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Dialoge ohne Anführungszeichen

 
 
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Mettbrötchen
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 35
Beiträge: 490
Wohnort: Rheinland
Ei 1


Beitrag08.09.2019 17:12
Dialoge ohne Anführungszeichen
von Mettbrötchen
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo zusammen,

jeder wird schon einmal auf Dialoge bzw. direkte Rede ohne Anführungszeichen gestoßen sein oder dieses Stilmittel sogar selbst verwendet haben. Bislang habe ich das nie besonders zur Kenntnis genommen, weil es für mich durchaus Sinn ergibt, bei bestimmten Texten auf Anführungszeichen zu verzichten. Nun werde ich aber mit meinen Schülern eine Kurzgeschichte lesen, in der genau dieses Stilmittel verwendet wird und rechne mit ziemlicher Verwirrung.

Es geht um folgende Kurzgeschichte:
https://www2.klett.de/sixcms/media.php/229/350450_0346_Einzmann_Tag.pdf

Meine Frage an euch: Wie würdet ihr erklären, warum auf Anführungszeichen verzichtet wird? Für mich passt das intuitiv gut, aber die Schüler haben dieses intuitive literarische Verständnis ja noch nicht. Meine erste Idee ist, dass dadurch die Distanz zwischen den Figuren betont und der träumerische Grundton des Textes unterstrichen wird.
Gibt es eigentlich einen Namen für diese Art der direkten Rede in literarischen Texten? Mir ist keiner bekannt oder ich stehe komplett auf dem Schlauch.

Danke vorab.

LG Mettbrötchen


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V.K.B.
Geschlecht:männlich[Error C7: not in list]

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Beitrag08.09.2019 18:06

von V.K.B.
Antworten mit Zitat

Hach, verdammt, das hätte ich jetzt in meiner Situation nicht lesen sollen, denn ich fühle mich nach Ende einer über 20jährigen Beziehung gerade haargenauso. Aber jetzt habe ich gelesen, dann kann ich auch was dazu sagen, bin ja gerade "Experte", LOL verdammt.

Also, für mich ist klar, warum die Anführungszeichen fehlen. Anführungszeichen drücken eine Art "erlebte Rede" aus, aber hier ist nichts mehr mit erleben, die Welt kann einem gestohlen bleiben, alles erscheint nur noch wie ein einziges gigantisches Monument der Sinnlosigkeit und das Individuum völlig unwichtig. Damit auch Dialoge, die keine echten mehr sind, wie zu einer Zeit, als man noch was zueinander zu sagen hatte. Nein, alles dämmert dahin, das sind nur noch Hintergrundgeräusche, bedeutungslose Störungen.

Durch die fehlenden Anführungszeichen nimmt das ganze den Charakter einer allgemeinen Zustandsbeschreibung an. Das sind keine Dialoge, die jetzt, zu einem bestimmten Moment in der Handlung passieren, das ist generell, ereignet sich ständig so und ist für die Hauptfigur damit keine Handlung, sondern Teil einer Welt, der sie sich nicht mehr zugehörig fühlt. Das abgeschirmte Herz, das keine Gefühle mehr erträgt und sich im einfachen Sein betäubt und dahindämmert. Das Haus möge einstürzen oder man einfach an einer Krankheit sterben, es ist egal oder wäre vielleicht sogar eine Erlösung. Jeglicher Dialog ist so bedeutungslos wie alles andere.

Es wäre geradezu zynisch, mit Anführungszeichen Leben in diesen Text bringen zu wollen. Ich wünsche deinen Schülern, dass sie das nie verstehen!

Grüße,
Veith


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MoL
Geschlecht:weiblichQuelle


Beiträge: 1838
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Das bronzene Stundenglas


Beitrag08.09.2019 18:15

von MoL
Antworten mit Zitat

Wie man das nennt bzw. ob es dafür jetzt extra eine Bezeichnung gibt, kann ich Dir auch nicht sagen.

