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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 01/2020
Die Dose

 
 
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MoL
Geschlecht:weiblichQuelle


Beiträge: 1838
Wohnort: NRW
Das bronzene Stundenglas


Beitrag10.01.2020 20:00
Die Dose
von MoL
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Die Dose

Sie hebt den Blick, lächelt ihn an und legt den Zeigefinger auf die Lippen. Er nickt und lächelt zurück. Er hatte die Klänge ihrer Lieblingsband bereits im Flur vernommen, das Album auf Anhieb erkannt: „Live in Knebworth“.
Die „Ton-Familie“ hatte nur ein einziges Mal im Vereinigten Königreich gespielt. Angeödet von ihrem Urlaub in einem englischen Landhaus waren die Musiker in die Stadt gefahren, hatten sich dort einen Haufen Musikinstrumente gekauft und waren damit kurzerhand im nächstbesten Pub eingefallen.
Unter den verwunderten Einheimischen hatte sich auch ein gewisser Peter o`Commoran befunden, der sich bei zwei, drei Pint vom Schulmusicalauftritt seine Sohnes zu erholen versuchte. Nachdem die Ton-Familie ihr erstes Lied gespielt hatte, fasste Peter ganz schnörkellos den Entschluss, den würdelosen Auftritt des jungen Brian o'Commoran von seiner Handkamera zu löschen und dafür den längst legendäre Auftritt der Band aufzunehmen.
Freilich hatten außer den Musikern damals nur zwei weitere Anwesende die deutschsprachigen Texte verstanden: Sonja und Wilhelm, selig vor Glück in ihrem ersten gemeinsamen Urlaub, dem ersten von so vielen.

Er hält inne und gibt sich für einen Moment ganz den Klängen des bittersüßen Stücks hin.
„Da-du-da, du bist mein Glück, machst mich verrückt - Hey Pia, komm zurück!“
Was waren sie verliebt gewesen!

Sie sitzt auf dem Fußboden, neben sich einen geöffneten Karton, um sich herum diverse Dinge, die meisten davon bereits auf zwei Haufen verteilt. Sie macht keinen „Vielleicht“-Stapel.
„Ja oder nein!“, pflegt sie zu sagen, „Für alles andere ist das Leben zu kurz!“
Sie seufzt und lässt die Schultern sacken. Was sie tut, ist keine Frage des Wollens, sondern des Müssens. Die Mietwohnung, die ihnen der Insolvenzverwalter zugestanden hat, ist nicht einmal halb so groß wie ihr Haus.
Er geht zu ihr, schiebt mit dem Fuß vorsichtig ein paar Dinge beiseite und lässt sich umständlich auf dem Boden nieder. Breitet die Arme aus. Mit einem leisen Seufzen lehnt sie sich vor und sinkt in seine Umarmung.
„Du bist mein Glück“, haucht die Ton-Familie ein letztes Mal. Schnell haucht er ihr einen Kuss ins Haar, dann löst der mittlerweile begeisterte Applaus, den Peter o`Commoran ebenso aufgenommen hat wie das Klirren von Gläsern, die Stimmung auf.
Er weiß, welches Lied jetzt kommt. Genau das Richtige. Ihr Schultern straffen sich unter seiner ruhigen Berührung.
„Hinterm Horizont geht`s immer weiter!“

Sie lacht leise und schüttelt den Kopf, als er unter Ächzen und Stöhnen aufsteht. Er schneidet ihr eine Grimasse. Sie grinst und beginnt dann, die flotte Melodie mitzusummen.
Er geht zielstrebig in den Keller, es muss ja, kommt mit gleich zwei Kartons zurück. Und wieder schaut sie auf, fängt seinen Blick, lächelt ihn an.
Er stellt die Kartons auf den Esszimmertisch. Besser im Stehen arbeiten, als hinterher nicht mehr hochkommen!

Er öffnet den ersten Karton. Vergangenheit strömt ihm entgegen, doch er hat die feste Absicht, sich nicht davon einfangen zu lassen. Besser auf die Musik hören, dann ist der Geist beschäftigt und kann erst gar nicht irgendwohin abrutschen!
Weiter geht es mit „Auf nach Hawaii“. Erst als er sie kichern hört, wird ihm bewusst, dass er im Stehen zum Takt der Musik hin- und her wippelt. Er schickt ihr einen Luftkuss und wackelt übertrieben mit den Hüften. Die Zeile „Baby, bist du dabei / komm`, wir fliegen nach Hawaii!“ formt er für sie sichtbar mit den Lippen nach: „Baby, bist du dabei?“
„Oh yeah!“, lautet die stumme Antwort ihres Mundes, laut gesungen von diversen Mitgliedern der Ton-Familie.

Er ist gerade mit dem zweiten Karton fertig, als sie aufsteht und ebenfalls in den Keller geht. Wieder oben ächzt sie unter der Last der beiden Kartons. Er schüttelt den Kopf: Sie kann es einfach nicht lassen!
Er nimmt ihr einen ab. Sie stellt sich auf die Zehenspitzen und küsst ihn auf die Nase.

Sie setzt sich wieder auf den Boden, öffnet die Pappbox. Er linst hinüber.
Sie wühlt eine Weile herum, hebt den Karton dann hoch und kippt ihn einfach aus. Er grinst: Das ist sein Mädchen!

„Damals in Amsterdam“, tönt es nun aus den Lautsprechern und er widmet sich dem neuen Karton. Seinen „Nein“-Haufen musste er bereits in den nun leeren Pappschachteln zwischenlagern, sein „Ja“-Haufen ist bemerkenswert klein.
Der neue Karton birgt eine Überraschung. Er runzelt die Stirn und dreht die Karo-Kaffee-Dose leicht unschlüssig hin und her. Weder hat er dieses widerlich süße Zeug mehr als einmal getrunken, noch je eine Dose davon gekauft. Sie auch nicht, da ist er sicher. Woher kommt die Dose dann? Und wieso ist sie trotz geschlossenem Metallbügel noch zusätzlich mit einigen Längen Klebefilm versiegelt?
Er hört, wie sie zischend die Luft einatmet. Er dreht sich um, die Dose in der Hand. Ihr Blick ist darauf geheftet. Nicht auf ihn. Vorsichtig hält er ihr den Behälter hin.
„Der Mondschein, du, der Vondelpark / der See und dann dein Blick...“
Sie steht eine Spur zu hastig auf, nimmt ihm die Dose einen Hauch zu heftig aus der Hand.
„Was ist da drin?“, möchte er fragen. Aber er tut es nicht.

