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Erstes Kapitel - Kritik erwünscht


 
 
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Hippo1612
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
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Alter: 30
Beiträge: 22
Wohnort: Berlin


H
Beitrag11.11.2019 16:27
Erstes Kapitel - Kritik erwünscht
von Hippo1612
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo liebe Forengemeinde,
der erste Satz eines Buches ist für mich gar nicht so entscheidend. Vielmehr aber das erste Kapitel - daran entscheide ich, ob ich weiterlese, wenn mich spätestens das Vierte oder Fünfte nicht überzeugt, wird das Buch weggelegt.

Ich habe u.A. seit 2017 jedes Jahr einen - unveröffentlichten - Thriller geschrieben, mit dem Protagonisten Patrick Verney, einem noch eher jungen, aber schon ziemlich schrulligem Privatdetektiv.
Nun wage ich mich daran, den ersten Roman (hier zumindest dem Beginn) hungrigen Kritikern zum Fraß vorzuwerfen appetitlich anzurichten.

Zur Orientierung zunächst der Klappentext.

Zitat:
Der Privatermittler Patrick Verney hält sich mit langweiligen Allerweltsaufträgen mal recht, mal schlecht über Wasser. Ein Auftrag aus dem Thüringischen Grenzgebiet weckt sein Interesse - und bald verliert er sich zwischen einem verwirrten und schweigsamen Auftraggeber, einem bestialischen Sadisten und nicht zuletzt auch Polizisten, die ihn eher als Plage denn als Hilfe wahrnehmen.
Er muss über Grenzen gehen, um Leben zu retten, bis er sich die Frage stellen muss, wie sicher sein Eigenes noch ist...


Ich habe das Werk inzwischen noch einmal selbst Korrektur gelesen und die ein oder andere Unzulänglichkeit gefunden, die ich noch ausbessern muss. Auch die Frage, wie grafisch Gewaltverbrechen bis hin zur Folter dargestellt werden können (oder sollten) stellt sich mir wiederholt. Zudem arbeite ich viel mit wörtlicher Rede - ein Stolperstein für Amateure wie mich.
Konstruktive Kritik bis hin zum fundierten Verriss ist gern gesehen. Insbesondere interessiert mich aber:

a) Wie gelungen ist die doch sehr rasante und unverblümte Einführung der Hauptperson? Wird eher zu viel oder zu wenig verraten?
b) Gibt es handwerkliche Fehler, die auf jeden Fall abgestellt werden müssen?
c) Ich gebe viele Hintergrundinfos über die Arbeit von Detektiven. Letztendlich liegt es mir auch daran, den Beruf und die Arbeit realistisch und verständlich zu vermitteln. Ist das so angemessen oder schieße ich über das Ziel hinaus?
d) Wie gefällt euch das Geschriebene insgesamt?
e) Würdet ihr weiterlesen wollen?

Ich bedanke mich schon mal für eure Zeit und euer Interesse und zitiere nun aus dem fertigen Manuskript:



Zitat:

„Wo kommen Sie denn her?“
Ein Satz, der gleichermaßen anödet wie schmeichelt. Ganz abhängig davon, wie er intoniert wird. Vorwurfsvoll? Fragend? Neugierig? Abgedroschen? Heute war es keine gespielte Höflichkeit, nein, die Rezeptionistin möchte wirklich wissen, woher er kam.  

„Meine Heimat ist dort, wo ich gerade bin.“, sagte er mit einem breiten Grinsen und fragte anschließend nach der Speisekarte. „Sie wissen ja, ich hatte eine lange Anreise, und ohne Mampf kein Kampf. Ich würde meine Koffer ins Zimmer bringen, die Gegend ein wenig erkunden und so gegen halb acht zum Abendessen erscheinen.“ Demonstrativ griff er nach dem sperrigen Gepäck.

„Selbstverständlich.“, entgegnete die herzlich-dralle Empfangsdame mit perfekt geschulter Dienstbarkeit. „Hier, wenn Sie doch schon in Obernitz sozusagen zuhause sind, suchen Sie sich etwas aus und es wird pünktlich um halb acht serviert. Was möchten Sie denn trinken?“
Essen und Trinken machte ihn so glücklich wie das Rauchen. Deftige Küche, gutes Bier, starke Zigaretten, das waren die einzigen Konstanten in seinem unsteten Leben. „Bier, aber aus der Region.“, erwiderte er fast schon lehrerhaft. „Wenn ich schon mal hier bin, möchte ich auch die hiesigen Brauspezialitäten genießen“, ergänzte Patrick Verney mit verführerischem Lächeln.

Er liebte es an seinem Beruf, ständig neue Gegenden zu sehen. Wiederholung gab es schon, aber nicht zu oft. Er liebte es, Orte zu besuchen, an denen es wohl niemand anderen verschlagen würde, und ein paar Tage später wieder in einer Großstadt zu sein. Nun steuerte er mit seinem auffälligen Mercedes auf die Talsperre Hohenwarte zu, um sich mit seinem Auftraggeber zu treffen. Auch wenn dieser ein Hotel in Saalfeld vorschlug, so bevorzugte er es, in kleinen Ortschaften zu übernachten. Er mochte den Charme uralter Einrichtungen, und in Städten würde man wohl kaum für 50 Euro pro Nacht ein Dreisternezimmer erhalten. Es war ewig das gleiche Prozedere – gestresst anreisen, schnell im Hotel einchecken, dann umgehend den Auftraggeber aufsuchen und loslegen.

Direkt hinter der Talsperre befand sich seit den frühen 40er Jahren der Stausee, der die Hochwassergefahr an den Ufern der Saale senken und Energie gewinnen sollte. Das leichte Gebirge im Rückspiegel, bog er auf Höhe der Seeterrasse rechts auf den Parkplatz ab. Nebelschwaden legten sich schwer und doch zugleich leicht auf die malerische Landschaft, ähnlich einer dünn gewebten Decke aus schwerem Stoff. Der herbe Geruch von Kiefern lag in der feuchten Luft, als der auberginefarbene Mercedes neben dem Parkscheinautomaten hielt, das tiefe Bollern des großen Motors konterkarierte die grazilen Vogelgesänge.

Das vereinbarte Zeichen war es, „SOS“ mit der Lichthupe zu „funken“. „…---…“. „…---…“. Die Antwort kam von einem silbernen VW Multivan, der  „--- -.-„ erwiderte und den er umgehend ansteuerte. Durch die seitliche Schiebetür stieg er ein.

„Guten Tag, Herr Verney. Gut, dass Sie es einrichten konnten.“, begrüßte ihn ein korpulenter Mann mit Hornbrille, adrett gekleidet mit grauem Dreiteiler und lachsfarbenem Hemd. Er hatte einen leichten Anflug von sächsischem Dialekt, den man nur an einigen Lauten erahnen konnte. „Gern, Herr Katzner. Sie hatten mir nur wenig Details genannt, aber einen satten Vorschuss überwiesen. Sie verstehen doch sicher, dass mich das neugierig macht. Sie wissen ja, Berufskrankheit.“ Erneut kam das entwaffnende Lächeln zum Einsatz.

„Man trachtet mir nach dem Leben!“, fuhr es aus dem sichtlich gehetzten Auftraggeber.
Verney überlegte, ob er nun entsetztes Erstaunen oder den betont lässigen, abgeklärten Ermittler spielen sollte. Wie so oft versuchte er sich am Mittelweg und äußerte sich mit einer bemitleidenswert gekünstelten Gesichtsentgleisung. „DAS ist natürlich ein Grund. Haben Sie die Vermutung zuvor der Polizei mitgeteilt? Und woraus begründet sich Ihr Verdacht?“

Privatermittler Patrick Verney glaubt erst einmal jedem Klienten. Würde er es nicht, wäre er wohl ein sehr schlechter Dienstleister. Seine Erfahrung zeigte ihm immer wieder, dass an abstrusen Geschichten oft etwas dran ist.

„Ja sicher. Aber die Polizei meinte, für so einen Verdacht kann man nicht das entsprechende Personal abstellen. Und man nimmt mich nicht für ernst. Ich zittere. Ich vergesse Dinge. Sie verstehen?“
„Durchaus. Sie haben Anhaltspunkte, dass das keine natürlichen Ursachen hat, etwa durch eine Vergiftung mit Psychopharmaka? Wer hätte denn ein Motiv, und seit wann ist das so?“

Der Mann blickte sich suchend um, in der Scheibe des VW-Busses spiegelte sich das nervöse Gesicht wider. Der graue Haarkranz war wirr, die Brille saß schief. Entweder war der Mann wirklich dement, oder er fühlt sich tatsächlich ernsthaft bedroht. Noch wusste Verney nicht, ob es sich nicht doch nur um beginnende Demenz handelte. Aber es würde wohl kaum jemand für viel Geld einen Detektiv einbestellen, wenn er nicht von seiner Sicht der Dinge überzeugt wäre.
„Seit ein paar Monaten. Ich würde sogar sagen, bald ein Jahr. Ich verstehe das aber nicht. Ich habe mit meinen Nachbarn keine Probleme, und Familie habe ich auch nicht mehr. Mein Bruder starb an der Grenze, und andere Verwandte sind mir nicht bekannt. Meine Onkel und Tanten haben die Flucht aus Ostpreußen…“
Verney grätschte höflich, aber bestimmt dazwischen. Er möchte möglichst schnell die relevanten Informationen zusammentragen. Für Lebensgeschichten ist beim Erstkontakt keine Zeit. „Danke, Herr Katzner. Das bedeutet also, niemand hätte etwas davon, Sie zu vergiften? Kein Streit im Kegelverein, mit dem Nachbarn oder sonst jemandem? Sind Sie vermögend?“
„Ich bin durchaus sehr vermögend, auch wenn ich das nicht wirklich zeige. Auch sonst habe ich Wert auf Bescheidenheit gelegt. Und Streit habe ich mit niemandem.“
„Haben Sie eine Idee, wie Ihnen Mittel verabreicht werden? Ist es wahrscheinlicher, dass es in den eigenen vier Wänden oder außerhalb passiert?“ Er kramte aus seiner Aktentasche das klassische Notizbuch hervor und krakelte erste Notizen hinein.
„Ich weiß nicht mal, ob mir etwas verabreicht wird. Das ist allein Ihre Behauptung. Mein Arzt sagt, es ist alles in bester Ordnung. Ich habe extra ein privates Labor mit regelmäßigen Blutuntersuchungen beauftragt.“
„Dann wird es das Beste sein, ich suche Sie morgen nach dem Frühstück zuhause auf. Dann werden wir uns einen Plan machen, wie wir herausfinden können, wer oder was für die Verwirrtheitszustände verantwortlich ist.“

