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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 01/2020
Der Duft von Schnee

 
 
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Kiara
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 44
Beiträge: 1404
Wohnort: bayerisch-Schwaben


Beitrag04.02.2020 12:28

von Kiara
Antworten mit Zitat

Vielen Dank für das Lesen, Kommentieren und Bewerten meines Textes.
Die Kommentare haben mich gefreut, andere geärgert und einige fand ich äußerst interessant.

@alle:
Die persönlichen Nachrichten an euch stehen unten aufgelistet. Es würde mich sehr freuen, erneut von euch zu lesen, nachdem ihr meine Erklärungen durchgesehen habt.

Vorgabe:
Zwei Personen, die nicht reden, so viel war allen klar.

Kintsugi-Konzept:
Das Hauptproblem war anscheinend, dass das "Flicken" meines "Bruches" nicht erkannt wurde, der Goldlack fehlt: Ja, weil er nicht da ist. Er war nie vorgesehen, denn:
"Ein Gelingen dieses Konzepts ist ebenso zugelassen wie sein Scheitern."
Der Bruch ist von, so glaube ich, allen erkannt worden: Die zerbrochene Kameradschaft. Der Bruch wird nicht geflickt, das Gold scheitert. Das Kintsugi-Konzept scheitert.

Das ist so ein Moment, wo ich es hasse, dass ich nicht die Geschichte anders aufgebaut habe. Denn so, bin ich mir sicher, habe ich mich selbst um einige Punkte gebracht, weil ich eine Ausnahme im Regelwerk verwendete, die nur wenige auf dem Schirm hatten. Somit wurde dem Text ein Fehlen des notwendigen Kintsugi unterstellt, der aber klar vorhanden ist, nur eben mit dem Scheitern des Konzepts.

Die Auflösung:
Es sind mehrere Enden möglich. Hierbei gibt es zwei Abzweigungen:

Erste Abzweigung: Was sieht der Beobachter wirklich?
Zweite Abzweigung: Wie handelt er letztendlich?

Ersten Option, die offensichtliche: Der Beobachter sieht Frau und Kinder, denkt, sein Kamerad will erneut ein Blutbad anrichten.
Er zieht die Waffe, um einen Warnschuss abzugeben, oder aber um sich oder seinen Kameraden hinzurichten. Alle drei Varianten sind denkbar und wurden von mir offengelassen.

Zweite Möglichkeit: Der Beobachter bildet sich fast alles ein, was im zweiten Absatz geschrieben steht, nach diesem letzten Satz im ersten Absatz:
Zitat:
Ich atme genussvoll ein, schließe die Augen.

Er ist übermüdet, traumatisiert, am Ende seiner Kräfte. Ein Tagtraum. Er denkt, er sieht Kinder und die Frau, aber dort ist niemand.
Trotzdem zieht er, als er aufwacht, die Waffe. Sein Kamerad erschrickt, denkt, er will ihn erschießen.
Oder er denkt, er will sich erschießen.
Interpretationsraum für die Leser.

Dritte Möglichkeit: Der Beobachter sieht tatsächlich jemanden und bildet sich ein, dass es spielende Kinder sind, deren Geschrei er zu hören glaubt. Stattdessen sind es bewaffnete Feinde, die sich Kommandos zurufen, er kann ihre Münder sehen. Die Frau ist ebenfalls eine Einbildung, sie ist der Vorgesetzte der beiden und schickt die Männer in Richtung eines Hochsitzes, um die Gegend zu sichern. Das Baby auf dem Arm ist eine Waffe.
Hier liegt die Verbindung zu dem fast liebevollen Umgang des Beobachters und des Schützen mit ihren Waffen, die sie wie Babys behandeln, ihnen Namen geben, sie mit ins Bett nehmen.
Auch diese Variante ist denkbar, denn der Schütze will trotzdem schießen, obwohl ihm sein Beobachter keine Daten liefert.
Das Ende könnte somit sein, dass der Beobachter einen Warnschuss abgibt, weil er der Einbildung erliegt, oder aber seinen Kameraden erschießt, um ein Blutbad zu verhindern, oder aber von seinem Kameraden erschossen wird, weil dieser seine Reaktion falsch interpretiert und selbst schneller reagiert.
Zitat:
Sehe, wie du glaubst, zu verstehen. Wie du dich irrst.


Vergangenheit, Mehrschichtigkeit:
Die Verzweiflung des Beobachters ist nicht klar greifbar. Sind es die schrecklichen Ereignisse vor 17 Tagen? Ist es der wenige Schlaf seitdem? Sind es die allgemeinen Gedanken nach viel zu langem Einsatz über den Krieg, gepaart mit den Erinnerungen an die getöteten Unschuldigen?

Die eigene Vergangenheit des Beobachters, in der er brav den Dienst geleistet hat, ist ihm fremd geworden. Er kann seit dem Vorfall nicht mehr zurück zu seinem alten Ich, ist traumatisiert. Trotzdem hat er seinen Kameraden, den Schützen, geliebt. Die beiden haben viel miteinander durchgemacht. Der Kanadier nennt seine Waffe Waltraud, um dem Deutschen seine Wertschätzung zu zeigen. Der Deutsche nennt seine Waffe Peggy, um wiederum dem Kanadier zu gefallen. Peggy ist ein Kosename und angelehnt an die kanadische Stadt Winnipeg.

Das schreckliche Szenario des Krieges ist absichtlich distanziert und gefühllos - bis auf das traumatisierende Ereignis - beschrieben. Denn nur so kann der Beobachter sich selbst schützen. Das zurückliegende Ereignis jedoch überwiegt alles und lässt diesen Schutz nicht mehr zu.

Der Schütze wird von ihm die gesamte Zeit so dargestellt, als hätte er eine Wahl gehabt. Hätte Mutter und Baby erschossen und auf die nackte Brust geblickt, gelacht, geprahlt. Da er jedoch nie zu Wort kommt, um sich selbst verteidigen zu können, ist es nicht sicher, ob alles wirklich so abgelaufen ist.
Es wäre auch denkbar, dass er eine bewaffnete Frau erschossen hat, die trotzdem ein Baby bei sich trägt. Gewaltbereite Frauen gibt es nicht nur bei den Taliban, und mit einer Manduca oder ähnlicher "Halterung" für das Baby kann man auch eine Waffe mit beiden Händen bedienen. Hätte sich der Schütze also nur verteidigt, dabei aber Frau und Baby erschossen, sähe das Bild schon anders aus. Dass diese Situation schrecklich ist, steht außer Frage.

@nebenfluss
gerne!

@gold
Du hast den Bruch in der getöteten Familie gesehen, das hängt mit dem eigentlichen Bruch zusammen - der Bruch zwischen den Kameraden. Dies ist der eigentliche Bruch.
Die Goldlinie, die du mit der Waffe assoziierst, ist genial gedacht - vielen Dank dafür! Dennoch war es nicht so gedacht von mir: Das Konzept des Kintsugi scheitert bei meiner Geschichte, siehe Vorgaben.
Das Kleid ist dreideutig, siehe Erklärung oben.
Ganz lieben Dank für deine um-die-Ecke-gedachten Gedanken! Und nochmals danke für die guten fünf Punkte!

@Catalina
Die Vergangenheit hast du toll interpretiert!
Das Scheitern des Kintsugi-Prinzips leider nicht.
Danke fürs Lob bezüglich des Stils.

