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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 01/2020
Dreihäuserstraße

 
 
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traumLos
Eselsohr


Beiträge: 380

Pokapro 2017


Beitrag10.01.2020 20:00
Dreihäuserstraße
von traumLos
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Für eine freie Journalistin ist es wie ein Sechser im Lotto, wenn eine Zeitung eine Serie startet. Straßen unserer Stadt nannte die Allgemeine Rundschau ihre, für die ich am Anfang der Dreihäuserstraße stand.

Vor der Recherche benötigte ich zunächst immer erste Eindrücke. Unvoreingenommen, ohne vermeintliche Kenntnisse, wollte ich mir ein Bild machen. Das Schild am Eingang wies auf eine Spielstraße hin. Ein Zweites auf eine Sackgasse. Ich blickte die Straße hinunter. Zu sehen war niemand. Es war kurz nach neun. Die Bewohner gingen sicher ihren Beschäftigungen nach. Ich schätzte die Länge der Straße auf zirka 700m. Obwohl sie schnurgerade verlief, konnte ich mich täuschen, da chaotisch gesetzte Bäume meine Augen irritierten. Die Bäume machten auf mich den Anschein, sie seien ein Irrgarten für Autos, um die Fahrer zur Schrittgeschwindigkeit zu zwingen. Die Häuser auf der linken Seite schienen alle gleich auszusehen. Jeweils vier Etagen hoch, oder korrekter Erdgeschoss und drei Etagen. Der Putz hatte ein mittelgraues Aussehen. Die Dachziegel waren typisch rötlich. Auf der rechten Seite gab es Geschäfte. Darüber waren Wohnungen. Zwischen den Geschäften befanden sich reine Wohnhäuser, die sich nicht von denen auf der linken Seite unterschieden. Die Gehwege waren breit und in einem guten Zustand. Davor waren Parkplätze mit Nummern. Die Straße selbst war recht schmal. Kleine Einbuchtungen dienten wohl dazu, dass die Fahrer sich entgegenkommender Fahrzeuge ausweichen konnten.

Ich schaute mir das erste Haus auf der linken Seite genauer an. Die Eingangstür wirkte wie ein Fremdkörper. Alurahmen mit Glas. Daneben eine Aluwand mit den Klingeln. Wie alt mochte das Haus sein. Fünfziger Jahre entschied ich. Da gehörte eine solide Tür rein. Die Hausklingeln in schwarzem Rahmen an die Seite. Klobige Klingelknöpfe. Und die Namen Weiß auf Schwarz. Ich trat ein wenig zurück und schaute an dem Haus hoch. Die Fenster hatten fast alle Kunststoffrahmen. Nur die Wohnung Erdgeschoss rechts hatte Holzrahmen. Vielleicht wohnte hier noch ein Erstmieter und die Wohnung war einer Renovierung entgangen. Ich warf einen Blick auf die Namen. O. Herzog musste in der Wohnung leben. Jetzt erst fielen mir die Bänke im Umfeld einiger Bäume auf. Eine befand sich schräg rechts in Höhe des breiten Tores, das einen Abstand zwischen dem ersten und dem zweiten Haus bildete. Wohin der Gang dahinter führte, konnte ich nicht erkennen. Ich setzte mich und blickte noch einmal auf das Haus. Es wirkte auf mich wie seiner Zeit entrissen. Nur die Wohnung mit den Holzrahmenfenstern bewahrte eine Erinnerung. Ich trug den Namen O. Herzog in mein Notizbuch ein, stand auf und schlenderte die Straße entlang. Die Häuser mussten alle zur gleichen Zeit gebaut und später auch zur gleichen Zeit renoviert worden sein, so sehr ähnelten sie sich. Lediglich die Gardinen und Rollos gaben ihnen ein Stück weit Individualität. Ich dachte an die Wohnung mit den Holzrahmenfenstern. Das Originale ist nun das Fremde.

Auf halbem Weg drehte ich mich um. Eine Frau wechselte die Straße auf die gegenüberliegende Seite. Aus welchem Haus sie gekommen war, hatte ich nicht bemerkt. An ihrem Gang und der ganzen Statur erkannte ich, dass sie ziemlich alt sein musste. Sie trug einen dunklen Wollmantel und einen Hut, der an einen Jäger erinnerte. Er wirkte keck auf ihrem Kopf. Ich schmunzelte, weil ich mich nicht erinnern konnte, wann ich dieses Wort das letzte Mal benutzt hatte. Die Frau drehte ihren Kopf in meine Richtung. Unsere Blicke trafen sich. Wir schauten uns in die Augen, ohne diese tatsächlich sehen zu können.

Ich war am letzten Haus angekommen. Es unterschied sich von den anderen dadurch, dass das Tor an eine Mauer abschloss. Dahinter begann ein großzügiger Wendehammer. Daran grenzte ein ausgedehntes Rapsfeld. Weiter konnte ich nicht sehen. Auf der anderen Seite ging ich etwas zügiger zurück. Lediglich bei den Geschäften verweilte ich. Hier gibt es tatsächlich noch einen Schuster, dachte ich. Sehen konnte ich ihn nicht. Vermutlich befand er sich in der Werkstatt. Ich stellte mir vor, die Tür zu öffnen, und ein Glöckchen würde klingeln. An der Kneipe ging ich schnell vorbei. Sie hatte nur von weitem den Anschein vermittelt. Der Eingang war mir Brettern verrammelt und nach dem Eindruck, den sie machten, schon seit langer Zeit. In dem Blumenladen zwei Häuser weiter wurden sicher schon seit Jahren keine Blumen mehr verkauft. Die zum Teil zerstörte Gestaltung der Schaufensterscheibe wirkte altmodisch und Blumen Wilke hießen heutzutage auch die wenigsten Läden.

Zuletzt wollte ich noch einen Blick auf das Geschäft an der Straßenecke werfen. Ich hatte bereits von der gegenüberliegenden Seite darauf geschaut. Kolonialwaren Ludwig. Quer über das Schaufenster prangte in großen Lettern Alles bei Ludwig. Ich musste noch einige Schritte gehen, als ich die alte Frau, mit der ich Blicke getauscht hatte, das Geschäft verlassen sah. Sie schaute zu mir herüber und nickte mir zu. Wahrscheinlich hielt sie mich für eine Anwohnerin. Höflich nickte ich zurück. Bevor ich an dem Geschäft angekommen war, hatte sich die alte Frau auf eine der Bänke gesetzt. Ein Einkaufsnetz lag neben ihr. Während der wenigen verbleibenden Schritte entschied ich, mich neben sie zu setzten. Normalerweise vermied ich Gespräche, wenn ich erste Eindrücke sammelte, deswegen hatte ich den Schusterladen auch nicht betreten. Doch hier bot sich möglicherweise eine Gelegenheit, die nicht wiederkommen würde.

