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Gedankensprünge


 
 
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Tkalcic
Geschlecht:männlichSchneckenpost


Beiträge: 8
Wohnort: Kostanjevac


Beitrag19.06.2008 06:09
Gedankensprünge
von Tkalcic
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Stell dir vor ...

Ich würde das Geheimnis für mich behalten.
Es soll möglich sein, am Rhein Klavier zu spielen, obwohl meiner Oma die Erdbeermarmelade ausgegangen ist.
Stell dir vor, es ist nicht das erste Mal.
Ich habe den Geburtstag meiner Frau vergessen, obwohl ich erst letztes Jahr die Speichen meines Rades habe nachziehen lassen.
Und das gewissenhaft!
Kannst du dir das vorstellen?

Jemand hat mir erzählt, dass er eine Viertelstunde auf dem Kopf stehen kann, und ich rege mich schon tierisch auf, wenn mir mal das Klopapier ausgeht.
Ich kann fast alle Zahlen im Kopf speichern. Die von 1-20 habe ich besonders gut drauf. Und trotzdem hat meine Tante das Rezept für die Eierpfannkuchen verschlampt.
Gestern habe ich mich auf mein neues Sofa gelegt, während mein Nachbar betroffen feststellen musste, dass es doch sein neues Auto war, das seit drei Wochen seine Garage blockierte, ohne einen gültigen Mietvertrag unterschrieben zu haben.

Man kann es drehen wie man will, aber diese Begebenheit erinnert mich fatal an den Tag im letzten Jahr, als meinem Gemüsehändler eine vollreife Wassermelone auf das linke Knie fiel und dieser dafür einen Wetterumschwung in Luxemburg verantwortlich machte. Die sofort eingereichte Klage wurde in dritter Instanz vor dem Europäischen Gerichtshof abgewiesen. In der Urteilsbegründung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Übelkeit sich breit zu machen pflegt, wenn Frühlingszwiebeln lila Blüten tragen.
Daraufhin klagte einer meiner Bekannten, er füttere jeden Morgen seine Katze mit Frischmilch, obwohl sein Nachbar in vierter Ehe lebe. Die sofort einberufene Richter- und Anwaltskonferenz beschloss, ungeachtet der verworrenen Situation, den Prozess auf Kosten des Klägers weiterzuführen. Nach weiteren drei Lichtjahren einigte man sich darauf, dass zukünftig der Pförtner bei Krupp sein Butterbrot unter Ausschluss der Öffentlichkeit essen darf.

In Dubai hat vorige Woche ein Mann den ganzen Mittagsverkehr lahm gelegt, weil er nicht davon abzuhalten war, seinen Kastanien ein Wiegenlied auf Hebräisch zu singen. Alle Überzeugungskräfte verloren sich buchstäblich im Sande. Ein kleiner, weiser Mann, den Einheimische auf dem örtlichen Basar zu einem Spottpreis erstanden hatten, konnte schließlich den Unbeirrbaren dazu bringen, sich lieber auf das Bauen von Sandburgen zu spezialisieren.
Ein gefeierter Sänger erkundigte sich im Laufe eines Konzertes bei dem jubelnden Publikum nach der Uhrzeit, worauf ein Pensionär aus dem Altenheim St. Georg dem Gefeierten ein Stück Kirschkuchen mit Sahne anbot.
Der weltberühmte Mathematiker Oliver Girdlestone ist in sein Grab gesprungen. Radio Usbekistan hat sofort sein laufendes Programm unterbrochen und spielt seither nur noch unveröffentlichtes Material von Fats Domino. In Melbourne wurden alle städtischen Toiletten geschlossen, was zu heftigen Reaktionen im Stadtpark führte. Tom Car aus Iowa lief geschlagene zwei Stunden ziellos in seinem Vorgarten umher, bis er erschrocken feststellte, dass er vergessen hatte, sein Taschentuch in der Reinigung abzuholen. Doch hatte er sich inzwischen so verlaufen, dass kaum noch Hoffnung für ihn bestand die Eisdiele zu erreichen, bevor der Bus nach Ohio den Bahnhof in Denver verlässt.

Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein, seit Oliver Girdlestone nicht mehr ist, was er einmal war.  Nämlich lebend.
Noch sehe ich ihn vor mir, ihn der uns immer wieder in Ekstase zu versetzen wusste, wenn er durch jede Tür, war sie auch noch so hoch, gehen konnte, ohne den Kopf einzuziehen. Wie einen Schatz werde ich sie bewahren, die Augenblicke, denen ich beiwohnen durfte, wenn Oliver Girdlestone aus dem Fenster starrte und dabei seinem Hamster die Primzahlen von eins bis tausend ins Ohr flüsterte. Ich schenkte ihm zum Namenstag seines Zahnarztes eine unbeschriebene Loseblattsammlung mit den Ideen Erich Honeckers. Eine Tatsache, die ihn spontan dazu veranlasste, seine Zahnbürste mit Genosse anzusprechen. Schwer zu schaffen machte ihm vor zwei Jahren das Geständnis seines Taschenrechners, er habe sich mit Miles Davis zusammengetan, um die Gedichte von Wächter zu vertonen. Girdlestone, total außer sich, drohte dem Taschenrechner, ihm nie wieder die spannende Geschichte vom Fakir des Grauens zu erzählen, worauf dieser klein beigab und versprach, sich mehr mit dem irischen Liedgut zu befassen. Dies alles geschah in einer Phase, als Girdlestone gerade dabei war, die Fallgeschwindigkeit eines Apfelbaumblattes im Winter zu berechnen. Die Dachdeckerinnung wartete bereits gespannt auf die ersten Forschungsergebnisse. Die Arbeit ging auch ganz zügig voran, sieht man einmal von den Unterbrechungen ab, die der Taschenrechner hervorrief, wenn er komplizierte Formeln einfach ignorierte und stattdessen ein irisches Sauflied anstimmte. Bereits die ersten Veröffentlichungen, versehentlich im Sportteil der australischen Hirtenzeitung abgedruckt, brachten Einsteins Theorie ins Wanken und den Chef der Sportredaktion in die Frührente. Girdlestone hatte festgestellt, dass ein Dieselmotor komplett anders arbeitet als eine Küchenwaage. Die Forschungen über die Personenwaagen sollten dagegen in diesen Tagen erscheinen. Doch leider musste  Girdlestone seine Leidenschaft mit dem Tribut eines nicht mehr rückgängig zu machenden Todes bezahlen. Bei einem auf zehn Kilometer angesetzten Murmelspiel verlor er am zwanzigsten Loch seine schönste Kugel, was ihn zu einem äußerst riskanten Einsatz verleitete. Um die folgenden Spielbahnen von lästigen Sandkörnern zu befreien, griff Girdlestone zu dem Genossen Zahnbürste. Dies war natürlich ein fataler Fehler, wie sich auch sofort herausstellte. Die Zahnbürste quittierte mit sofortiger Wirkung ihren Dienst und lief zu Professor Silberstein über, bei dem sie auch sofort um politisches Asyl nachfragte. Dies wurde ihr natürlich auch gewährt. Alle Medien feierten diesen Ausstieg aus dem Kommunismus und Silberstein plädierte lautstark des Miniatur-Schrubbers  Erhebung in den Adelsstand. Als Girdlestone seine Zahnbürste mit Herzog anreden sollte, trat er zur zweiten Runde nicht mehr an und schloss sich im Hamsterkäfig ein. Aufmerksame Nachbarn alarmierten sofort die Polizei, als der Getränkeservice den dreißigsten Kasten mit edelstem irischem Whiskey anlieferte, der vom Hamster mit einem ungedeckten Scheck bezahlt wurde, während der Taschenrechner zum hundertsten Mal 'seven drunken days' sang.