Menschen in Herr Katzners Alter können durchaus unter einer beginnenden Demenz leiden. Laut Stayfriends-Profil müsste er um die 60 sein, vielleicht auch 65, älter nicht. Aber für einen Kranken war er erstaunlich klar. Unvorstellbar, dass ein Mann, der so normal mit einem redet, im anderen Moment seine Küche abbrennt. Verney glaubte Katzner nicht nur wegen dem Dienstleistergedanken. Wenn man bedenkt, dass schon Leute anriefen, die glaubten von Außerirdischen entführt worden zu sein, so war dieser Fall durchaus einer der ernstzunehmenden.
Nach dem Abendessen ging Verney das soziale Gefüge des Kunden durch. Auch wenn er keine Familie hat: Google zeigte, dass er im Kegelverein ist. Sportlicher Neid? Wohl kaum, die veröffentlichten Resultate zeigen ihn im Mittelfeld. In der Nachbarschaft würde er sich in den kommenden Tagen vorsichtig umhören. Objektive Informationen würde er von dort aber wohl kaum bekommen. Vielversprechender ist da schon der Hausarzt: Mit der fachlichen Meinung eines Mediziners ließe sich zumindest in Erfahrung bringen, wie wahrscheinlich eine Demenzerkrankung ist. Doch würde ihm der Arzt überhaupt eine Auskunft geben? Schließlich hatte er nicht mehr Befugnisse als jeder andere Bürger auch. Das heißt, er bekommt ziemlich sicher subjektive Auskünfte und ziemlich unsicher objektive Informationen. Detektive, die mit gezogener Waffe Mörder stellen, nachts in Wohnungen einsteigen oder andere filmreife Methoden anwenden, gibt es in der realen Welt nicht. „Gerichtsfest“ ist das Zauberwort, wenn es darum geht, Beweismaterial zu sammeln. Videokameras könnte man in Katzners Haus aber anbringen – er lebt ja alleine, und sein Einverständnis kann man wohl voraussetzen. Anders sieht es aber aus, wenn die Straße überwacht werden soll – Passanten könnten sich beschweren, man benötigt eine Genehmigung vom Ordnungsamt.

Katzners Gewohnheiten waren simpel. Er war Privatier, ging also keiner Arbeit nach. Zwei Mal die Woche Kegeln, gelegentliches Abendessen in Restaurants und Segeln. Letzteres erzählte der Kunde nicht, doch eine Anhängerkupplung in Verbindung mit einem ziemlich eindeutigen blauen Aufkleber auf der Heckklappe sprach für sich. Das Kennzeichen SLF-GK1 deutete auch darauf hin, dass es sein eigenes Fahrzeug war, denn sein Vorname war Gerald. Die „1“ passte aber nicht. So eine auffällige Zahl stand im Widerspruch zur Bescheidenheit, die Katzner so anpries. Vielleicht nahm er nur sich selbst als bescheiden wahr, während sein Umfeld eine ganz andere Meinung hat. Letztendlich erfährt man nach einer gewissenhaften Internetrecherche mehr über die Klienten als die Nachbarn in mehreren Jahren mitbekommen. Kein Wunder, dass Verneys Lieblingsroman „1984“ von George Orwell ist.

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Kiara
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 44
Beiträge: 1404
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Beitrag11.11.2019 18:43
Re: Erstes Kapitel - Kritik erwünscht
von Kiara
Antworten mit Zitat

Vielen Dank für deinen Text smile
Ich war so frei, meine Eindrücke direkt hineinzuquetschen, ohne Rücksicht auf Übersichtlichkeit...



„Wo kommen Sie denn her?“
Ein Satz, der gleichermaßen anödet wie schmeichelt. Ganz abhängig davon, wie er intoniert wird. Vorwurfsvoll? Fragend? Neugierig? Abgedroschen? Heute war es keine gespielte Höflichkeit, nein, die Rezeptionistin möchte mochte, da Vergangenheit, wobei mir "interessierte" besser gefälltwirklich wissen, woher er kam.  

„Meine Heimat ist dort, wo ich gerade bin. Punkt weg“, sagte entgegnete klingt schöner oder etwas anderes, er ist ja im Gespräch
er warum hier nicht den Namen nennen und dem Er einen Namen geben? Ich würde sogar ihm im ersten Satz bereits einen Namen geben: Wo kommen Sie denn her, Mister/Herr Verney? mit einem breiten Grinsen und fragte anschließend nach der Speisekarte. „Sie wissen ja, ich hatte eine lange Anreise, und ohne Mampf kein Kampf. Ich würde werde, denn er will es ja tun, jedenfalls lese ich es so. Würde geht auch, doch das macht ihn unsicher, passt nicht zum Rest meine Koffer ins Zimmer bringen, die Gegend ein wenig erkunden und so gegen halb acht zum Abendessen erscheinen.“ Demonstrativ griff er nach dem sperrigen Gepäck. Demonstrativ erscheint mir unpassend
Leerzeile weg, durch sie wird vermittelt, dass ein neuer Abschnitt beginnt, dies jedoch nicht der Fall ist.
„Selbstverständlich.Punkt weg“, entgegnete die herzlich-dralle was für ein Ausdruck lol2 ich weiß nicht, wie ich sie mir vorstellen soll, ich denke mal, sie soll etwas voller in den Hüften sein Empfangsdame mit perfekt geschulter Dienstbarkeit. „Hier vielleicht besser "bitte schön." Sie reichte ihm die Karte. "Wenn...", da sie so geschult ist, wenn Sie doch schon in Obernitz sozusagen zuhause sind, suchen Sie sich etwas aus ich verstehe nicht, was das Zuhause mit dem Essen zu tun hat, da bin ich wohl nicht mitgekommen und es wird pünktlich um halb acht serviert. Was möchten Sie denn trinken?“
Essen und Trinken machte ihn so glücklich wie das Rauchen. Deftige Küche, gutes Bier, starke Zigaretten, ich würde hier statt dem Komma einen Gedankenstrich bevorzugen, da die Aufzählung vorbei ist das waren die einzigen Konstanten in seinem unsteten Leben. „Bier, aber aus der Region.Punkt weg“, erwiderte er fast schon lehrerhaft. Das klingt unsympathisch, ist das gewollt? „Wenn ich schon mal hier bin, möchte ich auch die hiesigen Brauspezialitäten genießen“, ergänzte Patrick Verney ahh so heißt der Kerl mit verführerischem Lächeln. Oh, gleich verführerisch smile Nun denn^^ soll das so? Oder soll es sympathischer klingen?

Er liebte es an seinem Beruf, ständig neue Gegenden zu sehen. Wiederholung gab es schon, aber nicht zu oft. Klingt unschön, wenn es denn so sein soll, dann "Wiederholungen gab es selten." Er liebte es, Orte zu besuchen, an denen die statt denen es wohl niemand anderen verschlagen würde, und "nur um" anstatt "und" ein paar Tage später wieder in einer Großstadt zu sein. Nun steuerte er mit seinem auffälligen Mercedes auf die Talsperre Hohenwarte zu, um sich mit seinem Auftraggeber zu treffen. Auch wenn dieser ein Hotel in Saalfeld vorschlug, so bevorzugte er es, in kleinen Ortschaften zu übernachten. Er mal wieder den Namen verwenden?mochte den Charme uralter Einrichtungen, Komma weg, wobei ich da nicht sicher binund in Städten würde man wohl kaum für 50 fünfzig Euro pro Nacht ein Dreisternezimmer erhalten. Es war ewig das gleiche Prozedere – gestresst anreisen, schnell im Hotel einchecken, dann "anschließend" statt "dann", oder ganz streichen umgehend den Auftraggeber aufsuchen und loslegen.


Das reicht erst mal.

a) Wie gelungen ist die doch sehr rasante und unverblümte Einführung der Hauptperson? Wird eher zu viel oder zu wenig verraten?
ich erfahre einiges über ihn, den Namen zu spät. Dazu mehr in Punkt e

b) Gibt es handwerkliche Fehler, die auf jeden Fall abgestellt werden müssen?
ja, die Punkte in der wörtlichen Rede, wenn danach ein Komma folgt.

c) Ich gebe viele Hintergrundinfos über die Arbeit von Detektiven. Letztendlich liegt es mir auch daran, den Beruf und die Arbeit realistisch und verständlich zu vermitteln. Ist das so angemessen oder schieße ich über das Ziel hinaus?
Bin nicht so weit gekommen, sorry

d) Wie gefällt euch das Geschriebene insgesamt?
Hier geht es nur um den Teil, den ich bearbeitet habe: Mittel. Wortwahl und Satzbau, da könntest du geschickter formulieren, andere Synonyme verwenden. Grob gesagt: Hier im Forum mitarbeiten, dabei wirst du viel lernen.

e) Würdet ihr weiterlesen wollen?
Bisher nicht, weil das Handwerkliche mich abschreckt. Doch das muss nichts über deine Geschichte aussagen. Ich fand den Einstieg an der Rezeption ok, doch anschließend wäre ich gerne direkt in etwas Interessantes hineinversetzt worden, anstatt Erzählungen und Erklärungen zu lesen. Es würde der Spannung gut tun, die Nebeninformationen als kurze Rückblenden einzustreuen und schneller zum Meeting zu kommen, damit die Geschichte vorangetrieben wird.
Weiterhin viel Spaß beim Schreiben!


_________________
Zum Schweigen fehlen mir die Worte.

- Düstere Lande: Das Mahnmal (2018)
- Düstere Lande: Schatten des Zorns (2020)
- Düstere Lande: Die dritte Klinge (2023)
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Hippo1612
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H

Alter: 30
Beiträge: 22
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H
Beitrag11.11.2019 19:22

von Hippo1612
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Kiara,
vielen Dank für das ausführliche Feedback. Das zeigt zwar auf, dass ich eben nicht mehr und nicht weniger als ein passabler Hobbyschreiber bin, aber diese Erdung ist eben umso wichtiger, wenn man sich wirklich ernsthaft verbessern möchte.

Vorallem ist es wie so oft so, dass Dinge, die für einen selbst logisch sind und sich "richtig" lesen bei anderen eben doch nicht so klar sind.
Ein paar deiner Gedanken möchte ich aufgreifen.

Späte Namensnennung
Soll Spannung aufbauen und quasi nur langsam an den Protagonisten heranführen. Ein Experiment, in vorherigen Werken wusste der Leser immer sofort, mit wem er es zu tun hat. Anscheinend ist hier gut gemeint tatsächlich nicht gut gemacht, das wäre ja schnell zu ändern.

herzlich-drall
Man könnte es auch als "großmütterlich" beschreiben. Eine einfache, aber gutherzige Dame über 50 mit Leibesfülle schwebte hier als passende Figur für die Angestellte einer Dorfpension in meinen Gedanken.