@hobbes
Du hast geschrieben, dass der Anfang nicht zum Ende passt. Zu ruhig ist es zu Beginn. Das ist für mich der Inbegriff vor einem Feuergefecht. Die Ruhe vor dem Sturm. Du siehst die Natur und im nächsten Augenblick bricht der Sturm los. Hier ist dies dargestellt mit der Zahlenaffinität des Beobachters, mit der er versucht, einen klaren Kopf zu bewahren. Doch er kann sein Trauma nicht überwinden.
Das ist keine Rückblende mit der Frau und der Villa, siehe Erklärung oben. Somit erübrigt sich der Rest. Das hat dich leider nicht erreicht, oder du warst von den dir persönlich unpassenden Bildern zu abgelenkt und wolltest nicht weiter darüber nachdenken.

@Literättin
Vielleicht kann dir die Lektüre der Aufklärung oben helfen, die Hintergründe zur Geschichte zu verstehen.
Die verschiedenen Möglichkeiten des Schlusses haben sich dir leider nicht erschlossen, weil du die Geschichte bis dahin schon gehasst hast. Das kann ich dir nicht vorwerfen, dazu ist die Thematik zu "übel".

@Kojote
Ich fühle mich durch deinen Kommentar geehrt. Ein Chapeau zu erhalten war mehr, als ich mir erhofft habe. Herzlichen Dank dafür, und natürlich für deine Bestwertung, zwölf Punkte - krass!

@a.no-nym
Jeder Satz ein Treffer. Vielen Dank für dieses Lob.
Bezüglich der Vorgabe: Diese Frau und die Kinder müssen nicht real sein, das ist Interpretationsspielraum. Siehe Auflösung oben, vielleicht kannst du mir folgen.
Danke für deine drei Punkte!

@traumLos
Deine Interpretation, dass die Reparatur des Bruches nicht gelingt, ist goldrichtig. Danke!
Dicht und distanziert sind zwei Bestandteile, die ich in den Text einbringen wollte.
"gleichzeitig Einfühlsam, eiskalt und abstoßend" - perfekt.
Danke für die schöne Interpretation und immerhin zwei Punkte!

@schreiberlinga
Das Ende ist absichtlich offen, vielleicht magst du meine Erklärung oben dazu lesen?
Danke vielmals für starke sechs Punkte!

@MoL
Vielen Dank für das Lob!
Das Gold in den Rissen ist ein schöner Gedanke, doch das Prinzip des Kintsugi scheitert hier, siehe Erklärung oben.
Danke nochmals für das positive Feedback bezüglich des Schreibstils und deine tollen sechs Punkte!

@Constantine
Wie immer sind deine Kommentare ausführlich, du befasst dich mit der Geschichte, sezierst sie quasi.
Der Bruch ist der Bruch in der Kameradschaft seit diesem Ereignis, das "nicht-mehr-zurückkönnen" des Beobachters.
Vielleicht hilft die die Erklärung weiter oben, meine Hintergedanken zum Text zu erfassen.
Du hast erkannt, dass das Scheitern des Kintsugi verwendet wurde. Danke dafür, das war anscheinend nicht einfach, hat nicht bei allen geklappt.
Die Namen der Waffen sollen zeigen, wie sehr die Männer sie lieben, wie wichtig sie für sie sind.
Peggy/Waltraud: Der Gedanke, dass der Kanadier seiner Waffe einen deutschen Namen gibt und der Deutsche einen englischen/amerikanischen Namen, soll die Verbindung der beiden aufzeigen. Wobei es Peggy auch im deutschen gibt, klar. Aber eigentlich ist es als Koseform von Winnipeg gedacht, einer kanadischen Stadt, siehe Erklärung oben.
Zur Rückblende: Hier hilft die die Auflösung, da es mehrere Interpretationsmöglichkeiten geben soll. Schade, dass es bei dir nicht ankam. Hätte ich hier noch einen erklärenden Satz einbauen sollen?
Vielleicht hättest du alles dann auch "gewagter" gefunden, wie du kritisiert hast, und nicht über verschenktes Potenzial geklagt. Erkläre ich aber zu viel im Text, wird er schwächer, meiner Meinung nach. Ein Dilemma.

@holg
Eventuell hilft dir die Auflösung oben, den Text besser zu verstehen. Es würde mich freuen, wenn du es versuchst.
Banal ist das Ganze letztendlich sowieso, denn es ist nur Krieg, in dem Soldaten wie Schachfiguren herumgeschoben werden, während die Anführer und Politiker gemütlich am Schachbrett sitzen.

@firstoffertio
Ja, es ist erfunden. Ertappt. Ich war nicht dabei.
Die Grundlage ist allerdings real, das ist der Krieg in Afghanistan.
Ich würde mich freuen, wenn du die Erklärungen lesen würdest.
Danke für deinen letzten Punkt!

@Minnewall
Herzlichen Dank!
Für Punkte hat es leider nicht gereicht. Vielleicht magst du die Erklärungen durchlesen und mir nochmal Feedback geben. Wenn du Zeit hast.

@Ribanna
Die Thematik ist hart und unangenehm, ich kann verstehen, dass es dir nicht liegt und du dich zwingen musst, weiter zu lesen. Vielleicht magst auch du dich nochmal mit der Auflösung oben befassen, um Zugang zum Text zu erhalten.

@V.K.B.
Deine Interpretation über Beobachter und Schütze ist schön, danke dir. Es ist eine der Möglichkeiten, dass der Schütze ein "kranker Wichser" ist und der andere es erst bei diesem Ereignis realisiert hat.
Der Gedanke, dass er die Vergangenheit im Krieg allgemein sieht und ihn für sich abgeschlossen hat, ist gut - er kam mir so nicht. Das wäre auch eine Option gewesen, vielleicht noch etwas tiefgründiger - doch eventuell noch unklarer zu erkennen. Und das ist ein Aspekt, der mir eh schon um die Ohren geflogen ist: Das es zu verschachtelt ist, zu unklar.
Das Kintsugi-Konzept scheitert! Ich bin unsicher, ob das für dich klar war.
Vielen Dank für dein Lob und hervorragende acht Punkte! Das ehrt mich!

@silke-k-weiler
Danke für dein Lob.
Das Danach ist absichtlich offen gehalten, denn es gibt viele Möglichkeiten. Ich würde mich freuen, wenn du die Auflösung lesen würdest.

@Michel
Danke für deinen Kommentar. Ich würde mich über einen weiteren freuen, wenn du die Auflösung oben gelesen hast. Und evtl. die Kommentare. Wenn du die Zeit hast.

@Jenni
Ist ja auch ein schweres Thema. Würde mich trotzdem über einen weiteren Kommentar freuen, wenn du die Auflösung oben gelesen hast.

@Lalanie
Danke für dein Lob! Ich glaube dennoch, dass dein Intellekt ausreicht - warum denn nicht?
Es ist nicht sicher, dass dieser Schuss am Ende fällt. Schau dir mal die Auflösung oben an - vielleicht gibt das noch einen Aha-Effekt.
"Dein Gefühl für die Sprache, die genauen Beschreibungen, die lebhafte, bildhafte, ausdrucksstarke Wortwahl." Wow. Echt toll, danke!
"Damit bist Du für mich ein wirkliches Vorbild." Zu viel der Ehre!
Das Konzept des Kintsugi scheitert in meiner Geschichte, siehe Auflösung.
Schade, dass es für dich trotz des vielen Lobes nicht für Punkte gereicht hat.

