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Von Mandeln bis Granatsplittern (Arbeitstitel)

 
 
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BerndHH
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Beitrag02.12.2019 06:16

von BerndHH
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Ich kann hier leider nicht einmal ansatzweise transportieren, was mir wichtig ist. Wer kann sich schon vorstellen, wie eine unterirische Lazarettstadt wie das HKH Wedel / Hilfskrankenhaus Wedel / SanBunker Wedel funktioniert?
Wedel an der Elbe - kleiner Ort westl. v. Hamburg (Ks Pinneberg, Schleswig-Holstein), hatte für den KALTEN KRIEG einen großen SanBunker, der zusammen mit dem BWK Hamburg HH-Wandsbek-Gartenstadt einen Teil des Massenfalls von (Schwer-)Verwundeten wuppen sollte.
=> wir reden immer noch vom Konventionellen Krieg, also keine A-Waffen: dafür schlimmste Splitter- und Brandverletzungen infolge der Panzergefechte und vielleicht später auch Opfer von C-Angriffen mit Nervenkampfstoffen --- aber die kontaminierten Soman-/Sarin-/Tabun-Opfer dürfte man nicht mit konventionellen Kriegsopfern mischen. ABC-Abwehrtruppe, ABC-Dekontamination und Behandlung von C-Opfern in speziellen Feldlazaretten unter ABC-Vollschutz. Operieren unter ABC-Vollschutz mit Overgarment und ABC-Schutzmaske --- darauf war die SanTruppe der BW eh nicht vorbereitet.

Aber darum geht es mir nicht.
Hier werden zusammengeschossene Opfer der Großen Panzerschlacht in der Norddeutschen Tiefebene angeliefert. Und zwar am Fließband. Hunderte, tausende … Die Operateure müssen unter höchsten Stress und Druck in offenen Eingeweiden herumwühlen und retten, was zu retten ist.

Der Leser sollte jedoch im Intro erst einmal einen stimmungsvollen Einblick in die klaustophobischen Enge eines SanBunkers bekommen. Stahlbeton, Zwangsbelüftung, da der OP-Saal, dort die Plastikeimer für die entnommenen Organe und amputierten Körperteile, da die schwarzen Leichensäcke … wie kann man das besser schildern?

Habt Ihr da eine bessere Idee?


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Kiara
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Beitrag02.12.2019 11:13

von Kiara
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BerndHH hat Folgendes geschrieben:

Der Leser sollte jedoch im Intro erst einmal einen stimmungsvollen Einblick in die klaustophobischen Enge eines SanBunkers bekommen. Stahlbeton, Zwangsbelüftung, da der OP-Saal, dort die Plastikeimer für die entnommenen Organe und amputierten Körperteile, da die schwarzen Leichensäcke … wie kann man das besser schildern?

Warum schreibst du es nicht einfach in dieser Richtung? Beginnend mit "Fast schon sanft legte sich die abgetrennte Hand in eine andere, die bereits auf dem Stapel der amputierten Körperteile lag. Gemeinsam mit hunderten weiteren..." Und weiter geht's mit der Beschreibung, was ein "Arzt" da macht, wie es aussieht - und los geht's mit der Story.
Nein?


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BerndHH
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Beitrag03.12.2019 07:09

von BerndHH
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Hi Kiara,

ja, der SanBunker, das Hilfskrankenhaus Wedel, unterhalb des Johann-Rist-Gymnasiums, im Holsteinischen Wedel bei Hamburg ist als Relikt des Kalten Krieges tatsächlich zu besichtigen.
Es hat 35cm/50cm dicke Stahlbetonwände, eine Ausdehnung von 6.200 Quadartmeter, 154 Räume, 2 OP-Säle, Räume für die Frischoperierten, Hochbetten für die anderen Patienten, unheimlich leuchtende gelbe Wandstreifen, Zwangsbelüftung, bietet ABC-Vollschutz und hat 2 riesige Notaggregate. Eine Stromanlage wie eine Schiffsturbine. 700 Betten unterirdisch und 900 Betten oberirdisch in der Turnhalle des JR-Gymnasiums - Hubschrauberlandeplatz auf dem Sportplatz. 16 Ärzte und x Krankenschwestern, SanPersonal, etc.
Das unterirdische HKH Wedel sollte im Katastrophenfall und im V-Fall/Ernstfall bei Beginn eines konventionellen bzw. atomaren Krieges mit dem Warschauer Pakt seinen Dienst aufnehmen. Und tatsächlich bei der großen Sturmflut wurden dort in den 1960er Jahren Verletzte behandelt.

Unser Held Alexander wird im nasskalten Herbst 1986 mit dem SanHubschrauber von den Schlachtfeldern der Großen Panzerschlacht in der Norddeutschen Tiefebene zum SanBunker Wedel geflogen.
Er und sein Nierendurchschuss genießen (auf Befehl des Divisionsarztes - ein Golfkumpel seines Vaters) eine besonders hohe Priorität. Während Alexander gleich zweimal operiert wird, müssen andere Kameraden verbluten, weil er ihnen vorgezogen wird.
Es wird hochdramatisch. Mitten während der Operation kommt es zu einem massiven Luftschlag eines sowjetischen Bomberverbandes, der in ein fürchterliches Flammeninferno ausartet.
1943 starben während der Operation Gomorrha 40.000 Zivilisten im ausgebombten Hamburg. Im Oktober 1986 sind es sogar 80.000 - die Stadt ist vollgestopft mit Flüchtlingstrecks aus dem Osten. Es ist eine beispiellose humanitäre Katastrophe.
Man könnte weiter eskalieren, indem aus Panik flüchtende Zivilisten versuchen, die Rampe des HKH Wedel zu stürmen. Halt - hier Militärhospital! Na ja, das HKH Wedel war geheim und die Rampe unter dem JR-Gymnasium ist nicht so gut zu erkennen. Wenn Straßenzüge brennen, dann haben die Menschen wohl auch andere Sorgen, als einen Lazarettbunker zu stürmen. Und da fehlt mir die Vorstellungskraft.

Und wieder ist es Alexander, der zu den ganz wenigen gehört, der mit dem allerletzten SanHubschrauber aus dem HKH Wedel ausgeflogen wird, kurz bevor eine "Bunkerknacker-Bombe" den SanBunker atomisiert.
Die Russen nennen ihre Operation Божий уголовный суд – Boschij Ugolownij Sud – „Gottes Strafgericht“ oder ganz einfach „Die Faust Gottes“. Und sie sind fest entschlossen, Hamburg für alle Zeiten auszumerzen.
Woher der große, vernichtende Hass und die Kriegspropaganda kommt, ist eine andere Sache, die ich aber nicht weiter erläutern möchte.
Der SanHubschrauber bringt Alexander 440 km in ein anderes Militärkrankenhaus nach Utrecht/Holland, wo nicht gekämpft wird und wo er vorerst in Sicherheit ist.

Kiara, ja das ist auch mein Ziel, dem Leser die unterirdische Welt des SanBunkers Wedel nahezubringen.
Aber dazu muss man sehr genau wissen, wie so ein Hilfskrankenhaus funktioniert. Wer ist der Chefarzt über die 15 anderen Ärzte und welche Privilegien besitzt er? Was bedrückt das SanPersonal? Was sind ihre Ängste? Sie behandeln die ganze Zeit schwerverwundete Bundeswehrkameraden, wissen aber ganz genau, dass es den Zivilisten in der gleichen Zeit weitaus schlechter geht. Die medizinische Versorgung der Soldaten geht vor --- viele werden dabei an ihre Eltern, Frauen und Kinder denken, die derzeit einem ungewissen Schicksal entgegen gehen.

Wie ist der Betrieb vorgesehen? Das HKH war auch für den ABC-Betrieb ausgelegt, sprich für Verwundete aus Angriffen mit chemischen Kampfstoffen (z.B. sesshafte Nervenkampfstoffe, farb-, geschmack- und geruchlos und in den kleinsten Dosen absolut tödlich). D.h. die kontaminierten Personen müssen von SanPersonal im Vollschutz versorgt werden.
Es gab also bestimmte Schleusen, Bereiche nur für autorisierte Personen, ein Abwurfschacht für C-kontaminierte Kleidung, etc. Also alles schon ziemlich unheimlich ...

In meiner Geschichte wird (noch) kein ABC-Krieg geführt aber allein eine Panzerschlacht ist aufgrund der vielen Splitter- und Brandverletzungen schon schlimm genug.
Alles geht wie immer auf Zeit. Der Verwundete wird auf der Trage angeliefert, im OP-Vorbereitungsraum auf den Tisch geknallt, dort wird ihm dann die Uniform vom Leib geschnitten und weggeworfen, dann ab in die Dusche - Blut, Urin und Scheiße abwaschen. Den nackten Kameraden mit Jod einpinseln [Jod wurde in den 1980er glaube ich schon gar nicht mehr i.d. OP-Vorbereitung verwendet, das muss ich noch mal nachlesen] und dann gleich auf den OP-Tisch, wo er notoperiert wird.
Man kann sich den zivilen Chirurgiebetrieb eigentlich ganz gut vorstellen, doch schwierig wird es, wenn es auf einmal tausende sind, DIE ALLE AUF EINEN SCHLAG KOMMEN UND DIE JETZT BEHANDELT WERDEN MÜSSEN, sonst überleben die nicht. Und die haben die schlimmsten Verwundungen: Brust zerquetscht, mehrfacher Lungendurchschuss, Wirbelsäulensteckschuss, linkes Bein hängt nur noch an einer Sehne, die Haut des Kameraden ist zu 80% verbrannt, und, und, und ...
 
Man kann die menschlichen Dramen nur erahnen, kann aber, wenn man es selbst nicht erlebt hat, nur seicht an der Oberfläche kratzen.