„Guten Morgen. Darf ich mich zu ihnen setzen?“
„Aber natürlich,“ sie nahm das Einkaufsnetz auf den Schoß. Nun sah ich, dass sie Wurstwaren gekauft hatte.
„Sie wohnen nicht hier in der Straße?“ Also hatte sie mich nicht für eine Anwohnerin gehalten.
„Nein ich wohne nicht hier. Ich bin Journalistin und heiße Margit Eggekamp. Die Allgemeine Rundschau druckt in der Wochenendausgabe Geschichten über Straßen unserer Stadt ab und ich gehöre zu den Mitarbeitern, die diese Artikel schreiben.“
„Oh, das lese ich immer gerne. An ihren Namen kann ich mich leider nicht erinnern.“
„Das macht nichts, es kommt ja auf die Geschichten an. Von mir war in der letzten Ausgabe ein Artikel über den Bärenklauweg.“
„Den habe ich gelesen. Das haben also sie geschrieben. Und nun kommt unsere kleine Straße in die Zeitung. Wie schön.“
„Das freut mich, dass ihnen unsere Serie gefällt. Ich bin heute hier durch geschlendert, um Ideen zu sammeln. Ich habe sogar die Anzahl der Häuser gezählt. Auf jeder Seite sind es zwanzig. Wissen sie, warum die Straße dennoch Dreihäuserstraße heißt?“
„Das habe ich mich auch manchmal gefragt. Obwohl ich hier in der Stadt geboren wurde, kann ich mich auch zu meiner Kinderzeit nicht an drei Häuser erinnern. Hier waren damals Felder von Bauer Schulte-Brönninghaus. Jetzt beginnen die Felder der Familie am Ende der Straße. Ach herrje, wie unhöflich. Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Oswalda Herzog ist mein Name. Ich wohne in dem Haus genau gegenüber.“
Ich dachte an die Notiz. „Ein ungewohnter Name. Wohnen sie schon lange in dieser Straße?“
„Mein Name war schon zu meiner Zeit eher ungebräuchlich. Aber meine Mutter sagte immer, Mädchen müssen schon vom Namen mächtig sein. Ich glaube, das gilt auch heute noch. Meine Schwester heißt übrigens Oswalde. Die beiden Ossis wurden wir als Kinder genannt.“ Sie kicherte. „Ich wohne hier seit 1953. Als ich hier eingezogen bin, waren die anderen Häuser noch nicht bezugsfertig, das letzte Haus war lediglich eine Baugrube. Damals war ich dreiundzwanzig Jahre alt und frisch verheiratet. Das war ein besonderes Gefühl, hierhin zuziehen. Wissen Sie, auch 1953 gab es noch überall Spuren der Zerstörung, Ruinen, Trümmer. Aber hier war alles neu. Eine unbekannte Welt. Die ist wohl mittlerweile den Menschen, die heute in den Wohnungen leben, fremd. Aber anders als uns damals. Für uns war es Zukunft. Für die jetzigen Mieter ist es Vergangenheit.“ Sie machte eine kurze Pause. „Nächste Woche werde ich 90 Jahre alt. Meine Enkelin holt mich gleich ab, deswegen sitze ich hier, um ein wenig Abschied zu nehmen. In meinem Alter weiß man ja nicht, ob man nochmal zurückkommt, wenn man wegfährt.“ Wieder hörte ich ihr fröhliches Kichern.
Ich zeigte auf ihr Einkaufsnetz. „Etwas Geschmack nehmen Sie sich auch mit.“
„Der Ring Fleischwurst? Aber nein. Die Wurst ist für meine Enkelin. Für sie ist es der Geschmack der vergangenen Kindheit.“
„Sie fahren für ein paar Tage weg und nehmen nur etwas Wurst mit?“
„Eine zweite Garnitur Leben ist bei meiner Enkelin. Kann man das so sagen?“
„Das klingt schön. Zwei Leben zur gleichen Zeit.“
Wieder kicherte sie. „Als Ausgleich für die Zurückgelassenen sozusagen. Was meinen Sie, wie viele Leben bleiben in der Vergangenheit? Unsichtbare Risse?“

Die alte Frau schaute mich an. Ich las in ihren Augen, dass es keiner Antwort bedarf. Ich lächelte. Sie lächelte. Ich nickte. Sie nickte. Meine Gedanken gingen in die Zukunft. Ihre wohl in die Vergangenheit. Plötzlich kicherte sie wieder.

„Manchmal erinnern ungewöhnliche Spuren an vergangene Ereignisse. Wie die goldenen Reparaturen der Japaner.,“
Sie sah mir an, dass ich sie nicht verstand.
„Wissen sie, in den Siebzigern zog plötzlich ein Riss durch die ganze Straße. Der Grund war ein wildes Bergwerk aus längst vergessenen Zeiten. Aber das ist egal. Die Stadt hat damals alles saniert. Und irgendein phantasiebegabter Mensch hatte die Idee mit den Bäumen.“
„Die Bäume? Für mich sehen die nur chaotisch aus.“
„Schauen sie genau hin.“

„Aha, jetzt sehen sie es.“
„Ja, ich sehe es.“
„Ich liebe diese Bäume. Vielleicht verstehen sie, was ich meine.“

Ich spürte, es wurde Zeit mich zu verabschieden, stand auf und dankte ihr. Sie sagte nichts, aber wir verstanden uns. Ihre Augen wiesen noch mit einer kleinen Bewegung auf das Kolonialwarengeschäft Ludwig. Als ich die Tür öffnete, klingelte ein Glöckchen.

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Babella
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Das goldene Aufbruchstück Der bronzene Roboter


Beitrag21.01.2020 08:48

von Babella
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Die Schreibfehler stören ("sie" statt "Sie"). Kintsugi bei der Reparatur einer Straße. Es fühlt sich nicht wirklich wie ein Zweipersonenstück an.
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Ribanna
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Beitrag21.01.2020 13:09

von Ribanna
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Ein schöner Text. Schade, dass ich das mit den Bäumen auch nach mehrmaligem Lesen nicht verstanden habe.

Erinnerungen sind viele da, und der Text ist nah am Leben und am Leser.


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Kiara
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Beitrag21.01.2020 13:25

von Kiara
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Hallo!

Der erste Eindruck des Textes meinerseits, rein subjektiv natürlich, bitte nicht überbewerten.

Die Beschreibungen eingangs sind zu viel für meinen Geschmack, zudem sind sie mit vielen Wortwiederholungen (bspw. waren, hatte) garniert. Es folgen Dann-Aufzählungen. Klar, die Zeit ist knapp bei einem solchen Wettbewerb, doch ich muss an der Konkurrenz messen, da gibt es ja noch mehr Beiträge.

Die Idee mit der alten Frau ist gut ausgearbeitet, finde ich.

Bei dem Satz musste ich stocken: Die Kneipe hatte nur von Weitem den Anschein vermittelt. Hä? Welchen Anschein? Habe ich was verpasst? Da fehlt doch ein Wort?

Nach dem Gespräch mit der Frau, dem Verweis auf die Baugrube, den Riss, ist die Geschichte besser. Auch wenn mir der Hinweis auf die Aufgabenstellung viel zu markant gesetzt wurde - da hätte ein kleiner Hinweis gereicht - oder gar keiner, denn man weiß ja, worum es geht.