Sie spielt mit dem "wenn Sie hier schon zuhause sind" darauf an, dass der P. meinte, er wäre da zuhause, wo er gerade ist.

lehrerhaft
Das ist gewollt. Der Protagonist mag ein angenehmer Zeitgenosse sein, aber er hat seine Macken.

verführerisches Lächeln
Er hat stellenweise ein schlechtes Gespür für die richtige Mimik/Gestik, das kommt im Buch noch öfter vor. Er ist nicht so selbstsicher, wie er sich gibt.

Ich war gewiss nicht schlecht im Deutschunterricht, aber es zeigt sich doch immer wieder der Unterschied zwischen Profiautoren und solchen, die es werden wollen. Ich würde mich freuen, wenn du Zeit findest, den Rest auch noch "zu zerpflücken". Ich sammele erstmal ein paar Meinungen, bin mir aber sicher, einige Punkte nach deinen Hinweisen verbessern zu können.
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Minerva
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Beitrag11.11.2019 23:27

von Minerva
Antworten mit Zitat

Hippo1612 hat Folgendes geschrieben:
Das zeigt zwar auf, dass ich eben nicht mehr und nicht weniger als ein passabler Hobbyschreiber bin, aber diese Erdung ist eben umso wichtiger, wenn man sich wirklich ernsthaft verbessern möchte.


Ah, bitte, mach dich doch nicht gleich so nieder. Natürlich ist Erdung wichtig und sich hinterfragen, aber das  sollte Hand in Hand gehen mit ein wenig Selbstbewusstsein Daumen hoch

Ok, kommen wir zum Text.

A) Erstmal zum Charakter. Ich bin noch ein wenig unsicher, wie ich ihn einordnen soll. Er kommt mir ganz flott und frisch rüber. Es ist erst Anfang, ok, aber mir fehlt noch was Spezielles, vielleicht was Schrulliges, Individuelles auf jeden Fall, etwas Unverwechselbares.
Dazu würde ich ihn außerdem für älter halten, da er so traditionelle Vorlieben, wie deftiges Essen, gutes Bier (aus der Region!) mag. Der Nachname ist schon mal interessant, weil ich vermute, er ist englisch oder so.
Ich interpretiere rein, dass er ein Charmeur ist, bin aber nicht sicher. Sind Frauen seine Schwäche? Na ja, wie auch immer. Es sollte vielleicht sein Alter erwähnt werden und irgendwie beiläufig, z.B. ein Erfolg den er hatte. Damit ist er schon besonders, ziemlich jung, aber sehr gut in seinem Beruf.
Das könnte so beiläufig in einen Nebensatz, wenn du verstehst, was ich meine! Eine Hauptfigur macht sich immer gut, wenn sie irgendwie intelligenter, besser, schöner oder sonstwas ist, als wir selbst (Mit Schwächen natürlich).
Einen Punkt sehe ich: er hat sich einen dicken Mercedes gekauft, also Geld und Luxus scheint schon eine Rolle zu spielen. Was mich irritiert ist aber, warum so ein auffälliges Auto? Aber schimpft mich nicht, ich weiß nicht, ob ein teurer Mercedes so auffällig wirkt, keine Ahnung. Ich frage mich hier nur, ob es für einen Ermittler gut ist ob er in einem VW Passsat nicht besser getarnt wäre???

B) Der nächste Punkt ist ein Teil der Dialoge. Sie wirken etwas gestelzt, Betonung auf "etwas", also nicht so arg.
Beispiele:
- Wenn ich schon mal hier bin, möchte ich auch die hiesigen Brauspezialitäten genießen.
Hiesige Brauspezialitäten ... klingt mir zu unnatürlich.

- Gern, Herr Katzner. Sie hatten mir nur wenig Details genannt, aber einen satten Vorschuss überwiesen. Sie verstehen doch sicher, dass mich das neugierig macht. Sie wissen ja, Berufskrankheit.
Klingt mir ein bisschen zu unlocker und aufgesetzt. Wie wäre es so in der Art. "Bei so einem Vorschuss kann ich nicht/könnte keiner widerstehen."

- „Man trachtet mir nach dem Leben!“
"Die wollen mich umbringen! Irgendwer will mich umbringen!" (Das zeigt auch gleich, wie aufgebracht er ist)
Guck mal, wer abgemurkst werden soll, sagt nicht: Zu Hülf, man trachtet mir nach dem Leben ... Wink

- Das hier ist übrigens echt klingend und gut gelungen: "Und man nimmt mich nicht für ernst. Ich zittere. Ich vergesse Dinge. Sie verstehen?"

C) too much Adjektive und Adverbien (ab und zu, nur an manchen Stellen, es ist nicht schlimm, keine Sorge)
„Selbstverständlich.“, entgegnete die herzlich-dralle Empfangsdame mit perfekt geschulter Dienstbarkeit.
(Und dazu noch so Nominalstil ... wie wäre es z.B. mit "dienstbeflissen")

Über herzlich-drall bin auch gestolpert, ich weiß nicht so recht. Außerdem spricht er dann so verführerisch und ich weiß auch gar nicht, wie alt die Dame ist. ich vermute dann eigentlich eher jünger. Außer er flirtet aus Prinzip oder mag ältere Frau. Das irritiert mich, weil ich nicht s recht weiß, wie es nun ist ... ist er ein Charmeur und spielt das immerzu aus? Mag er herzlich-dralle ältere Frauen oder ist die Frau jung (ich weiß inzwischen: nein, aber das geht für mich nicht hervor). Das wäre die Stelle, wo mehr Orientierung nötig ist und man ihn charakterisieren könnte.

Auch wenn dieser ein Hotel in Saalfeld vorschlug, so bevorzugte er es, in kleinen Ortschaften zu übernachten. Na gut, für mich ist Saalfeld auch eine kleine Ortschaft, aber das sei mal dahingestellt ... Laughing Laughing Laughing

D) selten ein paar überflüssige Füllwörter

E)  Noch wusste Verney nicht, ob es sich nicht doch nur um beginnende Demenz handelte. Aber es würde wohl kaum jemand für viel Geld einen Detektiv einbestellen, wenn er nicht von seiner Sicht der Dinge überzeugt wäre.
Zwei Punkte: Gibt es einen Grund, warum er sich auskennt? Hat er vielleicht einen Abschluss in Psychologie oder sowas? Was Spezielles halt.
Ich würde mir eher Sorgen machen, dass der Mann nicht die restliche Bezahlung vergisst ... Laughing

Zur späten Namensgebung: Mach`s nicht, es ist nicht interessant, es ist nur ein Name. Selbst wenn der Name superüberraschend oder spannend wäre .. warum zurückhalten. Nein ,nein sag den Namen.

Zum lehrerhaft: Das würde ich nämlich auch streichen. Ansonsten eine Erklärung, dass es eine seiner Macken ist.
Er konnte es nicht ausstehen, wenn ...
Immer wenn ...
So in dem Stil. Sonst wirkt es nur wie ein sinnloses Adverb.


Zu deinen Fragen:

a) Wie gelungen ist die doch sehr rasante und unverblümte Einführung der Hauptperson? Wird eher zu viel oder zu wenig verraten?
Ganz normale direkte Einführung, ist doch gut so, man ist gleich mittendrin. besser als wenn erst 3 Seiten langweilige Beschreibung käme.

b) Gibt es handwerkliche Fehler, die auf jeden Fall abgestellt werden müssen?
siehe oben

c) Ich gebe viele Hintergrundinfos über die Arbeit von Detektiven. Letztendlich liegt es mir auch daran, den Beruf und die Arbeit realistisch und verständlich zu vermitteln. Ist das so angemessen oder schieße ich über das Ziel hinaus?
Ist hier nicht sichtbar, fände ich aber interessant, insofern es nicht ausartet! also jedes kleine Detail, alles erklärt, wie ein Lehrbuch, das man einbauen will. Außer du meinst die Internetrecherche, das ist schon ok, interessant und nachvollziehbar.

d) Wie gefällt euch das Geschriebene insgesamt?
Mir fehlt noch das Spezielle, das den Charakter hervorhebt. Siehe oben. Was er vielleicht ist, seine üble Schwachstelle, zumindest angedeutet. Seine Begabung, sein Talent. Die Schwierigkeiten, die ihm seine Schwäche(n) bereiten.

e) Würdet ihr weiterlesen wollen?
Ja, wenn  Charakter so richtig speziell werden würde, sodass er mich interessiert, dass ich Potenzial sehe, einmal bewundern kann und einmal nur darauf warte, wie er mit seiner Schwäche auf die Nase fällt oder dann positiv: immer darum bange, dass er jetzt z.B. nicht schon wieder das Maul so weit aufreisst.
Also, seine persönlichen Schwächen müssen auch Konsequenzen haben.


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Hippo1612
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H
Beitrag12.11.2019 13:16

von Hippo1612
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hui, erstmal vielen Dank für die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Kapitel und die netten Worte.

Zitat:
Der Nachname ist schon mal interessant, weil ich vermute, er ist englisch oder so.

Der Mann hat belgische Vorfahren, was man aber erst im dritten Buch erfährt, als er in Charleroi ermittelt.


Ich lese heraus, dass die charakterliche Tiefe noch etwas fehlt.
Das ist der Tatsache geschuldet, dass dies nur das erste Kapitel ist. Wenn ich das nur nutze, um die Figur möglichst detailliert vorzustellen, ginge die Handlung völlig unter. Das verteilt sich über die ersten fünf Kapitel, bis der Leser weiß, wie Verney "tickt"

Zitat:
Dazu würde ich ihn außerdem für älter halten

Er ist im ersten Buch 27. Wie man später erfährt, ist er streng aufgewachsen und musste früh Professionalität zeigen. Er hatte nach dem Studium eine steile Karriere in der Wirtschaft gemacht, bevor er mit Burnout hinschmiss und freiberuflich anfing. Aber das erfährt man - so richtig im Detail - erst im zweiten Buch. Im Ersten gibt es nur die ein oder andere Anspielung, dass er wohl vorher eine ganz andere Tätigkeit ausübte, die er ausgebrannt aufgab.