Gruß


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BerndHH
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Beitrag13.12.2019 08:06

von BerndHH
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Ich will auch mal wieder … Shocked

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BerndHH
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Beitrag13.12.2019 08:09

von BerndHH
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II. 2. Der Schwarze Wittwer

                                             Halle an der Saale, 1979
                                             (lange vor Ausbruch des Dritten Weltkrieges)

Seien wir mal ehrlich, die glückseligen Weiden des satten Westens sind uns allen nur allzu wohlbekannt. Niedersachsen und die Wonnen seiner Glückseligkeit, wie sie zum Beispiel auf Gut Bienenbüttel herrschten. Aber werfen wir doch mal einen frechen Schlüssellochblick mitten durch den Eisernen Vorhang auf die andere Seite.
Und was wir dort erblicken, könnte von einer so gewaltigen Dramatik sein, wie der Dreiakter Macbeth. Fast so ähnlich wie der schaurige Hauptakt während eines donnernden Gewitters.
 
Und wie ein reißender Gewitterstrom durchbrach er würgend unsre Reihen,
Alles unwiderstehlich vor sich nieder mähend.
Verloren war die Schlacht, als Macbeth kam,
Dein heldenmüth'ger Feldherr.
Mit dem Schwert durch das gedrängteste Gewühl der Schlacht …
 
Es donnert und blitzt. Die drei Hexen stehen da.
 
Erste Hexe: „Wann kommen wir drei uns wieder entgegen, in Donner, in Blitzen oder in Regen?“
Zweite Hexe: „Wann das Kriegsgetümmel schweigt, wann die Schlacht den Sieger zeigt.“
Dritte Hexe: „Also eh der Tag sich neigt.“
Erste Hexe: „Wo der Ort?“
Zweite Hexe: „Die Heide dort.“
Dritte Hexe: „Dort führt Macbeth sein Heer zurück.“
Zweite Hexe: „Dort verkünden wir ihm sein Glück.“

Blitze zuckten.
Ihre spitzen Schreie waren irgendwann verstummt. Das Mädchen konnte einfach nicht mehr. Jetzt im Angesicht des nahen Todes war sie still geworden. Völlig verängstigt, nackt und wehrlos lag die schöne Jungfrau auf einem blumengeschmückten Altar. Sie ergab sich am Ende in ihr trauriges Schicksal und war bereit, als Blutopfer von den Templerrittern gemein-schaftlich erdolcht zu werden. Dazu die von einer ungarischen Violine begleiteten Klänge eines alten Moritätensängers, der von gar schauerlichen Ereignissen zu berichten hatte.
Er sang von Sühne, einer unschuldigen Schönen und von ganz viel Blut.
Es war nur eine abstruse alte Mär, denn nicht alle schlechten Menschen trugen das Panzerhemd der blutgierigen Tempelritter, so wie es uns eine Volkssage weismachen wollte.
Die Tempelritter in der „Nacht der reitenden Leichen“, die nichts anderes taten, als ruhelos umherzustreifen und Jungfrauen der Umgebung zu entführen, um sie in einem barbarischen Ritual einer fremden Gottheit, nämlich dem Scheusal Molech, zu opfern.

Man wusste damals noch nicht viel über die Ursachen, warum der Homo sapiens so war wie er nun mal war und warum einige dem Abgrund sehr viel näher waren als dem gottesfürchtigen Christenmenschen. Doch Verhaltensforscher gaben keinerlei Zweifel daran, dass der Mensch im Unterbewusstsein größtenteils von seinen dumpfen Trieben gesteuert und daher von Natur radikal böse ist. So oder in abgewandelter Form hatte es der Philosoph Kant formuliert.
Aber das war falsch. Grundfalsch!
Das Böse präsentiert sich niemals offen und für alle sichtbar, sondern vielmehr im Verborgenen in seinen unterschiedlichsten Erscheinungsformen.
Doch es war nie weit weg. Es war die ganze Zeit unter uns. Ein schlafender Dämon. Nicht immer trug er sichtbare Erkennungszeichen. Manchmal trug er auch das Ehrenkleid der Sozialistischen Einheitspartei und war an der Brust mit dem Lametta der Ehrenorden der Nationalen Volksarmee behängt. Und längst nicht alle pflegten die weiche Dekadenz des Westens und interessierten sich für Kirschblüten und Espresso, sondern hegten weitaus düsteres Gedankengut.

So auch in einer vornehmen Jugendstilvilla. Mitten im Paulusviertel von Halle.
Hier wo die Goldfasane unter sich waren und sich vollständig vom Proletariat zurückziehen konnten. Hinter hohen Mauern und mit einem Heer aus dressierten Dienstboten, die die ganze Zeit devot um sie herumwuselten und kratzbuckelten. Den Rest des Tages konnte die Parteielite, allein unter Ihresgleichen und ihrer dekadenten Zerstreuungen, Leidenschaften bis hin zu Perversionen verbringen. Und dass alles, ohne sich dafür vor Gott rechtfertigen zu müssen.
Und sie taten nur das, was ihnen gefiel.
Die hübschen brünetten Mädels der Stadt, zumindest ab einer gewissen Oberweite, wurden turnusmäßig in Tschaika-Luxuslimousinen mit getönten Scheiben angekarrt, um den hohen Genossen mit ihren Körpern zu Diensten zu sein.
All diese schmutzigen Dinge geschahen auch in jenem besagten Haus.
Nur ging es dort zwar meistens immer problemlos hinein, doch nicht immer wieder heraus. Zumindest nicht lebendig.
Aber darüber wurde nicht gesprochen. Stille zäh wie Bienenhonig. Kein Wort darüber.

Der Hausherr war heute mal anwesend. Er, etwa Mitte Fünfzig, immer noch erstaunlich gut in Schuss (Fallschirmjägerblut), stand mitten in der Gartendiele und starrte stundenlang schweigend vor sich hin. In die Leere. Nur kalter bläulicher Zigarrenqualm umhüllte ihn.
Das Wohnzimmer wie bei Blaubart in mannigfaltigen Ultramarintönen gehalten. Bläulich so schimmerten auch seine streng zusammengekniffenen Lippen. Alles wirkte wie die totale Ab-kehr vom Leben. Der mittelalte Mann hatte etwas von einem bösartigen Cherub an sich, der mit den seidenschwarzen Schwingen einer Fledermaus direkt aus der finsteren Grotte der Hölle enteilt war und gekommen war, um sich wie ein Nachtalp auf die Brust der Menschen zu setzen und sie auszusaugen.
Sentimentalität in Tüten.
Auf dem Plattenspieler lief in automatischer Wiedergabe Bärbel Wachholz Foxgrott „Die Nacht ist viel zu schön“, anschließend Frank Schöbel „Schreib es mir in den Sand“, Peggy March „Mit 17 hat man noch Träume“ und dann sang die großartige Alla Pugatschowa ihren Estrada-Hit von 1982 „Миллион роз – Eine Millionen Rosen”.

Der Hausherr mit der adlerartigen Hakennase befand sich in einem Alter, in dem die Natur langsam zurückschlug und man es nicht mehr ganz so einfach hatte. Siegbert E. Dahlienburg litt unter einer chronischen Gallenentzündung, die seinen zynischen Humor noch weiter runter in den Keller zog und ihm den letzten Genuss des irdischen Daseins vermieste.

Aber das war noch nicht alles.
Im Keller waren auch die Folterinstrumente.
Der ganze Mist, um weh zu tun: die Zangen, die Klemmen, die unterschiedlichsten Skalpelle und alles Weitere. Fein säuberlich aneinandergereiht, wie das gut sortierte Chirurgenbesteck in einem Feldlazarett. Doch die waren dazu da, um anderen Menschen zu helfen. Der Mann mit den verkniffenen Gesichtszügen besaß ganz andere Absichten.
Siegbert E. Dahlienburg hatte Spaß am Quälen von Menschen. Es bereitete ihm ganz einfach Vergnügen. Er genoss es, wenn er sie ganz unten am Boden hatte, wenn sie wie die Ferkel winselten und um ihr armseliges Leben bettelten.


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BerndHH
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Beitrag13.12.2019 08:16

von BerndHH
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Was haltet Ihr von diesem Text, in dem erstmalig der Antagonist der Geschichte vorgestellt wird.

Na ja, gequirrlte Scheiße, viel zu wirr und zu abstrus - kommt mir auch so vor. Der Bogen von Macbeth zu der "Nacht der reitenden Leichen" ist einfach Mist!
DDR-feindlich, aberwitziges Feindbild, bewusst falsche Darstellung der Menschen in Ostdeutschland? Dämonisierung?
Viel zu weit über's Ziel hinausgeschossen.

Die SED hat sicherlich viel gemacht aber einen perversen Serienmörder in eigenen Reihen hätte sie mit Sicherheit nicht gedeckt.
Meine Absicht ist es, einen dienstuntauglichen NVA Fallschirmjäger (also Luftsturmtruppen)-Oberst zu entwerfen, der in einem der Stellvertreterkriege in Afrika entdeckt hat, dass es ihm großen Spaß macht, andere Menschen zu quälen.

Um das dem Leser glaubhafter zu verkaufen, muss ich da wohl sehr viel filigraner vorgehen. Hat jemand gute Gedankenanstöße?


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BerndHH
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Beitrag14.02.2021 07:47

von BerndHH
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Moinsen liebe Leute,

das Manuskript ist so gut wie fertiggestellt und ich möchte nochmal auf die Anfangsprämissen zurück. Wie klingen die für Euch?

1978. Alexander (BRD) lernt Veronica (DDR), die Liebe seines Lebens kennen und ist von ihr durch den Eisernen Vorhang getrennt. Sie flieht zu ihm in den Westen und lebt mit ihm bei seiner Familie. Dann bricht 1986 der WK III aus. Alexander wird verwundet und verbringt ein halbes Jahr im Lazarett. 1987 - mittlerweile ist Veronica verhaftet worden und in ein Straflager deportiert. Alexander ist genesen und erfährt durch einen Dritten von Veronicas Schicksal. Kurze Zeit später bricht er mit seinem Freund Wallace in die Ferne, mitten durch besetztes und Feindesland auf, um Veronica zu befreien. Es gelingt den beiden schließlich, Veronica zu befreien, doch die beiden erwischen sie in einem Akt der Untreue und des Verrats. Im Affekt tötet Alexander Veronica. Danach gehen Alexander und Wallace eines ungewissen Schicksals in einem fremden Land entgegen.