Unerträglich langsam knibbelt sie die Klebestreifen von der Dose. Er versucht, neben ihr weiter zu sortieren, ganz so, als ginge ihn das Ganze nichts an. Es klappt nur nicht: Sein Körper ist wie festgefroren. Sie würde ihm sowieso keine Gleichgültigkeit abkaufen. Sie sind noch kein Leben lang zusammen, neun Jahre erst, aber er hat ihr seinen Körper und seine Seele gegeben. Da ist nichts, was sie nicht über ihn wüsste.
„So ein Blödsinn!“, denkt er plötzlich, „Mach dich doch nicht lächerlich! Sie hat 38 Jahre ihres Lebens ohne dich verbracht. Du kannst nicht alles über sie wissen und sie nicht über dich. Basta.“

Er verharrt weiterhin.
Sieht zu, wie sich ihre Schultern heben und senken. So entschlossen atmet sie nur, wenn sie sich für etwas wappnet.
Sie öffnet die Dose.
„Der Mann mit dem Xylophon / an der Centraal Station / du und dich, wir war`n die Besten / auf`m Fahrrad / Haarlemmerstraat nach Westen...“
Das erste, was sie aus der Dose zieht, ist ein Foto. Er erkennt sie kaum darauf. Sie ist schlank, unfassbar jung, mit Wespentaille im leichten Sommerkleid, schmalen Fesseln, Locken wie aus Sonnenschein, die Augen voller Lebensfreude. Schmale, gerade Stupsnase. Sie schmiegt sich in den Arm eines Mannes, lacht haarscharf an der Kamera vorbei. Der Mann blickt direkt hinein.
Gut gebaut ist er, vielleicht ein wenig älter als sie. Stramme Muskeln straffen sich unter seinem Shirt, das er eingesteckt in die Hose trägt. Schmale Hüften, lange Beine, die dichte, braune Mähne eine Spur zu lang. Den Besitzerstolz ins grinsende Gesicht geschrieben.

Sie dreht das Bild um. „Mai 1993“ steht unten rechts in der Ecke, das „i“ von „Mai“ mit einem Herz statt eines Punktes.
Sie legt das Foto auf den Esstisch und greift wieder in die Dose. Als nächstes holt sie eine Haarsträhne hervor, sorgfältig zusammengebunden mit einem schmalen, roten Seidenband. Sie legt die Strähne vorsichtig auf das Foto.
Ihr Mund ist eine dünne Linie. Sie hält kurz inne, reibt sich mit dem rechten Zeigefinger über den winzigen Knick auf ihrem Nasenrücken.
Und wieder steckt sie ihre Hand in die Dose, zögerlich, als könne sie etwas darin beißen, und fördert weitere Gegenstände zutage.
Ein seltsames Tütchen mit einer hellblauen Schnur daran. Sie dreht es hin und her, runzelt die Stirn. Wohl im selben Moment wie er identifiziert sie es als zerbröseltes Lebkuchenherz. Sie verzieht den Mund und legt es weg.
Ein winziger Teddybär. Ein leeres Notizbuch mit einer getrockneten Blume darin. Weitere Fotos, immer er und sie und Lachen.
Muscheln, für ihn sehen sie gewöhnlich aus. Ein roter Schal. Sie riecht daran, legt ihn dann hastig zur Seite.
Briefe in geöffneten Umschlägen. Sie liest sie nicht, schüttelt nur den Kopf, seufzt. Und reibt immer wieder über ihre Nase.
Da auf einmal weiß er es: Der Mann muss Joachim sein!

Er kennt das Ende ihrer Geschichte. Der Knick auf dem Nasenrücken ist die einzige ihrer Narben, die sichtbar geblieben ist. Als er sie das erste Mal sah, dachte er, sie sähe damit aus wie eine Kriegerin, stolz und voll unbändigem Kampfeswillen. Er behielt Recht: Sie hatte nicht ein einziges Mal in ihrem Leben aufgegeben!
Ja, er kennt das traurige, viel zu lange Ende ihrer Ehe mit Joachim; jetzt wird er Zeuge ihres Anfangs. Es hat eine Zeit gegeben, da hat er sie glücklich gemacht.
Es ist lächerlich, dass er einen Stich der Eifersucht verspürt.
„Du bist ein Idiot!“, schimpft er sich stumm und wendet den Kopf. Draußen ist es bereits dunkel und er spiegelt sich in der Fensterscheibe. Neben sich sieht er ihren Schemen, die Schultern gebeugt, den Kopf vornüber.
Sie ist die, die sie ist, doch wäre sie das auch, wenn es Joachim nicht gegeben hätte?
Fast wünscht er es sich, ihr zuliebe.

Er dreht sich zu ihr, fasst ihr unters Kinn und hebt ihr Gesicht leicht an. Ihre Augen sind groß, eine einzige Träne perlt.
„Alles war so einfach / damals in Amsterdam“ - die Melancholie der Zeile packt ihn mit ungeahnter Kraft, die hohen Riffs der E-Gitarren, kombiniert mit der Süße einer einfachen Flöte, schneiden ihm direkt ins Herz.
Mit einer Heftigkeit, die ihn selbst überrascht, umklammert er sie. Sie keucht auf, sofort lockert er die Umarmung. Als sie sich von ihm löst, ist die Träne verschwunden.

Sie reckt das Kinn, greift dann zu den Gegenständen und stopft sie zurück. Sie nimmt die Dose in die Hand, verharrt, sucht wieder seinen Blick.
„Damals in Amsterdam / warst du auf einmal da. / Seitdem ist kein Tag mehr / wie er einmal war. / Mit einem einzigen Lachen / zogst du mich in deinen Bann. / Jetzt und für alle Zeiten / Baby, bin ich dein Mann. / Alles war so einfach / damals in Amsterdam.“
Er formt es mit den Lippen nach. Nie hat er etwas ernster gemeint.
Sie kam damals mit nichts und gab ihm alles. Sie ist perfekt.
Er nimmt ihre Hand und führt sie langsam zu seinem „Ja“-Stapel. Als er sie küsst, lässt sie die Dose los.

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gold
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Beitrag20.01.2020 23:54

von gold
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Lieber Inco,

leider finde ich die Story zu eintönig und einfach gestrickt. Auch bräuchte sie mehr Spannung.

Zu den Vorgaben:

Vergangenheit als fremdes Land. Nun, diese Vorgabe scheint gegeben zu sein, da der Prota rätselt, ob seine Angetraute in der Vergangenheit vor dem Erwerb ihrer Verletzung durch ihren damaligen Ehemann anders war als sie es jetzt, in der Gegenwart ist.

Betonung des Makels: Ist für mich nicht ersichtlich. Die Reparatur der Verletzung könnte durch die Beziehung zu dem Protagonisten erfolgt sein.

Nichts für ungut. Dabeisein ist doch schon die halbe Miete. Smile

Liebe Grüße
gold


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Kiara
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Beitrag21.01.2020 13:11

von Kiara
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Hallo!

Der erste Eindruck des Textes meinerseits, rein subjektiv natürlich, bitte nicht überbewerten.

Eine interessante Art und Weise, diese Vorgaben anzugehen: Alles "Gesprochene" über die Songtexte auszudrücken. Spannend. Es ist für meinen Geschmack etwas zu viel davon, dennoch gut. Das Ende gefällt mir.

Erinnert mich an eine Geschichte hier im Forum, wo so etwas mit Linkin Park gemacht worden war. Leider finde ich sie nicht mehr.
"The clock ticks life away" von hobbes, die habe ich gefunden. Egal, gehört hier nicht hin.

Wie auch immer: Mir gefällt der Text sehr gut. Ich finde es eigenartig, dass der Mann nicht früher auf Joachim gekommen ist, wo es doch von der Reaktion der Frau her absehbar war. Das ist die einzige Schwachstelle für meinen Geschmack. Der Rest passt gut.

Die Facetten der E-Literatur, die eigentlich A wie anspruchsvoll heißen sollte, insbesondere den Interpretationsspielraum, finde ich in deinem Text bei der Frau zwar wieder, der Fokus liegt jedoch nicht darauf. Dennoch reicht es mir aus, der Geschichte den E-Stempel aufzudrücken.