Zitat:
Ich frage mich hier nur, ob es für einen Ermittler gut ist ob er in einem VW Passsat nicht besser getarnt wäre

Richtig. Mit Ausnahme vom fiktiven Matula fahren die meisten Privatermittler in Deutschland VW, Ford oder Opel. Verney aber ist eben sehr unsicher und fährt eine S-Klasse, weil er sich menschlich sicherer fühlt, wenn er aus so einem Statussymbol aussteigen kann. Er zweifelt oft am eigenen Erfolg und an sich selbst, was so eine Kanzlertonne entsprechend kaschiert. Wird zur Buchmitte thematisiert. Wirklich vermögend ist er aber nicht, das große Auto und gutes Essen sind das Einzige, was er sich wirklich leistet.

Zitat:
Guck mal, wer abgemurkst werden soll, sagt nicht: Zu Hülf, man trachtet mir nach dem Leben ...

Ich wäre fast vor Lachen vom Stuhl gefallen. Aber ja, du hast natürlich recht.  Bei Verney ist es passend, wenn er gestelzt spricht á la "regionale Brauspezialitäten" weil er um jeden Preis gebildet und kompetent wirken will, der gehetzte Klient wirkt mit deinem Formulierungsvorschlag aber deutlich glaubhafter. Wenn das für dich OK ist, würde ich den auch so übernehmen.

Zitat:
ist er ein Charmeur

Trotz seiner unbestreitbaren häuslichen Qualitäten (guter Zuhörer, fantastischer Koch, etc.) klappt es mit den Damen nie und alle Versuche, eine dauerhafte Beziehung zu etablieren schlagen legendär fehl. Das lässt ihn aber, weil er sich eine Partnerin wünscht, oft flirten, in der Hoffnung, dass es eben doch mal funktioniert. Das ist im ersten Kapitel noch nicht relevant, stellt sich aber ab dem dritten Kapitel nach und nach heraus.
 
Zitat:
Gibt es einen Grund, warum er sich auskennt? Hat er vielleicht einen Abschluss in Psychologie oder sowas

Verney hat das erste Staatsexamen, machte ein Referendariat als Berufsbetreuer, was ihm aber zu nahe ging, sodass er in die Wirtschaft wechselte. Es folgte nach drei Jahren der Burnout in hoher Position, nachdem er hintergangen und unsanft ausgebootet wurde.

Zitat:
Mach`s nicht, es ist nicht interessant, es ist nur ein Name

Wie sieht das denn mit dem Mörder aus? Sein Name wird erst genannt, nachdem ihn der Hauptkommissar ermittelt hat. Nur wird davor dann natürlich von "dem Unbekannten", "dem Mörder", etc. gesprochen. Das klingt jetzt zwei Jahre später ziemlich kitschig bis grob falsch.

Zitat:
Das würde ich nämlich auch streichen. Ansonsten eine Erklärung, dass es eine seiner Macken ist.

Ist eine seiner Macken. Beim Verschleiern seines jungen Alters, um ernsthafter zu wirken, schießt er gern über das Ziel hinaus.
Dabei ist er gar kein Schaumschläger, sondern durchaus gut in dem, was er tut, stellt sich aber doch immer wieder selbst ein Bein. Er mäandert irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn, im einen Moment ein hervorragender Ermittler, im Nächsten schon orientierungslos und auf der falschen Fährte. Allerdings kommt er durch sein ungewöhnliches Denken, dass einerseits unstrukturiert und chaotisch ist, andererseits aber präzise und analytisch immer auf geniale Einfälle, die ihn dann doch noch weiterbringen.
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Minerva
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Beitrag12.11.2019 20:24
Fortsetzung/Ergänzung
von Minerva
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Die Daten an den Anfang ...
Um den Namen zum Anfang zu bekommen, ändere doch die Szene so, dass er der Frau seinen Namen buchstabieren muss. Denn das muss er garantiert, ich wüsste auch nicht, wie der geschrieben werden würde. Dann schießt er das mit den belgischen Vorfahren nach.
Und dann könnte er beispielsweise denken, dass er keine Ahnung hat, wie oft er in den 27 Jahren seines Lebens den schon hatte buchstabieren müssen.
So was in der Art. Und schon hast du alles drin. Der Leser weiß zu Anfang an Bescheid und hat ein Bild vor Augen. Und das ist gerade in Hinsicht auf seine Vergangenheit, das Konservative wichtig. Sonst denkt jeder, dass der Typ Mitte 50 ist! (so eine Art von Irrtum gehört zu den unangenehmen für den Leser)

Mercedes
Dass er ein etwas protzigeres Auto fährt lässt darauf schließen, dass ein wenig kompensiert, das ist ok, es ist ja nicht zu protzig, dass es ihn unsympathisch macht. Gleichzeitig vermutet man, dass er recht gut sein muss, wenn er sich das leisten kann. Eventuell kann man das aber noch subtil anklingen lassen.

Seine Art zu sprechen
"Ist eine seiner Macken. Beim Verschleiern seines jungen Alters, um ernsthafter zu wirken, schießt er gern über das Ziel hinaus.
Dabei ist er gar kein Schaumschläger, sondern durchaus gut in dem, was er tut, stellt sich aber doch immer wieder selbst ein Bein."


Das hab ich nun verstanden, aber sei achtsam. Es besteht die Gefahr, den Leser mit dieser Redeweise überzustrapazieren und ihn für einen, wie du sagst, Schaumschläger zu halten, einem Schwätzer. Solche Leute finden sich eher in Nebenrollen. Und die können nerven. (Tun sie in echt ja auch).

Nichts dagegen, diese Schwäche zu behalten, aber mach es nicht so oft und zeige, wie die Leute darauf reagieren, zeige, dass er sich eventuell schämt, wenn mal wieder einer die Augen rollt, weil er übers Ziel hinausgeschossen ist. Lass ihn schwätzen und einen dummen Blick ernten, lass ihn rasch in Normaldeutsch nachkorrigieren. Nicht zu oft, aber so zwischendurch mal.
Lass es ihn in bestimmten Situationen tun, wenn er jemanden beeindrucken will. Im schlimmsten Fall sogar eine Frau, die dann keine Bock mehr hat (das alles auf längere Sicht gesehen, nicht am Anfang).
Es besteht auch deutlich die Gefahr, neben dem Genervt-sein, dass es als Stilschwäche des Autors ausgelegt wird. (hatte ich ja so gesehen). Da brauchst du Fingerspitzengefühl.
(Würde sich auch bei der Rezeptionistin andeuten lassen. Beispiel: Sie wiederholt: regionale Brauspezialitäten ... sie zieht die Augenbraue hoch, er hüstelt verlegen und denkt, dass er wieder mal zu dick aufgetragen hat)

Seine Qualitäten
"Er mäandert irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn, im einen Moment ein hervorragender Ermittler, im Nächsten schon orientierungslos und auf der falschen Fährte. Allerdings kommt er durch sein ungewöhnliches Denken, dass einerseits unstrukturiert und chaotisch ist, andererseits aber präzise und analytisch immer auf geniale Einfälle, die ihn dann doch noch weiterbringen."

Das noch ein wenig mehr vorausdeuten - ein, zwei Sätze irgendwo reichen -, dass er sich vor Aufträgen nicht retten kann oder wie ausgebucht er ist. Damit lese ich hinein, dass er gut sein muss. Geht auch anders, aber ich würde es nicht verbergen

Die Frauen
"Trotz seiner unbestreitbaren häuslichen Qualitäten (guter Zuhörer, fantastischer Koch, etc.) klappt es mit den Damen nie und alle Versuche, eine dauerhafte Beziehung zu etablieren schlagen legendär fehl. Das lässt ihn aber, weil er sich eine Partnerin wünscht, oft flirten, in der Hoffnung, dass es eben doch mal funktioniert. Das ist im ersten Kapitel noch nicht relevant, stellt sich aber ab dem dritten Kapitel nach und nach heraus."

Ein bisschen Off-Topic:
(Nun ja, wenn er nie zu Hause ist XD, vielleicht ist ihm das nicht bewusst ... dass diese Fitzelchen Zeit nicht ganz ausreicht ...  zumindest nicht für Normalfrau. Das müsste dann schon eine sein, die entweder auch ihr eigenes Ding macht oder eine, die seine unverzichtbare rechte Hand in den Ermittlungen wird, weil sie ihn in allem ergänzt. Ich glaub, was anderes ginge bei ihm nicht bei den Voraussetzungen ... Und auch vorher als Berufsbetreuer und in der Wirtschaft, hatte er 100pro nicht viel Zeit. Das sind keine 40-Stunden-Jobs)

Ok, es klappt nicht mit den  Frauen, das hatte ich mir fast schon gedacht. Und die Nummer solltest du auch gleich zu Anfang ausspielen! Dort, wo er verführerisch lächelt. Das kannst du z.B. ein bisschen karikieren ... jetzt flirtet er schon mit 50-jährigen Rezeptionistinnen .. natürlich vorsichtig, nicht kränkend gegenüber der Dame. Und zeig, wie er auf Frauen wirkt. Wird die Dame vielleicht rot? Dann  denk ich: oh, er hat Wirkung auf Frauen, gutaussehend und/oder charmant, gefällt mir. Und Männer identifizieren sich vielleicht mit ihm a) weil es ihnen genauso geht oder b) weil es eben nicht so ist und sie sich damit in der Geschichte fiktiv identifizieren können, sozusagen einen Charmeur erleben können, mitleben können.
Mach doch so ein bisschen die Mitleidsmasche  dazu und lass ihn an seine letzte Freundin/Abenteuer denken und wie verdammt lange das schon her ist. Greife es später (eventuell!) auf, wenn er allein im Bett liegt. Das muss keine Riesenstory sein, aber so nebenbei.

Und damit hat man Mitgefühl mit ihm und das ist gut! Da denk ich so ein bisschen .. ach der arme Kerl *knuddel*. Und Männer denken möglicherweise: Ach Scheiße, kenn ich, Kumpel. Die anderen: Arme Sau, gut, dass es bei mir läuft.
Denk nicht, dass Mitgefühl negativ ist. Man kann sich damit identifizieren und ist dann gespannt, was so alles passieren wird, wie er seinen Fall löst, wie er mit seinen Probleme und Komplexen umgeht und so weiter.

Diese Dinge les ich so ein bisschen raus, aber du spielst sie nicht richtig als Trümpfe aus. Keine Sorge, du verschießt dein Pulver nicht, wenn du gleich in Vollen gehst. Im Gegenteil.
Du hast halt meist nur die Chance, dass die Leute die ersten Seiten lesen. Da musst du alles geben, damit man es weiterlesen möchte (interessante Person, besonders begabt, Identifikationsmöglichkeiten, Mitgefühl und ein paar hinderliche blöde Schwächen sind perfekt) Du musst keine seitenweise Erklärungen über seine Kindheit und Charakter bringen, nein, aber deute das Notwendige an, nutze die Chance, dass sich der Leser identifizieren kann, Mitgefühl empfindet ... dann aktiviert das den emotionalen Teil im Gehirn und wir wollen weiterlesen.

