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Gespräch mit dem Tod


 
 
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Tschik
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
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Alter: 65
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Beitrag03.04.2019 17:57
Gespräch mit dem Tod
von Tschik
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Frisch aus der Feder. Dem allmächtigen Word sei Dank gößtenteils von Rechtschreibfehlern bereinigt. Es soll eine Kurzgeschichte werden. Allerdings bin ich mir bei einigen Sachen unsicher, einmal vom Stil her und vor allem ob da zu viel des Esoterischen Gedöhns dabei ist.
Also überschüttet mich gerne mit Kritik. Wenn sich auch eine Zeile des Lobs verirrt, werd ich es auch noch überstehen Smile
IM Voraus ein Großes Dankeschön


Robert war Zeitungszusteller. Er liebte diesen Job, da er um 2.00 mit der Arbeit begann und nach 6.00 wieder daheim war. Er hatte noch einen Job von 7.00 bis 10.00 und danach stand ihm der ganze Tag zur Verfügung. Dazu kam, dass er nachts die nötige Bewegung und die Straßen für sich allein hatte, wie er oft lachend anderen gegenüber betonte.
Trotzdem gab es eine Ecke in seinem Zustellgebiet, die er fürchtete. Hier musste er bei schwacher Beleuchtung um ein düsteres Eck rum und dann noch 10 Meter bis zum Briefkasten. Nüchtern betrachtet war diese Stelle viel weniger zum Fürchten als so manche andere auswärts gelegene Stelle, da es ja mitten in dem Städtchen, in dem er wohnte, war. Es war die Stadtbibliothek. Was ihn aber nicht davon abhielt, hier ein unheimliches Gefühl zu haben. Von Anfang an, über all die Jahre hinweg.
In dieser einen Nacht kam er gegen 3.00 an dieser Stelle an. Es war eine warme Sommernacht, ganz toll geeignet für seine Tätigkeit. Als er zu diesem Eck kam, fröstelte ihn. Das war er gewohnt, dieses Frösteln überkam ihn öfter hier. Aber diesmal spürte er auch eine kalte Luftbewegung, obwohl bis dahin kein Lüftchen sich regte.
Und dann sah er ihn. Er stand lässig an der Mauer gelehnt und bewegte sich nicht. Bekleidet war er mit einem hellen Trenchcoat. `Irgendwie wie Columbo, dieser Detektiv aus alten Filmen`, dachte sich Robert, während er sich ihm näherte, `fehlt nur noch die Zigarre im Mund`. Und dann überkam ihn schon der erste Schub Angst. Der Fremde war in dieser Kleidung völlig fehl am Platz. Und doch schien es Robert, als ob er einfach hierhin gehörte. Er hätte umkehren und die Zeitungen gegen 6.00 bei Tageslicht zustellen, er hätte einen Bogen um den Fremden machen können, doch er ging wie ferngesteuert direkt auf den Fremden zu.
Bei jedem Schritt spürte er, dass es kälter wurde. Bei jedem Schritt verstärkte sich das Gefühl der Angst. Doch wurde ihm auch bei jedem Schritt bewusst, dass es heute ganz anders sein würde als sonst.
Als er nahe genug an dem Fremden war, merkte er, dass dieser durch ihn hindurch sah. Eigentlich hatte er keine Augen. Eigentlich hatte er kein Gesicht. Da war nur ein dunkler Fleck, wo sonst ein Kopf sein sollte. Oder war der Kopf einfach zu sehr im Dunklen? Robert war das inzwischen gleichgültig.
Sein Puls war entweder auf null oder in ungeahnten Höhen. Er konnte es nicht sagen. Seine Glieder waren starr und doch weich wie Gummi. Robert war Zeit seines Lebens pragmatisch.
Er hatte sich dem Fremden bis auf einen knappen Meter genähert und blieb nun stehen. Seine körperlichen Gefühle und all die Gemütsschwankungen ignorierend sprach er diesen an. Er formulierte seinen ersten Gedanken.
„Bist du der Tod?“ Es erschien ihm ganz logisch.
„So nennen mich die meisten“, kam prompt die Antwort. Die Stimme hatte einen unwirklichen Klang, doch die übermittelten Gefühle waren keinesfalls bedrohlich, wie Robert fand. Es war eher ein freundschaftlicher Unterton zu spüren.
Robert war nicht überrascht. Er hatte mit dieser Antwort gerechnet. Und doch spürte er, wie die Angst wich.
Pragmatisch wie er war, sprach er einfach weiter mit dem Fremden.
„Du bist aber sonst nicht hier?“. Es sollte eine Feststellung sein, wurde aber während der Formulierung zur Frage, da Robert die Antwort ahnte.
