Am Fenster

[Tula]

Am Fenster

Hart war der Winter damals
fegte der Sturm wochenlang
über mein ungeschütztes Feld.
Ließ er mal kurz nach, ließ Ich
Krähen steigen und hoffte
auf irgendein Zeichen,
bis auch sie erstarrt vom Himmel stürzten.
Schließlich fiel meterhoher Schnee und
begrub das Feld und die defätistischen Kreaturen.
Umsonst. Nichts brennt tiefer als
das gleichgültige Lächeln
einer Eiskönigin.

Heute studiere ich den Zug des Regens
am geschlossenen Fenster. Die Tropfen
sind alle verschieden und alle gleich.
Manchmal verharrt einer für einen Augenblick,
bis auch er entkräftet seiner Bestimmung folgt.
Der kurze Traum von einem Kuss der Königin.
Umsonst. Sie schneit schon seit Jahren
nicht mehr vorbei.

[poetnick]

Hallo Tula,

mir gefallen die melancholisch gefärbten Betrachtungen früherer Felder; dort schienen immerhin (aller Härten zum Trotz), noch einige Hoffnungsfrüchte  zu gedeihen.

Defätismus ist ein hart geprüfter Begriff, der in anderen Zeiten - als Vorwurf gebracht, schon mal am Lebenslicht pusten konnte. Hier habe ich überlegt, ob es einen lyrischen Verwandten gibt, der bildhaften Ersatz anbieten könnte.
Andererseits: Du wirst ihn für dich mit Bedacht gewählt haben. Das Lyich lässt hier aus tiefstem Grund Enttäuschung und wohl auch Bitterkeit gegenüber den abgestürzten und versagt habenden ‚Gesellen‘verlauten.

Die Schlussstrophe finde ich berührend, mit ihrem resignativen, fatalistischen Anklang.

[menetekel]

Lieber Tula,
ich kenne die Eiskönigin aus Fernsehsendungen; selbst dort macht sie sich mittlerweile rar. Dafür soll es morgen frühlingshafte 19° geben. Wenn das kein Ersatz ist ... *hüstel.
Der Wandel lässt sich überall beobachten. Auch deine Gedichte verändern sich - werden besser und besser.
Nur leider interessiert das keine Sau.

[Tula]

Halle ihr beiden

ja, auf ungewollte Weise vergleicht sich hier einiges, d.h. das einst turbulente Leben hier auf DSFO noch vor zwei Jahren, während es heute nur noch vor sich hin tröpfelt. Schade, denn anderswo steigen auch nicht gerade berauschende Dichter-Feten.

Die Bestellung der jugendlichen Felder mag bei einigen eher von einem lauen Frühlingslüftchen begleitet worden sein, bei anderen war es eine Zeit innerlicher Stürme. Auf die Gefahr hinaus, hier als Seelenklempner missverstanden zu werden, ging es mir um die LEIDENSCHAFT jener Tage, die gewiss nicht ohne Niederlagen abliefen, 'Flugzeuge im Bauch' wie mal jemand sang, vergebliches Hoffen in der unerwiderten Liebe bis hin zur puren seelischen Verzweiflung. Da schienen mir die defätistischen Kreaturen der Hoffnung gerade als passender Ausdruck für Verbitterung und das "die-Welt-und-sich-selbst-Verfluchen" zu stehen.

Natürlich muss das nicht jeder mit derselben Intensität durchlebt haben, doch wer schon einmal "seine Rosen unter Tränen fraß" wird es verstehen.

Der zweite Teil steht für den Wunsch nach Wiederkehr (fast eine Sehnsucht nach Schmerz , und leider für die Erkenntnis und Resignation, dass sich ähnliches nicht wiederholen wird, jedenfalls nicht mit ähnlicher Stärke. Was wiederum nicht mit einem "unglücklich-sein" verwechselt werden sollte, immerhin hat der eheliche Seelenfrieden seine Vorteile .
Die Eiskönigin muss dabei nicht personifiziert werden, sie steht für Lyrichs aufopferungsvolle Hingabe und den Schmerz der Ablehnung gleichermaßen.

Die nächsten Tage werden's hier über 20 Grad, bleibt die Frage, ob mich das nun der Jahreszeit entsprechend müder oder munterer macht.  Ich hoffe das letztere ...

Mein Dank an euch beide und mit Wünschen für eine 'aufregende' Woche

Tula

[Zinna]

Hallo Tula,

bei deinem Gedicht musste ich stehen bleiben.
Zunächst hatte mich (natürlich ) der Titel darauf aufmerksam werden lassen.

Mir gefällt die Verbindung zwischen Bildern (... begrub defätistische Kreaturen...; Eiskönigin), Bewegungen (Krähen steigen lassen; studiere ich den Zug des Regens am geschlossenen Fenster ) und  der Ton zwischen Pragmatismus und Wehmut.

Sehr gern gelesen
Zinna

[Tula]

Hallo Zinna

herzlichen Dank für deinen Gruß. Die Stimme aus der Heimat ... freut mich natürlich besonders

Der Titel erinnert gewiss an den City-Song, was zunächst Zufall, d.h. der Idee an sich zu schulden war. Das "tief im Blute fühlen" passt sogar irgendwie. Ich hab's auf einer CD im Auto und vielleicht lege ich die gleich morgen wieder rein

LG in den Fläming

Tula