Versuche nicht, den Charakter geheimnisvoll wirken zu lassen, indem du Namen, Alter, Herkunft Schwächen, Leiden zurückhältst. Baue es geschickt ein und mache ihn lebendig. Gleich zu Beginn.

Beruflicher Hintergrund
"Verney hat das erste Staatsexamen, machte ein Referendariat als Berufsbetreuer, was ihm aber zu nahe ging, sodass er in die Wirtschaft wechselte. Es folgte nach drei Jahren der Burnout in hoher Position, nachdem er hintergangen und unsanft ausgebootet wurde."

Da könnte man an der Stelle mit dem Dementen noch subtil drauf hinweisen. "In seiner Zeit als Berufsbetreuer hatte er ständig/einmal mit einem bla bla." Dann wird das klarer, woher er das gleich weiß.

Mördernamen
"Wie sieht das denn mit dem Mörder aus? Sein Name wird erst genannt, nachdem ihn der Hauptkommissar ermittelt hat. Nur wird davor dann natürlich von "dem Unbekannten", "dem Mörder", etc. gesprochen. Das klingt jetzt zwei Jahre später ziemlich kitschig bis grob falsch."

Hm, ne eigentlich nicht. Der Name wird genannt, wenn er bekannt ist. Man kann ihn auch den „Täter“ nennen.

Noch ein paar Kleinigkeiten:
„Man trachtet mir nach dem Leben!“, fuhr es aus dem sichtlich gehetzten Auftraggeber.
Auch der Redebegleitsatz klingt etwas gestelzt. „entfuhr es dem Mann“ reicht aus.
"dem sichtlich gehetzten" ist klar, ergibt sich aus dem Inhalt, unnötige Adverb-Partizp(???)-Konstruktion. „Auftraggeber“ ist mehr allwissender Erzähler und eigentlich unnötig, denn das sieht Patrick auch so, ohne dass es einer allwissenden Sichtweise bedarf.

„und äußerte sich mit einer bemitleidenswert gekünstelten Gesichtsentgleisung“


- zeigen statt äußern (äußern ist eher reden)

- "bemitleidenswert gekünstelt" ... ist das wirklich so gemeint. Schaust du als Autor oder besser als der Erzähler auf ihn und bewertest, dass sein Ausdruck so gekünstelt wirkt, dass du ihn bemitleidest?
Kann nicht sagen, ob das gut/schlecht oder richtig/falsch ist. Ist wohl Geschmackssache. Ich bin unsicher. Da brauchst du mehr Meinungen. Ich würde es eher streichen, weil es urteilend ist. Obwohls ganz witzig klingt. Laughing

„Ja sicher. Aber die Polizei meinte, für so einen Verdacht kann man nicht das entsprechende Personal abstellen. Und man nimmt mich nicht für ernst. Ich zittere. Ich vergesse Dinge. Sie verstehen?“
„Durchaus. Sie haben Anhaltspunkte, dass das keine natürlichen Ursachen hat, etwa durch eine Vergiftung mit Psychopharmaka? Wer hätte denn ein Motiv, und seit wann ist das so?“


Dieser Berg an aneinandergereihten Fragen. Wie soll sich dieser arme vergessliche Mann das alles merken? Smile
Sollte es Absicht sein, weil er gern übers Ziel hinausschießt, er ist ja auch noch ein recht junger Ermittler, dann zeige besser so etwas, wie eine verwirrte Gegenreaktion (gar nicht mal aus dem vergesslichen her, sondern eher daraus, wie aufgebracht der Mann ist.) Dann muss sich Patrick zusammenreißen und schön der Reihe nach fragen.


Detektivarbeit

Nochmal die Details der Detektivarbeit. Das finde ich sogar richtig gut, weil das mein menschliches Bedürfnis nach Rumschnüffelei befriedigt, stellvertretend. Also leg den Schwerpunkt am besten auf den Schnüffelteil, das Ausspionieren, im Internet schnüffeln, die schmutzigen Geheimnisse ausgraben, durch Fenster gucken (uiuiui) und so weiter. Übertreibe nicht, indem du z.B. eine Seite drüber schreibst, wie er Fingerabdrücke nimmt (wenn Detektive das überhaupt tun).
---
Puh, ich hoffe das hilft dir weiter, zu sehen, wo es meiner Meinung nach noch klemmt. Du kannst alles verwenden an Ideen, wie du willst. Im Grunde sind das nur Sachen, die ich herausgelesen habe, die schon da waren.


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Hippo1612
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Beitrag12.11.2019 21:50

von Hippo1612
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Da hast du dir aber erneut sehr große Mühe gegeben! Dafür ziehe ich meinen nicht vorhandenen Hut (es sind noch genug Haare da, wenn auch mit nachlassender Tendenz).

Charakterisierung des Protagonisten
Es ist ja so, dass ein tolles erstes Kapitel keinen schlechten Roman rettet, ein vergeigter Einstieg muss aber doppelt ausgebügelt werden. Da möchte ich natürlich nicht zu sehr über die Stränge schlagen, wobei deine Ausführungen mich dazu ermutigen, den Detektiv offensiver einzuführen. Deine Beispiele bzw. Änderungsvorschläge sind teilweise so gut, dass ich sie direkt übernehmen würde. Bei manchen Stellen würde ich aber eher bei meiner Formulierung bleiben, um den individuellen Schreibstil nicht zu verwässern.

Ich habe aus den letzten drei Jahren vier (!) Bücher der Reihe auf der Festplatte, was mir genug Zeit gab den Protagonisten bis ins Detail zu beleuchten. Das, was ich nach nunmehr tausend Seiten weiß, ist natürlich beim allerersten Einstieg jeder anderen Person völlig unbekannt.

Er macht natürlich in vier Geschichten eine Weiterentwicklung durch, wie es jede Hauptfigur machen sollte, aber das hat auch einen anderen Grund: Ich habe den Kardinalfehler gemacht, im ersten Buch den Protagonisten sehr, sehr eng an meiner Wenigkeit zu orientieren, weil mir das Schreiben dann bedeutend leichter fiel. Sogar das Auto ist exakt das Gleiche, wie ich es vor der Tür zu stehen habe oder die Narben, die er hat. Die Musik, die er hört, oder eben auch der manchmal unfreiwillig schräge sprachliche Ausdruck, den ich im Buch aber bewusst karikiere.

Das habe ich ab der Mitte der zweiten Geschichte langsam korrigiert, bis es dann zu einem klaren Bruch am Ende des dritten Buches kommt. Ich will nicht zu viel spoilern, aber da gibt es einen Einschnitt, der ihn prägt und erklärt, warum man ihn kaum wiedererkennt, wenn man die vierte Story direkt nach der ersten liest. Es wurde mir zunehmend unangenehm, mich selbst wiederzuerkennen.
Wenn ich tatsächlich irgendwann dazu komme, zu Veröffentlichen, dann auch unter einem Pseudonym - das würde ich aber auch, wenn der Protagonist mit mir keine Ähnlichkeit hätte. Mein Umfeld würde mit größtem Befremden reagieren, wenn es erführe, dass ich Bücher schreibe, in denen sadistische Gewalt vorkommt.

Der 40-Stunden-Job und die Frauen
Es ist nicht so, dass er nicht einen langweiligen Bürojob annehmen würde, wenn er die Richtige kennen lernt. smile

Der Detektivberuf
Ein Sachbuch soll es natürlich nicht werden. Wie ich im Thread zu Recht und Polizei schon anmerkte, 100% Realitätstreue muss nicht zwingend sein, aber der Leser hat einen Anspruch darauf, dass ihm kein Mumpitz erzählt wird. Da kann er sonst auch gleich Lenßen&Partner ansehen.

Der Mördername
Da werde ich wohl einfach das Experiment fortführen. Oder ich benenne ihn mit einem Spitznamen, die Idee kam mir eben und ich finde sie ziemlich gut. Seine Freunde nannten ihn Schilkin, weil er eine Flasche Wodka auf Ex trinken konnte.
"Und dann schlitzte Schilkin ihm die Kehle auf" klingt natürlich blöd, aber da findet sich sicherlich ein glaubwürdiger Name. Jedenfalls besser als "Duweißtschonwer näherte sich mit dem Messer".
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Minerva
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Beitrag12.11.2019 23:02

von Minerva
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Hippo1612 hat Folgendes geschrieben:

Deine Beispiele bzw. Änderungsvorschläge sind teilweise so gut, dass ich sie direkt übernehmen würde. Bei manchen Stellen würde ich aber eher bei meiner Formulierung bleiben, um den individuellen Schreibstil nicht zu verwässern.

Natürlich, mach das. Ich denke das ohnehin so: Einmal kann man besser helfen, wenn man konkrete Vorschläge macht, statt allgemein zu bleiben. Zweitens kann selbst nur mit dem in Einklang gehen, was zu einem passt. Der eigene Stil bleibt natürlich.
Bei mir ist das auch so, dass ich manchmal was Gutes lese und das quasi adaptiere, also nicht abschreibe oder so, aber es inspiriert mich. Ich ahme es ein wenig nach und mache es mir zu eigen, z.B. eine bestimmte Art, wie ein Dialog aufgebaut ist oder wie eine Person eingeführt wird. (Weil ich merke, DASS er funktioniert und wie und warum).
Das geht einem dann in Fleisch und Blut über. Also finde ich es egal, ob man es von einem Autoren "nachbaut", Beispiele aus einem Handwerksbuch "nachbaut" oder von jemand anderem übernimmt. Wenn mir jemand was Gutes zu meinem Text vorschlägt, verwurste ich das hemmungslos Laughing



Er macht natürlich in vier Geschichten eine Weiterentwicklung durch, wie es jede Hauptfigur machen sollte, aber das hat auch einen anderen Grund: Ich habe den Kardinalfehler gemacht, im ersten Buch den Protagonisten sehr, sehr eng an meiner Wenigkeit zu orientieren, weil mir das Schreiben dann bedeutend leichter fiel. Sogar das Auto ist exakt das Gleiche, wie ich es vor der Tür zu stehen habe oder die Narben, die er hat. Die Musik, die er hört, oder eben auch der manchmal unfreiwillig schräge sprachliche Ausdruck, den ich im Buch aber bewusst karikiere.