@Poetnick
Danke für dein Lob. Das "Unheimliche", wie du es beschreibst, fühle ich ebenfalls. So ein ganzes Kriegsszenario ist wie ein "fremdes Land", wenn man nicht selbst dabei war. Das macht es so spannend, hier zu recherchieren und sich in diese Situationen hineinzuversetzen, so gut es eben geht.
Vielleicht magst auch du die Auflösung, siehe oben, durchlesen und mir deine Gedanken mitteilen. Leider hat es anscheinend für Punkte nicht gereicht.

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Beitrag04.02.2020 13:59

von Michel
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Meine Güte, hast Du das alles beim Schreiben gedanklich miteinbezogen? Das sind die Momente, in denen ich mir entsetzlich ... gedankenlos vorkomme. Allerdings ist mir das schon fast eine Umdrehung zu weit gedreht. Natürlich kann zu jedem Zeitpunkt innerhalb einer Geschichte eine Weichenstellung erfolgen, aber ich bin rückwirkend ganz froh, dass ich zum Lesezeitpunkt Dein Schema noch nicht vor Augen hatte. Vielleicht zu stark vereinfachend, aber für mich liest eben der Bauch auch mit und nicht nur der innere französische Filmkritiker.
Zur Frage nach der (Nicht-)Genre-Zuordnung hat mir Sleepless mit seinem Kommentar, dass Krieg nicht gleich Kriegsgenre heißt, geholfen. Nein, kein Genre. Einfach eine sauspannende Geschichte. smile


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Kiara
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Beitrag04.02.2020 15:28

von Kiara
Antworten mit Zitat

Danke fürs erneute Vorbeischauen smile
Und für deine Gedanken.
Auch für dein Lob!


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gold
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Beitrag04.02.2020 15:33

von gold
Antworten mit Zitat

jetzt mal eine ganz neugierige Frage:

Wieso kennst du dich eigentlich so gut in der Army aus??? Wenn dir das zu privat ist, kannst du mir gerne eine PN schicken... Smile , wenn du magst.


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Beitrag04.02.2020 15:56

von Kiara
Antworten mit Zitat

Ist nicht privat, alles gut.

Es ist reines Interesse, das ich mit Recherche über diverse Medien befriedige, um mein Halbwissen ständig zu erweitern.

Krieg ist eine Angewohnheit, die man nicht austreiben kann... obwohl Krieg einfach schrecklich ist bzw. sein muss, denn ich habe (noch) keinen miterlebt, will ich auch nicht.


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Beitrag04.02.2020 15:56

von Michel
Antworten mit Zitat

Und wenn's nicht zu privat ist, wäre ich da auch extrem neugierig!

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Kiara
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Beitrag04.02.2020 16:05

von Kiara
Antworten mit Zitat

da hat sich was überschnitten Exclamation

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V.K.B.
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Beitrag04.02.2020 16:11

von V.K.B.
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Zitat:
@V.K.B.Ich schreib mal einfach mit meinem Cthulhu-Grün dazwischen
Deine Interpretation über Beobachter und Schütze ist schön, danke dir. Es ist eine der Möglichkeiten, dass der Schütze ein "kranker Wichser" ist und der andere es erst bei diesem Ereignis realisiert hat. Deine anderen Erklärungen sind interessant, aber besonders die Anti-Story-Variante ist für den Leser weit hergeholt. Ich sprach in meinem Kommentar von einer Deutungshoheit des Protagonisten, und es gibt eine Art Urvertrauen zwischen Leser und Erzähler. Heißt, der Leser glaubt dem Erzähler erst einmal, ist per suspension of disbelief sogar gewillt, Ungereimtheiten zu übersehen. Um in den Bereich der Anti-Story (unzuverlässiger Erzähler berichtet Dinge, die einer Täuschung oder einem Wahn entspringen, aber nicht real sind) zu gelangen, muss man dieses Urvertrauen zerstören oder zumindest sichtbar ankratzen. Zum Beispiel, wie Chambers es als Erfinder der Anti-Story in "The Repairer of Reputations" (1895 geschrieben) macht, indem er seinen Protagonisten empört erwähnen lässt, sein Bruder würde die angeblich vom Protagonisten in Sicherheit gebrachten Kronjuwelen abfällig als "Keksdose" bezeichnen. Das wirft den Leser aus dem Vertrauen, er überlegt "Was, wenn es wirklich nur eine Keksdose ist?" und fängt an, die gesamte Erzählung in Frage zu stellen und erkennt sie schließlich als komplette Fabrikation eines Geisteskranken, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so nicht passiert ist. Das erspart den plumpen "war doch alles anders"-Twist am Ende (wie man ihn heute bei modernen Anti-Storys in Hollywood-Filmen meist vorfindet). Dieser Twist ist für eine gute Anti-Story nicht nötig, aber ein Hinweis wie bei Chambers, dem Erzähler die Deutungshoheit zu entziehen oder zu hinterfragen, ist für eine Anti-Story-Interpretation schon vonnöten, weil einer solchen sonst Urvertrauen und suspension of disbelief im Weg stehen. Da ich einen solchen Hinweis hier nicht entdecken kann, finde ich diese Interpretation etwas weit hergeholt (für den Leser).

Der Gedanke, dass er die Vergangenheit im Krieg allgemein sieht und ihn für sich abgeschlossen hat, ist gut - er kam mir so nicht. Das wäre auch eine Option gewesen, vielleicht noch etwas tiefgründiger - doch eventuell noch unklarer zu erkennen. Und das ist ein Aspekt, der mir eh schon um die Ohren geflogen ist: Das es zu verschachtelt ist, zu unklar. Das Grunddilemma des Zehntausenders. Da werden vielschichtige Texte verlangt, aber kaum jemand scheint willens oder fähig, so zu lesen.

Das Kintsugi-Konzept scheitert! Ich bin unsicher, ob das für dich klar war. Doch, scheitert in meiner Geschichte ja auch. Und auch in meiner Interpretation deiner Geschichte kann es keine gelungene Reparatur sein, einen Mörder zu ermorden.

Vielen Dank für dein Lob und hervorragende acht Punkte! Das ehrt mich! Da nicht für.


beste Grüße,
Veith


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silke-k-weiler
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Beitrag04.02.2020 16:25

von silke-k-weiler
Antworten mit Zitat

Hallo Kiara,

wow, vielen Dank für die Erläuterungen. Ich habe den Text daraufhin noch einmal gelesen.

Kiara hat Folgendes geschrieben:

Kintsugi-Konzept:
Das Hauptproblem war anscheinend, dass das "Flicken" meines "Bruches" nicht erkannt wurde, der Goldlack fehlt: Ja, weil er nicht da ist. Er war nie vorgesehen, denn:
"Ein Gelingen dieses Konzepts ist ebenso zugelassen wie sein Scheitern."
Der Bruch ist von, so glaube ich, allen erkannt worden: Die zerbrochene Kameradschaft. Der Bruch wird nicht geflickt, das Gold scheitert. Das Kintsugi-Konzept scheitert.


Das habe ich erkannt, dass es um das (erlaubte) Scheitern ging. Und Brüche durchzogen nicht nur die Kameradschaft, sondern auch die beiden Personen selbst, wenn man von dem Krieg als Hauptbruch absieht.

