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Mutproben


 
 
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PikaCat
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
P


Beiträge: 45



P
Beitrag01.12.2018 10:01
Mutproben
von PikaCat
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Mutproben

Jetzt stand ich hinter der verwachsenen Dornenhecke und starrte auf das Haus des Einsiedlers, das von finsteren Baumschatten eingerahmt wurde. Ich kämpfte mit meiner Angst vor dem fremden Mann und dem schlechten Gefühl, dass Verbot meiner Eltern zu missachten. Auch hatte ich noch nie etwas gestohlen. Es dämmerte bereits und ich sollte auf dem Heimweg sein. Die hohen Tannen ächzten und schnarrten schaurig im Herbstwind. In der Ferne krächzten Kater ihre Katzenmusik. Irgendwo hinter mir lauerten die Jungs und warteten, dass ich in den hölzernen Anbau schlüpfte und eines der seltsamen Dinge des unheimlichen Kerls mitbrachte.

Ich war erst kürzlich mit meinen Eltern aus der Stadt in das kleine, von Tannenwald eingeschlossene Dorf gezogen, das nur aus einem holprigen Weg bestand an dem sich einige alte Häuser reihten. Sie schwärmten von der ausladenden Natur, wo ich mich frei mit den anderen Kindern austoben könnte. Ich vermisste das quirlige Stadtleben und meine Freunde sehr und konnte die Begeisterung meiner Eltern nicht verstehen. Nur in die Nähe des abgelegenen Hauses am Ende der Dorfstraße zu gehen, hatten sie mir verboten. In einem Gespräch meiner Eltern mit der betagten Nachbarin, hatte ich mitgehört, dass dort ein schrulliger Eigenbrötler lebte, der im Gefängnis gewesen war. Keiner im Dorf sprach mit ihm.

Nun verlangten die Jungs, dass ich ausgerechnet von ihm eine Trophäe für die halbfertige Ganghütte im Wald besorgte. Ich wollte so gerne neue Freunde haben und mit an der Hütte bauen. Daher hatte ich ohne nachzudenken zugestimmt.

Der wildbewachsene Vorgarten war nur vom Lichteinfall der beleuchteten Zimmer im Erdgeschoss erhellt. Durch die schmutzigen Fenster war niemand zu sehen oder zu hören. Die Tür des verwitterten Holzschuppens stand weit offen. Darinnen war es dunkel und still.

Los jetzt, es ist keiner da, machte ich mir selber Mut. Ich schlich gebückt den ausgetretenen Pfad zwischen den hochgewachsenen Sträuchern zum Holzbau entlang. Neben der Tür verharrte ich. Meine Knie zitterten und mein Herz raste. Wilde Gerüche nach Pferdestall, Öl, Tannengrün und Honigbrot schlugen mir wie eine Bugwelle entgegen. Vorsichtig schielte ich in den düsteren Schuppen. Die Wand war mit sichelförmigen Messern in verschiedenen Größen bedeckt. Sie schienen aus Holz geschnitzt zu sein. Auf dem Boden darunter lag etwas, das aussah wie ein abgeschnittener Pferdeschweif. Ich schreckte einen Schritt zurück und stieß hart mit dem Hinterkopf an.

Plötzlich zerriss das Klackern von Glas die Stille. Entsetzt guckte ich hoch. Erst jetzt bemerkte ich die Flaschenhälse, die an einer Schnur von der Dachkante baumelten wie abgeschnittene Köpfe. Panisch rannte ich los, stolperte und knallte auf den hartgetretenen Lehmboden. Als ich den Kopf hob, um schnell wieder aufzuspringen, erkannte ich zwei riesige Gummistiefel vor mir.

„Hey, hey junger Mann“, brummte eine rauchige Stimme von oben herab.

Ich blickte ängstlich die zerschlissenen Hosenbeinen hoch und schielte in ein strenges Augenpaar mit buschigen Augenbrauen. Vor mir stand ein riesiger Mann mit mächtigen Schultern. Sein Gesicht war fast ganz verdeckt von einem schwarzen Vollbart. Auf seinem Kopf kräuselten sich schwarze Locken. Er trug einen abgetragenen Parker und hielt einen langen Ast in seiner rechten Hand. Vor Schreck blieb ich reglos liegen.

„Willst du nicht aufstehen?“, grummelte der Bärtige.

Ich glotzte ihn weiterhin bewegungslos an.

„Nun komm schon“, ermutigte er mich grob.

Zitternd rappelte ich mich auf und blieb mit gesenktem Kopf vor ihm stehen. Nun spürte ich erst meine schmerzenden Knie und Arme.

„Nun mach dir mal nicht in die Hosen. Hast du dir wehgetan?“, fragte er freundlicher.