Ja es passt gut, vor allem erlaubt es, den Erzählfluß kontinuierlich auf einem Niveau zu halten. Normaler Weise würde man ja, wenn man es mit gekennzeichneter wörtlicher Rede zu tun hat, automatisch die Stimmung desjenigen zu ergründen suchen, der spricht, um so den Tonfall, sofern nicht angegeben, innerlich zu ergänzen. Auf diese Art aber wird die wörtliche Rede genauso vorgetragen wie der Rest der Erzählung, der Stil bricht nicht und wird auch nicht unterbrochen. Schön ist das.

Weiterhin - dies ist jetzt aber weitaus weiter interpretiert - empfinde ich es auf diese Art als endgültiger, eher als Wiederholungsmuster, denn als tatsächlich "aktiv" geführter Dialog, eher als etwas, dem mittlerweile schon ein gewisse Automatismus innewohnt, ein Abfragen eben seitens der Mutter, die die verneindenen Antworten der Tochter mittlerweile bereits vorausahnt, aber dennoch aus einem Mutter-Tochter-Pflichtgefühl heraus meint, immer wieder nachfragen zu müssen.

Edit: Veith schrieb, während ich noch nach Worten rang. Aber wie man sieht, sind wir uns in dem einen Punkt einig. Ja, volle Zustimmung!


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Jenni
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Beitrag08.09.2019 18:15

von Jenni
Antworten mit Zitat

Zum Teil ist das vielleicht auch Konvention? In französischer Literatur jedenfalls ist das sehr gebräuchlich, oft dafür mit Spiegelstrichen, in deutscher/deutschsprachiger Literatur offenbar zu keiner Zeit, sagt stichprobenartige Schnellrecherche in meinem Bücherregal. In spanischer, amerikanischer und englischer auch unüblicher, ergab selbige, allerdings auch das Beispiel Paul Austers: in 4321 und dem Buch der Illusionen sind die Dialoge ohne Anführungszeichen geschrieben (beide Bücher thematisieren ein Infragestellen ihrer Realität), in anderen Bücher von ihm mit Anführungszeichen.

Was die Wirkung dessen anbelangt, das empfinde ich ähnlich wie du als besonders passend, wenn die Grenze zwischen Erzähltem und Dialog unscharf ist, sei es eine bewusste Distanzierung oder zum Beispiel weil Erinnerungen (per se unzuverlässig) erzählt werden oder bewusst mit der Fiktion des Erzählten gespielt wird.

Noch ein Beispiel ist mir gerade eingefallen, das auch thematisch in genau diese Richtung geht: von Peter Stamm "Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt".
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Bananenfischin
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Beitrag08.09.2019 18:26

von Bananenfischin
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Ich denke, das ist generell ein spannendes Thema. Gibt ja auch Leute, die es bloß für eine wiederkehrende Mode halten.

Was V.K.B (und auch MoL) schreibt, trifft so ziemlich meine Gedanken zu diesem speziellen Text, einmal dies:
V.K.B. hat Folgendes geschrieben:
Anführungszeichen drücken eine Art "erlebte Rede" aus, aber hier ist nichts mehr mit erleben, die Welt kann einem gestohlen bleiben

Vor allem aber dies:
V.K.B. hat Folgendes geschrieben:
Das sind keine Dialoge, die jetzt, zu einem bestimmten Moment in der Handlung passieren, das ist generell, ereignet sich ständig so und ist für die Hauptfigur damit keine Handlung, sondern Teil einer Welt, der sie sich nicht mehr zugehörig fühlt.


Generell klingt ein Text mit Rede ohne Anführungszeichen dumpfer, weniger unmittelbar. Ich nehme als Leser nicht direkt am Geschehen teil, sondern es wird mir vermittelt.
Peter Härtling wollte durch das Weglassen von Anführungszeichen, so ein Deutschbuch, die Gleichwertigkeit von Erzählung wörtlicher Rede veranschaulichen.
Interessant und vielleicht auch übertragbar, was Daniel Kehlmann im Zusammenhang mit der durchgängigen indirekten Rede in "Die Vermessung der Welt" schreibt: "Eine direkte Rede behauptet inhärent, diese Worte und keine anderen seien gesagt worden."