Ich glaube aber wirklich, ich war irgendwo ein wenig betriebsblind, weil ich mich ja selbst mit dem Thema auseinandergesetzt habe. Meine eigene Sichtweise auf das Thema hat immer wieder einen Schatten geworfen.

Kiara hat Folgendes geschrieben:

Die Auflösung:
Es sind mehrere Enden möglich. Hierbei gibt es zwei Abzweigungen:

Erste Abzweigung: Was sieht der Beobachter wirklich?
Zweite Abzweigung: Wie handelt er letztendlich?

Ersten Option, die offensichtliche: Der Beobachter sieht Frau und Kinder, denkt, sein Kamerad will erneut ein Blutbad anrichten.
Er zieht die Waffe, um einen Warnschuss abzugeben, oder aber um sich oder seinen Kameraden hinzurichten. Alle drei Varianten sind denkbar und wurden von mir offengelassen.

Zweite Möglichkeit: Der Beobachter bildet sich fast alles ein, was im zweiten Absatz geschrieben steht, nach diesem letzten Satz im ersten Absatz:
Zitat:
Ich atme genussvoll ein, schließe die Augen.

Er ist übermüdet, traumatisiert, am Ende seiner Kräfte. Ein Tagtraum. Er denkt, er sieht Kinder und die Frau, aber dort ist niemand.
Trotzdem zieht er, als er aufwacht, die Waffe. Sein Kamerad erschrickt, denkt, er will ihn erschießen.
Oder er denkt, er will sich erschießen.
Interpretationsraum für die Leser.


Variante 1 ist klar.
Den Sprung zu Variante 2 habe ich beim Lesen nicht geschafft, obwohl es mir eigenartig vorkam, dass die Frau die gleiche Kleidung wie das Opfer des Blutbads trägt. Klar, das Schließen der Augen, darauf folgt eine Reflexion bei der Villa ... durch den Absatz nahm ich das Schließen der Augen als kurzes "Luftholen" wahr, bevor es "losgeht". Die Reflexion wiederum als Signal, dass es losgeht.

Kiara hat Folgendes geschrieben:
Dritte Möglichkeit: Der Beobachter sieht tatsächlich jemanden und bildet sich ein, dass es spielende Kinder sind, deren Geschrei er zu hören glaubt. Stattdessen sind es bewaffnete Feinde, die sich Kommandos zurufen, er kann ihre Münder sehen. Die Frau ist ebenfalls eine Einbildung, sie ist der Vorgesetzte der beiden und schickt die Männer in Richtung eines Hochsitzes, um die Gegend zu sichern. Das Baby auf dem Arm ist eine Waffe.
Hier liegt die Verbindung zu dem fast liebevollen Umgang des Beobachters und des Schützen mit ihren Waffen, die sie wie Babys behandeln, ihnen Namen geben, sie mit ins Bett nehmen.
Auch diese Variante ist denkbar, denn der Schütze will trotzdem schießen, obwohl ihm sein Beobachter keine Daten liefert.
Das Ende könnte somit sein, dass der Beobachter einen Warnschuss abgibt, weil er der Einbildung erliegt, oder aber seinen Kameraden erschießt, um ein Blutbad zu verhindern, oder aber von seinem Kameraden erschossen wird, weil dieser seine Reaktion falsch interpretiert und selbst schneller reagiert.
Zitat:
Sehe, wie du glaubst, zu verstehen. Wie du dich irrst.


Variante 3 hatte ich tatsächlich kurz in Betracht gezogen, dass die Erinnerung an das Ereignis das wahr Geschehen im Garten der Villa überlagert.

Es ist definitiv ein saustarker Text. Meine Sicht kam aber irgendwie durch die Goldlack-Brille.

Viele Grüße
Silke
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Kiara
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Beitrag04.02.2020 18:00

von Kiara
Antworten mit Zitat

Vielen Dank, V.K.B. und silker-k-weiler für eure neuen Kommentare und dass ihr nochmals Zeit aufbringt für einen Text eines Wettbewerbs, der bereits der Vergangenheit angehört - wenn auch frisch.

Toll!


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Literättin
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Beitrag05.02.2020 09:24

von Literättin
Antworten mit Zitat

Liebe Kiara,

ich hatte deine Erklärungen tatsächlich bereits gelesen, dir liegt viel an deinem Text, das ist klar, ich hatte mich hier aber nicht gemeldet, allein schon, um dich nicht weiter zu frustrieren, dass der Text bei mir nach hinten losgegangen ist. Ich hasse ihn nicht, deinen Text, ich schrieb "ich verabscheue die ganze Szenerie". Mir war klar, dass das ein starkes Wort ist, aber ich kann es nicht ändern.

Ich habe deinen Text seither noch zwei-, drei Mal gelesen. Auch mit deinen Ausführungen im Kopf, auf die du mich jetzt extra noch einmal per pn hinweist, was, wie gesagt, gar nicht nötig gewesen wäre.

Jetzt melde ich mich von daher hier noch einmal, um vielleicht etwas zu erhellen, weshalb es auch so für mich nicht aufgeht:

Kiara hat Folgendes geschrieben:
@Literättin
Vielleicht kann dir die Lektüre der Aufklärung oben helfen, die Hintergründe zur Geschichte zu verstehen.
Die verschiedenen Möglichkeiten des Schlusses haben sich dir leider nicht erschlossen, weil du die Geschichte bis dahin schon gehasst hast. Das kann ich dir nicht vorwerfen, dazu ist die Thematik zu "übel".


Mir ist nicht die Thematik "zu übel", beschriebe sie denn, was ein übler Krieg aus "braven Soldaten" machen kann: mordlüsterne pervertierte Kampfmaschinen, oder einfach kaputte Menschen, die all das Kriegsgeschehen einfach nicht mehr ertragen können.

Die zwei, die hier in Szene gesetzt werden, in quasi klischiertem Gegensatz zur unschuldig in zartes Weiß (Kleid und Schnee) gesetzte Frau mit Säugling, sind Profis, sie sind routiniert, sie sind nicht nur gut, sonder die besten ihres Faches, sie sind freiwillig da, es sind Elitesoldaten und es sind Söldner, die sich das beste Material aussuchen können, mit denen sie den ausgewiesenen Feind ausschalten. Und dennoch werden sie gleichzeitig als die eigentlichen Kriegsopfer inszeniert. Und diese Charakterisierung steht von Anfang an im Vordergrund:

Kiara hat Folgendes geschrieben:
Unser Befehl: Ausschalten von Talibanführern. Ein Gipfeltreffen, so hieß es. Auflauern, liquidieren, zurückziehen.


Kiara hat Folgendes geschrieben:
Seit neunundvierzig Stunden und zwölf Minuten liegen wir hier nebeneinander, achteinhalb Meilen vor der Frontlinie, zwischen Kondoz und Mazar-e Sharif. Dennoch steigen Zweifel in mir auf, wie so oft in den letzten Stunden. Funkkontakt haben uns die Amis untersagt, um unsere Position nicht zu verraten. Niemand, nicht einmal unsere Kameraden wissen, wo wir postiert sind. Aber wer sagt uns, dass sich die Frontlinie nicht mittlerweile verschoben hat? Dass unsere Haupttruppe zurückgedrängt wurde und wir mitten im Feindesland ausharren? Mitten in Afghanistan - einem unbekannten Land? Einem verdammten Land?