Lieblingsstelle, das Ende: "Führt sie zu seinem Ja-Stapel. Als er sie küsst, lässt sie die Dose los."

Du bist einer meiner Favoriten und ergatterst 10 Punkte!

Liebe Grüße


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Zum Schweigen fehlen mir die Worte.

- Düstere Lande: Das Mahnmal (2018)
- Düstere Lande: Schatten des Zorns (2020)
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nebenfluss
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Beitrag21.01.2020 14:09

von nebenfluss
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Mag ich, grundsätzlich, weil mir die Beziehung der beiden mag. Der Typ, der "schnörkellos" den missglückten Musizierversuch seines Sohnes von der Cam löscht, zugunsten der "Ton-Famile"-Performance  - das hat was. Die Band mit dem marketingfeindlichen Namen muss man sich wohl vorstellen als eine ausgebuffte Schlagergang, die auch vor dreisten Anleihen bei der Heile-Welt-Konkurrenz nicht zurückschreckt: "Hinterm Horizont geht's immer weiter", tröstet es an einer Stelle über die Dezimierung des Haushalts hinweg.
Leider reicht die muntere Stimmung dann dich nicht für einen kompletten 10K-Beitrag, sondern wird durch das Auffinden einer Dose getrübt, in der sich die Erfüllung der Aufgabenstellung findet.
Erstaunlich:
- dass der brutale Ex-Mann sich dann doch so brav aus dem Leben der beiden herausgehalten hat, dass Wilhelm ihn noch nie zu Gesicht bekam
- dass die Dose überhaupt aufgehoben wurde.
Der Text erfüllt die Vorgaben, mit der nicht ganz erst gemeinten Einschränkung, dass mir der Soundtrack der Ton-Familie fast wie ein eigenständiger Akteur vorkommt, ohne den die ganze Wir-kommen-klar-und-lieben-uns-noch-immer-nur-darauf kommt's-an-Stimmung schwer aufrechtzuerhalten wäre.

EDIT: Für Punkte am Ende dann leider nicht 'E' genug. Dennoch gerne gelesen.


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hobbes
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Beitrag22.01.2020 10:59

von hobbes
Antworten mit Zitat

Musik! Da fange ich doch gleich an zu googeln, ob es die etwa tatsächlich gibt. Scheinbar nicht. Schade denke ich, zumindest, bis du mir die erste Lyrik-Zeile verrätst, dann denke ich mir, dass ich das vermutlich gar nicht hätte hören wollen.

Bis dahin hatte ich aber schon Spaß. Humor im Text! Hurra! Das hatte ich ja noch gar nicht bisher (also beim Lesen der Texte).

Zitat:
die flotte Melodie mitzusummen

Es gibt Wörter, die sollten grundsätzlich verboten werden. Flott ist für mich eins davon.

Ich finde es übrigens schade, dass die beiden nicht wirklich singen. Vermutlich täten sie es, wären da nicht diese Vorgaben. Ich stelle mir einfach vor, sie täten es.

Zitat:
aber er hat ihr seinen Körper und seine Seele gegeben.

Irgendwo hier dreht sich der Text für mich. Gerade hatte ich noch Spaß mit ihm, jetzt aber fürchte ich, das wird umschlagen. Logisch, denkst du vielleicht, jetzt wird es ja auch ernst, also im Text.
Aber das meine ich nicht.
Es sind so Dinge wie dieser Satz. Er hat ihr seinen Körper gegeben? Wie soll das gehen? Hier, zuerst der Arm, bitteschön. Was hättest du gern als nächstes? Den Kopf? Ein Bein?
Klar, du meinst das im übertragenen Sinn. Aber selbst dann erschließt es sich mir nicht. Ob sie wohl Wissenschaftlerin ist und Experimente mit ihm machen darf? Oder meint er etwa ganz profan den Sex?
Und dann schleichen sich so Sachen ein. Die schmalen Fesseln. Uh. Ich fürchte, in einem dieser Romane gelandet zu sein, in dem Frauen nun mal genau auf diese Weise beschrieben werden. Dann spricht er auch noch von Besitzerstolz. Da fühle ich mich schon gleich ganz klebrig.

Irgendwo um den Dreh herum fange ich auch an, darüber nachzudenken, warum die nicht miteinander reden. Klar, wegen der Vorgaben. Aber die Vergangenheit ausmisten, wer da nicht "weißt du noch" und "oh Gott, haben wir das wirklich aufgehoben" oder "Was ist das denn?" sagt, der muss sich doch irgendwie darauf festgelegt haben. Eine Vereinbarung, nicht zu sprechen. Aber von der steht im Text nichts (bisher).

Zitat:
Ein roter Schal.

Was ist das für eine wundersame Dose? Will sagen, wie viel passt da eigentlich noch rein?

Zitat:
Ihre Augen sind groß, eine einzige Träne perlt.

Ach Gott, eine perlende Träne.
Und dann ist sie auf einmal verschwunden. Wohin nur?

Und noch mal Ach Gott. Was ist er nur für ein lieber, guter Kerl, lässt sie die Dose behalten, also lässt sich die Dose behalten. Er ist so gut zu ihr.

Tja. Ist wohl einfach nicht mein Musikgeschmack.
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Literättin
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Beitrag23.01.2020 08:28

von Literättin
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Vorneweg: wenn ich einen Text kritisiere, beschreibe ich in erster Linie, was vom Text bei mir ankommt und was es auslöst. Sollten dabei auch einmal harte Worte fallen, so sind es dennoch beschreibende, nicht verurteilende, hämische oder verachtende. Ich kritisiere nicht in satter Selbstzufriedenheit. Immerhin sind mir selbst schon Texte aus der Feder geflossen, die daneben gingen. Und das sind zunächst einmal die meisten meiner Texte oder Texte-im-Entstehen.

                                                                                *




Dieser Text verwirrt mich. Ich komme nicht darauf oder dahinter, mit welchen Mitteln hier gearbeitet wird: Ironie? Ernst und Überschwang? Stilbrüchen?

Der Anfang wirkt souverän. Die Einführung der "Ton-Familie" von einer Bedeutung, die sich im Verlauf mal verliert, dann wieder nicht. Die Texte schräg. Der Stil durcheinander. "Wippeln" passt in den Ernst so wenig wie die albernen Texte und die "flotte" Musik, die lauter Heiterkeit auslöst: die beiden gealterten Liebenden, die dazu schmachten und eben "wippeln". Ich muss dabei ein-, zweimal schmunzeln über die Ausgelassenheit der Akteure und deren kindliche Lustigkeit. Und dann wider dieser Ernst. Der mir eine Spur auch zu ernst ist und am Ende zu betulich wird in der so oft erzählten Geschichte von Trennung, Eifersucht und versöhnlichem Einverständnis. Das hat was Liebes. Was Tröstliches. Und hier aber auch etwas ganz banales. Ein so großes Geheimnis birgt sich ja nicht in der sorgsam verklebten Dose. Sie hat halt eine Vergangenheit. Die bleibt auch nicht fremd. Im Gegenteil. So wenig wie die Vergangenheit der beiden selbst. Kaum etwas, das hier wirklich gekittet werden müsste. Am Ende scheint mir hier irgend etwas zu fehlen. Mal sehen,  was draus wird. So punktemäßig.