Und beim Schreiben hast du deine Schreibe ja auch weiterentwickelt, deswegen gibt's neuen Überarbeitungsbedarf.
OK, dass er quasi eine Kopie von dir ist, hätte ich nicht gedacht, ha ha. Ups, da hab ich mich aber auf dünnes Eis begeben, als ich so viel in der Figur ruminterpretiert habe Embarassed Laughing Laughing
Aber klar, das ist keine schlechte Idee, um einen Anfang zu finden. Grundsätzlich sind die meisten Romanfiguren irgendein Abklatsch des Autoren. Ein anderes Ich, mal mehr mal weniger ähnlich.



Wenn ich tatsächlich irgendwann dazu komme, zu Veröffentlichen, dann auch unter einem Pseudonym - das würde ich aber auch, wenn der Protagonist mit mir keine Ähnlichkeit hätte. Mein Umfeld würde mit größtem Befremden reagieren, wenn es erführe, dass ich Bücher schreibe, in denen sadistische Gewalt vorkommt.

Hm, kann ich verstehen. Aber es kommt auch drauf an, wie die Gewalt dargestellt ist (Wie detailliert? Gewaltverherrlichend? Geht die Darstellung über den Nutzen der Story hinaus?), ob sie der Story dient und ob sie von der Hauptfigur oder dem Anatgonisten ausgeht!

Da kann er sonst auch gleich Lenßen&Partner ansehen.
Hihi ... moment mal: Waaaaaas ist das nicht real? Razz

Der Mördername
Da werde ich wohl einfach das Experiment fortführen. Oder ich benenne ihn mit einem Spitznamen, die Idee kam mir eben und ich finde sie ziemlich gut. Seine Freunde nannten ihn Schilkin, weil er eine Flasche Wodka auf Ex trinken konnte.
"Und dann schlitzte Schilkin ihm die Kehle auf" klingt natürlich blöd, aber da findet sich sicherlich ein glaubwürdiger Name. Jedenfalls besser als "Duweißtschonwer näherte sich mit dem Messer".


Weißt du, genau das hatte ich auch gedacht. Allerdings war mein Gedanke von der Ermittlersicht aus, wenn sie über ihn reden. z.B. dass man ihm einen Spezialnamen gibt.
Aber aus der Tätersicht ist das eine gute Idee, das so zu lösen.
Sonst ginge immer nur "er" und das kann zu Verwirrung führen und blöd zu schreiben sein ...



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ahorn
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Beitrag17.11.2019 18:26

von ahorn
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Hallo Hippo1612,
gern habe ich deinen Text gelesen. Eine schöne klassische Detektivgeschichte, die, so hoffe ich, im weiteren das eine oder andere Mal, dem Zwerchfell wohl gesonnen ist.

Dennoch vielen mir ein paar unlogische Zusammenhänge auf, die – so bin ich der Meinung – in einem Kriminalroman nicht gehören. Es sei den sie sollen den Leser in die Irre oder zum Ziel führen.

Zitat:
Ein Satz, der gleichermaßen anödete KOMMA wie schmeichelt e. Ganz a  Abhängig davon, wie der Sprechende ihn er intonierte wird. Vorwurfsvoll? Fragend? Neugierig? Abgedroschen?


Zitat:
Heute  Diesmal war es keine gespielte Höflichkeit ,  GEDANKENSTRICH nein , AUSRUFEZEICHEN dDie Rezeptionistin möchte wirklich wollte tatsächlich wissen, woher er kam.


 
Zitat:
„Sie wissen ja, ich hatte eine lange Anreise, und ohne Mampf kein Kampf. Ich würde meine Koffer ins Zimmer bringen, die Gegend ein wenig erkunden und so gegen halb acht zum Abendessen erscheinen.“ Demonstrativ griff er nach dem sperrigen Gepäck.

Die Aussage des Satzes ist widersprüchlich. Wie soll sie wissen, wie lang seine Anreise, wenn sie nicht weiß woher er komm, da er nicht geantwortet. Dann will er etwas essen – dieses an der Rezeption, weil er hungrig seinen Koffer würden. Dann die gegen erkunden, um anschließend zu Abend zu essen. Der Typ hat einen gesegneten Appetit.

Er griff demonstrative nach seinem Gepäck. »Vorher würde ich gern meinen Koffer aufs Zimmer bringen, danach die Gegend erkunden.« Er lächelte sie an. »Abendessen gegen halb acht?«

 
Zitat:
„Selbstverständlich.“, entgegnete die herzlich-dralle Empfangsdame mit perfekt geschulter Dienstbarkeit. „Hier, wenn Sie doch schon in Obernitz sozusagen zuhause sind, suchen Sie sich etwas aus und es wird pünktlich um halb acht serviert. Was möchten Sie denn trinken?“


Oh! Oh! Fremde dürfen sich nichts von der Karte aussuchen.


Zitat:
Direkt hinter der Talsperre befand sich seit den frühen 40er Jahren der Stausee, der die Hochwassergefahr an den Ufern der Saale senken und Energie gewinnen sollte.


Ich kenne keinen Stausee, der – es kommt sicherlich von der Blickrichtung ab, wenn man die Fließrichtung des Gewässers als Hilfe nimmt, ist es andersherum – vor einer Talsperre sich befindet. Leider funktioniert die Talsperre bei dir nicht richtig, denn sie senkt nicht die Hochwassergefahr und mit der Energiegewinnung klappt der ebenfalls nicht. Vielleicht liegt es daran, dass der See und nicht die Mauer bei dir die tragende Rolle spielt. wink

Seit den frühen 40er Jahren senkte die Staumauer die Hochwassergefahr und mit dem gestauten Wasser der Saale gewann man Energie, damit den Bewohner ein elektrisches Licht aufging.

Zitat:
Das leichte Gebirge im Rückspiegel, bog er auf Höhe der Seeterrasse rechts auf den Parkplatz ab.

Wie viele Newtonmeter hat das Gebirge?


Zitat:
Nebelschwaden legten sich schwer und doch zugleich leicht auf die der malerischen Landschaft, ähnlich einer dünn gewebten Decke aus schwerem Stoff.

Die Sache mit dem Nebel! Wie ansteht Nebel? Genau! Inversion. Das heißt kalte Luft unten – warme oben. Wie sollen sie sich dann legen? Gute Nacht!
Und ja Wasser hat eine Masse trotzdem!
Gewebter Stoff ist gegenüber gefilzten Stoff gewissermaßen zweidimensional – Kette, Schuss.
Nebelschwaden lagen ähnlich einer dünn gefilzten Decke auf der malerischen Landschaft.

Zitat:
Der herbe Geruch von Kiefern lag in der feuchten Luft, als der auberginefarbene Mercedes neben dem Parkscheinautomaten hielt, das tiefe Bollern des großen Motors konterkarierte die grazilen Vogelgesänge.

Hubs! Ist er im Nebel gelandet? Ich mein wegen der feuchten Luft. Tiefes Bollern – hohes Kreischen?

 
Zitat:
Das vereinbarte Zeichen war es, „SOS“ mit der Lichthupe zu „funken“. „…---…“. „…---…“. Die Antwort kam von einem silbernen VW Multivan, der  „--- -.-„ erwiderte und den er umgehend ansteuerte. Durch die seitliche Schiebetür stieg er ein.


Ich freue mich sehr, dass du das Morsealphabet kannst, aber interessiert dieses den Leser.
Auf umgehend kannst du verzichten. Es sei denn er wollte zuvor noch ein Käsebrot vertilgen.
Tipp: Entweder du spendierst vor durch einen Zeilenumbruch oder lässt ihn vorher aus seinem Wagen  aussteigen.

Zitat:
Er hatte einen leichten Anflug von sächsischem Dialekt, den man nur an einigen Lauten erahnen konnte.

Erahnte, nicht erahnen konnte!

 
Zitat:
Erneut kam das entwaffnende Lächeln zum Einsatz.

Welches Lächeln? Habe ich etwas verpasst!

So dem erst einmal genug! Der zweite Teil kommt später! Warum? Keine Zeit klar!
Aber nicht nur. Schau dir den ersten Satz an.

 

Zitat:
„Man trachtet mir nach dem Leben!“

Und vergleiche ihn mit
 
Zitat:
„Wo kommen Sie denn her?“


Welcher Satz schlägt einen Leser mehr in seinen Bann!
Alles was du im ersten Teil gesagt hast, könnte auch etwas weiter hinten stehen. Nach der Devise streiche die ersten eins, zwei Absätze und du hast einen perfekten Anfang.

Gruß Ahorn
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Hippo1612
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Beitrag17.11.2019 22:44

von Hippo1612
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Vielen Dank für erneut sehr fundierte Kritiken. Das bringt mich weiter, und da graust es mir schon vor der Überarbeitung der weiteren Kapitel. "Das perfekte Buch" gibt es nicht und ich werde es auch nicht schreiben, aber ich bin frohen Mutes, immer besser zu werden, auch weil jetzt die Logik zerpflückt wird, und von dieser lebt ein Krimithriller, wenn sie stimmig ist.



Zitat:
Aber es kommt auch drauf an, wie die Gewalt dargestellt ist (Wie detailliert? Gewaltverherrlichend? Geht die Darstellung über den Nutzen der Story hinaus?), ob sie der Story dient und ob sie von der Hauptfigur oder dem Anatgonisten ausgeht!


Ich würde schon sagen, dass es eine sehr grafische und detaillierte Darstellung ist. Der Leser soll durch sein Kopfkino Angst und Horror erleben. Allerdings weide ich mich da nicht in Lust an der Gewalt. Das Vorgehen des Mörders wird weder beschönigt noch verherrlicht. Eng wird's natürlich, wenn er seine Taten genießt und das auch deutlich wird, diese Stellen gibt es, aber es ist nunmal ein kranker Psychopath. Der auf den ersten Blick harmlose Verney hat durchaus mal Gewaltfantasien, die man ihm gar nicht zutraut, wenn er an die Grenze seiner Frustrationstoleranz gebracht wird, entscheidet sich letztendlich aber doch immer gegen Gewalt.


Zitat:
Eine schöne klassische Detektivgeschichte, die, so hoffe ich, im weiteren das eine oder andere Mal, dem Zwerchfell wohl gesonnen ist

Das Thema ist ernst, der Gegner ein sadistischer Schlächter und ganz nebenbei wird ein realistisches Bild der Detektivarbeit vermittelt - Humor ist hier natürlich schwer so einzusetzen, dass es nicht aufgesetzt wird. Am ehesten gelingt dies im Umfeld des Protagonisten der durch seine Schrullen hin und wieder unfreiwillig komische Situationen hervorruft, ob er nun gerade versucht eine Toilette zu reparieren, eine Straßenkarte zu lesen oder eine Frau zu beeindrucken.
 

Zitat:
Der Typ hat einen gesegneten Appetit.

Minerva traf es auf den Punkt - Romanfiguren sind ein Abklatsch des Autors. lol2
Aber ja, so detailliert betrachtet, ist die Szene logisch nicht ganz ausgegoren.