Im Allgemeinen gefällt mir es ab dem Gespräch besser.
Für mein Empfinden eine Geschichte, der eine Kürzung im vorderen Teil sehr gut getan hätte, wobei es dann nicht die geforderte Zeichenmenge wäre. Deine Fantasie hätte das jedoch bestimmt ausgleichen können. Zudem fehlt mir ein bisschen der Interpretationsspielraum, der diesem Text helfen würde, als E-Literatur klassifiziert zu werden.

Ich hoffe, du nimmst mir die Kritik nicht übel. Ich weiß ja nicht, wer hinter dem Text steht und wie die- oder derjenige mit kritischen Bemerkungen umgehen kann. Bedenke: Ist nur mein bescheidener Eindruck.

Es gibt leider keine Punkte von mir.

Lieblingssatz, das Ende, der Verweis auf vorher: "Als ich die Tür öffnete, klingelte ein Glöckchen."

Liebe Grüße


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hobbes
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Beitrag21.01.2020 14:17

von hobbes
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Irgendwo im zweiten Absatz fange ich an, mich zu fragen, ob du mir gleich noch die genauen Abmessungen in Zentimetern lieferst und, wo du gerade dabei bist, vielleicht auch noch die genaue RAL-Farbe der Fassaden und eventuell auch eine Auflistung der Gänseblümchen im Garten, etc.

Zwischendurch frage ich mich, ob das ein Witz ist.

Nun denn, ich lese weiter.

Zitat:
Wir schauten uns in die Augen, ohne diese tatsächlich sehen zu können.

Hä?

Zitat:
Sie hatte nur von weitem den Anschein vermittelt.

Welchen?

Zitat:
Nun sah ich, dass sie Wurstwaren gekauft hatte.

Wurstwaren.
Jetzt weiß ich auch nicht. Und frage mich, wer mir hier eigentlich eine Geschichte erzählt. Vermute keinen Witz mehr, sondern wohl einfach nur, dass du in einer ganz anderen Welt lebst als ich. Ja, so ist das irgendwie, als täte sich mir durch die Augen dieser Journalistin ein völlig anderer Blick auf "meine" Welt auf. Als wäre sie aus einer anderen Zeit/Welt in unsere gestolpert oder so.

Die Bäume wurden in den Riss der Straße gepflanzt?

So, zu Ende gelesen und einigermaßen ratlos. Aber schön, dass die beiden sich verstehen.
Mich als Fan der Straßen-Serie zu gewinnen, hast du leider nicht geschafft.
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nebenfluss
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Beitrag21.01.2020 15:55

von nebenfluss
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Guy Incognito hat Folgendes geschrieben:
Für eine freie Journalistin ist es wie ein Sechser im Lotto, wenn eine Zeitung eine Serie startet.

Diese dreiste Verunglimpfung einer Berufsgruppe trifft es leider auf dem Punkt und erweist sich als symptomatisch für den Spannungsmangel des Erzählten: Die Prota funktioniert innerhalb des biederen Rahmens einer lokalen Tageszeitung und will in erster Linie Zeilen schinden und Honorar kassieren, ohne erkennbaren Ehrgeiz, mal an dem ein oder anderen Gartenzaun zu rütteln oder ihn gar mutig zu durchbrechen.
In meiner Lesart hat weder das Thema "Die Vergangenheit ist ein fremdes Land" noch eine der anderen Vorgaben die Erzählung inspiriert oder herausgefordert. Der konstruierte Zusammenhang zu Kintsugi am Ende hat's eher schlimmer als besser gemacht. Als E-Literatur möchte der Text möglicherweise deshalb verstanden werden, weil in ihm praktisch kaum etwas passiert? Für mich war er dadurch aber leider nichts weiter als langweilig.


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traumLos
Eselsohr


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Beitrag22.01.2020 20:58

von traumLos
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Tja, Text. Da befindest du dich nun so brav, in einfacher Sprache, wenig wortgewandt, wie ein flaches Rinnsal, inzwischen so vieler sprachlicher und inhaltlicher Schwergewichte voller Tiefe. Zwischen Texten, die das Thema auf den Punkt fokussiert haben, während du dich in einer Vielzahl von Facetten auflöst. Immerhin geschieht, auch wenn nicht wirklich etwas geschieht, alles an einem definierten Ort. Zwei Personen, ein Ort. Bleibt nur zu sagen, schade Oswalda.

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Literättin
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Beitrag23.01.2020 08:30

von Literättin
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Vorneweg: wenn ich einen Text kritisiere, beschreibe ich in erster Linie, was vom Text bei mir ankommt und was es auslöst. Sollten dabei auch einmal harte Worte fallen, so sind es dennoch beschreibende, nicht verurteilende, hämische oder verachtende. Ich kritisiere nicht in satter Selbstzufriedenheit. Immerhin sind mir selbst schon Texte aus der Feder geflossen, die daneben gingen. Und das sind zunächst einmal die meisten meiner Texte oder Texte-im-Entstehen.

                                                                                *




Dies ist ein Text, da wird der Leser an die Hand genommen und dann wird ihm so minutiös die ganze Geschichte dieser eher langweiligen Straße aufgezeigt, dass er sich leider fast im selben Maße zu langweilen gezwungen sieht, wie die ganze kleine Straße langweilt. Zumindest geschieht es mir hier so. Auch wenn zum Ende hin beinahe ein eigenwilliger Charme zum Tragen kommt, den ich nicht genau benennen kann. Vielleicht ist es die Bruchlinie, der die chaotisch gepflanzten Bäume folgen.

Das Kriterium E erscheint zumindest insoweit erfüllt, dass es sich hier um keinen Genretext handelt und es nicht um vordergründige Unterhaltung geht, ebenso wenig um vordergründige Spannung. Aber auch eine hintergründige kommt nicht auf. Das japanische Scherben-Lack-Moment ist vorhanden. Mir aber auch zu direkt. Und das Gespräch oder ausgesprochene Nichtgespräch trägt den Text nicht wirklich.

Es wird hier einfach zu viel erzählt, angefangen mit dem warum und wieso dieser Text überhaupt entsteht. Da muss ich leider schon zu Beginn des Textes seufzen, weil ich das nicht wissen will, das mit der Zeitung und der Journalistin, die ihren Job leider auch nicht gut macht, denn die sollte aus einer unscheinbaren Straße wohl eine eher spannende Story machen können und selbst aus einer ich-Journalistin-bei-der-Arbeit-Situation etwas, das mehr transportiert.

Also: einige Kriterien sind erfüllt, zum Teil übersolide erfüllt, aber darüber hinaus gibt mir der Text wenig.

Was mir aber gefällt, ist, wie sich die zu Beginn erwähnten kleinen Läden dann als eigentlich nicht mehr vorhandene entpuppen. Und wie sich erst in den letzten Sätzen eine Geschichte ankündigt, der ich dann eigentlich gerne folgen würde. Nur ist der Text da leider zu Ende.


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Im günstigsten Fall führt literarisches Schreiben und lesen zu Erkenntnis.
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schreiberlinga
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Beiträge: 77



Beitrag23.01.2020 14:14

von schreiberlinga
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Ich habe die Wettbewerbstexte in der Regel nur einmal durchgelesen. Mein Kommentar darunter ist also eine ziemlich spontane Reaktion. Ich hoffe, dass du trotzdem - oder gerade deswegen - von meinem ersten Eindruck profitierst.