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- John Lennon -

Christ wird nicht derjenige, der meint, dass "es Gott gibt", sondern derjenige, der begonnen hat zu glauben, dass Gott die Liebe ist.
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Im günstigsten Fall führt literarisches Schreiben und lesen zu Erkenntnis.
- Marlene Streeruwitz - (Danke Rübenach für diesen Tipp.)
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F.J.G.
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Beitrag23.01.2020 14:04

von F.J.G.
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Hmm … was soll ich sagen? Mir fehlt die Markierung eines Schwerpunktes. Der Inhalt dieses Textes folgt unterschiedlichen Linien, aber keine davon ist hervorgehoben. So kann ich auch kein Leitmotiv erkennen.

Schwer verständliche Sätze sind Eigenschaft einiger wertvoller Werke der E-Literatur – jedoch kein Allgemeinrezept für deren Verfassung.

Und bitte Obacht mit der Zeichensetzung: der Name muss Peter O'Commoran heißen!


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traumLos
Eselsohr


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Beitrag23.01.2020 17:52

von traumLos
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Deutlich ist mir nicht geworden, ob hier ein Neubeginn und Aussortieren, oder ein Abschied und Aussortieren erzählt wird. Und obwohl es völlig unterschiedliche Situationen wären, spielt es in meinem Lesen keine Rolle. Den Klang der Band im Kopf werden klare Entscheidungen getroffen. Ja oder Nein. Kein Zögern. Der mitschwingenden Melancholie zum Trotz.

Für mich beinhaltet der Text die Vorgaben eindeutig.

5 Punkte.


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Catalina
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 51
Beiträge: 427
Wohnort: Kehdingen


Beitrag23.01.2020 20:16

von Catalina
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Ein Paar beim aufgezwungenen Aussortieren ihrer Habseligkeiten. In einer alten Dose sind Erinnerungen der Frau an ihre vergangene Ehe. Eine Ehe, die sehr glücklich begann, dann aber mit Gewalt und großen Verletzungen endete. Der Mann wünscht sich zwar für seine Frau, diese Verletzungen wären nie entstanden, weiß aber gleichzeitig auch, dass sie dann nicht die Frau wäre, die er liebt.

"Die Vergangenheit ist ein fremdes Land" wurde gut umgesetzt, denn in der Dose scheinen Erinnerungen zu sein, die halb vergessen bzw. übertüncht von dem "danach" waren.
Zwei Menschen in einem Raum, die stumm miteinander kommunizieren - mit Hilfe von Songtexten. Sehr schöne Umsetzung.
Kintsugi finde ich in Deiner Geschichte besonders deutlich: ihre Verletzungen haben sie zu dem Menschen gemacht, den er liebt. Gefällt mir gut und auch wenn ich ein wenig das "warum" vermisse, gibt es dafür einen Extrapunkt.

Dein Stil gefällt mir ausgesprochen gut, ganz besonders beim Abschnitt der o'Commorans. Schöner Humor.

Die Botschaft an sich ist auch schön, voll Kintsugi eben: Man ist der (liebenswerte) Mensch, der man ist, nicht trotz seiner Narben, sondern wegen seiner Narben. Leider bleibt sie für mich etwas theoretisch und es wird dabei wenig Gefühl transportiert. Wie im echten Leben: ein "Ich liebe Dich, weil" ist um so viel persönlicher und intensiver als ein profanes "Ich liebe Dich". Was ich damit sagen will: hätte mir der Mann vermitteln können, warum er seine Frau so liebt, dann hätte mich Dein Text vermutlich mehr erreicht.

---

Wegen der schönen Umsetzung der Vorgaben hast Du fünf bis sechs Texte überholt, die mich zwar mehr berührt haben, bei denen ich aber nicht alle Vorgaben deutlich erfüllt sah - und bist auf meinem Platz fünf gelandet.

Mo
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Babella
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Alter: 61
Beiträge: 889

Das goldene Aufbruchstück Der bronzene Roboter


Beitrag24.01.2020 00:07

von Babella
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Ein Paar ist insolvent und muss umziehen, dabei wird alter Kram aussortiert.

Die Narbe hat sie von ihrem früheren Ehemann. Ob sie erst durch ihre unglückliche Ehe so wurde, wie sie ist, rätselt er? Dies soll wohl das Kintsugi-Element sein.

Ansonsten schlimme Liedtexte und schmale Fesseln. Hu.
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a.no-nym
Klammeraffe
A


Beiträge: 699



A
Beitrag24.01.2020 02:38

von a.no-nym
Antworten mit Zitat

Hallo lieber Inko,

ich könnte mir vorstellen, dass dies ein sehr persönlicher Text ist (?). Ich hoffe, ich trete Dir mit meiner Kritik nicht zu nahe.

Den ersten Abschnitt Deines Textes habe ich mehrmals lesen müssen. So ganz bin ich trotzdem nicht draus schlau geworden. Ich nehme an, ab "Er hält inne" ist das Ganze aus Wilhelms Sicht erzählt (vorher wird erwähnt, nur Sonja und Wilhelm hätten die deutschsprachigen Texte verstanden). Warum es Dir wichtig war, den Einstieg so detailliert zu gestalten, hat sich mir nicht erschlossen – du kommst ja im weiteren Verlauf nicht auf Vater und Sohn o'Commoran (wird das O in solchen Namen nicht groß geschrieben?) und den Film aus der Kamera zurück (oder ist mir da was entgangen?). Vielleicht habe ich das auch alles ganz falsch verstanden.

Musik-/Liedtextzitate (erfundene wie echte) sind m.E. ein heikles Thema: Ist das Zitat erfunden oder ich als Leser kenne das Lied nicht, löst es bei mir wenig bis gar nichts aus. Kenne ich das Stück, habe ich möglicherweise ganz andere Assoziationen als der Autor. Schlimmstenfalls werde ich mitten im Text von einem (oder mehreren) Ohrwürmern angefallen, die mich stundenlang nerven und aus dem Text reißen.

Vorgaben: Die Idee, einen Teil ihrer (ihm unbekannten) Vergangenheit mittels des Inhaltes einer Caro-Dose ans Licht zu holen, halte ich für eine gelungene Umsetzung des Mottos. Auch die Art und Weise, wie der Text sowohl Ausschnitte der gemeinsamen Vergangenheit (und Gegenwart) des Paares als auch Scherben einer vorherigen Beziehung betrachtet, entspricht m.E. den Vorgaben. Die "Zwei-Personen-Regel" ist ebenfalls beachtet. Unsicher bin ich dagegen, wie weit der Text sich in der E-Literatur verorten lässt. Wenn ich da die Formulierung aus der Ausschreibung heranziehe, die "inhaltlich anspruchsvolle, ungefügige und mehrschichtige Texte" verlangt, tendiere ich eher zu einem ratlosen "Hm ..."
Aus meiner Sicht ist der Text in erster Linie eine innige Liebeserklärung an die Partnerin des Protagonisten. Ungefügiges oder Mehrschichtiges habe ich nicht entdecken können – das muss aber nicht heißen, dass es nicht vorhanden ist.
Andererseits steht hier nicht so sehr die Handlung im Vordergrund, sondern eher die eingehende Beschäftigung mit den Gedanken des Protagonisten. Das spricht dann doch für nennenswerte Anteile von E, je nachdem, welche Definition man zu Rate zieht. Und schon wieder komme ich zu dem Ergebnis, dass ich das Urteil in der E/U-Frage jenen überlasse, die mehr davon verstehen.