Anton Liebknecht, in Künstlerkreisen bekannt und geschätzt seiner Fähigkeit wegen, immer wieder Quark und Malzbier in seinen Werken vermieden zu haben, hat letzte Woche (anlässlich einer Protestkundgebung afrikanischer Hürdenläufer) verlauten lassen, dass er sich nicht mehr leiden kann. Daraufhin habe er sofort die Scheidung von sich und seinem Teewagen (ein Geschenk seiner verwirrten Tante Lisa) beantragt. Der Aufschrei der gesamten Presse suchte seinesgleichen. Tagelang erschien keine Zeitung mehr. Es wurde nur noch geschrien. So sah sich Anton Liebknecht gezwungen, doch wieder an die Öffentlichkeit zu treten. Auf dem Weg dorthin muss er sich irgendwie verirrt haben. Bis zum heutigen Tag blieben alle Suchaktionen im Sandkasten stecken.
Etwas Hoffnung keimte auf, als ein Uhrmacher aus Trier stur und steif gefroren behauptete, dass seine gestreifte Krawatte seit Tagen wie vom Erdboden verschwunden sei. Das Rote Kreuz wollte sofort alle Betten in Oberursel beziehen. Doch hatte man dabei übersehen, dass zur selben Zeit der Zentralrat der österreichischen Dackelzüchter in Salzburg weilte. So pilgerten täglich Fliesenleger aus Ostwestfalen zu dem verwaisten Haus von Anton Liebknecht. Dort stehen sie gewöhnlich fünf Minuten nutzlos rum und sind dann gezwungen, nach dem Weg zum Bahnhof zu fragen, was die Anwohner entsetzlich nervt, denn die wissen noch nicht mal, wieso in der örtlichen Post nur noch Fruchtjoghurt verkauft wird.

Ein ähnlicher Fall spielt sich derzeit in einem kleinen Dorf im Baltikum ab. Wobei das Max-Planck-Institut bereits behauptet, dass die Fälle nicht ähnlich gelagert seien, sie seien vielmehr identisch gestapelt.
Dort weigert sich Igor Boskov beharrlich, die unterste Stufe seiner Außentreppe, die ihn zu seinem Satellitenklo führt, auch nur anzuschauen (geschweige denn zu betreten). So passiert, was passieren muss. Igor Boskov fällt sich zweimal täglich in Anbetracht der existierenden, nicht existenten Stufe die Fresse blutig, bevor er zum eigentlichen Geschäft die Kloräume betritt, bzw. befällt.

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Valeska
Waldohreule

Alter: 33
Beiträge: 1580
Wohnort: Wolke 7


Beitrag19.06.2008 12:05

von Valeska
Antworten mit Zitat

Hallo Tkalcic  Very Happy

das ist igendwie genial -
die Welt ist schon verückt, nicht wahr?

Mir gefallen auch die Wortspiele.
Wieder mal erstaunlich, was man mit Sprache alles anstellen kann.


_________________
so bin ich
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Tkalcic
Geschlecht:männlichSchneckenpost


Beiträge: 8
Wohnort: Kostanjevac


Beitrag25.06.2008 05:16
Glück gehabt
von Tkalcic
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Valeska,

dann habe ich ja nochmal Glück gehabt.
Ich rechnete schon damit, dass mir nach dem Lesen des Textes ein Besuch bei einem erfahrenen Neurologen dringend empfohlen wird.
Dann kann ich mir den Weg ja sparen.

Danke
Wolfram
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Pismo
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 212
Wohnort: Berlin


Beitrag25.06.2008 13:37

von Pismo
Antworten mit Zitat

Mist! Ich wollte irgendwas supergeniales zu deinem Text schreiben, dann klingelte das Telefon, ich hörte mir ein paar Minuten das Gewäsch einer Meinungsumfrage an "Was wäre wenn Sonntag Bundestagswahl wäre" und ich hab vergessen, wie ich es ausdrücken wollte.

Mir bleibt also nix weiter, als zu sagen: Gefällt mir. Sehr.
Schön absurd, sehr liebevoll zwinkernd.

Mehr davon.

LG,
Pismo


_________________
Autoren sollten stehend an einem Pult schreiben. Dann würden ihnen ganz von selbst kurze Sätze einfallen.
Ernest Hemingway
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