Der beschreibende Teil des Textes las sich wie ein Tagebucheintrag. Es war ein bisschen langatmig. Lebendiger wurde es dann beim Gespräch mit der älteren Frau. Sind die Bäume auf dem ehemaligen Riss gepflanzt worden? Vielleicht ...
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firstoffertio
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Beitrag23.01.2020 22:54

von firstoffertio
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Mir gefällt die ruhige Erzählweise. Dass die Häuser eine wesentliche Rolle spielen. (überhaupt eine tolle Idee, diese Artikelserie zur Geschichte einer Straße.

Lieblingsstelle:

 
Zitat:
Das Originale ist nun das Fremde.


Weniger gut finde ich die explizite Erwähnung der goldenen Reparaturen der Japaner. Ist unnötig.

Kein Genre. Thema und Kintsugi sind da.
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F.J.G.
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Beitrag24.01.2020 21:04

von F.J.G.
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Tut mir leid, auch dieser Text passt nicht in mein Beuteschema. Absoluter Infodump, dahinplätschernde Dialoge und auch einige Zeichensetzungsfehler sind nicht von der Hand zu weisen.

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Catalina
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Alter: 51
Beiträge: 427
Wohnort: Kehdingen


Beitrag24.01.2020 21:47

von Catalina
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Eine junge Journalistin besucht aufgrund ihrer Recherchen für einen Bericht in der Lokalen Zeitung eine gut 65 Jahre alte Straße und trifft eine alte Frau, die schon seit Beginn dort wohnt. Die erzählt ihr von den Anfängen und macht sie auf den Verlauf der Baumreihe aufmerksam, der aufgrund eines Risses quer durch die Stadt entstanden ist.

Ich habe das Gefühl, Du hast Dich nicht großartig von den Vorgaben beeinflussen lassen, sondern Dein Ding gemacht und die Vergangenheit als "Fremdes", die ausschließliche Kommunikation zweier Menschen und Kintsugi in Form von Bäumen zwischen aufgerissenem Asphalt einfach souverän nebenbei mit einfließen lassen. Was dabei heraus kam, ist eine in sich sehr stimmige Geschichte, die Du in ruhigem Tempo erzählst.

Dein Stil wirkt auf mich ebenfalls souverän,  sehr ausgereift und ich lese ihn sehr gerne.

Die alte Frau ist mir sympathisch und ich habe sie gerne kennengelernt. Und doch weiß ich nicht so recht, was ich mit der Geschichte anfangen soll. Bin ich noch zu jung, um ihren Inhalt vollkommen erfassen zu können? Fast wirkt es so auf mich.

Irgendwie finde ich nicht so wirklich Zugang. Was schade ist, weil ich die Geschichte als sehr schön geschrieben empfinde. Ich möchte sie ein zweites Mal lesen. Das aber viel mehr wegen Deines Stils als wegen des Inhalts.

g
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MoL
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Beitrag25.01.2020 01:30

von MoL
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Lieber Inko!

Zuerst das Gemeckere: Die Sprache scheint mir, hm, altmodisch. Mit Absicht?
Das Ganze erscheint mir von der Sprache her recht gewollt. Deine Beobachtungen gefallen mir und ich bin mir sicher, hättest Du diese Geschichte außerhalb dieses Wettbewerbs, also ganz ohne diesen Anspruch an Dich selbst, unbedingt "anspruchsvoll" schreiben zu müssen, besser gefallen. So liest sich mir die Geschichte etwas bemüht und karg.

Der Inhalt erschließt sich mir nicht so wirklich, sorry. Was möchte/soll mir der Text sagen?

Das Thema "Die Vergangenheit ist ein fremdes Land" kommt mir definitiv etwas kurz.

Ob es von mir Punkte gibt, muss ich noch schauen. Der Dialog zwischen zwei Personen zur selben Zeit am selben Ort ist auf jeden Fall eingehalten.

Aber ganz wichtig: Die Idee mit den Bäumen, den Rissen, dem Krieg, der Straße, das ist echt grandios! Ein wirklich wunderschönes Bild zauberst Du da, eine ganz hervorragende Idee! Smile


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Beiträge: 699



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Beitrag25.01.2020 17:18
Re: Dreihäuserstraße
von a.no-nym
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Hallo, lieber Inko,

ich bin Deiner Protagonistin durch die Dreihäuserstraße gefolgt und habe mich eine Zeitlang mit ihr in der Betrachtung der Umgebung verloren. Der Spaziergang war angenehm! Viel Neues mitgenommen habe ich allerdings nicht – ich habe die Einleitung, die mir im Wesentlichen keine neuen Einsichten beschert hat (und gefühlte 56 Prozent des Textes ausmacht) eher als Wartezeit auf den Dialog empfunden, der ja kommen musste, weil er ein wesentlicher Bestandteil der Vorgabe ist. Er kommt dann ja auch, aber auf mich wirkte er (genau wie die Einleitung) so, dass ich ihm zwar ein ehrlich gemeintes und  sehr respektvolles „Hat-Sich-Bemüht“ attestieren würde, aber darüber hinaus …
Das Bemühen, alle Vorgaben zu erfüllen, ist m.E. deutlich erkennbar – lediglich das Wagnis, im Sinne des großen, unbekannten E etwas Neues/Ungefügiges auszuprobieren, kann ich nicht wahrnehmen. Das muss aber nicht heißen, dass es nicht doch da wäre; ich habe in vielen Texten Mühe, das mysteriöse E zu erspüren (oder es auch nur für mich selbst greifbar zu machen). Auch gibt es ja nicht nur eine Definition, sondern viele, und dass Dein Text nicht nur der Unterhaltung dient, sondern sich tiefgreifender mit den Dingen beschäftigt, das kann ich sehr wohl wahrnehmen. Auch die Ruhe und Unaufgeregtheit, mit der der Text sich seinem Thema widmet, wäre für reine Unterhaltungsliteratur wohl eher untypisch. [Also doch E (?/!) ].
Für meinen ganz persönlichen Geschmack ist aber die Abarbeitung der (m.E. extrem komplexen) Aufgabenstellung hier sehr in den Vordergrund geraten, dadurch wirkt das Ganze plakativ und erscheint mir an vielen Stellen (sowohl vor dem als auch im Dialog) aufgesetzt/erklärend. Sprachlich ist der Text durchaus solide – der Funke ist trotzdem nicht geflogen, aber ob er fliegt oder nicht, liegt oft genug beim Empfänger.
In diesem Sinne
freundliche Grüße und die besten Wünsche
a.
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V.K.B.
Geschlecht:männlich[Error C7: not in list]

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Beitrag26.01.2020 03:38

von V.K.B.
Antworten mit Zitat

Hallo Inko,
vorweg ein paar spontane Lesegedanken:

Zitat:
Die Fenster hatten fast alle Kunststoffrahmen
Eine ermüdende Flut von haben/sein-Beschreibungen. E(xperimentell) schreiben geht anders, glaub ich.

Zitat:
und schlenderte die Straße entlang.
Einheit des Ortes aus den Vorgaben? Okay, die ganze Straße, könnte man antworten. Aber dann könnte man auch bei jeder beliebigen Geschichte mit "das Multiversum" für Einheit des Ortes argumentieren. Und wo ist die zweite Person, die sich in körperlicher Nähe befinden soll?