Freundliche Grüße und die besten Wünsche
a.
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V.K.B.
Geschlecht:männlich[Error C7: not in list]

Alter: 51
Beiträge: 6155
Wohnort: Nullraum
Das goldene Rampenlicht Das silberne Boot
Goldenes Licht Weltrettung in Silber


Beitrag24.01.2020 05:16

von V.K.B.
Antworten mit Zitat

Hallo Inko,
vorweg ein paar spontane Lesegedanken:

Zitat:
Unter den verwunderten Einheimischen hatte sich auch ein gewisser Peter o`Commoran befunden, der sich bei zwei, drei Pint vom Schulmusicalauftritt seine Sohnes zu erholen versuchte. Nachdem die Ton-Familie ihr erstes Lied gespielt hatte, fasste Peter ganz schnörkellos den Entschluss, den würdelosen Auftritt des jungen Brian o'Commoran von seiner Handkamera zu löschen und dafür den längst legendäre Auftritt der Band aufzunehmen.
Streng genommen bist du damit eigentlich schon raus. Wir haben eine dritte Person, würde man die aus der Geschichte streichen, gäbe es keine Aufnahme und damit auch den Dialog in dieser Form nicht. Wobei, das ist ja eine Rückblende hier. Äh, Moment, was? Rückblende? Shocked
Okay, war nur Spaß, ich lass das noch als personalen Hintergrund in der Vergangenheit durchgehen.

Zitat:
Muscheln, für ihn sehen sie gewöhnlich aus. Ein roter Schal. Sie riecht daran, legt ihn dann hastig zur Seite.
Briefe in geöffneten Umschlägen.
Was kommt als nächstes, ein Sofa? Sorry, jetzt muss ich doch lachen. Das alles soll in eine Karo-Kaffee-Dose passen???

Zitat:
Jetzt und für alle Zeiten / Baby, bin ich dein Mann. / Alles war so einfach / damals in Amsterdam.“
Gawds, diese Texte! *grusel*

Nun zur Geschichte. Einfach und flüssig zu lesen war die nicht, damit ist schon mal das Kriterium der Sperrigkeit erfüllt. Falls das keine Absicht war, würdige ich mal den Makel. Den Anfang musste ich zweimal lesen, um zu kapieren, um wen es eigentlich geht und wo die Geschichte spielt, im verlorenen Haus oder im Pub. Aber dann wird's klar.

Thema fremdes Land Vergangenheit. Okay, Vergangenheit in GB spielt eine Rolle (aber wie fremd ist das), da haben wir also fast eine wörtliche Dimension. Ansonsten… naja, Vergangenheit ist eben vergangen, tangiert uns nicht mehr, wir entscheiden uns fürs Hier und Jetzt. Vergangenheit, als ob in fremden Land ein Sack Reis umfällt.

Kintsugi-Konzept: Hmmm, eine Narbe auf der Nase aus einer früheren Beziehung (als "Kämpferin" gewürdigt) und vielleicht noch die Zeitkapseldose selbst mit ihren Fragmenten, wobei nichts erhoben oder repariert wird. Oh, doch, die Beziehung. Hmmm, eigentlich ist alles drin und die Geschichte hält die Grundvorgaben ein. Die alleinige Sperrigkeit durch etwas wirren Erzählstil am Anfang kann ich aber nicht voll als "bekannte Pfade verlassen" werten, das reicht nur für den gelben Bereich, denke ich.

Irgendwie sagt die Geschichte mir aber trotzdem nicht wirklich zu. Der Dialog zwischen den beiden wirkt öberflächlich und nichtssagend, wirkliche Tiefe kann ich in den Gedanken auch nicht entdecken. Dazu diese grausigen Lyrics von der Band, ja, okay, gehört zum Hintergrund, aber steht nun mal trotzdem da und gehört zum Text, als ein Teil davon. Wobei, passt ja durchaus zum albern kitschigen Ende. Sind halt romantische Personen, die beiden. Mr. Green
Nee, sorry, ich bin ein verbitterter, alter Zyniker und das Thema Heile-Welt-Wir-Schaffen-Das-Beziehung ist gerade so überhaupt nicht meins. Aber das liegt an mir und nicht an deiner Geschichte. Die ich trotzdem fair zu behandeln versuche, auch wenn du hundertprozentig an meinem Geschmack vorbeigeschrieben hast. Aber mir ist das alles irgendwie doch zu kitschig, wird beim zweiten Lesen gerade sogar noch viel schlimmer.

beste Grüße,
Veith

Abschließend, nach ewigem einigem hin und her Überlegen, wüsteste Flüche über den Wettbewerb ausstoßen, Tischkanten zerbeißen und das gesamte Dictionnaire Infernal rauf und runterbeschwören, landet deine Geschichte im gelben Bereich und erfüllt damit die Anforderungen an den Wettbewerb, wie ich sie momentan verstehe, teilweise. Sie schafft es leider nicht in meine Top Ten und erhält damit keine Punkte.


_________________
Hang the cosmic muse!

Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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silke-k-weiler
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 49
Beiträge: 749

Das goldene Schiff Der goldene Eisbecher mit Sahne


Beitrag24.01.2020 18:38

von silke-k-weiler
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Lieber Text,

mir gefällt die Szene zwischen dem Paar, dieses wortlose Verstehen, der wortlose Austausch, in Kombination mit der Dose, deren Inhalt Überbleibsel einer aus dem Ruder gelaufenen, früheren Beziehung darstellen, die Narben hinterlassen hat. Doch diese Vergangenheit gehört zu der Frau, damit auch zu dem Paar und wird als Teil akzeptiert. Damit sehe ich das Thema umgesetzt. Schön, wie die Zitate aus den Liedern das Ganze untermalen.

Einmal Punkte!

Herzlichst,
Silke
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MoL
Geschlecht:weiblichQuelle


Beiträge: 1838
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Das bronzene Stundenglas


Beitrag25.01.2020 01:46

von MoL
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Huhu lieber Text! Zu Dir komme ich später noch...
... und da bin ich wieder!

Hm. Ja. Was soll ich mit Dir anfangen?

Zunächst einmal: Ich weiß nicht, ob Du als E-Lit durch gehst. Ich habe Dich anders geschrieben, als ich sonst schreiben würde. Denke ich. Ich habe mich bemüht, kein genre zu schreiben und Du bist dabei heraus gekommen.

Zwei Personen, Zeit, Ort, kein Gespräch: Check!
Die Risse - sichtbar wie unsichtbar: Check!
Das Gold? Ich gebe zu, da muss man wohl etwas nach buddeln, oberflächlich betrachtet. Und gelangt dann hoffentlich zu der Ansicht: Es war immer da.

Ich mag Dich, kleiner Text, und bin wieder einmal froh, hier mitgemacht zu haben. Ich werde Dich auf jeden Fall behalten! Ohne diesen Wettbewerb gäbe es Dich nicht, so viel steht fest. Schlimmstenfalls habe ich also einen tollen Text mehr in meiner Sammlung.