Kiara hat Folgendes geschrieben:
Du siehst mich an; ich schüttle den Kopf, sage nichts. Dein linker Mundwinkel verzieht sich nach oben. Du siehst müde aus, zu erschöpft, um mich aufzuziehen, weil ich seit siebzehn Tagen manchmal abwesend bin


Kiara hat Folgendes geschrieben:
Einen Tag noch, nur noch einen verdammten Tag. Nein, es sind nur noch zweiundzwanzig Stunden und achtundvierzig Minuten. Siebenundvierzig. Dann heißt es für uns endlich: Rückzug. Ein beschwerlicher Marsch, bergauf durch den Schnee. Stets darauf bedacht, unentdeckt zu bleiben. Und an der Frontlinie nicht von den Amis erschossen zu werden.


Kiara hat Folgendes geschrieben:
Du liegst ganz still neben mir, die McMillan Tac-50 im Anschlag. Kaliber Zwölfkommasieben mal neunundneunzig Millimeter. Du und deine kanadische Waffe, vereint. Waltraud und du. Von welchem Wahnsinn muss ein Canuck befallen sein, das er sein Gewehr Waltraud nennt?


Kiara hat Folgendes geschrieben:
Dennoch vergesse ich nicht, dass du der Beste deines Fachs bist. Dass deine Schüsse die Ziele nahezu nie verfehlen. Wie im vergangenen Einsatz. Ich träume noch immer davon. Du hingegen brüstet dich damit; versteckst dich nicht, sondern stellst deine Taten zur Schau. Prahlst sogar vor den Kameraden. Sie fürchten dich; wagen es nicht, dir zu widersprechen. Wenn ich ehrlich bin, ergeht es mir ebenso. Habe es ein einziges Mal gewagt. Dein entgleister Blick, wenn du erzählst, voller Zorn - und doch sehe ich auch Verletztheit darin. Versteckt hinter der starren Maske, wenn du zielst, das Visier nach meinen Vorgaben einstellst. Während sich dein gesamter Körper spannt und die Konzentration dich voll vereinnahmt. Ich beobachte dich heimlich dabei, während du mit deiner Waffe zusammenwächst. Beneide dich um die ruhige Hand. Wie du tief einatmest, einen Teil der Luft wieder herauslässt und verharrst. Bereit, den Tod zu bringen. Ein Virtuose am Gewehr. Bester Beobachter und bester Scharfschütze. Ein Spotter-Sniper-Dreamteam, so nennen sie uns.



Kiara hat Folgendes geschrieben:
Wir haben schon viel durchgemacht, uns gegenseitig den Arsch gerettet, wenn es darauf ankam. Wir lassen uns nicht trennen. Nicht von Maschinengewehrsalven, explodierenden Mörsergranaten oder Sturmangriffen.


Dann kommt ein Wechsel, der im Grunde nicht wirklich einer ist, weil auch hier die soldatische Bruderliebe zum Eigentlichen wird:

Kiara hat Folgendes geschrieben:
So dachte ich. Bis vor siebzehn Tagen.
Die Bilder wollen nicht mehr aus meinem Kopf. Die Häuserschluchten, die toten Kämpfer. Die Frau in dem weißen Kleid. Der Säugling.
Dein Grinsen, als du ihre blutverschmierte, nackte Brust siehst.
Die Kinder. Ihre Schreie hallen noch immer in meinen Ohren wider.
Meine Gedanken finden den Blick auf dieses grausige Tableau immer wieder. Tags und nachts. Ich kann dir nicht verzeihen, obwohl ich dich wie einen Bruder liebe.
Dieses Blut an deinen Händen - ich kann es sehen. Ich kann es riechen.
Es klebt an dir. Es bleibt.
Verdammtes Afghanistan.
Ich blicke wieder nach vorne.


Und er ist wieder ganz der Profikiller:

Kiara hat Folgendes geschrieben:
Der Wind bläst aus nordwestlicher Richtung, etwa fünfzehn Grad rechts hinter uns. Über den Feldern schätze ich, dass es zwanzig, vielleicht sogar einundzwanzig Meilen pro Stunde sind. Ein Windmesser ist nutzlos, am Waldrand verwirbelt der Windstrom sowieso. Müssen uns auf unsere Erfahrung, unser Gefühl verlassen. Früher hast du Angaben in Knoten vorgezogen, doch wir müssen uns den Befehlen beugen: Alle Angaben sind in Meilen pro Stunde anzugeben. Einheitlich. Du hast dich dem untergeordnet; zu wichtig sind dir meine exakten Angaben, die bei unseren Kameraden als legendär gelten.
Genauso wie deine Treffsicherheit mit Waltraud.


Das ist der Hauptteil des Textes, den ich hier rein kopiert habe und ich habe von daher keine Wahl, mir verschiedene Ausgangsvarianten oder aus dem Rest heraus zu interpretieren. Der Text führt von selbst zu diesem einen Ziel des "soldatischen Brudermordes" - in meinen Augen und so wie mir die zwei aufs selbige gedrückt werden, es sei denn, ich überlese die ganze Zeit, was da schwarz auf weiß steht.

Es spielt dabei nicht einmal eine Rolle, ob das jetzt real ist, ob das folgende ein Flashback ist, oder sich real wiederholt.

Auf einen Warnschuss, oder gar Selbstmord ist der ganze Text, so wie er da steht ganz einfach nicht angelegt. Da müsste ich schon bewusst aus dem Text aussteigen und mir eine eigene Version zurecht legen, um um mein leider so herbes Urteil herum zu kommen.

Und mir bleibt zum Schluss als einzige Frage: Wieso war der eine Held nicht einmal so mutig, seinen geliebten Bruder-Kameraden nach der ersten Gelegenheit zu stellen: verbal, im Streit, vielleicht sogar per ausgesprochener Meldung?

Und mir bleibt nur der eine Rückschluss: wie denn, es sind ja Söldner. Elitesoldaten. Jene, die sich selbst im Kriegshandwerk erhöhen und einer fragwürdigen Mystifizierung ihres Handwerks und ihrer Elitetruppe folgen.

Und da ist sie wieder, meine Abscheu gegen diese ganze Szenerie, die mir wenig Platz für anderes lässt.

So leid es mir tut.

LG, Literättin


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Kiara
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Beitrag05.02.2020 10:48

von Kiara
Antworten mit Zitat

@Literättin

Hallo smile

Dann sorry, dass ich dich per PN auf meine Antwort hingewiesen habe. Ich konnte ja nicht wissen, dass du bereits up-to-date bist. Viele Nutzer haben genügend andere Sachen um die Ohren, so scheint es mir.

Literättin hat Folgendes geschrieben:
...dir liegt viel an deinem Text...

Ich fände es schrecklich, wenn es nicht so wäre. Wenn ich es einfach "hingerotzt" hätte und es mir anschließend egal wäre. Ja, du hast vollkommen recht: Ich bin da "voll drin".

Ich danke dir für deine erneuten Eindrücke und Erklärungen. Ich kann nicht viel ändern, glaube ich. Meine Geschichte kann nicht für jeden funktionieren. Danke, dass du dich erneut damit auseinandergesetzt hast.