Zitat:
Oh! Oh! Fremde dürfen sich nichts von der Karte aussuchen.

Vor allem eingebildete Städter nicht! lol2 lol2 lol2


Zitat:
Ich kenne keinen Stausee, der – es kommt sicherlich von der Blickrichtung ab, wenn man die Fließrichtung des Gewässers als Hilfe nimmt, ist es andersherum – vor einer Talsperre sich befindet. Leider funktioniert die Talsperre bei dir nicht richtig, denn sie senkt nicht die Hochwassergefahr und mit der Energiegewinnung klappt der ebenfalls nicht. Vielleicht liegt es daran, dass der See und nicht die Mauer bei dir die tragende Rolle spielt


Der Geografieunterricht ist eine Weile her, aber gut zu wissen, dass ich hier noch etwas Anpassungsarbeiten vor mir habe.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hohenwarte-Stausee
Das ist er übrigens, aber das wirst du wohl schon selbst recherchiert haben.

Zitat:
Wie viele Newtonmeter hat das Gebirge?

Gute Frage, die ich allerdings nicht recht verstehe.

Was die Metaphern über den Nebel angeht - ich bin erstaunt über dein Hintergrundwissen. Ich kam gar nicht auf die Idee, die thermischen bzw. klimatischen Aspekte dahinter in irgendeiner Weise zu beleuchten.


Zitat:
Hubs! Ist er im Nebel gelandet? Ich mein wegen der feuchten Luft. Tiefes Bollern – hohes Kreischen?

Ist er. Und der Gegenpart des Achtzylinders sind helle Vogelgesänge. Kreischen eher weniger, es sei denn, Verney würde mit einem Grillhähnchenwagen ankommen, auf dessen Grill noch Platz ist, und sich mit seinem Bick bereits am Federvieh verlustieren. lol2

Zitat:
Auf umgehend kannst du verzichten. Es sei denn er wollte zuvor noch ein Käsebrot vertilgen.

Es wäre ihm bei seinem Appetit durchaus zuzutrauen, da er den Grillwagen ja leider nicht hat. lol2
Aber ja, ich lasse ihn noch aussteigen, da seine rollende Trutzburg so ziemlich alles hat, nur eben weder einen Schleudersitz noch einen Beamgerät á la Star Trek.



Zitat:
Welcher Satz schlägt einen Leser mehr in seinen Bann!

Völlig berechtigter Einwand, zumal man dem gesegneten Hunger des Protagonisten sicherlich auch später noch Aufmerksamkeit schenken könnte. Ich fände es so herum aber etwas reißerisch für meinen Geschmack. Ich mag es, wenn der Leser in zwei bis drei Absätzen abgeholt wird und im Setting der Story ankommt, bevor's um die Wurst geht.

ahorn, ich habe deine Kritik sehr genossen. Du bist tief ins Detail gegangen und auch der ironische Unterton gefiel mir sehr gut. Es regt mich zum Nachdenken an und während ich herausfinde, dass ich wohl nicht ganz zu Ende gedacht habe, kann ich herzlich über mich selbst lachen. Daher glaube ich auch, dass dich kleine Lacher an einer Geschichte bestimmt erfreuen. smile
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Beitrag18.11.2019 00:04

von Minerva
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Hippo1612 hat Folgendes geschrieben:

Eng wird's natürlich, wenn er seine Taten genießt und das auch deutlich wird, diese Stellen gibt es, aber es ist nunmal ein kranker Psychopath. Der auf den ersten Blick harmlose Verney hat durchaus mal Gewaltfantasien, die man ihm gar nicht zutraut, wenn er an die Grenze seiner Frustrationstoleranz gebracht wird, entscheidet sich letztendlich aber doch immer gegen Gewalt.


Das Ding ist: Wenn man selber schreibt, ist einem alles emotional zu 100% vor Augen, in einem drin. Man fürchtet sich, was andere denken, ob das so geht, ob das zu heftig ist usw. Und die Testleser zucken nur mit der Wimper, oder regen sich im besten Fall auf, vergießen mal ein Tränchen, aber mehr nicht. Während du gelitten und Berge von Taschentüchern verbraucht hast ...
Kurz: es ist dem Leser nie so nahe wie dir selbst.

Und was das Überarbeiten angeht: denk nicht drüber nach, wie viel es ist oder wie lange es dauert, geh es einfach an. Irgendwann ist es auch fertig *mirselbsthinterdieOhrenschreib*
 Laughing


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Beitrag18.11.2019 00:47

von Hippo1612
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Ich habe mal ein wenig herumprobiert und einige Vorschläge angenommen.
Vielleicht kann jemand auf den Tempus schielen, ob das Präteritum auch sauber eingehalten wird und der Konjunktiv auch richtig genutzt wird.

Zitat:
„Wo kommen Sie denn her?“
Ein Satz, der ihn gleichermaßen anödete, wie schmeichelte. Ganz abhängig davon, wie der oder die Sprechende ihn intoniert. Vorwurfsvoll? Fragend? Neugierig? Abgedroschen? Diesmal war es keine gespielte Höflichkeit – nein, die interessierte Rezeptionistin wollte tatsächlich wissen, woher er kam.  

„Meine Heimat ist dort, wo ich gerade bin“, antwortete er mit einem breiten Grinsen und fragte anschließend nach der Speisekarte, denn er legte gesteigerten Wert darauf, dass das Abendessen gesichert war, bevor er seinen Auftraggeber treffen würde. „Ich hatte eine lange Anreise, und ohne Mampf kein Kampf. Ich würde meine Koffer ins Zimmer bringen, die Gegend ein wenig erkunden und so gegen halb acht zum Abendessen erscheinen.“ Demonstrativ griff er nach dem sperrigen Gepäck, um die Rezeptionistin zu schnellerer Arbeit zu motivieren, ohne ein unhöfliches Wort der Ungeduld äußern zu müssen.

„Selbstverständlich“, entgegnete die herzlich-dralle, großmütterliche Empfangsdame mit perfekt geschulter Dienstbarkeit. „Wie schreibt sich denn Ihr Nachname? Ich bin nicht sicher, ob ich das so richtig aufgeschrieben habe.“ Auf diese Frage hatte er schon gewartet. Er wusste nicht, wie oft er V_E_R_N_E_Y bereits in seinen siebenundzwanzig Lebensjahren buchstabiert hatte. Seit er als Detektiv arbeitete, waren es immerhin schon einundzwanzig Erklärungen, bevor er endlich die lang ersehnte Speisekarte erhielt. „Bitte sehr, wenn Obernitz nun Ihr Zuhause ist, wollen wir Sie natürlich nicht hungern lassen. Suchen Sie sich etwas aus und es wird pünktlich um halb acht serviert. Was dürfen wir Ihnen dann zu Tisch reichen?“

Essen und Trinken machte ihn so glücklich wie das Rauchen. Deftige Küche, gutes Bier, starke Zigaretten, das waren die einzigen Konstanten in seinem unsteten Leben. „Das panierte Schnitzel in Champignon-Rahmsauce mit Bratkartoffeln und dazu Bier, aber aus der Region“, erwiderte er fast schon lehrerhaft. Die Hotelangestellte rollte leicht mit den Augen, weil der steife Auftritt so gar nicht der vorherigen Coolness entsprach, die er demonstrativ heraushängen ließ. „Wenn ich schon eimal hier bin, möchte ich auch die hiesigen Brauspezialitäten genießen“, ergänzte Patrick Verney, womit er seinen steifen Auftritt ungewollt verstärkte, da half auch das dezente, aber herzliche Lächeln nicht, welches die gestelzte Sprache begleitete. „Regionale Brauspezialitäten – ja, diese werde ich Ihnen zu Ihrer Zufriedenheit zu Tische reichen, werter Herr“, scherzte die Dame, nachdem sie zunächst irritiert die Augenbrauen hob.

Er liebte es an seinem Beruf, ständig neue Gegenden zu sehen. Wiederholungen gab es selten. Er liebte es, Orte zu besuchen, an die es wohl niemand anderen verschlagen würde, nur um ein paar Tage später wieder in einer Großstadt zu sein. Nun steuerte er mit seinem auffälligen Mercedes auf die Talsperre Hohenwarte zu, um sich mit seinem Auftraggeber zu treffen. Auch wenn dieser ein Hotel in Saalfeld vorschlug, so bevorzugte er es, in kleinen Ortschaften zu übernachten. Verney mochte den Charme uralter Einrichtungen und in Städten würde man wohl kaum für fünfzig Euro pro Nacht ein Dreisternezimmer erhalten. Es war ewig das gleiche Prozedere – gestresst anreisen, schnell im Hotel einchecken, anschließend umgehend den Auftraggeber aufsuchen und loslegen.

Am Zielort befand sich seit den frühen 40er Jahren der Stausee, der die Hochwassergefahr an den Ufern der Saale senken und mithilfe eines Wasserkraftwerkes Energie gewann. Diese Talsperre ist immerhin die Viertgrößte in Deutschland. Das leichte Gebirge im Rückspiegel, bog er auf Höhe der Seeterrasse rechts auf den Parkplatz ab. Nebelschwaden breiteten sich schwer und doch zugleich leicht auf der malerischen Landschaft aus, ähnlich einer dünn gefilzten Decke. Der herbe Geruch von Kiefern lag in der feuchten Luft, als der auberginefarbene Mercedes neben dem Parkscheinautomaten hielt, das tiefe Bollern des großen Motors konterkarierte die grazilen Vogelgesänge.

Das vereinbarte Zeichen war es, „SOS“ mit der Lichthupe zu „funken“. „…---…“. „…---…“. Die Antwort kam von einem silbernen VW Multivan, der  „--- -.-„ erwiderte und neben dem er seinen Wagen parkte. Da ihm beim Aussteigen ein Haufen Papiere aus dem übervollen Türfach fiel, dauerte es eine Minute, bis er die Papiere wieder in das Fach gestopft hatte und durch die seitliche Schiebetür in den VW steigen konnte.

„Guten Tag, Herr Verney. Gut, dass Sie es einrichten konnten“, begrüßte ihn ein korpulenter Mann mit Hornbrille, adrett gekleidet mit grauem Dreiteiler und lachsfarbenem Hemd. Er hatte einen leichten Anflug von sächsischem Dialekt, den man nur an einigen Lauten erahnen konnte. „Gern, Herr Katzner. Sie hatten mir nur wenig Details genannt, aber einen satten Vorschuss überwiesen. Sie verstehen doch sicher, dass mich das neugierig macht. Sie wissen ja, Berufskrankheit“, lächelte er interessiert zu.