Genre: Kriegsroman mit Abenteuer- u. Liebesmomenten
Umfang: ca. 500 Seiten (250.000 Wörter)
Thematik: Liebe und Schicksale vor, während und nach dem Krieg. Das Sanitätswesen und die Panzertruppe im Krieg. Die Fiktion eines WK III, eines großen konventionellen Krieges als überdimensionierte Panzerschlacht in der Norddeutschen Tiefebene.
Nachgezeichnet werden die Schicksale dreier Personen. Ein junger Adeliger und Bundeswehroffizier, ein schottischer Stabsarzt und ein ehrgeiziges hübsches Mädchen, die unbedingt in den Goldenen Westen will, um ein noch besseres Leben zu führen.

Wie klingt das für Euch? Interessant, abgefahren, grottig, langweilig, nicht mein Thema, würde ich in die Ecke knallen oder ja, wenn's gut gemacht ist, würde ich es lesen ...

Worauf sollte ich mein Hauptaugenmerk legen, bevor ich in die druckreife Fassung gehe? Vielleicht habt Ihr ja noch ein paar gute Tipps für mich.

Gruss


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Ralphie
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Beitrag14.02.2021 16:52

von Ralphie
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Klingt interessant, obwohl das Thema Dritter Weltkrieg ein bisschen abgefahren ist.
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BerndHH
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Beitrag14.02.2021 17:43

von BerndHH
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Hi Ralphie, ja abgefahren ist es in jedem Fall.

Es ist halt mein Phantasieuniversum, aus dem ich ein ganzes Bündel an Manuskripten entwickelt habe. Es geht immer um das Jahr 1986, die Urkatastrophe, etc., etc. Für Kalte Krieger, ehemalige Bundeswehrangehöriger und Taktiker, sowie Freunde von Schlachtengemälden ist es sicherlich top, da ich stets versuche, ein möglichst breites Spektrum dieses fiktiven Szenarios zu greifen und so plastisch wie möglich zu machen.

Es geht vom SHAPE-Kommandobunker in Belgien, Lagezentrum, oberste NATO-Generalstabsoffizier bis weiter ins niedersächsische Wendland, Nähe Grenzübergangsstelle Salzwedel, wo einem dickbäuchiger Polizeimeister "ein Ei aus der Hose fällt", als er auf einmal eine Kompanie BTR-Spähpanzerwagen durch sein verschlafenes Bergen an der Dumme rollen sieht.

Na ja. Ist halt ein spezielles Manuskript für den Nischenmarkt. Im Nachhinein daraus noch ein massentaugliches Produkt machen, haut wahrscheinlich nicht hin.    

Viele Grüße


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BerndHH
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Beitrag14.02.2021 17:57

von BerndHH
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Dem Leser wird es schnuppe sein, ob die Kampfhandlungen, die Feindseligkeiten, am 2. Oktober 1986 um 02:00 mit dem Einsickern der ersten Aufklärer (gab es die drei Kriegsbrücken über die Elbe schon oder kamen sie und wenn ja wie über die Landgrenze irgendwo im Uelzener Raum) oder mit den beiden großen Feuerschlägen der Rohr- und Raketenartillerie des Warschauer Paktes begannen.

Feuerschlag, Feuerorkan, Feuersturm des Warschauer Paktes, also die Feuerwalze der Artillerie, während sich die Panzergrenadiere in ihren Kampfständen in die Hose scheißen und sie den Verstand verlieren. Also die Erfahrungen der Stalinorgel, über vierzig Jahre später mit um Faktor zehn erhöhte Waffenwirkung. Also mit anderen Worten: der Zweite Weltkrieg als gemütlicher Spaziergang, die wahre Hölle eines Krieges kommt vierzig Jahre später mit perfektionierter Waffentechnologie. Wenn es hell wird, kommen die Erdkampfflugzeuge und die Kampfhubschrauber der 5. NVA-Armee "Neubrandenburg".

Mil-Mi 24 "Hind" des legendären Kampfhubschraubergeschwaders 5 „Adolf von Lützow“

Zitat:
Die Wetterzüge der Verbände hatten für den 2. Oktober 1986 folgende Witterungsprognose gemacht: morgens nebelig, tagsüber stark bewölkter Himmel, Temperaturen von plus 10 Grad und stellenweise leichter Regen.
Ergo: ideale Bedingungen für Kampfstoffeinsatz im NORTHAG-Sektor.


Wenn ich jetzt im Nachhinein noch versuche, eine Prämisse, einen Kernsatz, ein Leitmotiv, auf die Geschicht ezu klatschen, ist das nicht sehr glaubwürdig.
Eigentlich sollte es ja eine verunglückte Lovestory DDR - BRD werden. Aber das hat nicht so gut geklappt.


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Beitrag15.02.2021 17:43

von Ralphie
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Du solltest noch darstellen, wie deine Heldin geflohen ist. Denkbar ist eine Sportlerin, die nach einem Leichtathletik-Meeting in Stuttgart oder besser in Hamburg im Westen geblieben ist ...
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BerndHH
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Beitrag15.02.2021 18:23

von BerndHH
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Hi Ralphie,

auch eine gute Lösung.
Veronica Dahlienburg, das super attraktive Mädchen kommt aus Halle/Saale, studiert tatsächlich Sportwissenschaften, wird die erste "Miss DDR" (muss nicht der Realität entsprechen). Im Mai 1978 lernt sie Alexander von Strielow, den jungen Bundeswehroffizier der Panzertruppe, kennen. Der Sohn eines Barons ist auf einer Hengstauktion in Halle unterwegs, um für seinen Vater den Markt für
Zuchtpferde in der DDR zu öffnen.

Die beide verlieben sich und werden ein Paar.

Was Alexander nicht weiß: Veronica ist eine "Honigfalle", die auf der Leipziger Frühjahfsmesse für den StaSi als Prostituierte arbeitet und hocheffizient und erfolgeich eine lange Reihe von Westindustriellen, Westwissenschaftlern, etc. ausgehorcht hat, um an vertrauliche Daten zu kommen.

Sie benutzt Alexander, der ihr total verfallen ist, als Mittel um in den Goldenen Westen zu kommen.

Gruss


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Beitrag15.02.2021 19:40

von Ralphie
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Ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt eine Miss DDR gab.
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Ralphie
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Beitrag15.02.2021 19:43

von Ralphie
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Der Arbeitstitel ist übrigens toll. Etwa so: Von Mandeln und  Granatsplittern.
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Beitrag16.02.2021 05:48

von BerndHH
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Hi Ralphie,

ja, der Roman führt auch an viele "exotische" Schauplätze: Nordheide, Halle an der Saale, NATO-Kommandobunker in Belgien, das Bombeninferno von Hamburg (1986 nicht 1942), Rom, Utrecht und in die geheimnnisvollen Pripjetsümpfe in Weißrussland.
Aber was halt fehlt, ist eine stringente Geschichte mit konsequent rotem Faden - das war schon immer mein größter Schwachpunkt.
Viele Logikbrüche, Handlungsfehler, etc. Ich würde gerne noch herumfeilen und meine Charaktere glaubhafter und widerspruchsfreier zu machen.

Gruss

PS: Misswahlen gab es in der DDR lange Zeit nicht.
https://www.mdr.de/zeitreise/stoebern/damals/schoenheitskoenigin100.html

Zitat:
SchönheitsköniginnenMiss-Wahlen in der DDR: "Die Ossis sollen auch mal was Schönes sehen"

Zitat:
Am 14. Dezember 2019 wird erneut eine Weltschönheit gewählt. Und auch die DDR hatte ihre Schönheiten, auch wenn solche Wahlen nicht gerne gesehen waren. Daher gab es nur eine einzige offizielle "Miss DDR". Denn Schönheitswettbewerbe galten bis in die 1980er-Jahre hinein als kapitalistische Erniedrigung der Frau. Und so musste die erste "Miss-Wahl" noch halb konspirativ stattfinden.


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Beitrag16.02.2021 06:04

von BerndHH
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II. 1. Misswahlen in Halle

                                                                                            Mai 1978

Ein Gemälde von einem Frühlingstag wie er in keinem Apothekenkalender herrlicher und strahlender sein konnte. Selbst in der DDR, wo normalerweise Tag und Nacht die Schlote der Industriekombinate rauchten und die ganze Szenerie in einen gelb-grauen Schleier eintauchen ließen. Jedenfalls nicht so in den Niederungen von Sachsen-Anhalt. Auch hier war der triste Alltag des Sozialismus jetzt eingedeckt vom Hochzeitskleid der schönsten Jahreszeit und zauberte einem jedem ein Lächeln ins Gesicht.

Schon aus der Luft ein funkelndes Juwel.
Wer sie überflug, der musste einfach nur staunen. Alles trug seinen ganz eigenen Charme. Von Westen kommend über die Dölauer Heide, Burg Giebichenstein, die Gebäuden der VEB Halloren Schokoladenfabrik, Rabeninsel, Saaleaue, Pfingstanger sowie pittoresker Innenstadt mit ihren funkelnden Dächern. Es war nicht nur so dahergesagt, aber Halle war wirklich wunderschön. Zumindest hatte es seine Seiten, die unbedingt sehenswert waren. Und heute zeigte sich die mittelalterliche Kleinstadt von seiner allerschönsten Seite und flimmerte im sonnigen Kaiserwetter bis weit über seine Grenzen hinaus. Sogar die normalerweise rußgeschwärzten Altbauten der Innenstadt glänzten heute wie ein blankpoliertes Ferkelchen um die Wette.
Aha, so ist‘s also im Osten. Gar nicht mal so schlecht, Herr Specht!
Das war das Erste, was Alexander auffiel. Und der zweite Eindruck bestand aus Pfannkuchengeruch und Armeen flotter Mädchen mit besonders adretten Hinterteilen.