Literättin hat Folgendes geschrieben:
Mir ist nicht die Thematik "zu übel", beschriebe sie denn, was ein übler Krieg aus "braven Soldaten" machen kann: mordlüsterne pervertierte Kampfmaschinen, oder einfach kaputte Menschen, die all das Kriegsgeschehen einfach nicht mehr ertragen können.

Für mich gibt es auch die Entwicklung dazwischen, die nicht so klar ist. Für dich sicherlich auch. Ich wollte genau das mit aufnehmen.
Das "ich muss meinen Befehl ausführen" über "ich denke darüber nach, was ich eigentlich tue" zu "ich mag nicht, was ich tun muss" und "ich hasse, was ich tun muss", inklusive der dazwischenliegenden tieferen Nuancen.

Literättin hat Folgendes geschrieben:
...sind Profis, sie sind routiniert, sie sind nicht nur gut, sonder die besten ihres Faches, sie sind freiwillig da, es sind Elitesoldaten und es sind Söldner, die sich das beste Material aussuchen können, mit denen sie den ausgewiesenen Feind ausschalten. Und dennoch werden sie gleichzeitig als die eigentlichen Kriegsopfer inszeniert. Und diese Charakterisierung steht von Anfang an im Vordergrund:

Söldner mögen sich freiwillig melden, aber irgendwo sind sie doch Menschen, oder? Jeder Mensch hat eine Grenze.
Ja, ich sehe es so, dass manche Soldaten auch Opfer sind im Krieg. Denn sie haben nicht entschieden, das Land anzugreifen. Sie haben entschieden, einen Job zu machen. Einen Job, um den ich niemanden beneide. Klar könnte man sagen, dass Soldaten durchaus auch Gefallen am "Krieg spielen" haben könnten. Muss aber nicht sein, da spielt viel Ansichtssache rein und dies hier zu diskutieren würde zu weit gehen.

Literättin hat Folgendes geschrieben:
Dann kommt ein Wechsel, der im Grunde nicht wirklich einer ist, weil auch hier die soldatische Bruderliebe zum Eigentlichen wird:

Dieser "Wechsel" schwelt bereits die ganze Zeit in ihm und zeigt sich in Unkonzentriertheit und Schlafmangel. Er versucht, sich an seine Prinzipien zu klammern, daher die vielen Zahlen und Daten, die seinen "Job" ausmachen.
Literättin hat Folgendes geschrieben:
Und er ist wieder ganz der Profikiller:

Er versteckt sich hinter seiner Arbeit, kann dies aber nur bis zu einem gewissen Punkt.

Literättin hat Folgendes geschrieben:
...ich habe von daher keine Wahl, mir verschiedene Ausgangsvarianten oder aus dem Rest heraus zu interpretieren. Der Text führt von selbst zu diesem einen Ziel des "soldatischen Brudermordes" - in meinen Augen und so wie mir die zwei aufs selbige gedrückt werden, es sei denn, ich überlese die ganze Zeit, was da schwarz auf weiß steht.
Es spielt dabei nicht einmal eine Rolle, ob das jetzt real ist, ob das folgende ein Flashback ist, oder sich real wiederholt.
Auf einen Warnschuss, oder gar Selbstmord ist der ganze Text, so wie er da steht ganz einfach nicht angelegt. Da müsste ich schon bewusst aus dem Text aussteigen und mir eine eigene Version zurecht legen, um um mein leider so herbes Urteil herum zu kommen.

Für mich sind alle Varianten denkbar, schade, dass es bei dir nicht so ankam. Muss ich mir ankreiden.

Literättin hat Folgendes geschrieben:
Wieso war der eine Held nicht einmal so mutig, seinen geliebten Bruder-Kameraden nach der ersten Gelegenheit zu stellen: verbal, im Streit, vielleicht sogar per ausgesprochener Meldung?

Er ist kein Held.
Es musste erst etwas geschehen, was diesen Entschluss in ihm auslöste. Wobei es nicht einmal ein Entschluss ist, alles, was er tut bzw. tun wird, macht er wie in Trance.
Erst die Sicht oder Illusion der Kinder/Frau/Baby löst diese Lawine aus. Von sich aus könnte er seinen Kameraden nie damit konfrontieren, dazu sind die Mauern zu hoch, die sie sich selbst gezogen haben, um nicht verrückt zu werden. Doch Mauern können bröckeln, eingerissen werden.

Literättin hat Folgendes geschrieben:
Und da ist sie wieder, meine Abscheu gegen diese ganze Szenerie, die mir wenig Platz für anderes lässt.

Ich kann dich gut verstehen. Ich verabscheue es ebenfalls. Dennoch bin ich nicht gewillt, deswegen beiseite zu sehen, nichts darüber zu schreiben, den Finger nicht in die Wunde zu legen. Ich weise darauf hin, auch auf die Gefahr hin, dass es mir entgegenschlägt. Dass das, was Menschen zu tun in der Lage sind, verbreitet werden muss. Dass es trotzdem Menschen sind, die dort handeln.

Es gibt ein älteres Computerspiel (Wing Commander Prophecy), in der Aliens die Menschen überfallen (ja, einfallsreiches Thema smile )
Einer wird von den Aliens gefangen und kann wieder entkommen. Als man ihn fragt, was mit ihm gemacht wurde, heißt es, dass man ihn seziert hat, inklusive der Psyche, weil die Aliens total fasziniert von uns Menschen sind. Wie wir uns gegenseitig abschlachten usw., die Aliens sind in diesem Spiel fasziniert von unserer "dunklen Seite".

Diese gesamte Thematik ist so umfangreich, dass ich es hierbei belassen möchte.

Wollte nur meine Beweggründe (wenigstens ansatzweise) schildern.

Fazit: Wir werden nicht zusammenkommen, glaube ich, in unseren Ansichten, aber haben unsere Gegensätze geschildert. Ich kann damit leben smile

Danke nochmals fürs Lesen!

Ich war tatsächlich davon ausgegangen, dass du den Text wegen der Thematik nicht mochtest und er deswegen keine Chance auf Punkte hatte.
Danke für die erneute Auseinandersetzung und die Erklärungen!


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Beitrag05.02.2020 11:21

von gold
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Kiara hat Folgendes geschrieben:
Ist nicht privat, alles gut.

Es ist reines Interesse, das ich mit Recherche über diverse Medien befriedige, um mein Halbwissen ständig zu erweitern.

Krieg ist eine Angewohnheit, die man nicht austreiben kann... obwohl Krieg einfach schrecklich ist bzw. sein muss, denn ich habe (noch) keinen miterlebt, will ich auch nicht.


Da bleibt mir nur, den Hut zu ziehen! Generell finde ich, dass es fast schon ein Muss von Schriftstellern ist, sich mit der Realität adäquat auseinanderzusetzen und den Finger auf Wunden zu legen.

Ich versuche es auch immer wieder. Mal erfolgreich, mal weniger.
 Vielleicht ist es mir mit meinem Wettbewerbstext ein Stück weit gelungen, in dem ich das Thema Psychotherapie gewählt und hier u.a. die Problematik der Beziehung zwischen Therapeut und Klient angerissen habe. Manche Reaktionen der Kommentatoren deuten zumindest darauf hin.


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Beitrag05.02.2020 12:09

von Literättin
Antworten mit Zitat

Kiara hat Folgendes geschrieben:

Literättin hat Folgendes geschrieben:
Und da ist sie wieder, meine Abscheu gegen diese ganze Szenerie, die mir wenig Platz für anderes lässt.

