (reimt hier auf "stiebt")
und sieht die Steilkarriere
im Glanz von Ru(h)m und Ehre.

 

[davidmuc]

Metaerotisches Lautbild

In was ich einst mit Tiefe schrieb,
in das droht hier der schiefe Trieb
ganz ohne Zweck zu dringen,
mich in den Dreck zu zwingen.

Dann sinke ich, ich schreib: Verlieb
dich nicht weil sich der Leib verschrieb:
lösch von der Mail die Zeilen.
Du kommst? Ich zähl die Meilen!

Ich schriebs mit leiser Schrift und sie?
Sie wirkte fast versifft und schrie,
“Komm machen wir nen Dreier,
ich kenn bei Trier nen Weiher!”

Noch schickt sie mir zuweilen Text
der Zellen gleich beim Teilen wächst.

[menetekel]

Du hast aber auch nur Pech, David!

*malübernkoppstreich

[menetekel]

Zum trüben Weiher ziehts mich nicht;
ich räkle mich im Sonnenlicht,
umfächelt und umsäuselt
vom eignen Haargekräusel,

und über mir spielt sanft der Wind
und wiegt mich ein so flüsterlind,
verwirft das Weh von heute
und gibt dir andre Beute.

Die Liebe stürzt mir in den Sinn -
doch ohne dich, du Teufelin!
In meinen wilden Träumen
wird Nummer 3 sich bäumen!

[Nina]

-

erblicks schon früh im schummerlicht
der vorstufe vom tageslicht
mene mit der nummer drei
trägt sie in der hand herbei

was hat es mit der nummer drei
nur auf sich ist es einerlei
geht es um liebe oder nicht
in diesem morgenschummerlicht?

-

[Michel]

Um mich herum herrscht Schummerlicht,
der Kopf ist stundenlang schon dicht.
Und ringsumher die Leute,
die wirken nicht von heute.

Die Nasen Pappe, feuerrot,
der Blick getrübt, beinah schon tot.
Manch einer lässt es nieseln,
um ins Kostüm zu pieseln.

Die Bässe schießen Löcher mir
ins Zwerchfell. Siebzehn Liter Bier
vertilgt mein Gegenüber.
Auch er blickt immer trüber.

Schon neigt der Abend sich der Ruh
und seligem Vergessen zu.
Es dämmert. Und ich sitze
im Rinnstein. Ohne Mütze.

[davidmuc]

Lieber Michel, ich kann das mitfühlen: Ich hatte auch mal eine Mütze, die mir sehr nahe war, eine handgemachte Schirmmütze aus Berlin, genäht aus einem alten Postsack - von einer begnadeten Verkäuferin aus Franken erworben auf einem Wochenmarkt... nun ja. Sie war mein Ein und Alles. Schniff
Aber Wir müssen jetzt ganz stark sein.
Denn hier kommt das...

Chanson des Vertriebsleiters

1
Ick steige ab im Kassler Hof,
den Playboy und den Hustler koof
ick mir meest kurz davor.
Druff einen Furz, d’accord?

(Refrain)
Ick hol von Frollein X mir Wein,
denn geh ick rin und wichs mir ein’
Die sind so kurz, die Stunden:
Der Börsensturz, die Kunden…
2
Doch icke leih mir einen Benz
und mach dabei mir einen Lenz:
Nach Sitzung hinter Sitzung
Die Folgen sind: Erhitzung!
3
Erholung? Ick bemängel ihr,
doch heute hilft ein Engel mir
Ick droh vorm Schlaf nur Brummern.
Dann will ick brav nur schlummern.

[menetekel]

Hallo Nina,
die Numero 3 bezieht sich doch auf Davids letztes Liebesabenteuer, das ich sozusagen fortführte.
Das Mützendrama überschattet allerdings die schönste Amour und fügt sich nahtlos in die Kette derzeitiger Weltkatastrophen.