Jetzt hoffe ich, die anderen Kinder sind nicht allzu gemein zu Dir. So oder so: Schön, dass es Dich gibt! Smile


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NEU - NEU - NEU
gemeinsam mit Leveret Pale:
"Menschen und andere seltsame Wesen"
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Hexenherz-Trilogie: "Eisiger Zorn", "Glühender Hass" & "Goldener Tod", Acabus Verlag 2017, 2019, 2020.
"Die Tote in der Tränenburg", Alea Libris 2019.
"Der Zorn des Schattenkönigs", Legionarion Verlag 2021.
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schreiberlinga
Geschlecht:weiblichWortedrechsler


Beiträge: 77



Beitrag25.01.2020 02:51

von schreiberlinga
Antworten mit Zitat

Ich habe die Wettbewerbstexte in der Regel nur einmal durchgelesen. Mein Kommentar darunter ist also eine ziemlich spontane Reaktion. Ich hoffe, dass du trotzdem - oder gerade deswegen - von meinem ersten Eindruck profitierst.

Die Frau und ihr gegenwärtiger Partner werden mit der zerbrochenen Beziehung der Frau von früher konfrontiert. Die Musik dazwischen zieht beide in ihre gemeinsame Vergangenheit. Ein Wechselspiel zwischen Vergangenem und Gegenwart. Ein wenig schmalzig? Finde die Sichtweise des Mannes interessant: ehrlich und mutig.
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag25.01.2020 13:43

von Constantine
Antworten mit Zitat

Bonjour

Du hast dich für die zweite Variante entschieden: Zwei Personen sagen nichts zueinander. Im Hintergrund läuft nostalgische Musik, die die beiden mal beschwingt, mal mit Melancholie färbt und ihr Tun beeinflusst.
Beispielhaft bewegst du dich sehr grenzwertig an der Vorgabe
Zitat:
Der Prosatext muss entweder (1) aus einem Gespräch von zwei und nur zwei Personen bestehen oder (2) ausschließlich zwei Personen beinhalten, die absolut nichts zueinander sagen.
vorbei:

Zitat:
Die Zeile „Baby, bist du dabei / komm`, wir fliegen nach Hawaii!“ formt er für sie sichtbar mit den Lippen nach: „Baby, bist du dabei?“
„Oh yeah!“, lautet die stumme Antwort ihres Mundes, laut gesungen von diversen Mitgliedern der Ton-Familie.


Zitat:
„Damals in Amsterdam / warst du auf einmal da. / Seitdem ist kein Tag mehr / wie er einmal war. / Mit einem einzigen Lachen / zogst du mich in deinen Bann. / Jetzt und für alle Zeiten / Baby, bin ich dein Mann. / Alles war so einfach / damals in Amsterdam.“
Er formt es mit den Lippen nach.

Für meinen Geschmack strapazierst du den Vorgabenbogen und hältst ihn nicht konsequent ein. Haarspalterei. Mag sein. Aber wenn die beiden absolut nichts zueinander sagen, dann sollen sie sich bitte auch keine Songtexte aus der Steckdose zu hauchen, die sie dann doch miteinander reden lassen.

Die Idee mit den Musiktexten als begleitender Hintergrund ist nett und macht aus der Entrümpelung eine sehr ausgelassene Angelegenheit. Das erzwungene Schweigen der beiden Protagonisten wirkt etwas aufgesetzt, künstlich. Auch dieses Reden wollen, es aber nicht tun, wie hier:
Zitat:
„Was ist da drin?“, möchte er fragen. Aber er tut es nicht.

erzeugt in mir die Frage, warum fragst du denn nicht? Was hindert dich? Die Musik im Hintergrund und die Bitte deiner Partnerin, die Musik nicht durch Reden zu stören. Klar. Ok.

Die Vorgabe Rückblendeneinschränkung ist hier rein gedanklich und auch von der Musik permanent induziert.
Dein Anfang setzt das Setting
Zitat:
Sie hebt den Blick, lächelt ihn an und legt den Zeigefinger auf die Lippen. Er nickt und lächelt zurück. Er hatte die Klänge ihrer Lieblingsband bereits im Flur vernommen, das Album auf Anhieb erkannt: „Live in Knebworth“.
Die „Ton-Familie“ hatte nur ein einziges Mal im Vereinigten Königreich gespielt. Angeödet von ihrem Urlaub in einem englischen Landhaus waren die Musiker in die Stadt gefahren, hatten sich dort einen Haufen Musikinstrumente gekauft und waren damit kurzerhand im nächstbesten Pub eingefallen.
Unter den verwunderten Einheimischen hatte sich auch ein gewisser Peter o`Commoran befunden, der sich bei zwei, drei Pint vom Schulmusicalauftritt seine Sohnes zu erholen versuchte. Nachdem die Ton-Familie ihr erstes Lied gespielt hatte, fasste Peter ganz schnörkellos den Entschluss, den würdelosen Auftritt des jungen Brian o'Commoran von seiner Handkamera zu löschen und dafür den längst legendäre Auftritt der Band aufzunehmen.
Freilich hatten außer den Musikern damals nur zwei weitere Anwesende die deutschsprachigen Texte verstanden: Sonja und Wilhelm, selig vor Glück in ihrem ersten gemeinsamen Urlaub, dem ersten von so vielen.

Er hält inne und gibt sich für einen Moment ganz den Klängen des bittersüßen Stücks hin.
„Da-du-da, du bist mein Glück, machst mich verrückt - Hey Pia, komm zurück!“
Was waren sie verliebt gewesen!

und ich finde mit diesem den gesamten Text durchgehenden Album-Setting bleibt die Rückblende konstant in den Gedanken von Wilhelm schwebend, kann aber nicht per se als eine durchgehende Rückblende angesehen werden. Das ist geschickt gemacht.

Nach einer recht langen Einführung nähert sich der Text dem Kern: Eine Dose, deren Inhalt Erinnerungsstücke des Ex enthält. ab hier wird es dann, was die Vorgaben mit Kintsugi und dem Thema angeht, interessant:

Zitat:

Der neue Karton birgt eine Überraschung. Er runzelt die Stirn und dreht die Karo-Kaffee-Dose leicht unschlüssig hin und her. Weder hat er dieses widerlich süße Zeug mehr als einmal getrunken, noch je eine Dose davon gekauft. Sie auch nicht, da ist er sicher. Woher kommt die Dose dann? Und wieso ist sie trotz geschlossenem Metallbügel noch zusätzlich mit einigen Längen Klebefilm versiegelt?
Er hört, wie sie zischend die Luft einatmet. Er dreht sich um, die Dose in der Hand. Ihr Blick ist darauf geheftet. Nicht auf ihn. Vorsichtig hält er ihr den Behälter hin.
„Der Mondschein, du, der Vondelpark / der See und dann dein Blick...“
Sie steht eine Spur zu hastig auf, nimmt ihm die Dose einen Hauch zu heftig aus der Hand.
„Was ist da drin?“, möchte er fragen. Aber er tut es nicht.

Unerträglich langsam knibbelt sie die Klebestreifen von der Dose. Er versucht, neben ihr weiter zu sortieren, ganz so, als ginge ihn das Ganze nichts an. Es klappt nur nicht: Sein Körper ist wie festgefroren. Sie würde ihm sowieso keine Gleichgültigkeit abkaufen.
Zitat:
Sie sind noch kein Leben lang zusammen, neun Jahre erst, aber er hat ihr seinen Körper und seine Seele gegeben. Da ist nichts, was sie nicht über ihn wüsste.