Zitat:
Eine Frau wechselte die Straße auf die gegenüberliegende Seite
Klingt, als würde sie die Straße selbst umklappen. Könnte ein interessantes youtube-Video werden: "Die zehn mysteriösesten auf der Unterseite von Straßen verborgenen Botschaften" oder so. Laughing

Zitat:
In dem Blumenladen zwei Häuser weiter
Na, das sind jetzt aber schon mehr als drei Häuser. Und noch immer keine zweite Person. Oder sollte die kurz erwähnte Frau der Gesprächspartner sein, mit dem man sich nichts zu sagen hat?

Zitat:
Nun sah ich, dass sie Wurstwaren gekauft hatte.
Wow, wie interessant … (SCNR Embarassed )

Zitat:
Artikel über den Bärenklauweg
Nehme an, der enthielt irgendwo: "Bitte nur mit Atemschutz betreten und bloß die Pflanzen nicht anfassen"

Zitat:
Das haben also sie geschrieben
Sie groß

Zitat:
Das freut mich, dass ihnen unsere Serie gefällt.
"ihnen" auch groß bei Anrede

Zitat:
Das habe ich mich auch manchmal gefragt.
Ah, Kintsugi-Lampshading?

Zitat:
Für uns war es Zukunft. Für die jetzigen Mieter ist es Vergangenheit.
Oh, es wird philosophisch …

Zitat:
Kann man das so sagen?
Ohne diese Frage wäre der Satz tatsächlich mal gut gewesen.

Ähm … ja … okay … Erst einmal Entschuldigung für meine beim Lesen immer sarkastischer werdenden Kommentare. What's the point? E-Lit erreicht man nicht dadurch, dass man möglichst langweilig und belanglos schreibt. Das ist alles komplett oberflächlich, nichtssagend und dann sind ein paar wortwörtliche Themenreferenzen drin, damit dieses bloß erkennbar werden. Da wird aber nichts weiter thematisiert, weitergedacht oder würde irgendeine erkennbare Rolle spielen. Über die Hälfte (erste, meine ich) der Geschichte ist auch nicht zu den Vorgaben (und damit meine ich jetzt nicht E, sondern die übrigen) kompatibel. Entschuldige meine schonungslose Ehrlichkeit, aber wer bei einem solchen Wettbewerb mitmacht, stellt sich auch der ungeschönten Kritik. Und meine lautet hier: Sorry, aber das war wohl nix. Ist aber, wie gesagt, nur meine persönliche Meinung. Vielleicht gefällt es ja jemandem anders besser.

Beste Grüße,
Veith

Abschließend, nach ewigem einigem hin und her Überlegen, wüsteste Flüche über den Wettbewerb ausstoßen, Tischkanten zerbeißen und das gesamte Dictionnaire Infernal rauf und runterbeschwören, landet deine Geschichte im roten Bereich und erfüllt damit die Anforderungen an den Wettbewerb, wie ich sie momentan verstehe, nicht. Sie kommt zur Punktevergabe deshalb auch nicht in Frage. Tut mir leid, aber der Zehntausender ist nun mal ein Wettbewerb für besondere Literatur, die sich auf neue Pfade wagt, und nicht für Unterhaltungsliteratur. Da spielt es dann auch keine Rolle, wie gut mir persönlich eine Geschichte gefällt.


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Hang the cosmic muse!

Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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gold
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Beiträge: 4936
Wohnort: unter Wasser
DSFo-Sponsor


Beitrag27.01.2020 00:01

von gold
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Lieber Inco,

eine ganz nette Geschichte.  
Das Thema hast du zwar gut getroffen, aber leider kommt für mich im Gegensatz zu anderen Geschichten keine Spannung darin vor, sodass die Geschichte für mich nicht zu meinen Top Ten gehört.
Tut mir leid.

Liebe Grüße
gold


_________________
es sind die Krähen
die zetern
in wogenden Zedern

Make Tofu Not War (Goshka Macuga)

Es dauert lange, bis man jung wird. (Pablo Picasso)
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holg
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Wohnort: knapp rechts von links
Bronzenes Licht Der bronzene Roboter


Beitrag27.01.2020 17:22

von holg
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Zitat:
„Der Ring Fleischwurst? Aber nein. Die Wurst ist für meine Enkelin. Für sie ist es der Geschmack der vergangenen Kindheit.“

Schröder oder Höll? Oder doch vom Scherer in Dillingen? Wer den besten Lyoner macht (außerhalb des Saarlandes sind alle Fleischwürste wabbelig, fad und blass, don‘t @ me, ich esse eh keine Wurst mehr) ist immer eine Streitfrage.

Im Ernst. Hier war ich sofort in der saarländischen Heimat und habe nur knapp dem Drang widerstanden nach Dreihäuserstraßen im Saarland zu googeln. Ich glaube, es gibt da mehrere.

Aber zum Text: Ich mag es, wie wir der Journalistin in die Straße folgen und sie mit ihr zusammen entdecken. Habe mich zwar etwas über die nicht vorhandene Recherche vor dem Besuch gewundert, aber ok. Die Beschreibung der Straße ist detailliert bis akribisch, bringt das ein oder andere Rätsel zum Vorschein, macht Lust auf Entdeckung.
Frau Herzog ist natürlich ein Glücksgriff: eine mobile, fröhliche, gesprächige Oma. Das Gespräch windet sich aber ein wenig ins Rätselhafte. Ok, Kintsugi wird erwähnt.
Die Straße, nach dem Krieg gebaut, ist Ausdruck des Reparaturwillens, aber auch danach gibt es neue Risse: Bergschäden. Im Saarland wäre das an der Tagesordnung und müsste nicht auf historische Bergwerke geschoben werden.
Die im Zickzack dem Bergschaden folgend gepflanzten Bäume sind mir  eine etwas zu "pfiffige" Pointe.

Gibt 2 Nostalgiepunkte.


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Constantine
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Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag27.01.2020 23:31
Re: Dreihäuserstraße
von Constantine
Antworten mit Zitat

Bonjour

Zuerst einige Text-Zitate:
Zitat:
Vor der Recherche benötigte ich zunächst immer erste Eindrücke. Unvoreingenommen, ohne vermeintliche Kenntnisse, wollte ich mir ein Bild machen.


Zitat:
Auf halbem Weg drehte ich mich um. Eine Frau wechselte die Straße auf die gegenüberliegende Seite. Aus welchem Haus sie gekommen war, hatte ich nicht bemerkt. An ihrem Gang und der ganzen Statur erkannte ich, dass sie ziemlich alt sein musste. Sie trug einen dunklen Wollmantel und einen Hut, der an einen Jäger erinnerte. Er wirkte keck auf ihrem Kopf. Ich schmunzelte, weil ich mich nicht erinnern konnte, wann ich dieses Wort das letzte Mal benutzt hatte. Die Frau drehte ihren Kopf in meine Richtung. Unsere Blicke trafen sich. Wir schauten uns in die Augen, ohne diese tatsächlich sehen zu können.