Seine Deutschlandreise hatte nicht lange gedauert.
Insgesamt war es nur eine Strecke von 260 Kilometern, sprich etwa drei Stunden Autofahrt. Er hatte zuvor die Wahl gehabt, entweder bei Helmstedt rüber nach Magdeburg oder die Südroute wählen. Alexander hatte sich nach nur kurzer Überlegung für Letzteres entschieden.
Göttingen – Duderstadt – Worbis und schon war man drüben im geheimnisvollen Land von „Big Brother is watching you“. Eine monotone Fahrt vorbei an VoPo-Posten und sich wiederholenden Polizeikontrollen, dann weiter über Nordhausen – Sangerhausen und schließlich irgendwann endlich am finalen Zielpunkt Halle an der Saale angekommen …
Alexander von Strielow hatte vor Reisenantritt ungewöhnlich lange im Badezimmer gebraucht. Als er wieder rauskam, hatte er geföhnte Haare, ein frisch gebügeltes weißes Hemd und eine beige Chinohose an. Vor dem Start noch ein schnelles und frugales Frühstück – das Porridge der Haushälterin war furchtbar – und dann ging es auch schon los. Für diese besondere Mission war er mit Papa Martins Mercedes 300 CE, Anhängerkupplung und Pferdean-hänger, unterwegs. Darin befand sich auch sein kostbarster Inhalt: seine „Majestät“ Dalian – ein unverschämt edler Rapphengst aus dem altehrwürdigen Hannoveraner Hengstbuch des Celler Landgestütes. Wohl locker seine DM 300.000,- wert.
In seiner Gesamterscheinung ein unternehmungslustiger jungen Mann mit einem Wagen der oberen Mittelklasse unterwegs. Ein durchaus ungewöhnliches Gefährt für den Kleinen Grenzverkehr, nach dem man sich schon einmal umdreht. Alexander war sich dessen durchaus bewusst, dass er ordentlich was hermachte.
„Hey kids, shake it loose together. The spotlight's hitting something. That's been known to change the weather. We'll kill the fatted calf tonight. So stick around. You're gonna hear electric music. Solid walls of sound.“ Elton John sang Benny and the Jets. Umso verdutzter waren vor allem die humorlosen Grenzer am Grenzübergang Duderstadt-Worbis gewesen.
„Achung, hoher Herr auf hohem Roß!“, murmelte einer von ihnen brummig. Es war auch wirklich nicht viel los und Alexander hatte die vier zigarettenrauchenden Beamten gerade beim illegalen Konsum einer Videokassette aus dem verhassten Westen gestört.

Halloween – Die Nacht des Grauens.
Der Bundeswehroffizier kannte diesen sadistischen und frauenfeindlichen Schinken. Ja, er erinnerte sich sehr gut an diesen Horrorfilm, dessen Intro mit dieser eindringlichen Musik – genauso unvergesslich wie Mike Oldfields „Tubular Bells“ in „Das Omen“ – und der flackernden Fratze eines großen gelborangen Jack O’Lantern Kürbis, erst vor kurzem in die bundesdeutschen Kinos gekommen war. Und sogar bis ins Union Theater nach Lüneburg. An den Namen des Mädchens konnte er sich schon gar nicht mehr erinnern. Aber sie war warm, weich und süß. Ihre Küsse schmeckten wie ihr kirschroter Lancôme-Lippenstift. Es war ein Hochgenuß gemeinsam mit ihr aus einem riesigen Eimer Popcorn zu knuspern und zwischendurch immer wieder Holsten-Dosenbier zu trinken. Alexander rauchte viel zu viel und sein Kehlkopf brauchte ständig ein Kaltgetränk zur Kühlung.
Horror aus den USA war so rein gar nicht nach Alexanders Geschmack. Eigentlich war es ja immer dasselbe: eine billige Story und viel zu viel Blut. Das Mädchen hüpfte bei jedem Schreckmoment mit einem jähen Seufzen auf Alexanders Schoss und ihr süßer runder Hintern gab einen warmen Impuls auf seine Schenkel ab. Wenn er die Augen schloß, dann spürte er, wie sein schwellender Schwanz gegen die hautenge Jeans des Mädchens klopfte. Er bildete sich ein, dass sie ihren Po gegen sein Glied rieb, um ihn scharf zu machen. Es war unter diesen Umständen sehr schwer sich auf den Film zu konzentrieren.
Gerade im ungünstigsten Moment ging das Licht an.
„Möchte jemand Eis?” „Leck mich doch am Arsch!“ „Like ice in the sunshine. I'm meltin' awaaay on this sunny day … Nogger Dir einen!”
Dann wurde es wieder dunkel auf der Leinwand. Bedrohliche Musik und kreischende Opfer. Typischer Slasher. Schlachtermesser und leicht bekleidete Mädchen, die von einem irren Killer gejagt und genau im ungünstigsten Moment möglichst brutal zur Streckung gebracht werden. Vor allem die Stimme des Psychiaters Loomis war ihm noch sehr deutlich im Ohr.
„Teuflischen Augen. Ich hab 8 Jahre lang versucht mit ihm Kontakt zu bekommen, dann nochmal 7 Jahre um zu verhindern, dass er jemals wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Ich wusste zu gut, was sich hinter diesen Augen verbirgt, das absolut … Böse. Er ist heimgekommen ... Der leibhaftige Tod ist in Ihre Stadt gekommen, Sheriff. Er ist kein Mensch …“
Die entzückende Annie nur mit sexy weißem Nachthemd bekleidet, wurde jedoch nicht, wie nahezu alle im abgedunkelten Lichtspielsaal erwarteten, gleich in der Waschküche mit dem Schlachtermesser niedergemetzelt, sondern ein wenig später vom weißgesichtigen Boogeyman im Auto erdrosselt, wo sie im Todeskampf mit verzerrtem Gesicht die beschlagene Windschutzscheibe herunterrutschte.

Knurred und missmutig stapfte ein sauertöpfische Grenzmann näher und musterte den Westler kritisch mit einem ganz deutlichen Ausdruck zutiefster Verachtung. Bei ihm schien der Frühling ganz offensichtlich noch nicht ausgebrochen worden zu sein. Der legendäre Spruch „Gänsefleisch mal `n Gofferraum uffmache'?“ unterblieb zwar für heute, aber dafür erfolgte die übliche Papierkontrolle mit sächsischer Strenge.
„Halt Passkontrolle! Führerschein bitte. Zügig, zügig, wenn ich bitten darf.“
Doch von Strielows Einreisedokumente waren absolut einwandfrei – es gab nichts zu bemängeln. Selbst der muffeligste Beamte musste damit ein Einsehen haben.
Alexander blieb ruhig. Sein Vater hatte es ihm x-mal eingetrichtert. „Egal, auch wenn sich Dich an die Wand stellen. Du pudelnackt vor ihnen stehen und Deine Beine spreizen musst, lass es bitte über Dich ergehen. Immerhin die sind bewaffnet und Du nicht!“
Der junge Mann sah sich um. Rings herum nur die Melancholie aus einem streng stalin-istischen Land, in dem die Uhren vollkommen anders tickten als bei ihnen im Westen. Eine Frau rauchte und wickelte ihre Lockenwickler ab, während ihr Mann seine üble Laune an ihr ausließ. Aus einem weiter entfernt stehenden Wagen dudelt der neuste DDR-Ohrwurm „Über sieben Brücken musst du gehen“, von Karat aus Ost-Berlin. „Sieben dunkle Jahre überstehn. Sieben Mal wirst du die Asche sein, aber einmal auch der helle Schein.“
Beschissener Ost-Pop! Wer hört denn so eine Scheiße? Meine Güte, die leben aber wirklich hinter dem Mond.

Alexander stellte schnell fest, dass auch hier nur mit Leitungswasser gekocht wurde.
Obwohl man durchaus davon ausgehen konnte, dass das Trinkwasser in der DDR bleihaltig war, zumindest wenn man sah wie sich die Leute hier aufführten. Aber die spulten auch nur ihre in Stein gemeißelten Vorschriften herunter. Und die waren nicht ohne.
In Erweiterung dieser Bestimmungen sind die Wachen, Posten und Streifen der Grenztruppen der Nationalen Volksarmee an der Staatsgrenze West und Küste verpflichtet, die Schußwaffe in folgenden Fällen anzuwenden:
„Zur Festnahme, Gefangennahme oder zur Vernichtung bewaffneter Personen oder bewaffneter Banditengruppen, die in das Gebiet der DDR eingedrungen sind bzw. die Grenze nach der Westzone zu durchbrechen versuchen, wenn sie die Aufforderung zum Ablegen der Waffen nicht befolgen oder sich ihrer Festnahme oder Gefangennahme durch Bedrohung mit der Waffe oder Anwendung der Waffe zu entziehen versuchen.“
„Zur Festnahme von Personen, die sich den Anordnungen der Grenzposten nicht fügen, indem sie auf Anruf »Halt - stehenbleiben – Grenzposten« oder nach Abgabe eines Warnschusses nicht stehenbleib-en, sondern offensichtlich versuchen, die Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik zu verletzen und keine andere Möglichkeit zur Festnahme besteht.“

Aber diese hier wirkten alles andere als bedrohlich. Vielleicht hatten die Grenzschutzbeamten heute auch nicht ihren martialischen Tag. Immer schön frei nach dem altpreußischen Motto, „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“. Er sah es nach der heutigen Erfahrung als erwiesen an, dass dieser Spruch klassenübergreifend galt und überall seine Gültigkeit be-saß. Weitere aufwändige Untersuchungen wären daher für alle auch nur reine Schikane und Zeitverschwendung gewesen. Und darauf hatte an diesem Tag, der noch so richtig schön zu werden schien, wirklich niemand Lust. „Sieben Mal wirst Du die Asche sein …“
Mal sehen, vielleicht ja morgen schon wieder. Neuer Tag – und neue Opfer!
„Freie Fahrt und Alles Gudde in der Deitschen Demogrodischen Rebbublik.“
Alexander musste kichern.
Wahscheinlich würde dieser Vogel heute nach Dienstschluss mit Olga von der Wolga in die Federn steigen. Oder mit Danuta der Sahneschnitte aus Bitterfeld. Fick mich ins Knie, bei was für Rohrkrepierern und Pfeifenwichsen bin ich denn hier gelandet?
Anscheinend waren die Ossis in der Tat so unterbelichtet, wie man sich in den unsäglichen Stammtischwitzen der Lüneburger Altstadtkneipen immer zu erzählen pflegte.
„Warum ist das Klopapier in der DDR so rauh? Damit auch der letzte Arsch rot wird ...“ Der war allerdings von seinem Vater. „Na, das kann ja noch »Eiter« werden – zur Bespaßung auf der monotonen Fahrt hatte er auf seinem Blaupunkt-Autoradio die vier angeblich „Best of“ Otto Waalkes-Kassetten abgespielt, die ihm sein Bruder Paul-Johann zu Weihnachten ge-schenkt hatte. „Oh, Otto“, „Das vierte Programm“, „Der ostfriesische Götterbote“ und ganz frisch bei Brinkmann in der Spitalerstraße eingetroffen „Otto versaut Hamburg“.