So lange die aber noch so schön bedichtet werden, bleibt vielleicht noch Hoffnung! Erst recht mit unserer neuen Spielart, einem jambischen Vierzeiler, der sich aus zwei weiblichen Vierhebern, einem männlichen Vierheber und einem (verkürzten) männlichen Zweiheber zusammensetzt. a b a b

Und zwar folgendermaßen:


Kasseler Feinstrick

Ein Drama lauert in der Gasse,
wenn sich ein Mützchen dort verliert -
und noch dazu von Cashmere-Rasse:
Mein Glück pausiert!

[Tula]

Moin

Die letzte Runde war für den schwer arbeitenden Portugiesen etwas zu kurz, außerdem erlitt er einen schweren Verlust, über den sich nur unter Tränen schreiben lässt. Hier also mein Nachtrag:

Verlustmeldung

Die Libido, die Libido
hielt mich ein Leben fit und roh.
Nun ist mir entlaufen,
mit 'ihr', beim Schuhe kaufen.

Sie stellte sich noch einmal ein,
nach einem Schmaus und etwas Wein.
Dann floh sie just und schmollte,
als ich massieren(!) sollte.

Sie flog hinaus (zu dumm, zu dumm),
aus ihrem Equilibrium.
Zu Nachbars, kann man hören,
dort will sie niemand stören.


Schluchzende Grüße
Tula

[davidmuc]

Wo Kerle tief im Keller schnaufen
come in, it must be fun!
kann man das Glück sich schnell erkaufen,
als fast-bi- Mann.

Wo ich im Sog des Triebes schleiche
durch schwüler Nächte Rot,
da brachten uns die Liebesstreiche
in rechte Not:

Wo Männer stehen, hocken, schreiten,
im Drang und Hange leer,
in ihren Unerschrockenheiten -
Ist lange her.

[menetekel]

Andre Städte, andre Sitten

In Frankfurt heißt man Grabbelräume
wo blindlings Mann an Mann sich schmiegt;
dort sind die Träume Schäume
und Trieb obsiegt.

Vielleicht schenkt dies wem Möglichkeiten,
trotz Falten nicht allein zu sein,
erspart zudem das Heimgeleiten,
die Liebespein;

des Morgens aber wird er trauern
um sich, um jenen Lockenschopf,
der will woanders überdauern  –
ein schlauer Kopf!

[Michel]

Wo Kerle tief im Keller schnaufen
und schweißgebadet sich bemühn,
wo Protze Proteine kaufen,
zieht es mich hin.

Von Männerschweiß sind reif die Lüfte,
Testosteron zieht Schlieren schon,
und ranzig-herbe Männerdüfte
sind Schweißes Lohn.

Ich zieh das T-Shirt mir verlegen
vom Leib. Der Raum erstarrt im Nu –
nicht lang. Sodann braust mir verwegen
ihr Lachen zu.

Der allermächtigste Gorilla
zeigt mit dem Finger nach der Tür:
"Wir ham nu echt kein Platz im Kella
für Spargel hier."

[Tula]

kurze Weile

Ich sitz‘ wie Krösus auf dem Throne
in einem Kirschbaum. Überall
um mich herum, bis hoch zur Krone
lockt‘s rot und prall.

Ich strecke gierig meine Zunge
nach der Verheißung voller Saft.
Die Lust presst sich in Herz und Lunge,
mit wilder Kraft.

Ich greife, wie um mich zu rächen,
des Leibes letztes Elixier.
Es spritzt und strömt in hundert Bächen.
Jetzt bin ich Tier.

Dann tönt die Stimme, fast vergessen,
aus jenem Schatten unterm Baum.
„Du sollst hier pflücken und nicht fressen!“
Und aus der Traum.



LG
Tula

[Michel]

Großartig.  Vor allem der thematische Übergang zwischen vor- und letzter Strophe.

[menetekel]

Ja,
da kocht dit Blut!

Aber die anderen Beiträge hatten es ebenfalls in sich, saach ich ma.