<-- Was ich hier vermisse [Hervorghebungen durch mich], sind Gedanken, in irgendeiner Form, die sich mehr als nur Oberflächlich mit der Alten beschäftigen. Über die Häuser in deR Strasse sinniert Margit mehr nach und zeigt mir damit mehr über sich und ihre Beobachtungen als hier. Heir bleibt sie doch sehr überflächlich. Diese Blicke, dieses direkte Anschauen der beiden, bleibt unkommentiert und wirkt für mich daher letztenendes und im Gesamtkontext banal, so dass das folgende Verlassen der Spur und hin zum Dialog mit der Alten zu unmotiviert wirkt. Und wenn es einfach nur ein Bauchgefühl war, die zur Entscheidung geführt hat, fehlt mir dieser nachvollziehbare Entscheidungsprozess und Befürchtung, warum sich diese Gelegenheit nicht später bieten könnte, sondern jetzt genutzt werden muss.

Zitat:
Hier gibt es tatsächlich noch einen Schuster, dachte ich. Sehen konnte ich ihn nicht. Vermutlich befand er sich in der Werkstatt. Ich stellte mir vor, die Tür zu öffnen, und ein Glöckchen würde klingeln. An der Kneipe ging ich schnell vorbei. Sie hatte nur von weitem den Anschein vermittelt. Der Eingang war mir Brettern verrammelt und nach dem Eindruck, den sie machten, schon seit langer Zeit. In dem Blumenladen zwei Häuser weiter wurden sicher schon seit Jahren keine Blumen mehr verkauft.


Zitat:
Zuletzt wollte ich noch einen Blick auf das Geschäft an der Straßenecke werfen. Ich hatte bereits von der gegenüberliegenden Seite darauf geschaut. Kolonialwaren Ludwig. Quer über das Schaufenster prangte in großen Lettern Alles bei Ludwig. Ich musste noch einige Schritte gehen, als ich die alte Frau, mit der ich Blicke getauscht hatte, das Geschäft verlassen sah. Sie schaute zu mir herüber und nickte mir zu. Wahrscheinlich hielt sie mich für eine Anwohnerin. Höflich nickte ich zurück. Bevor ich an dem Geschäft angekommen war, hatte sich die alte Frau auf eine der Bänke gesetzt. Ein Einkaufsnetz lag neben ihr. Während der wenigen verbleibenden Schritte entschied ich, mich neben sie zu setzten. Normalerweise vermied ich Gespräche, wenn ich erste Eindrücke sammelte, deswegen hatte ich den Schusterladen auch nicht betreten. Doch hier bot sich möglicherweise eine Gelegenheit, die nicht wiederkommen würde.

Dafür, dass der Prosatext aus  einem Gespräch von zwei Personen bestehen soll, ist die Einführung recht lang und die Beschreibung der Alten wird dann unterbrochen, bis Margit die Alte wiedertrifft. Die körperliche Nähe wird unterbrochen durch den Einkauf der alten und dem Weitergehn von Margit in der Strasse. Sicherlich ist die Strasse der begrenzte Ort und der ununterbrochene Zeitraum ist die Besichtigung der Strasse durch Margit. Streng genommen ist die Auslegung der Vorgabe etwas grenzwertig und unter Vorbehalt erfüllt.
Noch ist alles ok.

Nach einer langen Einführung durch die Protagonistin, was ihre Arbeit und ihrer ersten Besichtigung des Objektes angeht, folgt in Windeseile der Übergang zur "Recherche" mit eine Anwohnerin. Eigentlich völlig untypisch für die Journalistin und so ganz genau plausibel/motiviert kommt es mir leider nicht, dass sie sich zur Alten gesellt und sie ausfragt. Eine Gelegenheit, die möglicherweise nicht wiederkommen würde.
Die Journalistin machte auf mich nicht unbedingt den Eindruck, dass sie es heute eilig hätte. Stattdessen lässt sie sich von etwas leiten, das nicht klar ist, weil sie ihre Systematik ändert und Kontakt herstellt. Warum?

Was ich noch weniger nachvollziehen kann:
Zitat:
Für eine freie Journalistin ist es wie ein Sechser im Lotto, wenn eine Zeitung eine Serie startet. Straßen unserer Stadt nannte die Allgemeine Rundschau ihre, für die ich am Anfang der Dreihäuserstraße stand.

<-- Ich frage mich, was das Auswahlkriterium für die Wahl der Strasse war?

Zitat:
[...] Ich bin Journalistin und heiße Margit Eggekamp. Die Allgemeine Rundschau druckt in der Wochenendausgabe Geschichten über Straßen unserer Stadt ab und ich gehöre zu den Mitarbeitern, die diese Artikel schreiben.
„Oh, das lese ich immer gerne. An ihren Namen kann ich mich leider nicht erinnern.“
„Das macht nichts, es kommt ja auf die Geschichten an. Von mir war in der letzten Ausgabe ein Artikel über den Bärenklauweg.“
„Den habe ich gelesen. Das haben also sie geschrieben. Und nun kommt unsere kleine Straße in die Zeitung. Wie schön.“
„Das freut mich, dass ihnen unsere Serie gefällt.
[...]

Margit ist freie Journalistin und macht den Folgeartikel. Hier stellt sich mir erneut die Frage, was für Margit das Auswahlkriterium für die Dreihäuserstraße war? Sie muss diese Strasse von irgednwoher kennen, sonst hätte sie die Straße nicht ausgewählt und gerade durch diesen Gedanken, erscheint es mir doch als etwas seltsam, dass sie die Straße begeht, als hätte sie diese noch nie gesehen oder wüsste etwas über die Straße. Sie lässt die Strasse auf sich wirken und macht sich Gedanken über die Architektur, über die Fassaden und über die Geschäfte. Was war das Auswahlkriterium für diese Straße, dass darüber ein Artikel verfasst werden soll?

Margit macht keine Fotos, notiert sich nur was, macht somit insgesamt einen intuitiven oder lockeren Eindruck und beginnt untypischerweise ein Gespräch mit einer Anwohnerin. Das kommt mir sehr unprofessionell rüber. Vor allem als freie Journalistin kann es immer passieren, dass der Artikel abgelehnt oder durch einen anderen ersetzt wird. Hier bereits mit einer Anwohnerin über ein ungelegtes Ei zu palavern, passt für mich leider nicht.
Ich hätte mir mehr Motivation gewünscht, um mit der Alten ins Gespräch zu treten, ohne das ungelegte Ei als Vorwand vorzuschieben.

Das Gespräch mit der Alten führt zur Vorgabe Rückblendeneinschränkung:
Zitat:
Sie schaute zu mir herüber und nickte mir zu. Wahrscheinlich hielt sie mich für eine Anwohnerin. Höflich nickte ich zurück. Bevor ich an dem Geschäft angekommen war, hatte sich die alte Frau auf eine der Bänke gesetzt. Ein Einkaufsnetz lag neben ihr. Während der wenigen verbleibenden Schritte entschied ich, mich neben sie zu setzten. Normalerweise vermied ich Gespräche, wenn ich erste Eindrücke sammelte, deswegen hatte ich den Schusterladen auch nicht betreten. Doch hier bot sich möglicherweise eine Gelegenheit, die nicht wiederkommen würde.