Doch irgendwann hatte es einfach gereicht mit der Dauerbeschallung von „Harry Hirsch“, dem rasenden Reporter mit schwarzer Elbseglermütze, Hornbrille und Trenchcoat, den alber-nen „Geschichten aus Wybelsum“ … und schenkelklopfenden Kalauern wie „Jeden Sonntag treffen sich sämtliche Mitglieder des Otto-Fanclubs in der Telefonzelle“, „Gar lustig find’s der Leonid, wenn man an seinem Breschnjew zieht. Oh verdammt, sagt Mister Reagan, ich kann meinen Ronald nicht bewegen …“ und dem ganzen nervtötenden Quatsch, mit dem man sich wirklich den lieben langen Tag versauen konnte.

Alexander allein auf der Autobahn.
Schön konseqent immer auf einer Spur bleiben. Er war jedenfalls mehr als heilfroh, dass er diese Reise allein machen durfte. Mit seiner Familie hätte es jedenfalls nur unnötigen Stress gegeben. Das war sozusagen schon durch die Grundkonstellation vorprogrammiert.
Mit Grausen erinnerte er sich an den letzten gemeinsamen Familienurlaub zurück, den die von Strielows standesgemäß im Nobelhotel „La Grandezza delle cinque stelle“ gegenüber des von Palmen und Mittelmeerpflanzen bestandenen Parco Frederico Fellini verbracht hatten. Die mit Abstand allerschönste Stelle von Rimini, eingebettet zwischen Kanal und Bagno 9 Mauro, sowie Spiaggia Bagno delle Rose.
Mutter hatte sich natürlich bitterlich beschwert, denn ihrer Meinung nach gehörte Rimini mittlerweile zweifellos zum proletarischen „Teutonengrill“ und eine wie sie gehörte natürlich nach Monaco, Biarritz oder St. Moritz. Aber ganz bestimmt nicht an einen überfüllten Proletenstrand, wo man noch nicht einmal Kurtaxe zahlte und auch ein gehirnamputierter Maurer aus Recklinghausen ungeniert seine fette Bierplautze hinhängen durfte.

Es war im Sommer 1976 an der Adria gewesen.
Über Deutschland lag eine drückende Hitzewelle und am Mittelmeer sowieso. Doch nah am Wasser war es noch eingermaßen erträglich. Jeder Zentimeter Sand war gerappelt voll. Ganz Deutschland verbrachte hier seine Ferien. Vater und Mutter hatten sich vor den aufdringlichen Strandverkäufern – „La Bomba, La Bomba Gelato!“ und frech-anzügliche Bemerkungen bezüglich der Hinterteile deutscher Fräuleins, „Bella signora tedesca, mangia il mio delizioso gelato e il tuo adorabile fondo-schiena, culettino, popó sarà ancora più carino e rotondo.“ – unter einem Sonnensegel versteckt, tranken Espresso mit spitzen Fingern, eisgekühltes Pellegrino-Tafelwasser und aßen frisch gefangene frittierte Garnelen – Gamberi fritti all'aglio – und tranken Prosecco on the Rocks aus Kristallgläsern.
Doch Freiherr Martin von Strielow hatte irgendwann genug davon und ließ sich ein importiertes und eisgekühltes Beck’s Bier bringen. „Subito, pronto!“

Alexander hatte es nie verstanden, was seine Eltern eigentlich in Italien wollten. Vater ließ sich per Auslandspostsendung seine Hannoversche Allgemeine direkt ins „La Grandezza delle cinque stelle“ liefern und seine Frau las die Bücher von Heinrich Böll. „Gruppenbild mit Dame“ und „Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“. Aber ansonsten bekamen sie vom warmen und lebensfrohen Land für Alexanders Begriffe nur relativ wenig mit. Die üblichen Touristenattraktionen wie Tempio Malatesta, Fontana della Pigna, Augustusbogen und Ponte di Tiberio waren den Urlaubern aus Niedersachsen natürlich schon hinlänglich bekannt.
Während Alexander die Meeräschenschwärme im Portocanale beobachtete, tauchte Paul-Johann schon in der ersten Nacht ins „L'altro Mundo – Die andere Welt“ ab. Eine Diskothek der Superlative, so wie man sie selbst in Hamburg oder München nicht kannte. Er nahm auch äußerlich das Aussehen der lokalen Gigolos an. Goldbraun gebräunt und blinkende Goldkette über der Brust.
Die rassigen Italienerinnen waren so anders als die Hamburger Nachtschwärmerinnen, die ohne große Worte mit ihm ins Bett sprangen, als wenn es kein Morgen gäbe. Von seiner Mutter ließ er sich verführerische Worte wie „Sono pazzo di te, se non posso averti, non dormirò mai più. Sei la ragazza più bella del mondo e ti desidero. Fammi assaggiare i tuoi baci.“ bei-bringen. Sie sagte es einfach so dahin, da sie nicht genau verstand, was ihr jüngster Sohn eigentlich damit bezweckte, nämlich irgendein Stuß, um Weiber rumzukriegen. Um überhaupt etwas sagen zu können und nicht nur lässig auf seiner Sonnenbrille herumzukauen. Ja, er lieh sich sogar einen Alfa Romeo Sportwagen aus, um betont langsam auf der Lungomare und Viale Regina Elena herumzufahren und alles was weiblich war, darauf hinzuweisen, dass allein er der Mittelpunkt des Universums war.
„Ciao Gianni, ciao Carlo, ciao Angelo. Puoi tornare a casa, perché ora lo stallone tedesco è qui.”, hätte er ihnen am liebsten zugerufen und sich wie King Kong auf die breite Brust ge-trommelt. Drüben in der Heimat war er ein bekannter Springreiter, hier hingegen kannte ihn niemand. Paul-Johann war unersättlich und er hatte es sehr bald raus, wie es lief. Die italienischen Mädchen waren nur auf dem ersten Blick anspruchsvoll. Sobald er den Bogen raushatte, konnte er sie sich in Scharen nehmen.
Alexander musste sich vom vielen Gestöhne aus dem Zimmer seines kleinen Bruders die Ohren zuhalten. Aber so war das pralle Leben. Warum nicht nehmen, wenn er es denn konnte. Er selber hatte sich eine kleine süße Kölnerin angelacht. Gleichaltrig und auch von den Eltern gelangweilt. Aber anders als Paul-Johann musste er sie nicht gleich umlegen.
Mädchen waren großartige Wesen, die einem so unglaublich gut tun konnten und hatten es seiner Meinung nach überhaupt nicht verdient, wie Tiere behandelt und benutzt zu werden. Also genoss er es mit Ihr händchenhaltend durch die Einkaufsstraße zu flanieren, immer wie-der unterbrochen von leidenschaftlichen Küssen und sich treiben lassen.
Sie hatte vor Aufregung schwitzige Hände, „Alex, ich hab’s noch nie gemacht. Wir sollten damit noch warten?“, sagte sie eher flehentlich als voller tiefer Überzeugung.
„Hey, na klar, mach Dir keinen Gedanken. Du musst nichts tun, was Du nicht willst.“
Oh ja, sie wollte. Aber erst in der dritten Nacht und sie taten es zwischen lindgrünen Sonnen-segeln. Auf einmal war sie sehr viel ungenierter, als es ihre Worte eigentlich hätten vermuten können und auf einmal störte es sie nicht, dass italienische und deutsche Jugendliche in un-mittelbarer Nachbarschaft ihre legendären „Bottle-Parties – festa di bottiglie“ – zele-brierten. Doch das Leben fand immer wieder seinen Weg.

Und dann sah er es. Auf dem halben Weg zum Autokino, wo gerade „King Kong“, „Taxi Driver“, „Duell am Missouri - der Eine stiehlt um zu leben, der Andere lebt um zu töten.“ mit Marlon Brando und „Die Nacht der rollenden Köpfe“ gezeigt wurden.
Ein gigantisches Werbeplakat.
Drei mal vier Meter oder noch sehr viel größer legte es einen Schatten auf die Menschen.
Es ging um einen Mandelliqueur, der so viel Gefühl von diesem Land transportierte.
„Inventato da una donna per un uomo. Amaretto di Saronno. A base di mandorle dolci e poche amare. La tentazione siciliana. Questo formaggio di mandorle deve la sua delicata luminosità alla sua genuina ricetta siciliana. Braci e gusto. Florio Amaretto viene dalla Sicilia, dove il sole nel mio paese d'origine, l'Italia, è particolarmente potente.”
„Erfunden von einer Frau für einen Mann. Amaretto di Saronno. Aus süßen und auch ein paar bitteren Mandeln. Die sizilianische Versuchung. Seine sanfte Glut verdankt dieser Mandelliqueur seinem echt sizilianischen Rezept. Glut und Geschmack. Florio Amaretto kommt aus Sizilien, wo die Sonne meiner Heimat Italien besonders viel Kraft hat.“
Aber diese Frau war umwerfend. Die kleine Kölnerin war sofort vergessen. Von einem Moment auf den anderen. Wie eine Schneeflocke, die in der Mittagssonne schmilzt. Es kam wie ein Blitzschag vom Sommerhimmel. Diese unglaublich schöne Frau.