Und nu?
Gibt es drei männlich Vierheber, die in einem ebenfalls männlichen Dreiheber enden. a b a b

In der Muckibude

O wüsste ich den Weg zurück,
den steilen Pfad ins Affenland;
ich liefe hin und fänd' mein Glück
an des Gorillas Hand.

(Nach Groth: O wüsst ich doch)

[davidmuc]

Ich wollte eigentlich direkt ans Fitnesscenter anschließen, aber übrig blieb: ein kleiner Reim auf Sport. Mein Vater konnte sich allerdings gar keinen Reim auf Sport machen, daher sei mir verziehen: - ein Hürdenlauf...

Ein Volk, das seit der Wende hurt,
dressiert, als ob ihr Hunde wärt,
nie reich durch eigne Hände wurd,
das ist der Wunde Herd.

Ein Volk, das man mit Sporen führt,
wir lieben, wenn wir führen, Sport,
das Glück, das man in Foren spürt,
bald, wie wir spüren, fort?

[Michel]

Uh, das übersteigt knapp mein Textverständnis. Ich bleib' bei der einfachen Lürik.

O wüsste ich den Weg zurück
zur Zeit, da brauner Flaschengeist
noch drinnen stak. Wie flüchtig Glück,
merkt man zu spät zumeist.

[menetekel]

Meine Zeit wird kommen

Und schliefe ich beim Joggen ein,
gemeinsam mit dem müden Coach,
dann ruhten wir so Bein an Bein
wie auf der Ledercouch.

Das wäre peinlich. Doch für ihn
blamabel! - Weil ich's später sag
der treuen Ehefrau Jasmin:

Ein wirklich schöner Gag!

P.S. Die Dinger "Coach und Couch", "Sag und Gag" heißen übrigens Augenreime. Sind mehr was für Liebhaber ...

[Michel]

Und schliefe mein Kollege ein,
derweil auf schmaler Ledercouch
sein Patient vom Trauma weint -
Kollege schlummert. Autsch!

Vom Schnarchen aufgeschreckt, enteilt
der Sitzung und der Agonie
sein Patient und ist geheilt
von jeder Therapie.

[davidmuc]

M&M - wie erfrischend - und heilsam, nachdem ich drei Tage auf dem parodontösen Zahnfleisch kroch. Patientenbericht:

Geschwächt? - geschwächt, vielleicht, ich sag,
von neuen Viren, Krise, Zank,
und war mein Text mal seicht, ich lag
geschwächt, präzise: krank.

ich durfte nichts bis Mittwoch, nein:
nicht Bier nicht Rauch nicht Fett noch Brei
Kommt ihr nachher noch mit - noch Wein?
Es wär mein Bett noch frei.

[Michel]

Oh! Ich hoffe, Du bist mittlerweile leidlich genesen.
Wobei "leid-lich"  möglicherweise erschreckend gut passt …

Mein Bett bleibt noch sehr lange frei!
Das hoff ich jedenfalls.
Das Virus zieht doch eh vorbei …
Es kratzt im Hals.

Geschwächt? Was, ich? Auf keinen Fall,
weil ich kein Virus hab.
Ich schreite stolz allüberall
und huste ab.

Es ist die Eigentherapie
des Menschen höchstes Glück.
In Splendid Isolation zieh
ich mich zurück.

Das Fieber steigt, der Schädel dröhnt,
es gibt nicht Fett noch Brei,
ein schadenfroher Teufel tönt:
"Das zieht vorbei."

das Echo meines Hustens dringt
Durchs kippgestellte Fenster.
Ein jeder röchelt. Ja, so klingt
der Reigen der Gespenster.

[poetnick]

Hoffe, ihr seid alle noch wohlauf...der Humor trägt jedenfalls  

Durchzug

Wie kaum je drängt mit Stumpfkadenz
durchs Fenster in mein Heim
und stetem Schlag, zum Auftakt Lenz,
der wildgewordne Keim.

Auch duckt sich tief der flache DAX
vor unsichtbarem Schreck,
als läg auf meinem Dache Flachs,
mir scheint, es fliegt bald weg.