„Guten Morgen. Darf ich mich zu ihnen setzen?“
„Aber natürlich,“ sie nahm das Einkaufsnetz auf den Schoß. Nun sah ich, dass sie Wurstwaren gekauft hatte.
„Sie wohnen nicht hier in der Straße?“ Also hatte sie mich nicht für eine Anwohnerin gehalten.
„Nein ich wohne nicht hier. Ich bin Journalistin und heiße Margit Eggekamp. Die Allgemeine Rundschau druckt in der Wochenendausgabe Geschichten über Straßen unserer Stadt ab und ich gehöre zu den Mitarbeitern, die diese Artikel schreiben.“
„Oh, das lese ich immer gerne. An ihren Namen kann ich mich leider nicht erinnern.“
„Das macht nichts, es kommt ja auf die Geschichten an. Von mir war in der letzten Ausgabe ein Artikel über den Bärenklauweg.“
„Den habe ich gelesen. Das haben also sie geschrieben. Und nun kommt unsere kleine Straße in die Zeitung. Wie schön.“
„Das freut mich, dass ihnen unsere Serie gefällt. Ich bin heute hier durch geschlendert, um Ideen zu sammeln. Ich habe sogar die Anzahl der Häuser gezählt. Auf jeder Seite sind es zwanzig. Wissen sie, warum die Straße dennoch Dreihäuserstraße heißt?“
„Das habe ich mich auch manchmal gefragt. Obwohl ich hier in der Stadt geboren wurde, kann ich mich auch zu meiner Kinderzeit nicht an drei Häuser erinnern. Hier waren damals Felder von Bauer Schulte-Brönninghaus. Jetzt beginnen die Felder der Familie am Ende der Straße. Ach herrje, wie unhöflich. Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Oswalda Herzog ist mein Name. Ich wohne in dem Haus genau gegenüber.“
Ich dachte an die Notiz. „Ein ungewohnter Name. Wohnen sie schon lange in dieser Straße?“
„Mein Name war schon zu meiner Zeit eher ungebräuchlich. Aber meine Mutter sagte immer, Mädchen müssen schon vom Namen mächtig sein. Ich glaube, das gilt auch heute noch. Meine Schwester heißt übrigens Oswalde. Die beiden Ossis wurden wir als Kinder genannt.“ Sie kicherte. „Ich wohne hier seit 1953. Als ich hier eingezogen bin, waren die anderen Häuser noch nicht bezugsfertig, das letzte Haus war lediglich eine Baugrube. Damals war ich dreiundzwanzig Jahre alt und frisch verheiratet. Das war ein besonderes Gefühl, hierhin zuziehen. Wissen Sie, auch 1953 gab es noch überall Spuren der Zerstörung, Ruinen, Trümmer. Aber hier war alles neu. Eine unbekannte Welt. Die ist wohl mittlerweile den Menschen, die heute in den Wohnungen leben, fremd. Aber anders als uns damals. Für uns war es Zukunft. Für die jetzigen Mieter ist es Vergangenheit.
“ Sie machte eine kurze Pause. „Nächste Woche werde ich 90 Jahre alt. Meine Enkelin holt mich gleich ab, deswegen sitze ich hier, um ein wenig Abschied zu nehmen. In meinem Alter weiß man ja nicht, ob man nochmal zurückkommt, wenn man wegfährt.“ Wieder hörte ich ihr fröhliches Kichern.
Ich zeigte auf ihr Einkaufsnetz. „Etwas Geschmack nehmen Sie sich auch mit.“
„Der Ring Fleischwurst? Aber nein. Die Wurst ist für meine Enkelin. Für sie ist es der Geschmack der vergangenen Kindheit.“
„Sie fahren für ein paar Tage weg und nehmen nur etwas Wurst mit?“
„Eine zweite Garnitur Leben ist bei meiner Enkelin. Kann man das so sagen?“
„Das klingt schön. Zwei Leben zur gleichen Zeit.“
Wieder kicherte sie. „Als Ausgleich für die Zurückgelassenen sozusagen. Was meinen Sie, wie viele Leben bleiben in der Vergangenheit? Unsichtbare Risse?“

Die alte Frau schaute mich an. Ich las in ihren Augen, dass es keiner Antwort bedarf. Ich lächelte. Sie lächelte. Ich nickte. Sie nickte. Meine Gedanken gingen in die Zukunft. Ihre wohl in die Vergangenheit. Plötzlich kicherte sie wieder.

„Manchmal erinnern ungewöhnliche Spuren an vergangene Ereignisse. Wie die goldenen Reparaturen der Japaner.,“
Sie sah mir an, dass ich sie nicht verstand.
„Wissen sie, in den Siebzigern zog plötzlich ein Riss durch die ganze Straße. Der Grund war ein wildes Bergwerk aus längst vergessenen Zeiten. Aber das ist egal. Die Stadt hat damals alles saniert. Und irgendein phantasiebegabter Mensch hatte die Idee mit den Bäumen.“
„Die Bäume? Für mich sehen die nur chaotisch aus.“
<-- Kintsugi-Prinzip mit dem Riss und dem Sanieren der Strasse
„Schauen sie genau hin.“

„Aha, jetzt sehen sie es.“
„Ja, ich sehe es.“
„Ich liebe diese Bäume. Vielleicht verstehen sie, was ich meine.“


Ich spürte, es wurde Zeit mich zu verabschieden, stand auf und dankte ihr. Sie sagte nichts, aber wir verstanden uns. Ihre Augen wiesen noch mit einer kleinen Bewegung auf das Kolonialwarengeschäft Ludwig.

Diese Vorgabe empfinde ich gleichfalls als grenzwertig erfüllt, da das Gespräch anteilig aus einer größeren Rückblende besteht, aber im Vergleich zum Gesamttext schlägt das nicht auf. Insofern unter Vorbehalt auch ok.
Das Gespräch an sich ist nett geschrieben, hat als Einstieg erstmal den Artikel und die Strasse, dann über den Namen der Alten, dem bevorstehenden Geburtstag und ihrem Zweitsitz bei der Enkelin ein wenig Familiengeschichte, wie sie in die Strasse gezogen und aufgewachsen ist und ein wenig Geschichte der Strasse, wie sie sich im Laufe der Zeit verändert hat. (Vergangenheit)
Das Kintsugi-Prinzip sehe ich in der beiläufigen Erwähnung des Risses und dem Sanieren durch Japaner. Der Riss wird nicht hervorgehoben oder wertgeschätzt, sondern mit Bäumen "repariert", so dass der Riss nicht mehr sichtbar ist. Dahingehend sehe ich die Wertschätzung des Makels schwach ausgearbeitet, sprich, ich würde den  Makel ohne dass man mich darauf stösst, nicht von alleine erkennen.
Dennoch: Mal was anderes als körperliche oder psychische Schäden zu behandeln, sind es bei dir Schäden, die die Strasse erfahren hat und wie diese im Laufe der Jahre repariert worden sind. Schön.

Zitat:
Wieder kicherte sie. „Als Ausgleich für die Zurückgelassenen sozusagen. Was meinen Sie, wie viele Leben bleiben in der Vergangenheit? Unsichtbare Risse?