Ich kann dich gut verstehen. Ich verabscheue es ebenfalls. Dennoch bin ich nicht gewillt, deswegen beiseite zu sehen, nichts darüber zu schreiben, den Finger nicht in die Wunde zu legen. Ich weise darauf hin, auch auf die Gefahr hin, dass es mir entgegenschlägt. Dass das, was Menschen zu tun in der Lage sind, verbreitet werden muss. Dass es trotzdem Menschen sind, die dort handeln.

Es gibt ein älteres Computerspiel (Wing Commander Prophecy), in der Aliens die Menschen überfallen (ja, einfallsreiches Thema smile )
Einer wird von den Aliens gefangen und kann wieder entkommen. Als man ihn fragt, was mit ihm gemacht wurde, heißt es, dass man ihn seziert hat, inklusive der Psyche, weil die Aliens total fasziniert von uns Menschen sind. Wie wir uns gegenseitig abschlachten usw., die Aliens sind in diesem Spiel fasziniert von unserer "dunklen Seite".

Diese gesamte Thematik ist so umfangreich, dass ich es hierbei belassen möchte.

Wollte nur meine Beweggründe (wenigstens ansatzweise) schildern.

Fazit: Wir werden nicht zusammenkommen, glaube ich, in unseren Ansichten, aber haben unsere Gegensätze geschildert. Ich kann damit leben smile

Danke nochmals fürs Lesen!

Ich war tatsächlich davon ausgegangen, dass du den Text wegen der Thematik nicht mochtest und er deswegen keine Chance auf Punkte hatte.
Danke für die erneute Auseinandersetzung und die Erklärungen!


Hallo Kiara,

jetzt kann ich zumindest deine Motivation hinter dem Text besser verstehen und habe dagegen überhaupt nichts einzuwenden.

Aber du sprichst hier mit einer der "Generation Ostermärsche"und einer, die mit dem sogenannten "Nahostkonflikt" schon seit Kindheitstagen  konfrontiert ist, die auf einer Geschwister-Scholl-Schule war (was uns eine innere Verpflichtung mitgab) in jenen Jahren, wo wir die schier unerträglichen Bilder querbeet in allen Fächern serviert bekamen, die sich mit der eigenen Familiengeschichte auseinandersetzen musste wegen der unmittelbaren Folgen des zweiten Weltkrieges und die tatsächlich einmal versucht hat, letzteres Thema literarisch zu stemmen.

Ich habe dahingehend die Segel gestrichen, dass ich einsehen musste, dass das nur funktionieren kann (für mich in literarischem Sinne), wenn ich mich ganz darauf beschränke, von dem zu schreiben, zu dem ich persönlich in irgend einer Weise Verbindung habe. Innere Verbindung. Weil es ansonsten "Story" bleibt. Und die sehe ich halt auch in deinem Text. Die "Story".

Wenn ich mir deine Motivation anschaue: das Ausloten der Materie von innen, das schreibende Erforschen einer solchen Situation, die Selbstverpflichtung zum Finger auf Wunden legen, so kann ich das gutheißen, und sehe doch ein literarisches Scheitern im Text. Weil ich hier letztlich zu viel "Lust am Zeigen" finde, beim Lesen und kurz und überspitzt gesprochen, hier eher "Tom Cruise" am Abzug zu sitzen scheint, als der Mensch, den du vielleicht eigentlich zeigen willst.

Klar ist das eine große, eine weite und eine sehr schwere Materie. Ich will dich auch hier damit jetzt in Frieden lassen.  Insofern ist das ja vielleicht auch ein Thema für den Nachbesprechungsfaden in Sachen E-Literatur, zu dem ich gerade auch noch nicht komme, weil ich anderswo noch hinterher hinke.

Jedenfalls: nichts für ungut (was auch immer das heißt, fiel mir gerade so ein) smile.

und doch noch ein P.S., weil so nebenher vom "verdammten Afghanistan" die Rede war, im Text: Abrechnung mit Afghanistan


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Kiara
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Beitrag06.02.2020 10:34

von Kiara
Antworten mit Zitat

Danke für den Link, eine gute Doku, wenn man sich damit beschäftigen mag. Würden manche doch nur aus ihren Fehlern und Fehleinschätzungen lernen...

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Beitrag06.02.2020 13:44

von Gast
Antworten mit Zitat

@Kiara

Vorweg: Ich bin aus privaten Gründen nicht zum Kommentieren aller Texte
gekommen. Das bedaure ich, denn ich schätze deinen Text.

@Literättin   
Einige Anmerkungen von einem, der auch zur Generation der Ostermärsche gehört.

Literättin hat Folgendes geschrieben:

Ich habe dahingehend die Segel gestrichen, dass ich einsehen musste, dass das nur funktionieren kann (für mich in literarischem Sinne), wenn ich mich ganz darauf beschränke, von dem zu schreiben, zu dem ich persönlich in irgend einer Weise Verbindung habe. Innere Verbindung. Weil es ansonsten "Story" bleibt. Und die sehe ich halt auch in deinem Text. Die "Story".

Was meint das: Innere Verbindung? Die kann doch auch bestehen oder aufgebaut werden, wenn ich nicht vor Ort gewesen bin oder irgendwie sonst persönlich involviert war.
Und was spricht gegen Stories, Erzählungen?
Ist es nicht das Ureigenste jeder Fiktion, dass sie  Wahrhaftigkeitscharakter beanspruchen kann, ganz unabhängig vom persönlichen Involviertsein des Autors?        

Literättin hat Folgendes geschrieben:

Wenn ich mir deine Motivation anschaue: das Ausloten der Materie von innen, das schreibende Erforschen einer solchen Situation, die Selbstverpflichtung zum Finger auf Wunden legen, so kann ich das gutheißen, und sehe doch ein literarisches Scheitern im Text. Weil ich hier letztlich zu viel "Lust am Zeigen" finde, beim Lesen und kurz und überspitzt gesprochen, hier eher "Tom Cruise" am Abzug zu sitzen scheint, als der Mensch, den du vielleicht eigentlich zeigen willst.

Zu viel Lust am Zeigen?   Ohne eine gewisse Lust am Zeigen, schreibt wohl niemand. Und ich finde, dass diese Lust hier nicht übertrieben wird.     
"Tom Cruise" am Abzug ?
Sehe ich auch nicht. Der spielt doch m.W. meist ganz aufrechte, ungebrochene Typen. Da finde ich die Figuren in der Story doch vielschichtiger.

LG
DLurie
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Beitrag06.02.2020 14:49

von Literättin
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Hallo DLurie,

Kiaras Fragen zu meinen Ausführungen beantworte ich in diesem Faden gerne.

Bei dir scheinen meine Ausführungen zu meinem Textverständnis hierbei einen, oder mehrere Punkte getroffen zu haben, die ich nicht weiter an Kiaras Text durchdeklinieren möchte. Ich finde, da habe ich bereits genug gesagt.

Vielleicht aber ist bei dem, was dich an meinen Erläuterungen zu irritieren scheint, ja etwas dabei, was in den Nachbesprechungsfaden unabhängig von Kiaras Text besprochen werden kann? Dann könntest du vielleicht diese Themen dort ansprechen und ich könnte vielleicht dort Stellung nehmen.