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BerndHH
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Beitrag16.02.2021 06:07

von BerndHH
Antworten mit Zitat

Der Text ist schlecht, weil er viel zu stark von der eigentlichen Intension abweicht, Alex Reise nach Halle zu zeigen.
Da hat kein Hollywood-Slasherfilm und auch keine Reiseerinnerung an den letzten Italienurlaub etwas zu suchen.

Alex sollte sich auf die bevorstehende Hengstauktion konzentrieren und die Eindrücke dieser neuen Welt aufnehmen, die sich hinter dem Eisernen Vorhang auftut.
Es gibt noch unglaublich viel zu kürzen. Embarassed


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Ralphie
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Beitrag17.02.2021 21:40

von Ralphie
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Hallo, Bernd!

Mir gefällt der Text außerordentlich gut. Der Amaretto heißt übrigens Amaretto Disaronno - und das ist Schleichwerbung.

 Very Happy
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Gast







Beitrag17.02.2021 22:26

von Gast
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Durchaus starke Sprache.
Mordspower.
Ich komme nur nicht so richtig in die Geschichte rein.
Vielleicht hinterfrage ich zu viel statt einfach nur zu lesen, weil ich zugegebener Maßen auch Probleme habe richtig zu zu hören.
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BerndHH
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Beitrag18.02.2021 05:57

von BerndHH
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Moin Jungs,

freut mich sehr, dass es Euch gefällt! Ja, es ist ein sehr umfangreiches Manuskript und das Kapitel "Misswahl in Halle" gehört zum 2. Buch, soll den Lesern von den bluttriefenden Panzerschlachtfeldern in der Norddeutschen Tiefebene des Herbstes 1986 durchschnaufen lassen, einen Zeitsprung nach hinten zu machen und in das Leben der Hauptcharaktere Alexander und Veronica einführen.

Ich habe nicht die geringste Ahnung von dem Leben in der DDR des Jahres 1978, daher wirkt vieles auch klischeehaft und möglicherweise albern. Sexistisch bis frauenfeindlich möglicherweise auch --- vielleicht sollte ich da entschärfen.

Ich versuche den Leser in die Situation einzuführen: junger Bundeswehroffizier der Panzertruppe aus dem LK Lüneburg/Nordheide soll für seinen alten Herren einen ihrer Hengste auf einer Pferdeauktion in Halle/Saale/DDR verkaufen. Alex ist 21 Jahre alt und steckt natürlich voll im Saft. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder (bekannt aus dem Roman "Der Sonnenprinz") hat er die Hamburger Discoszene unsicher gemacht und ist ganz bestimmt kein Kind von Traurigkeit. Die Reise auf die anderen Seite des Eisernen Vorhangs sieht er mit jugendlicher Neugier, als "Geheimnisträger" der Bundeswehr ist er darauf vorbereitet, Begegnungen mit staatlichen Organen wie VoPo, NVA, etc. tunlichst zu vermeiden. Er reagiert stark auf weibliche Reize und bekommt natürlich mit, dass die Ostmädels recht heftig auf einen gutaussehenden Westler mit einem PkW, der kein Trabi ist, reagieren.

Dann kommt der Handlungsbruch - was veranlasst Veronica die Misswahl zu verlassen, warum feiert sie nicht ihren Sieg mit Rotkäppchensekt. sondern begibt sich zu dieser Pferdeauktion? Okay, Pferde sind schöne Tiere aber sie hat gerade die Misswahl gewonnen --- passt also alles nicht so richtig zusammen. Ebenso wenig wie heftig Alex auf Veronica-Baby reagiert, die mit ihrem Auftritt sein ganzes Weltbild zum Einsturz bringt und er ihr in Sekundenbruchteilen hoffnungslos verfallen ist. Kommt viel zu kitschig rüber oder was meint ihr?

Gruss


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BerndHH
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Beitrag22.02.2021 19:05

von BerndHH
Antworten mit Zitat

Was klingt für Euch besser?

Prämisse: Liebe macht blind und kann in die totale Katastrophe führen.

Alexander von Strielow wird durch den Krieg von seiner großen Liebe Veronica getrennt. Er kämpft darum, sie wiederzufinden, sie zu retten und wird am Ende von ihr durch Verrat und Untreue getäuscht, bringt sie um und damit auch seinen inneren Konflikt, der ihn zuvor zerrissen hat.

Leitmotiv: Liebe, Freundschaft/Kameradschaft und Verrat in schweren Lagen. Die Bewährung des Mannes in einer Extremlage wie dem Krieg.

Der Autor entführt uns abermals in die Welt Mitte der 1980er Jahre. In den größten Konflikt der Menschheit: dem Dritten Weltkrieg. Wir erleben das Schicksal eines jungen Panzeroffiziers der Bundeswehr und seine Geliebte, einem ungewöhnlich attraktivem Mädchen aus der DDR, welches mit ihm ein böses Spiel treibt. Erst nach dem Waffengang, einer schweren Verletzung und nachfolgendem langen Wachkoma wacht Alexander von Strielow in einem holländischen Militärhospital auf und macht sich zusammen mit seinem schottischen Freund auf den Weg in die Sümpfe des entlegenen Weißrusslands, um seine Geliebte zu befreien. Dort kommt es zur Katastrophe, nachdem er die Wahrheit über sie erfährt.

Was soll das Buch zeigen?
Das Leben in der niedersächsischen Provinz, die Schönheit Italiens und die Schrecknisse des modernen Krieges auf den Schlachtfeldern des Dritten Weltkrieges in wundersamer Weise miteinander verwoben.
Kriegsgeschichte, Millieustudie DDR-Gesellschaft und Abenteuererzählung aus der weißrussischen Wildnis.

Von den Figuren her: Die Wandlung von einem jungen Mann, der aus einem gehobenen und wirtschaftlich abgesicherten Elternhaus kommt und die Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr einschlägt, zu einem Überleb-enskämpfer gegen den Krieg und gegen die Natur.
Eine junge, ungewöhnlich attraktive, Frau lebt in der DDR auf und ist dort sozialisiert. Ihr Vater ist ein ranghoher SED-Funktionär, ein ehemaliger Fallschirmjäger und Wehrmachtsangehöriger, der schon an der Ostfront bestialische Grausamkeiten begangen hat und sich für den Gilles de Rais aus Halle fühlt. Er begeht sogar sadistische Morde, ist durch seine hohe Position vor Strafverfolgung geschützt.

Ja, ich sehe schon, klingt zu sehr nach Geschwurbel und wenig roten Faden und am Ende bleibt die Frage: was will der Autor uns damit sagen?


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Calvin Hobbs
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Beitrag22.02.2021 21:22

von Calvin Hobbs
Antworten mit Zitat

Hallo smile
BerndHH hat Folgendes geschrieben:
II. 1. Misswahlen in Halle

                                                                                            Mai 1978

Ein Gemälde von einem Frühlingstag Komma wie er in keinem Apothekenkalender herrlicher und strahlender sein konnte. Selbst in der DDR, wo normalerweise Tag und Nacht die Schlote der Industriekombinate rauchten und die ganze Szenerie in einen gelb-grauen Schleier eintauchen ließen.[color=red] Ja, das war ja im Ruhrgebiet zu jener Zeit völlig anders ...

Jedenfalls nicht so in den Niederungen im Herzen von Sachsen-Anhalt. Auch hier war der triste Alltag des Sozialismus jetzt eingedeckt vom Hochzeitskleid der schönsten Jahreszeit und zauberte einem jedem ein Lächeln ins Gesicht.

Schon aus der Luft ein funkelndes Juwel.
Wer sie überflog, der musste einfach nur staunen. Alles trug seinen diesen ganz eigenen Charme. Von Westen kommend über die Dölauer Heide, Burg Giebichenstein, die Gebäuden der VEB Halloren Schokoladenfabrik, Rabeninsel, Saaleaue, Pfingstanger sowie pittoresker Innenstadt mit ihren funkelnden Dächern. Zweifelhaft, dass Halle damals so etwas hatte. Es war nicht nur so dahergesagt, aber Halle war wirklich wunderschön. Für Hallenser auf jeden Fall. Für den Rest ist es Geschmackssache. Zumindest hatte es seine Seiten, die unbedingt sehenswert waren. Und heute zeigte sich die mittelalterliche Kleinstadt von seiner allerschönsten Seite und flimmerte im sonnigen Kaiserwetter bis weit über seine Grenzen hinaus. Sogar die normalerweise rußgeschwärzten Altbauten der Innenstadt glänzten heute wie ein blankpoliertes Ferkelchen um die Wette. Wo ist der Ruß denn hin?
Aha, so ist‘s also im Osten. Gar nicht mal so schlecht, Herr Specht!
Das war das Erste, was Alexander auffiel. Und der zweite Eindruck bestand aus Pfannkuchengeruch und Armeen flotter Mädchen mit besonders adretten Hinterteilen.