„Jemand hat es auf mich abgesehen! Ich glaube sogar, man will mich umbringen!“ fuhr es schlagartig aus dem Auftraggeber.
Verney überlegte, ob er nun entsetztes Erstaunen oder den betont lässigen, abgeklärten Ermittler spielen sollte. Wie so oft versuchte er sich am Mittelweg und äußerte sich mit einer bemitleidenswert gekünstelten Gesichtsentgleisung. „DAS ist natürlich ein Grund. Haben Sie die Vermutung zuvor der Polizei mitgeteilt? Und woraus begründet sich Ihr Verdacht?“
Privatermittler Patrick Verney glaubt erst einmal jedem Klienten. Würde er es nicht, wäre er wohl ein sehr schlechter Dienstleister. Seine Erfahrung zeigte ihm immer wieder, dass an abstrusen Geschichten oft etwas dran ist. Katzners Antwort ließ einige Sekunden auf sich warten, da das forsche Abfragen der harten Fakten den Herren wohl überforderte. Als Verney zum erneuten Anlauf ansetzte, fasste sich Katzner und gab sein Bestes, um besonnen auf die Fragen des Ermittlers zu antworten.

„Ja sicher. Aber die Polizei meinte, für so einen Verdacht kann man nicht das entsprechende Personal abstellen. Und man nimmt mich nicht für ernst. Ich zittere. Ich vergesse Dinge. Sie verstehen?“
„Durchaus. Sie haben Anhaltspunkte, dass das keine natürlichen Ursachen hat, etwa durch eine Vergiftung mit Psychopharmaka? Wer hätte denn ein Motiv, und seit wann ist das so?“
Mit dem Berg an Fragen versuchte Verney, Katzners Geisteszustand zu prüfen. Wenn er wieder antwortet, wäre er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht dement. Erneut brauchte Katzner Zeit zur Orientierung und blickte sich suchend um, in der Scheibe des VW-Busses spiegelte sich das nervöse Gesicht wider. Der graue Haarkranz war wirr, die Brille saß schief. Entweder war der Mann wirklich dement, oder er fühlt sich tatsächlich ernsthaft bedroht. Noch wusste Verney nicht, ob es sich nicht doch nur um beginnende Demenz handelte. Aber es würde wohl kaum jemand für viel Geld einen Detektiv einbestellen, wenn er nicht von seiner Sicht der Dinge überzeugt wäre.
„Seit ein paar Monaten. Ich würde sogar sagen, bald ein Jahr. Ich verstehe das aber nicht. Ich habe mit meinen Nachbarn keine Probleme, und Familie habe ich auch nicht mehr. Mein Bruder starb an der Grenze, und andere Verwandte sind mir nicht bekannt. Meine Onkel und Tanten haben die Flucht aus Ostpreußen…“
Verney grätschte höflich, aber bestimmt dazwischen. Er möchte möglichst schnell die relevanten Informationen zusammentragen. Für Lebensgeschichten ist beim Erstkontakt keine Zeit. „Danke, Herr Katzner. Das bedeutet also, niemand hätte etwas davon, Sie zu vergiften? Kein Streit im Kegelverein, mit dem Nachbarn oder sonst jemandem? Sind Sie vermögend?“
„Ich bin durchaus sehr vermögend, auch wenn ich das nicht wirklich zeige. Auch sonst habe ich Wert auf Bescheidenheit gelegt. Und Streit habe ich mit niemandem.“
„Haben Sie eine Idee, wie Ihnen Mittel verabreicht werden? Ist es wahrscheinlicher, dass es in den eigenen vier Wänden oder außerhalb passiert?“ Er kramte aus seiner Aktentasche das klassische Notizbuch hervor und krakelte erste Notizen hinein.
„Ich weiß nicht mal, ob mir etwas verabreicht wird. Das ist allein Ihre Behauptung. Mein Arzt sagt, es ist alles in bester Ordnung. Ich habe extra ein privates Labor mit regelmäßigen Blutuntersuchungen beauftragt.“
„Dann wird es das Beste sein, ich suche Sie morgen nach dem Frühstück zuhause auf. Dann werden wir uns einen Plan machen, wie wir herausfinden können, wer oder was für die Verwirrtheitszustände verantwortlich ist.“

Menschen in Herr Katzners Alter konnten durchaus unter einer beginnenden Demenz leiden. Laut Stayfriends-Profil musste er um die sechzig Jahre alt sein, vielleicht auch fünfundsechzig, älter nicht. Aber für einen Kranken war er erstaunlich klar. Zwar war er desorientiert, aber er konnte alle Fragen beantworten. Unvorstellbar, dass ein Mann, der so normal mit einem redet, im anderen Moment seine Küche abbrennt. Verney glaubte Katzner nicht nur wegen dem Dienstleistergedanken. Wenn man bedenkt, dass schon Leute anriefen, die glaubten von Außerirdischen entführt worden zu sein, so war dieser Fall durchaus einer der ernstzunehmenden.

Nach dem Abendessen ging Verney das soziale Gefüge des Kunden durch. Auch wenn er keine Familie hat: Google zeigte, dass er im Kegelverein ist. Sportlicher Neid? Wohl kaum, die veröffentlichten Resultate zeigten ihn im Mittelfeld. In der Nachbarschaft würde er sich in den kommenden Tagen vorsichtig umhören. Objektive Informationen bekäme er von dort aber wohl kaum. Vielversprechender war da schon der Hausarzt: Mit der fachlichen Meinung eines Mediziners ließe sich zumindest in Erfahrung bringen, wie wahrscheinlich eine Demenzerkrankung ist. Doch würde ihm der Arzt überhaupt eine Auskunft geben? Schließlich hatte er nicht mehr Befugnisse als jeder andere Bürger auch. Das hieße, es gibt ziemlich sicher subjektive Auskünfte und ziemlich unsicher objektive Informationen. Detektive, die mit gezogener Waffe Mörder stellen, nachts in Wohnungen einsteigen oder andere filmreife Methoden anwenden, gibt es in der realen Welt nicht. „Gerichtsfest“ ist das Zauberwort, wenn es darum geht, Beweismaterial zu sammeln. Videokameras könnte man in Katzners Haus aber anbringen – er lebte ja alleine, und sein Einverständnis konnte man wohl voraussetzen. Anders sähe es aber aus, wenn die Straße überwacht werden sollte – Passanten könnten sich beschweren, man benötigt eine Genehmigung vom Ordnungsamt.

Katzners Gewohnheiten waren simpel. Er war Privatier, ging also keiner Arbeit nach. Zwei Mal die Woche Kegeln, gelegentliches Abendessen in Restaurants und Segeln. Letzteres erzählte der Kunde nicht, doch eine Anhängerkupplung in Verbindung mit einem ziemlich eindeutigen blauen Aufkleber auf der Heckklappe sprach für sich. Das Kennzeichen SLF-GK1 deutete auch darauf hin, dass es sein eigenes Fahrzeug war, denn sein Vorname war Gerald. Die „1“ passte aber nicht. So eine auffällige Zahl stand im Widerspruch zur Bescheidenheit, die Katzner so anpries. Vielleicht nahm er nur sich selbst als bescheiden wahr, während sein Umfeld eine ganz andere Meinung hat. Letztendlich erfährt man nach einer gewissenhaften Internetrecherche mehr über die Klienten als die Nachbarn in mehreren Jahren mitbekommen. Kein Wunder, dass Verneys Lieblingsroman „1984“ von George Orwell ist.
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Hippo1612
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Beitrag18.11.2019 00:51

von Hippo1612
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versehentlicher Doppelpost, kann weg.
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Minerva
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Beitrag18.11.2019 00:58

von Minerva
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Eine vorläufige Anmerkung/Tipp ... was mir sehr auffällt.
Streich doch bitte mal probehalber all deine Adjektive und Adverbien aus dem Text und lies die neue Version, setze die Gestrichenen dann nur spärlich wieder ein.

An manchen Stellen ist es aktuell überladener als vorher. Ich sag nur herzlich-dralle, großmütterliche ... mit perfekt geschulter ... PUH Razz

Versuche stattdessen so etwas wie Details, z.B. graue Haare.

Sowie:
"Er liebte es an seinem Beruf, ständig neue Gegenden zu sehen. Wiederholungen gab es selten. Außer ironischerweise in dieser Textstelle Rolling Eyes Er liebte es"


_________________
... will alles ganz genau wissen ...
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Hippo1612
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Beitrag18.11.2019 01:02

von Hippo1612
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Es ist etwas schwierig, zwischen "kahl wie eine Glatze" und "geschmückt wie der Weihnachtsbaum" die richtige Menge zu finden... letztendlich soll die Szenerie ja plastisch und facettenreich wirken.
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ahorn
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Beitrag18.11.2019 09:48

von ahorn
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Hallo Hippo1612,
nimm die Glatze.
Streiche wie es dir Minerva geraten hat alle Adjektive und Adverbien.
Ändert sich der Inhalt deines Textes nicht, bis du fertig.
Wenn doch, dann versuch zu beschreiben - wieder ohne Adjektive.

Beispiel es ist wichtig für den Text, dass Herr Katzner korpulent und elegant gekleidet ist.
Herr Katzner strich über seinen Kugelbauch, dann griff er mit seinen Wurstfingern in die Innentasche seines Nadelstreichenjacketes.
So in der Art!

Gruß
Ahorn
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Hippo1612
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Beitrag19.11.2019 01:03

von Hippo1612
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich merke gerade, dass ich langsam "betriebsblind" im ersten Kapitel werde und anfange, mich im Kreis zu drehen.
Ich werde mir das mal im Hinterkopf abspeichern und zunächst alle anderen Kapitel Stück für Stück von handwerklichen Unzulänglichkeiten in der Wörtlichen Rede befreien und auf Logikfehler prüfen. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen.

Ich stelle immer wieder fest, dass ich einfach weitermachen sollte, wenn ich irgendwo ins Stocken komme. Das klingt negativer als es ist. Ich bin mit dem ersten Kapitel nun deutlich zufriedener als vorher, insofern kann ich allen Kommentatoren hier nur danken.

Wenn ich alles selbst Korrektur gelesen habe, würde ich mich sehr freuen, falls sich hier trotz des riesigen Aufwandes ein Testleser findet, der das ganze Buch bewertet, aber das sehe ich frühestens zu Beginn nächsten Jahres wirklich aktuell werden.

Letztendlich möchte ich euch auch nicht als "komplette" Lektoren missbrauchen, ich werde hier zukünftig bei einzelnen Absätzen oder Passagen nach eurer Expertise fragen, aber keine ganzen Kapitel mehr.
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