„So ein Blödsinn!“, denkt er plötzlich, „Mach dich doch nicht lächerlich! Sie hat 38 Jahre ihres Lebens ohne dich verbracht. Du kannst nicht alles über sie wissen und sie nicht über dich. Basta.“

Er verharrt weiterhin.
Sieht zu, wie sich ihre Schultern heben und senken. So entschlossen atmet sie nur, wenn sie sich für etwas wappnet.
Sie öffnet die Dose.
„Der Mann mit dem Xylophon / an der Centraal Station / du und dich, wir war`n die Besten / auf`m Fahrrad / Haarlemmerstraat nach Westen...“
Das erste, was sie aus der Dose zieht, ist ein Foto. Er erkennt sie kaum darauf. Sie ist schlank, unfassbar jung, mit Wespentaille im leichten Sommerkleid, schmalen Fesseln, Locken wie aus Sonnenschein, die Augen voller Lebensfreude. Schmale, gerade Stupsnase. Sie schmiegt sich in den Arm eines Mannes, lacht haarscharf an der Kamera vorbei. Der Mann blickt direkt hinein.
Gut gebaut ist er, vielleicht ein wenig älter als sie. Stramme Muskeln straffen sich unter seinem Shirt, das er eingesteckt in die Hose trägt. Schmale Hüften, lange Beine, die dichte, braune Mähne eine Spur zu lang. Den Besitzerstolz ins grinsende Gesicht geschrieben.

Sie dreht das Bild um. „Mai 1993“ steht unten rechts in der Ecke, das „i“ von „Mai“ mit einem Herz statt eines Punktes.
Sie legt das Foto auf den Esstisch und greift wieder in die Dose. Als nächstes holt sie eine Haarsträhne hervor, sorgfältig zusammengebunden mit einem schmalen, roten Seidenband. Sie legt die Strähne vorsichtig auf das Foto.
Ihr Mund ist eine dünne Linie. Sie hält kurz inne, reibt sich mit dem rechten Zeigefinger über den winzigen Knick auf ihrem Nasenrücken.
Und wieder steckt sie ihre Hand in die Dose, zögerlich, als könne sie etwas darin beißen, und fördert weitere Gegenstände zutage.
Ein seltsames Tütchen mit einer hellblauen Schnur daran. Sie dreht es hin und her, runzelt die Stirn. Wohl im selben Moment wie er identifiziert sie es als zerbröseltes Lebkuchenherz. Sie verzieht den Mund und legt es weg.
Ein winziger Teddybär. Ein leeres Notizbuch mit einer getrockneten Blume darin. Weitere Fotos, immer er und sie und Lachen.
Muscheln, für ihn sehen sie gewöhnlich aus. Ein roter Schal. Sie riecht daran, legt ihn dann hastig zur Seite.
Briefe in geöffneten Umschlägen. Sie liest sie nicht, schüttelt nur den Kopf, seufzt. Und reibt immer wieder über ihre Nase.
Da auf einmal weiß er es: Der Mann muss Joachim sein!

Er kennt das Ende ihrer Geschichte. Der Knick auf dem Nasenrücken ist die einzige ihrer Narben, die sichtbar geblieben ist. Als er sie das erste Mal sah, dachte er, sie sähe damit aus wie eine Kriegerin, stolz und voll unbändigem Kampfeswillen. Er behielt Recht: Sie hatte nicht ein einziges Mal in ihrem Leben aufgegeben!
Ja, er kennt das traurige, viel zu lange Ende ihrer Ehe mit Joachim; jetzt wird er Zeuge ihres Anfangs. Es hat eine Zeit gegeben, da hat er sie glücklich gemacht.
Es ist lächerlich, dass er einen Stich der Eifersucht verspürt.
„Du bist ein Idiot!“, schimpft er sich stumm und wendet den Kopf. Draußen ist es bereits dunkel und er spiegelt sich in der Fensterscheibe. Neben sich sieht er ihren Schemen, die Schultern gebeugt, den Kopf vornüber.
Sie ist die, die sie ist, doch wäre sie das auch, wenn es Joachim nicht gegeben hätte?
Fast wünscht er es sich, ihr zuliebe.

Er dreht sich zu ihr, fasst ihr unters Kinn und hebt ihr Gesicht leicht an. Ihre Augen sind groß, eine einzige Träne perlt.
„Alles war so einfach / damals in Amsterdam“ - die Melancholie der Zeile packt ihn mit ungeahnter Kraft, die hohen Riffs der E-Gitarren, kombiniert mit der Süße einer einfachen Flöte, schneiden ihm direkt ins Herz.
Mit einer Heftigkeit, die ihn selbst überrascht, umklammert er sie. Sie keucht auf, sofort lockert er die Umarmung. Als sie sich von ihm löst, ist die Träne verschwunden.

Sie reckt das Kinn, greift dann zu den Gegenständen und stopft sie zurück. Sie nimmt die Dose in die Hand, verharrt, sucht wieder seinen Blick.
„Damals in Amsterdam / warst du auf einmal da. / Seitdem ist kein Tag mehr / wie er einmal war. / Mit einem einzigen Lachen / zogst du mich in deinen Bann. / Jetzt und für alle Zeiten / Baby, bin ich dein Mann. / Alles war so einfach / damals in Amsterdam.“
Er formt es mit den Lippen nach. Nie hat er etwas ernster gemeint.
Sie kam damals mit nichts und gab ihm alles. Sie ist perfekt.
Er nimmt ihre Hand und führt sie langsam zu seinem „Ja“-Stapel. Als er sie küsst, lässt sie die Dose los.


Das thematisierte fremde, verdrängte Vergangenheitsland ist die Zeit, in der Sonja und Joachim glücklich waren und die für Wilhelm mit dem Inhalt der Dose sichtbar wird. Eigentlich eine Bagatelle, da man es sich denken kann, dass die Vorpartnerschaften der Partner auch glückliche Momente hatten, bevor diese zerbrachen. Dürfte bei Wilhelm auch nicht anders gewesen sein mit seiner Partnerin vor Sonja. Dennoch wird hieraus ein Konflikt mit dem Fund der Dose und deren Inhalt kreiert, Verdrängtes flimmert kurz auf gefolgt von einer textlichen Liebesbekundung inklusive "Ja"-Stapel und dem Loslassen der Dose. Alles sehr symbolträchtig und bedeutungsschwanger inszeniert, was im Grunde genommen kein Konflikt und kein Drama mehr ist und ein kurzes Schulterzucken wert gewesen wäre. Well.

Inhalt der Caro-Kaffee-Dose:
- Fotos
- eine Haarsträhne
- ein Tütchen mit einer hellblauen Schnur daran (zerbröseltes Lebkuchenherz)
- ein winziger Teddybär
- ein Notizbuch
- Muscheln
- ein roter Schal
- Briefe in geöffneten Umschlägen

Überraschend, wie viel in die Dose passt. Scheint sich nicht um die 200 g-Dose zu handeln. Warum musste es eine Caro Kaffee-Dose sein? Und wenn eine dieser, dann sollte deutlicher gemacht werden, dass es sich um eine 1000 oder 2000 g-Dose handelt. Warum nicht einfach eine große Dose, dann wäre es ok. Mir ist da zu viel in der Dose drin. Allein schon der Schal füllt die 200g-Caro-Kaffee-Dose. Warum nicht ein Halstuch? Wozu das leere Notizbuch, wenn nichts drinsteht, und die getrocknete Blume, die so unspezifisch und ohne Bezug ist, dass sie genauso gut fehlen kann und man nichts dadurch verloren hat? Das Zuviel an Inhalt macht mir diesen Fund und dessen Bedeutung zu dick aufgetragen und verliert für mich an Glaubwürdigkeit, die dem Text so wichtig ist, um zu funktinieren.