Seine Deutschlandreise hatte nicht lange gedauert.
Insgesamt war es nur eine Strecke von 260 Kilometern, sprich etwa drei Stunden Autofahrt. Zuvor hatte er die Wahl gehabt, entweder bei Helmstedt rüber nach Magdeburg oder die Südroute wählen. Alexander hatte sich nach nur kurzer Überlegung für Letzteres entschieden.
Göttingen – Duderstadt – Worbis und schon war man drüben im geheimnisvollen Land von „Big Brother is watching you“.
Eine monotone Fahrt vorbei an VoPo-Posten und sich wiederholenden Polizeikontrollen            und schließlich irgendwann endlich am finalen Zielpunkt in Halle an der Saale angekommen …
Alexander von Strielow hatte vor Reisenantritt ungewöhnlich lange im Badezimmer gebraucht. Als er wieder rauskam, hatte er geföhnte Haare, ein frisch gebügeltes weißes Hemd und eine beige Chinohose an. Vor dem Start noch ein schnelles und frugales Frühstück – das Porridge der Haushälterin war furchtbar – und dann ging es auch schon los. Für diese besondere Mission war er mit Papa Martins Mercedes 300 CE, Anhängerkupplung und Pferdean-hänger, unterwegs. Darin befand sich auch sein kostbarster Inhalt: seine „Majestät“ Dalian – ein unverschämt edler Rapphengst aus dem altehrwürdigen Hannoveraner Hengstbuch des Celler Landgestütes. Wohl locker seine DM 300.000,- wert.
In seiner Gesamterscheinung ein unternehmungslustiger jungen Mann mit einem Wagen der oberen Mittelklasse unterwegs. Ein durchaus ungewöhnliches Gefährt für den Kleinen Grenzverkehr, nach dem man sich schon einmal umdreht. Alexander war sich dessen durchaus bewusst, dass er ordentlich was hermachte.
„Hey kids, shake it loose together. The spotlight's hitting something. That's been known to change the weather. We'll kill the fatted calf tonight. So stick around. You're gonna hear electric music. Solid walls of sound.“ Elton John sang Benny and the Jets. Umso verdutzter waren vor allem die humorlosen Grenzer Soldaten am Grenzübergang Duderstadt-Worbis gewesen.
„Achung, hoher Herr auf hohem Roß!“, murmelte einer von ihnen brummig. Es war auch wirklich nicht viel los und Alexander hatte die vier zigarettenrauchenden Beamten gerade beim illegalen Konsum einer Videokassette aus dem verhassten Westen gestört. Woher weiß er das???

Halloween – Die Nacht des Grauens.
Der Bundeswehroffizier kannte diesen sadistischen und frauenfeindlichen Schinken. Ja, er erinnerte sich sehr gut an diesen Horrorfilm, dessen Intro mit dieser eindringlichen Musik – genauso unvergesslich wie Mike Oldfields „Tubular Bells“ in „Das Omen“ – und der flackernden Fratze eines großen gelborangen Jack O’Lantern Kürbis, erst vor kurzem in die bundesdeutschen Kinos gekommen war. Und sogar bis ins Union Theater nach Lüneburg. An den Namen des Mädchens konnte er sich schon gar nicht mehr erinnern. Aber sie war warm, weich und süß. Ihre Küsse schmeckten wie ihr kirschroter Lancôme-Lippenstift. Es war ein Hochgenuß gemeinsam mit ihr aus einem riesigen Eimer Popcorn zu knuspern und zwischendurch immer wieder Holsten-Dosenbier zu trinken. Alexander rauchte viel zu viel und sein Kehlkopf brauchte ständig ein Kaltgetränk zur Kühlung.
Horror aus den USA war so rein gar nicht nach Alexanders Geschmack. Eigentlich war es ja immer dasselbe: eine billige Story und viel zu viel Blut. [s]Das Mädchen hüpfte bei jedem Schreckmoment mit einem jähen Seufzen auf Alexanders Schoss und ihr süßer runder Hintern gab einen warmen Impuls auf seine Schenkel ab. Wenn er die Augen schloß, dann spürte er, wie sein schwellender Schwanz gegen die hautenge Jeans des Mädchens klopfte. Er bildete sich ein, dass sie ihren Po gegen sein Glied rieb, um ihn scharf zu machen
. Es war unter diesen Umständen sehr schwer sich auf den Film zu konzentrieren.
Gerade im ungünstigsten Moment ging das Licht an.
„Möchte jemand Eis?” „Leck mich doch am Arsch!“ „Like ice in the sunshine. I'm meltin' awaaay on this sunny day … Nogger Dir einen!”
Dann wurde es wieder dunkel auf der Leinwand. Bedrohliche Musik und kreischende Opfer. Typischer Slasher. Schlachtermesser und leicht bekleidete Mädchen, die von einem irren Killer gejagt und genau im ungünstigsten Moment möglichst brutal zur Streckung gebracht werden. Vor allem die Stimme des Psychiaters Loomis war ihm noch sehr deutlich im Ohr.
„Teuflischen Augen. Ich hab 8 Jahre lang versucht mit ihm Kontakt zu bekommen, dann nochmal 7 Jahre um zu verhindern, dass er jemals wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Ich wusste zu gut, was sich hinter diesen Augen verbirgt, das absolut … Böse. Er ist heimgekommen ... Der leibhaftige Tod ist in Ihre Stadt gekommen, Sheriff. Er ist kein Mensch …“
Die entzückende Annie nur mit sexy weißem Nachthemd bekleidet, wurde jedoch nicht, wie nahezu alle im abgedunkelten Lichtspielsaal erwarteten, gleich in der Waschküche mit dem Schlachtermesser niedergemetzelt, sondern ein wenig später vom weißgesichtigen Boogeyman im Auto erdrosselt, wo sie im Todeskampf mit verzerrtem Gesicht die beschlagene Windschutzscheibe herunterrutschte. [/s]

Knurred und missmutig stapfte der sauertöpfische Grenzmann näher und musterte den Westler ihn kritisch mit einem ganz deutlichen Ausdruck zutiefster Verachtung. Bleib bei Alexander!
Bei ihm schien der Frühling ganz offensichtlich noch nicht ausgebrochen worden zu sein. Der legendäre Spruch „Gänsefleisch mal `n Gofferraum uffmache'?“ unterblieb zwar für heute, aber dafür erfolgte die übliche Papierkontrolle mit sächsischer Strenge.
„Halt Passkontrolle! Führerschein bitte. Zügig, zügig, wenn ich bitten darf.
Doch von Strielows Einreisedokumente waren absolut einwandfrei – es gab nichts zu bemängeln. Selbst der muffeligste Beamte musste damit ein Einsehen haben.
Alexander blieb ruhig. Sein Vater hatte es ihm x-mal eingetrichtert. „Egal, auch wenn sich Dich an die Wand stellen. Du pudelnackt vor ihnen stehen und Deine Beine spreizen musst, lass es bitte über Dich ergehen. Immerhin die sind bewaffnet und Du nicht!“
Der junge Mann sah sich um. Rings herum nur die Melancholie aus einem eines streng stalinistischen Landes, in dem die Uhren vollkommen anders tickten Komma als bei ihnen im Westen. Eine Frau rauchte und wickelte ihre Lockenwickler ab, während ihr Mann seine üble Laune an ihr ausließ. WTF?
Aus einem weiter entfernt stehenden Wagen dudelt der neuste DDR-Ohrwurm „Über sieben Brücken musst du gehen“, von Karat aus Ost-Berlin. „Sieben dunkle Jahre überstehn. Sieben Mal wirst du die Asche sein, aber einmal auch der helle Schein.“ Uiuiui ... der Titel lief zuerst im April im TV. Zweifelhaft, dass "im Frühling" das Lied schon im Radio lief, aber okay ...
Beschissener Ost-Pop! Wer hört denn so eine Scheiße? Meine Güte, die leben aber wirklich hinter dem Mond.

Alexander stellte schnell fest, dass auch hier nur mit Leitungswasser gekocht wurde.
Obwohl man durchaus davon ausgehen konnte, dass das Trinkwasser in der DDR bleihaltig war, zumindest wenn man sah wie sich die Leute hier aufführten. Aber die spulten auch nur ihre in Stein gemeißelten Vorschriften herunter. Und die waren nicht ohne.
In Erweiterung dieser Bestimmungen sind die Wachen, Posten und Streifen der Grenztruppen der Nationalen Volksarmee an der Staatsgrenze West und Küste verpflichtet, die Schußwaffe in folgenden Fällen anzuwenden:
„Zur Festnahme, Gefangennahme oder zur Vernichtung bewaffneter Personen oder bewaffneter Banditengruppen, die in das Gebiet der DDR eingedrungen sind bzw. die Grenze nach der Westzone zu durchbrechen versuchen, wenn sie die Aufforderung zum Ablegen der Waffen nicht befolgen oder sich ihrer Festnahme oder Gefangennahme durch Bedrohung mit der Waffe oder Anwendung der Waffe zu entziehen versuchen.“
„Zur Festnahme von Personen, die sich den Anordnungen der Grenzposten nicht fügen, indem sie auf Anruf »Halt - stehenbleiben – Grenzposten« oder nach Abgabe eines Warnschusses nicht stehenbleib-en, sondern offensichtlich versuchen, die Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik zu verletzen und keine andere Möglichkeit zur Festnahme besteht.“

Aber diese hier wirkten alles andere als bedrohlich. Vielleicht hatten die Grenzschutzbeamten heute auch nicht ihren martialischen Tag. Immer schön frei nach dem altpreußischen Motto, „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“. Er sah es nach der heutigen Erfahrung als erwiesen an, dass dieser Spruch klassenübergreifend galt und überall seine Gültigkeit be-saß. Weitere aufwändige Untersuchungen wären daher für alle auch nur reine Schikane und Zeitverschwendung gewesen. Und darauf hatte an diesem Tag, der noch so richtig schön zu werden schien, wirklich niemand Lust. „Sieben Mal wirst Du die Asche sein …“
Mal sehen, vielleicht ja morgen schon wieder. Neuer Tag – und neue Opfer!
„Freie Fahrt und Alles Gudde in der Deitschen Demogrodischen Rebbublik.“
Alexander musste kichern.
Wahscheinlich würde dieser Vogel heute nach Dienstschluss mit Olga von der Wolga in die Federn steigen. Oder mit Danuta der Sahneschnitte aus Bitterfeld. Fick mich ins Knie, bei was für Rohrkrepierern und Pfeifenwichsen bin ich denn hier gelandet?
Anscheinend waren die Ossis in der Tat so unterbelichtet, wie man sich in den unsäglichen Stammtischwitzen der Lüneburger Altstadtkneipen immer zu erzählen pflegte.
„Warum ist das Klopapier in der DDR so rauh? Damit auch der letzte Arsch rot wird ...“ Der war allerdings von seinem Vater. „Na, das kann ja noch »Eiter« werden – zur Bespaßung auf der monotonen Fahrt hatte er auf seinem Blaupunkt-Autoradio die vier angeblich „Best of“ Otto Waalkes-Kassetten abgespielt, die ihm sein Bruder Paul-Johann zu Weihnachten ge-schenkt hatte. „Oh, Otto“, „Das vierte Programm“, „Der ostfriesische Götterbote“ und ganz frisch bei Brinkmann in der Spitalerstraße eingetroffen „Otto versaut Hamburg“.