„Nicht schlimm“, antwortete ich schüchtern, verdutzt über seine Freundlichkeit.

„Du bist der neu hergezogene Junge, oder. Und die Lausbuben vom Dorf haben dich sicher geschickt, um wieder was aus meinem Schuppen zu klauen“, stellte er nüchtern fest.

Ich nickte.

„Na, dann sollten wir wohl mal in die Bude gehen und was aussuchen, damit du nicht mit leeren Händen zurückkehrst, oder?“, schlug er vor während er zur Holztür ging.

Ich schaute ihm ungläubig nach. „Aber…sind sie nicht böse…ich, ich wollte das auch gar nicht, ich…“, stotterte ich.

Er drückte einen Schalter und ein Meer von Flaschenhälsen beleuchtete den Schuppen von innen und außen in herrlich, warmen Farben wie eine Weihnachtsmarktbude.

„Boah, hast du das gemacht?“, fragte ich fasziniert von den schönen Lichtern. „Das sind Stücke von Flaschen, oder?“

„Mhm“, antwortete er, nahm eines der Holzmesser von der Wand und drückte es mir in die Hand. „Hier, die Kanten habe ich nicht scharf geschmirgelt, aber sei trotzdem vorsichtig damit.“

Ich strich mit den Fingern über das warme, glatte Holz. „Ist das toll. Und was machst du aus dem Stock?“, fragte ich neugierig und zeigte auf den Ast in seiner Hand.

Vor Begeisterung vergaß ich ganz meine Angst vor dem Mann.

„Das wird eine Angelrute. Aus dem Rosshaar hier mache ich die Schnur, einen Haken aus alten Draht und kleine Zapfen halten den Haken am Wasserspiegel oben“, erklärte er mir.

„Darf ich zuschauen?“

„Mhm, willst du nicht zurück zu den Jungs?“, entgegnete er nachdenklich.

„Eigentlich mag ich die gar nicht. Und Sachen wegnehmen finde ich auch blöd. Ich wollte nur so gerne mit am Baumhaus bauen. Aber eine Angel bauen ist viel toller. Ich habe auch schon mal einen Fisch gefangen.“

„Ja, klauen ist nicht in Ordnung und es ist dumm, Dinge zu tun, die du nicht willst, nur um dazu zu gehören. Als Bube habe ich auch mal vor anderen gebuckelt und ich habe es bitter bereut.“

„Bist du deshalb ins Gefängnis gekommen?“, rutschte mir raus.

„Mhm, der Dorftratsch“, murrte er und seine Augen stierten mich wieder finster an. Dann fingerte nachdenklich am Stock herum, starrte traurig in die Dunkelheit und erzählte: „ Ja, ich wollte auch damals dazu gehören und zur Mutprobe einem Kleineren seine Tasche klauen. Der Junge wehrte sich, stürzte und schlug so unglücklich mit dem Kopf auf, dass er nie mehr der Alte wurde. Ich bekam eine harte Strafe. Aber das Schlimmste ist die Schuld mit der ich nun leben muss. Und alles nur wegen einer unüberlegten Dummheit. Wirklich mutig ist, den anderen nicht hinterher zu laufen und zur eigenen Überzeugung zu stehen.“

Einen Moment standen wir beide schweigend da. Dann sagte er: „Ich denke, du solltest jetzt heim gehen. Aber wenn du magst, können wir morgen die Angelrute zusammen basteln. Okay?“

„Ja, sehr okay“, jubelte ich begeistert. „Und das Messer?“

„Das darfst du natürlich behalten. Es soll dich daran erinnern, nicht gegen deine Meinung zu handeln und anderen hinterher zu laufen. Wie ist denn dein Name? Ich bin der Jupp.“

„Ich heiße Paul. Danke und bis morgen Jupp.“

„Komm gut nach Hause Paul. Bis morgen dann.“

Als ich auf die Straße kam, waren die Jungs schon abgehauen. Ich hüpfte glücklich nach Hause. Das Messer versteckte ich vor meinen Eltern und die nächsten Wochen ging ich so oft ich konnte heimlich zu Jupp. Nach und nach brachte ich immer mehr Gebasteltes nach Hause und der Dorftratsch trug meinen Eltern zu, wo ich meine Nachmittage verbrachte. Mein Vater sprach mit Jupp, hielt ihn daraufhin für eigen, aber nicht für gefährlich und sie ließen mich weiterhin zu ihm gehen.

So hatte ich an diesem Tag eine wichtige Lektion fürs Leben gelernt. Aber vor allem hatte ich eine wunderbare Freundschaft geschlossen.

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Murnockerl
Geschlecht:weiblichEselsohr
M


Beiträge: 340



M
Beitrag02.12.2018 14:38

von Murnockerl
Antworten mit Zitat

Hallo PikeCat!