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firstoffertio
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Beitrag08.09.2019 21:55

von firstoffertio
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Es wird ja keine Handlung im Text erzählt,in der aktuell ein Dialog stattfindet. Die Aussagen der Mutter sind erinnert, typische, was sie halt so in letzter Zeit immer wieder sagt.

Hier wird das durch das oder deutlich:

"Ich sitze im Bett und warte, und meine Mutter klopft an die Türe. Zu berichten hat sie nichts. Sei so gut, sagt sie, bring den Müll hinunter, oder: Wie wäre es mit einem Spaziergang, es ist ein wunderbarer Tag, sonnig, und die Spatzen pfeifen es von allen Dächern."





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Mettbrötchen
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Beitrag09.09.2019 00:03

von Mettbrötchen
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Danke für eure Antworten. Ihr scheint bzgl. dieses Stilmittels doch recht ähnlich zu empfinden wie ich. Ich denke, am Meisten könnte den Schülern einleuchten, dass es eben keine realen Dialoge sind, sondern imaginierte Äußerungen, die quasi als repräsentativ für die Figur gelten können.

Zitat:
Generell klingt ein Text mit Rede ohne Anführungszeichen dumpfer, weniger unmittelbar. Ich nehme als Leser nicht direkt am Geschehen teil, sondern es wird mir vermittelt.


Ja, denke ich auch, es ist irgendwo zwischen der direkten und indirekten Rede anzusiedeln. Es ist nicht so direkt wie die direkte Rede, aber auch nicht so indirekt und distanziert wie die indirekte Rede.


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Rodge
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Beitrag09.09.2019 08:10

von Rodge
Antworten mit Zitat

Mich würde interessieren, ob den Schülern die fehlenden Anführungszeichen überhaupt auffallen. Im Grunde wird der Dialog nicht gesprochen sondern erzählt, von daher bräuchte es für mich die Anführungszeichen nicht, da ohnehin immer die gleiche Person spricht.

Grüße
Rodge
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Mettbrötchen
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Beitrag10.09.2019 23:12

von Mettbrötchen
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Rodge hat Folgendes geschrieben:
Mich würde interessieren, ob den Schülern die fehlenden Anführungszeichen überhaupt auffallen. Im Grunde wird der Dialog nicht gesprochen sondern erzählt, von daher bräuchte es für mich die Anführungszeichen nicht, da ohnehin immer die gleiche Person spricht.

Grüße
Rodge


Naja, ich habe ihnen gerade nochmal beigebracht, dass direkte Rede das ist, was zwischen den Gänsefüßchen steht, und dabei übersehen, dass eine Seite weiter prompt eine Kurzgeschichte folgt, bei der die fehlen Laughing
Bestenfalls haben sie in der letzten Stunde nichts gelernt und gehen unvoreingenommen an den Text heran.


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V.K.B.
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Beitrag13.09.2019 20:56

von V.K.B.
Antworten mit Zitat

Zitat:
Naja, ich habe ihnen gerade nochmal beigebracht, dass direkte Rede das ist, was zwischen den Gänsefüßchen steht, und dabei übersehen, dass eine Seite weiter prompt eine Kurzgeschichte folgt, bei der die fehlen
Sei froh, dass dir das nicht im Referendariat passiert ist

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Mettbrötchen
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Beitrag15.09.2019 21:36

von Mettbrötchen
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V.K.B. hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Naja, ich habe ihnen gerade nochmal beigebracht, dass direkte Rede das ist, was zwischen den Gänsefüßchen steht, und dabei übersehen, dass eine Seite weiter prompt eine Kurzgeschichte folgt, bei der die fehlen
Sei froh, dass dir das nicht im Referendariat passiert ist


Allerdings.
Das ist das Problem, wenn man Dinge vereinfacht darstellt, damit die Schüler sie verstehen.


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