Das Kintsugi-Prinzip sehe ich hier vorgabenkonform
Zitat:
Gelingen wie Scheitern des Konzepts sind zugelassen

auch als Gescheitert an: Der Makel, das verdrängte, fremde Land, wird von Wilhelm nicht angenommen, sondern er "kämpft" dagegen an, in dem er Sonja mit seiner Liebesbekundung von diesem "Makel" wegnimmt und zu sich zieht. Ok.

Merci beaucoup
Constantine
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Boho
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Beitrag26.01.2020 14:24

von Boho
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Liebe*r Verfasser*in,

hmm… dein Text lässt mich ein wenig unschlüssig zurück.

Das fremde Land ist die Vergangenheit mit Joachim, okay. Am Ende lässt sie die Dose fallen, löst sich von ihm. Ich weiß aber nicht, warum... was hat dazu geführt? Das wird mir nicht wirklich klar, ich sehe hier die Kintsugi-Vorgabe nicht wirklich als erfüllt an. Deshalb überzeugt mich der Text auch nicht wirklich, obwohl er gut geschrieben ist (nur nerven mich die Songtexte irgendwann ein bisschen, da hätten es für meinen Geschmack auch weniger getan) und ich ihn auch gerne gelesen habe...

LG Boho
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holg
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Beitrag26.01.2020 17:44

von holg
Antworten mit Zitat

Lieber Text. Du hattest mich schon.
Du hattest mich mit der Leichtigkeit und Schlichtheit, mit der du deine Geschichte erzählst. Du hattest mich mit der Musik (die ich nicht kenne, aber Musik und Songtextschnipsel so in einem Text reingeschnipselt möchte ich auch können). Du hattest mich mit dem Flair der in Kisten verpackten Vergangenheit, die sich bruchstückhaft verrät beim Auspacken, der Verteilung auf Ja und Nein Haufen. Die Ungefährheit der Geschichte.
Die Carokafffeedose als Pandoras Büchse (ich kenne die von früher ohne Metallclip, nur mit einem roten Plastikdeckel, der immer viel zu fest saß) ist der Angelpunkt. Daran hängt alles.
Bis hierhin ist alles ganz wunderbar.

Und dann hast du mich vom Haken geschüttelt.
Statt Andeutungen, sparsamen Hinweisen, einem kurzen Blick auf ihre Reaktion, was gereicht hätte und eine wunderbare Kurzgeschichte ermöglicht hätte, krieg ich es mit dem Trichter eingeflößt.
Die ausufernde Beschreibung des Fotos (gut gebaut?, stramme Muskeln?), die Eifersuchtsattacke, das gewalttätige Ende der Beziehung.

Und - zack - wird aus dem Zauber etwas banales, schales, viel zu oft gelesenes. Ganz am Ende dann bleibt nur noch Kitsch.

Zitat:
Er grinst: Das ist sein Mädchen!
Da hätte ich „mein“ geschrieben.

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Beitrag27.01.2020 21:39

von firstoffertio
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Das ist einer der Beziehungstexte, die ich erwartet hatte.

Und er wirkt konstruiert auf mich, fast etwas kitschig.

Leider nicht meins.

Vergangenheitsthema ist da. Bei Kintsugi bin ich mir so unsicher wie bei Genre.

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Michel
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Beitrag28.01.2020 14:48

von Michel
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Ein Paar muss sein Heim verlassen, wohl Privatinsolvenz, und in eine kleinere Wohnung ziehen. Jetzt wird ausgemistet, dabei taucht viel Verbindendes auf – und Erinnerungen an ihre frühere Liebe. Es wird nicht gesprochen, aber er singt stumm die Liedtitel mit. Über die Titel einer alten LP („Es war so einfach in Amsterdam“) werden die Gefühle der Protagonisten quasi als Soundtrack eingespielt, ein netter Trick, der sich aber zügig abnutzt. Die vorletzte Zeile schmeißt mich, v.a. das „perfekt“. Das ist nicht kantig, das ist nicht brüchig, das ist (für mich) eher schmalzig. Sorry.

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Jenni
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Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag30.01.2020 00:50

von Jenni
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Ein Paar räumt auf, und dabei tauchen Erinnerungsstücke an eine vergangene Liebe der Frau auf. Eine Liebe, die traurig endete, aber, wie wir sehen, glücklich begann. Den Dialog gestaltest du ganz interessant, indem die beiden zwar nicht miteinander reden, aber durch die Liedzeilen ihrer Musik, die bei beiden gemeinsame Erinnerungen weckt, doch. Und auch ihr Schweigen bleibt nicht unberedt, es spielt sich trotzdem viel zwischen ihnen ab, das ist gut gelungen. An ein paar Stellen wirkt es auf mich dann aber etwas erzwungen, dass sie nicht reden, als sie mit der Kiste aus dem Keller kommt zum Beispiel. Ein bisschen absurd finde ich, was alles in eine Caro-Kaffeedose passt, mehrere Fotos und Briefe, ein Teddybär, Muscheln, ein Notizbuch, ein Schal … das erinnert mich etwas an den Schnabel von Pelle aus den Petzibüchern. Während des Ausräumens der Dose weckte es bei mir die Assoziation der Büchse der Pandora, sprich glaubte ich, diese Gegenstände würden etwas unwiderrufliches Freisetzen, und fand diese Aussicht interessant. Aber dann ist es nicht der Fall, eher im Gegenteil, beide haben mit den Erinnerungen abgeschlossen, die Dose hilft dabei, das zu erkennen.
Ein bisschen meine Schwierigkeiten habe ich bezüglich des Themas mit all diesen Texten, die schlicht die Vergangenheit als erinnert/nicht erinnert/abgeschlossen/ lange her/besser/traumatisch behandeln, aber letztlich nur als solche, als Vergangenheit, die eben vergangen ist, und nicht speziell im Sinne des Zitats. Wobei doch: Die Musik haben sie in einem gemeinsamen Urlaub gehört, der vielleicht die Vergangenheit symbolisiert? Aber nur sehr am Rande. Gut finde ich, dass du nicht alles bis ins letzte auserklärst, dass hier noch nicht die ganze Geschichte erzählt ist - wobei ich nicht sicher bin, ob einfach nur etwas weggelassen wurde, oder da wirklich mehr daraus entsteht. Das wird wohl erneutes Lesen zeigen.
Hin und her. Am Ende knapp keine Punkte.
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Ribanna
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 61
Beiträge: 772
Wohnort: am schönen Rhein...


Beitrag01.02.2020 12:16

von Ribanna
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Mich stören die vielen Liedzitate, und auch sonst kommt dieser Text bei mir nicht an.  
Handwerklich ist er ganz okay, aber für meinen Geschmack eine Spur zu seicht.


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