Du behandelst da ein sehr klassisches Thema (wodurch das Ende bzw. die Moral der Geschichte relativ schnell zu erahnen ist), trotzdem hat der Text für mich einen gewissen Sog entwickelt.

Zitat:
Ich kämpfte mit meiner Angst vor dem fremden Mann und dem schlechten Gefühl, dass Verbot meiner Eltern zu missachten.


das

Zitat:
Plötzlich zerriss das Klackern von Glas die Stille.


Ich denke, Glas klirrt eher als es klackert, auch wenn ich mir in etwa vorstellen kann, was für ein Geräusch du meinst.

Zitat:
„Na, dann sollten wir wohl mal in die Bude gehen und was aussuchen, damit du nicht mit leeren Händen zurückkehrst, oder?“, schlug er vor, (Beistrich) während er zur Holztür ging.


Zitat:
„Aber…sind sie nicht böse…ich, ich wollte das auch gar nicht, ich…“, stotterte ich.


Sie groß

Zitat:
Er drückte einen Schalter und ein Meer von Flaschenhälsen beleuchtete den Schuppen von innen und außen in herrlich (kein Beistrich) warmen Farben wie eine Weihnachtsmarktbude.


Zitat:
„Das sind Stücke von Flaschen, oder?“


Da der Ich-Erzähler schon vorher festgestellt hat, dass es Flaschen (oder doch eher Teile davon?) sind, erscheint mir die Frage an dieser Stelle unnötig.

Zitat:
Aber das Schlimmste ist die Schuld, (Beistrich) mit der ich nun leben muss.


Zitat:
Komm gut nach Hause, (Beistrich) Paul.


Ist die Geschichte für Kinder/Jugendliche gedacht? Ich hatte beim Lesen sehr stark das Gefühl - einerseits wegen des doch etwas erzieherischen Inhalts und andererseits wegen der relativ einfach gehaltenen Sprache -, soweit ich es sehe, hast du sie aber nicht als solche markiert. Falls die Geschichte (auch/vor allem) für Erwachsene gedacht ist, könntest du meinem Geschmack nach durchaus mehr zwischen langen und kurzen Sätzen variieren bzw. das Erzählen in kurzen, abehackten Sätze bewusst nur an gewissen Stellen einsetzen, um Spannung zu erzeugen.
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Günter Leitenbauer
Geschlecht:männlichWortedrechsler
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Beiträge: 99
Wohnort: Gunskirchen


G
Beitrag03.12.2018 16:45

von Günter Leitenbauer
Antworten mit Zitat

Darf ich offen sein?
Ab dem Teil mit den Dialogen ist es wirklich gut. Wenn man sich von der langatmigen, gekünstelt wirkenden Einleitung vorher nicht abschrecken lässt.
Bist du sicher, dass diese Einleitung dein Stil ist? Oder hattest du da ein "Vorbild"?
LG Günter


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Liebe Grüße
Günter
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PikaCat
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Beiträge: 45



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Beitrag10.12.2018 17:09

von PikaCat
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Hi Murnockerl

Danke für deine detaillierten Hinweise, denen ich uneingeschränkt zustimme. Aber toll, dass dich der Text dennoch etwas gefesselt hat.

Dies ist eine Schreibübung, mit der Aufgabe 12 vorgegebene Wörter in eine Geschichte unterzubringen. U. a. „klackern“ war zu verwenden. Ich muss gestehen, dass ich die Bedeutung des Wortes erst mal nachschlagen musste.

Daher war der Text nicht speziell für Jugendliche gedacht, aber ich teile auch hier dein Gefühl.

Herzlichen Gruß
PikaCat
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PikaCat
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
P


Beiträge: 45



P
Beitrag10.12.2018 17:21

von PikaCat
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi Günther,

danke auch dir für dein feedback. Schön, dass dir zumindest der Dialog gefallen hat.

Nein, ein Vorbild hatte ich nicht. Aber die Vorgabe, in einer Geschichte 12 vorgegebene Worte zu gebrauchen. Vielleicht empfindest du den Text bis zum Dialog hin als gekünstelt, weil ich dort 10 von diesen 12 Wörtern untergebracht habe. Finde ich zumindest sehr interessant.

Herzlichen Gruß
PikaCat
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Jenny
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 39
Beiträge: 314
Wohnort: Ein Dorf nahe Mariazell, Niederösterreich


Beitrag23.08.2019 14:08

von Jenny
Antworten mit Zitat

Hey, ich finde auch, dass der Anfang schwerfällig ist und es später deutlich besser wird. Tatsächlich könnte das meiste vom Anfang einfach gestrichen werden wink

Über das Ende war ich sehr enttäuscht, denn ich hätte gerne noch viel weiter gelesen wink Das hat Potenzial für eine längere Geschichte.


_________________
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