Den Bezug hier zu Rissen verstehe ich nicht und es kommt mir zu aufgesetzt vor, als dass es funktiniert, hier auch irgnedwie ein Kintsugi anzuspielen.


Das Thema "Die Vergangheit ist ein fremdes Land" scheint auf Margit bezogen zu sein, da für sie die Geschichte der Strasse fremd war und sie diese durch die Alte erfährt.
Es wird noch auf das ein oder andere als Fremd eingegangen:
Zitat:
Die Häuser mussten alle zur gleichen Zeit gebaut und später auch zur gleichen Zeit renoviert worden sein, so sehr ähnelten sie sich. Lediglich die Gardinen und Rollos gaben ihnen ein Stück weit Individualität. Ich dachte an die Wohnung mit den Holzrahmenfenstern. Das Originale ist nun das Fremde.

Hat mMn nichts mit dem Thema zu tun.

Zitat:
Wissen Sie, auch 1953 gab es noch überall Spuren der Zerstörung, Ruinen, Trümmer. Aber hier war alles neu. Eine unbekannte Welt. Die ist wohl mittlerweile den Menschen, die heute in den Wohnungen leben, fremd. Aber anders als uns damals. Für uns war es Zukunft. Für die jetzigen Mieter ist es Vergangenheit.

Der Wiederaufbau des zerstörten Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg mag für jüngere Generationen insofern fremd sein, dass sie esn iht miterlebt haben, dennoch, in der Schule, aus Erzählungen, Büchern und Dokumentationen erfährt man davon, und auch wenn es nicht unbedings Tagesgespräch ist, so ist es nicht wirklich "fremd", sprich unbekannt, was damals passiert ist.
Passen für mich nicht zum Vorgaben-Thema, auch wenn ich die Meinung der Alten nachvollziehen kann und die Gedanken von Margit über die auffällige Wohung mit einer schönen Symbolik geboten bekomme. Aber: Diese anderen Referenzen auf Fremd sehe ich als schwierig an, da sie das eigentlich geforderte Thema aufweichen und schwer ersichtlich machen. Warum hast du noch mehr "Fremd"-Referenzen im Text eingebaut, die mMn mit dem Thema peripher zu tun haben? Das Thema an sich geht für mich dadurch unter.

Insgesamt empfinde ich Margit als Protagonistin und ihre Beobachtungen als zu konstruiert, was ihre Motivationen angeht. Dadurch geht einiges an Glaubwürdigkeit für Margit verloren. Es handelt sich um eine textale Inszenierung, die mich leider nicht abholt.

Merci beaucoup
Constantine
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Michel
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Beitrag28.01.2020 14:50

von Michel
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Journalistin soll Artikel über eine Straße schreiben. Sie sammelt erste Eindrücke und spricht mit einer sehr alten Frau. Die beschreibt, wie einmal die Straße aufriss und wie die danach gepflanzten Bäume bis heute etwas davon erzählen. Was, bleibt im Dunkeln. In der Straßen-Geschichte steckt (etwas oberflächlich) das Kintsugi, die Vergangenheit ist hier den Heutigen ein fremdes, für die alte Frau aber sehr schönes Land.
Die Ausführungen der Journalistin empfinde ich als monoton. Ich weiß nicht, ob das die Notizen abbilden soll, aber die vielen „war“, „hatten“ und „gab es“ klingen langweilig. Wäre das nicht der Wettbewerb, hätte ich hier abgebrochen und die alte Dame verpasst.
Fazit: Da fehlt mir etwas, das mich reizt, mich dem Text näher zu widmen.


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Beitrag28.01.2020 16:31

von silke-k-weiler
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Lieber Text,

bei Dir war es sehr knapp, denn eine ganze Weile gingst Du tatsächlich leer aus. Zunächst einmal hast Du mich sprachlich nicht sonderlich vom Hocker gerissen. Aber nach mehrmaligem Lesen mochte ich die Idee dahinter immer mehr. Ich hoffe, dass diese Straße ein reales Vorbild hat, denn das Pflanzen von Bäumen in Grubenschäden ist eine schöne Idee. Auch der Umgang mit Vergangenheit und Zukunft im Gespräch mit der alten Dame, sowie die Betrachtung der Straße überhaupt hat mir gefallen.

Also knappse ich noch ein allerletztes Pünktchen für Dich ab.

Herzlichst,
Silke
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Jenni
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Beitrag30.01.2020 00:44

von Jenni
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Mir gefällt an dem Text, wie durch eine sehr sachliche Art der Beschreibung eine ganz spürbare Nostalgie aufgebaut wird, und zwar ganz schleichend. Während die Straße am Anfang noch fremd und im Grunde auch komplett uninteressant ist („Der Putz hatte ein mittelgraues Aussehen.“: großartig!), kommt langsam etwas persönliches durch. Das ist ein schöne Art, die Vergangenheit zu behandeln, wobei auf das genaue Thema „Vergangenheit ist ein fremdes Land“ nicht wirklich näher Bezug genommen wird, als dass die Vergangenheit manchen fremd ist. Um den Dialog hast du dich etwas rumgedrückt für mein Empfinden, erstens weil nur der halbe Text von zwei Personen im Dialog handelt, und zweitens, weil dieser Dialog gar nicht besonders viel zur Geschichte dazutut. Ich habe das Gefühl, hätte die Journalistin die alte Frau nur von weitem beobachtet, dann hätte das deren Geschichte ebenso erzählt, dass sie als Urgestein schon am längsten in der Straße wohnt und sich als Einzige an deren Ursprünge erinnert. Na gut, mein subjektives Empfinden, ich muss damit nicht recht haben. Aber wie gesagt: die Stärke des Textes liegt für mich gerade dort, wo der Dialog gar keine Rolle spielt. Kintsugi hast du zumindest nicht ignoriert, doch die aufgerissene Straße und die darauf angepflanzten Bäumen wirken schon etwas offensichtlich diesen Aspekt dem Thema noch aufgepflanzt. Trotzdem hat der Text etwas für mich, hat mich irgendwie angesprochen, und ich hoffe, es bleiben mir ein paar Punkte dafür über. Zumindest einer.
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Lalanie
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Beitrag01.02.2020 23:30

von Lalanie
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Da ich ein Neuling in diesem Forum bin, folge ich dem Ratschlag eines Mitglieds und schreibe nur einen Kommentar ohne Bewertung – ich hoffe, das wird mir nicht übelgenommen.
Dein Text nimmt den Leser einfach mit und lässt ihn schweben. Er fließt dahin mit einer unaufdringlichen Eleganz, man erwartet, dass sich noch irgendetwas ereignet, und ist eigentlich froh, als man erkennt, dass dem nicht so ist, dass es einfach nur um einen Moment geht, der für all die steht, die man im Leben des Öfteren erlebt, ohne zu begreifen, dass sich daraus das Leben konstituiert. Es ist die kleine Zufriedenheit im Alltag, das kleine Glück der Normalität, das alles bedeutet, selbstverständlich und doch besonders ist. Das Thema fand ich wunderbar umgesetzt, das Kintsugiprinzip wörtlich und auch in der Geschichte umgesetzt. Brillant! Vielen Dank dafür!
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