Doch irgendwann hatte es einfach gereicht mit der Dauerbeschallung von „Harry Hirsch“, dem rasenden Reporter mit schwarzer Elbseglermütze, Hornbrille und Trenchcoat, den alber-nen „Geschichten aus Wybelsum“ … und schenkelklopfenden Kalauern wie „Jeden Sonntag treffen sich sämtliche Mitglieder des Otto-Fanclubs in der Telefonzelle“, „Gar lustig find’s der Leonid, wenn man an seinem Breschnjew zieht. Oh verdammt, sagt Mister Reagan, ich kann meinen Ronald nicht bewegen …“ und dem ganzen nervtötenden Quatsch, mit dem man sich wirklich den lieben langen Tag versauen konnte.

Alexander wieder allein auf der Autobahn.
Schön konseqent immer auf einer Spur bleiben. Er war jedenfalls mehr als heilfroh, dass er diese Reise allein machen durfte. Mit seiner Familie hätte es jedenfalls nur unnötigen Stress gegeben. Das war sozusagen schon durch die Grundkonstellation vorprogrammiert.
Mit Grausen erinnerte er sich an den letzten gemeinsamen Familienurlaub zurück, den die von Strielows standesgemäß im Nobelhotel „La Grandezza delle cinque stelle“ gegenüber des von Palmen und Mittelmeerpflanzen bestandenen Parco Frederico Fellini verbracht hatten. Die mit Abstand allerschönste Stelle von Rimini, eingebettet zwischen Kanal und Bagno 9 Mauro, sowie Spiaggia Bagno delle Rose.
Mutter hatte sich natürlich bitterlich beschwert, denn ihrer Meinung nach gehörte Rimini mittlerweile zweifellos zum proletarischen „Teutonengrill“ und eine wie sie gehörte natürlich nach Monaco, Biarritz oder St. Moritz. Aber ganz bestimmt nicht an einen überfüllten Proletenstrand, wo man noch nicht einmal Kurtaxe zahlte und auch ein gehirnamputierter Maurer aus Recklinghausen ungeniert seine fette Bierplautze hinhängen durfte.

Es war im Sommer 1976 an der Adria gewesen.
Über Deutschland lag eine drückende Hitzewelle und am Mittelmeer sowieso. Doch nah am Wasser war es noch eingermaßen erträglich. Jeder Zentimeter Sand war gerappelt voll. Ganz Deutschland verbrachte hier seine Ferien. Vater und Mutter hatten sich vor den aufdringlichen Strandverkäufern – „La Bomba, La Bomba Gelato!“ und frech-anzügliche Bemerkungen bezüglich der Hinterteile deutscher Fräuleins, „Bella signora tedesca, mangia il mio delizioso gelato e il tuo adorabile fondo-schiena, culettino, popó sarà ancora più carino e rotondo.“ – unter einem Sonnensegel versteckt, tranken Espresso mit spitzen Fingern, eisgekühltes Pellegrino-Tafelwasser und aßen frisch gefangene frittierte Garnelen – Gamberi fritti all'aglio – und tranken Prosecco on the Rocks aus Kristallgläsern.
Doch Freiherr Martin von Strielow hatte irgendwann genug davon und ließ sich ein importiertes und eisgekühltes Beck’s Bier bringen. „Subito, pronto!“

Alexander hatte es nie verstanden, was seine Eltern eigentlich in Italien wollten. Vater ließ sich per Auslandspostsendung seine Hannoversche Allgemeine direkt ins „La Grandezza delle cinque stelle“ liefern und seine Frau las die Bücher von Heinrich Böll. „Gruppenbild mit Dame“ und „Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“. Aber ansonsten bekamen sie vom warmen und lebensfrohen Land für Alexanders Begriffe nur relativ wenig mit. Die üblichen Touristenattraktionen wie Tempio Malatesta, Fontana della Pigna, Augustusbogen und Ponte di Tiberio waren den Urlaubern aus Niedersachsen natürlich schon hinlänglich bekannt.
Während Alexander die Meeräschenschwärme im Portocanale beobachtete, tauchte Paul-Johann schon in der ersten Nacht ins „L'altro Mundo – Die andere Welt“ ab. Eine Diskothek der Superlative, so wie man sie selbst in Hamburg oder München nicht kannte. Er nahm auch äußerlich das Aussehen der lokalen Gigolos an. Goldbraun gebräunt und blinkende Goldkette über der Brust.
Die rassigen Italienerinnen waren so anders als die Hamburger Nachtschwärmerinnen, die ohne große Worte mit ihm ins Bett sprangen, als wenn es kein Morgen gäbe. Von seiner Mutter ließ er sich verführerische Worte wie „Sono pazzo di te, se non posso averti, non dormirò mai più. Sei la ragazza più bella del mondo e ti desidero. Fammi assaggiare i tuoi baci.“ bei-bringen. Sie sagte es einfach so dahin, da sie nicht genau verstand, was ihr jüngster Sohn eigentlich damit bezweckte, nämlich irgendein Stuß, um Weiber rumzukriegen. Um überhaupt etwas sagen zu können und nicht nur lässig auf seiner Sonnenbrille herumzukauen. Ja, er lieh sich sogar einen Alfa Romeo Sportwagen aus, um betont langsam auf der Lungomare und Viale Regina Elena herumzufahren und alles was weiblich war, darauf hinzuweisen, dass allein er der Mittelpunkt des Universums war.
„Ciao Gianni, ciao Carlo, ciao Angelo. Puoi tornare a casa, perché ora lo stallone tedesco è qui.”, hätte er ihnen am liebsten zugerufen und sich wie King Kong auf die breite Brust ge-trommelt. Drüben in der Heimat war er ein bekannter Springreiter, hier hingegen kannte ihn niemand. Paul-Johann war unersättlich und er hatte es sehr bald raus, wie es lief. Die italienischen Mädchen waren nur auf dem ersten Blick anspruchsvoll. Sobald er den Bogen raushatte, konnte er sie sich in Scharen nehmen.
Alexander musste sich vom vielen Gestöhne aus dem Zimmer seines kleinen Bruders die Ohren zuhalten. Aber so war das pralle Leben. Warum nicht nehmen, wenn er es denn konnte. Er selber hatte sich eine kleine süße Kölnerin angelacht. Gleichaltrig und auch von den Eltern gelangweilt. Aber anders als Paul-Johann musste er sie nicht gleich umlegen.
Mädchen waren großartige Wesen, die einem so unglaublich gut tun konnten und hatten es seiner Meinung nach überhaupt nicht verdient, wie Tiere behandelt und benutzt zu werden. Also genoss er es mit Ihr händchenhaltend durch die Einkaufsstraße zu flanieren, immer wie-der unterbrochen von leidenschaftlichen Küssen und sich treiben lassen.
Sie hatte vor Aufregung schwitzige Hände, „Alex, ich hab’s noch nie gemacht. Wir sollten damit noch warten?“, sagte sie eher flehentlich als voller tiefer Überzeugung.
„Hey, na klar, mach Dir keinen Gedanken. Du musst nichts tun, was Du nicht willst.“
Oh ja, sie wollte. Aber erst in der dritten Nacht und sie taten es zwischen lindgrünen Sonnen-segeln. Auf einmal war sie sehr viel ungenierter, als es ihre Worte eigentlich hätten vermuten können und auf einmal störte es sie nicht, dass italienische und deutsche Jugendliche in un-mittelbarer Nachbarschaft ihre legendären „Bottle-Parties – festa di bottiglie“ – zele-brierten. Doch das Leben fand immer wieder seinen Weg.

Und dann sah er es. Auf dem halben Weg zum Autokino, wo gerade „King Kong“, „Taxi Driver“, „Duell am Missouri - der Eine stiehlt um zu leben, der Andere lebt um zu töten.“ mit Marlon Brando und „Die Nacht der rollenden Köpfe“ gezeigt wurden.
Ein gigantisches Werbeplakat.
Drei mal vier Meter oder noch sehr viel größer legte es einen Schatten auf die Menschen.
Es ging um einen Mandelliqueur, der so viel Gefühl von diesem Land transportierte.
„Inventato da una donna per un uomo. Amaretto di Saronno. A base di mandorle dolci e poche amare. La tentazione siciliana. Questo formaggio di mandorle deve la sua delicata luminosità alla sua genuina ricetta siciliana. Braci e gusto. Florio Amaretto viene dalla Sicilia, dove il sole nel mio paese d'origine, l'Italia, è particolarmente potente.”
„Erfunden von einer Frau für einen Mann. Amaretto di Saronno. Aus süßen und auch ein paar bitteren Mandeln. Die sizilianische Versuchung. Seine sanfte Glut verdankt dieser Mandelliqueur seinem echt sizilianischen Rezept. Glut und Geschmack. Florio Amaretto kommt aus Sizilien, wo die Sonne meiner Heimat Italien besonders viel Kraft hat.“
Aber diese Frau war umwerfend. Die kleine Kölnerin war sofort vergessen. Von einem Moment auf den anderen. Wie eine Schneeflocke, die in der Mittagssonne schmilzt. Es kam wie ein Blitzschag vom Sommerhimmel. Diese unglaublich schöne Frau.
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Es sind nur Vorschläge smile Nimm, was Dir gefällt.
Die zweite Hälfte hätte ich in dieser Länge rausgestrichen. Zum einen ist mir da zu viel Italienisch, aber auch zu viel Geschwätz drin. Was willst Du mit diesem Teil des Textes sagen? Was ist der Kern? Inwieweit trägt das zur Geschichte und Charakterentwicklung bei?
MfG


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