LG, Literättin


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Beitrag06.02.2020 15:27

von Gast
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Hi Literättin,

du hast Recht: Eine allgemeine Diskussion über den Grad der notwendigen (?) persönlichen Involviertheit beim Schreiben gehört nicht in diesen Faden, wo es ja um Kiaras Text gehen soll.
Wahrscheinlich macht eine solche Diskussion ohnehin keinen Sinn, da das eine Frage ist, die jeder für sich beantworten muss.

@Kiara
sorry für die Abschweifung..

LG
DLurie
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Kiara
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Beitrag06.02.2020 15:29

von Kiara
Antworten mit Zitat

Alles gut, keine Scheu, ist nur ein Thread, der ist total geduldig.
Diskussionen haben selten geschadet smile

Danke übrigens, DLurie, für den schönen Nebensatz mit dem "Schätzen"! Freut mich seeeehr!


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Beitrag09.02.2020 16:30
Re: Der Duft von Schnee
von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Hi Kiara,

Kiara hat Folgendes geschrieben:

@nebenfluss
gerne!


Ich hatte den Text eine Zeitlang in meinen Punkte-Kandidaten, aber am Ende haben ihn einige Textstellen Richtung Keller geschickt, die ich mal als "U-Sprengsel" bezeichne.
Ich bin zwar kein besonderer Fan dieser U-gegen-E-Dogmatik, aber hier fiel mir doch ins Auge, dass der Autor die Autorin wohl eher aus der U-Schiene kommt. E ist der Text in der Hinsicht, dass sein Thema ein ernstes ist: Können Soldaten trotzdem Menschen bleiben; wo muss Gehorsam aufhören und das soziale Gewissen die Führung übernehmen.
Nur: Ich weiß weder besonders viel über Afghanistan noch über Militäreinsätze, und da docke ich im Grunde an die Diskussion um Glaubwürdigkeit (im aufgedeckten Notizbuch) an: Wenn ich den Eindruck gewinne, ich solle unterhalten werden, werde ich dem Text gegenüber sozusagen misstrauisch.
Der Reihe nach, zunächst der (ja immer ziemlich wichtige) erste Satz, auch wenn der noch nicht viel damit zu tun hat:
Kiara hat Folgendes geschrieben:
Die weißen Felder sind unberührt, die Büsche am dahinterliegenden Waldrand bewegen sich nicht.

Es steht mir natürlich nicht zu, dir in deinem Stil rumzupfuschen, aber ich habe mich unwillkürlich gefragt, warum man sich die Möglichkeit einer Alliteration entgehen lässt:
Die weißen Felder sind unberührt, die Büsche am dahinterliegenden Waldrand unbewegt.
Geschmackssache, klar.
Was sind aber die U-Sprengsel ... hier geht es vor allem um Adjektive, etwa:
Zitat:
Das idyllisch gelegene Haus

(da hilft mir auch die Landschaftsbeschreibung nichts, da denke ich an Rosamunde Pilcher oder die Cover skandinavischer btb-Autoren)
Zitat:
ein Schatten ursprünglicher villengleicher Pracht

(die Pracht einer Villa, okay, aber wie soll ich mir villengleiche Pracht vorstellen?)
sowie die wiederholte Verwendung von:
Zitat:
Einem verdammten Land?
Zitat:
Einen Tag noch, nur noch einen verdammten Tag.
Zitat:
Verdammtes Afghanistan.

(gerade das letzte, denn auch wenn der Text schon irgendwie von Verdammnis handelt, hat sich der Prota ja gerade daraus befreit[?])

Was mich aber endgültig, und bei jedem erneuten Lesen, aus der Ernsthaftigkeit gerissen hat, war diese Passage:
Zitat:
Du liebst diese Waffe, hast du mir immer wieder gesagt. Hältst nichts vom deutschen G22. Wenn du um die Ecke schießen willst, nimmst du das G22, dieses unzuverlässige Stück Gewehr. Für alles andere verwendest du Waltraud.

Das ist nun ein Kalauer, der eigentlich als Ironie gemeint sein müsste, aber die kann ich in diesem Kontext nicht erkennen. Es wirkt, als könne man mit einem G22 tatsächlich präzise um die Ecke schießen, und das ist natürlich Quatsch, das weiß sogar ich. Das stellt für mich das ganze betonte Militär-Knowhow dann doch ein wenig in Frage.

Dann waren da noch Kleinigkeiten, mit denen ich nicht warm geworden bin. Ja, bestimmt schweißen die Grenzerfahrungen die Kameraden zusammen und sie lieben sich vielleicht sogar wie Brüder, aber müsste dieses sadistische Grinsen angesichts eines Massakers da nicht für Entfremdung sorgen? Ich kenne die Antwort nicht, habe aber die Frage im Text vermisst.
Und, bezüglich der Vorgaben: "Fremdes Land" ist hier wörtlich zu verstehen, aber inwieweit ist die Vergangenheit als fremdes Land zu spüren? Endgültiger Winzkram: dass zwei Menschen, die sich zunicken und mit dem Kopf schütteln, wohl doch 'etwas zueinander sagen'.

Fazit: Ich mag die Idee der Geschichte, finde das Thema wichtig und auch über weite Strecken ansprechend umgesetzt. Aber die angesprochenen Aspekte (insbesondere das mit dem G22) hätten noch etwas elegantere Überarbeitung benötigt, um mich wirklich zu überzeugen.

Soweit erstmal, für die Interpretation des Endes will ich erst noch einmal die von dir genannten Möglichkeiten durchlesen, dann kann ich vielleicht einfach einer 'zustimmen' und muss mir hier keine blutigen Finger schreiben.


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Beitrag09.02.2020 16:41

von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Fortsetzung:

Kiara hat Folgendes geschrieben:

Die Auflösung:
Es sind mehrere Enden möglich. Hierbei gibt es zwei Abzweigungen:

Erste Abzweigung: Was sieht der Beobachter wirklich?
Zweite Abzweigung: Wie handelt er letztendlich?

Ersten Option, die offensichtliche: Der Beobachter sieht Frau und Kinder, denkt, sein Kamerad will erneut ein Blutbad anrichten.
Er zieht die Waffe, um einen Warnschuss abzugeben, oder aber um sich oder seinen Kameraden hinzurichten. Alle drei Varianten sind denkbar und wurden von mir offengelassen.

Die erste Option ist meine, und darin wieder die erste Variante: "Warnschuss"  steht im Text. Warum sollte ich glauben, es sei anders? Diesen Zweifel legt der Text m. E. nicht an, weshalb ich die anderen Optionen gar nicht ins Auge gefasst habe.


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Beitrag09.02.2020 19:58

von Kiara
Antworten mit Zitat

Danke dir für das erneute Befassen mit dem Text, nebenfluss!

Ich nehme deine Einschätzungen in meine Überlegungen auf, wenn ich diese kurze Geschichte überarbeite.

PS: Die Adjektive anfangs sind deswegen so platziert, damit das "Groteske" bzw. das Gegensätzliche der Situation klarer wird. Krieg in einem schönen Land, Waffen hier, eine Villa dort, Tod hier, Leben, vergangen, dort. Ein Vorgeschmack auf die Zerrissenheit des Beobachters.

PPS: Stimmt, die Kommunikation ist vorhanden, nonverbal. Sie dürfen absolut nichts zueinander sagen. Hmm.

PPPS: G22, ja, ein Hammer-Kalauer. Den kann man auch in zehn Jahren noch bringen. Embarassed


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