„Ich war schon öfter hier. Aber bis heute wolltest du mich nicht sehen“. Die Stimme war noch freundlicher als vorher.
Erstaunt formulierte Robert die Worte nach. Er hatte heute mit Sicherheit keinen Fremden, geschweige den Tod sehen wollen.
Hoffnung keimte in ihm auf. Konnte es eine Verwechslung sein?
„Ich hatte auch heute überhaupt kein Bedürfnis, jemanden hier zu sehen“, sagte er mit fester Stimme.
Das Lachen, das er zu hören bekam, klang direkt sympathisch.
„Manchmal wisst ihr Menschen selber nicht, was ihr wollt“.
Robert wurde wieder unbehaglich zumute.
„Nun, den Tod wollte ich sicher noch nicht treffen“, sagte er entschieden.
„Das sagt ihr immer, obwohl ihr mich gerufen habt.“ Es klang leicht ironisch.
Der hat einen Dachschaden, dachte sich Robert.
„ Vielleicht verwechselst du mich. Ich habe dich weder gerufen noch herbei gesehnt. Freiwillig schon gar nicht!“ Verzweifelt versuchte er, den Plauderton beizubehalten, obwohl die Panik ihn wieder erfasste.
„ Bleib ruhig. Ich versuche es dir zu erklären. Ich komme nur, wenn ich gerufen werde. Viele wollen einfach gehen, können es aber nicht den anderen noch dem hier gebundenen Sein eingestehen. Du willst schon längst dahin, wo du gebraucht wirst“.
All dies sagte er im Plauderton, während Roberts Gedanken Bocksprünge machten. Ein hier gebundenes Sein, woanders gebraucht werden? Er war nicht besonders religiös und Esoterik war für ihn ein Fremdwort.
Vorsichtig formulierte er seine nächste Frage. „ Heißt das, es gibt ein Leben nach dem Tod?“.
„Nein, es gibt kein Leben nach dem Tod“. Die Stimme klang nachsichtig, doch Robert spürte nur eine große Leere. Er hatte Hoffnung geschöpft - und jetzt doch Nichts? Null! Nada! Ende!
„Das was ihr Leben nennt, ist ein Nebenprodukt des Bewusstseins. Eine der vielen Manifestationen und Erweiterungen. Und so wie jeder Teil des Bewusstseins, der gebunden wird – nenn es ruhig Materie – bleibt diesen Teilen eine Selbstbestimmung vorbehalten. Sie können selber bestimmen, was sie aufnehmen, weitergeben oder für sich behalten. Ob das ein Stein, ein Sandkorn oder ein Mensch ist“.
Robert hielt den Atem an. Da auch der Fremde – er weigerte sich innerlich, ihn Tod zu nennen –eine Pause machte, versuchte er dessen Worte zu erfassen.
Doch es ging weiter.
„ Du als Mensch bist ein Kollektiv von sehr vielen Komponenten. Jede deiner Zellen hat ein eigenes Bewusstsein. Auf ihren Ebenen geben sie einen Teil an dich weiter, einen Teil an andere Strukturen des Bewusstseins. Und sind in ihrer Funktion dir untergeordnet, sowie du in deiner Funktion der Erde untergeordnet bist, diese wiederum der Sonne und so weiter.“
Robert verstand nur Bewusstsein. Bisher hatte er das als etwas Individuelles betrachtet, jetzt schien es ein Gesamtes zu sein.
„Sprichst du von Gott?“, fragte er zaudernd.
„Nenn es ruhig Gott. Es ist das alles umfassende Bewusstsein. Davon bist du ein Teil. Um sich zu entdecken, hat es sich in allen Formen manifestiert. Wovon wir ab jetzt sprechen, ist das Bewusstsein Erde und der darauf stattfindenden Manifestationen. Dazu gehörst auch du.“ Es war ein warmes Lachen, welches diese Worte begleitete. Der Fremde fuhr fort:
„Stelle dir ein großes Netz vor. Dieses Netz umgibt alles, was du Erde nennst und ist unsichtbar. Es besteht aus verschiedenen Strukturen. Eine – und zwar eine wichtige Struktur – ist das Bewusstsein der Menschen. Das Leben und dadurch der Mensch entstanden durch die Neugier des Bewusstseins. Du nennst es Evolution. Bleiben wir bei der Vorstellung des Netzes. Dieses Netz ist wiederum in alle Richtungen verbunden mit dem Ganzbewusstsein, dem Erdbewusstsein und unter anderem auch dem Menschenbewusstsein.
Das Menschenbewusstsein hat viele Vorteile gegenüber anderen Bewusstseinsformen, das Denken, die Sicht auf andere Manifestationen, den freien Willen.“
„Aha, der freie Wille“, entfuhr es Robert.“ Nun, es ist nicht mein freier Wille zu sterben. Um es mit deinen Worten zu sagen, ich will mein Menschbewusstsein erhalten“, sagte er entschieden.
„Dazu kommen wir noch“, fuhr der Fremde im Plauderton fort.
„Bleiben wir bei den symbolischen Fäden aus dem Netz. Lange Zeit war da eine rege Kommunikation zwischen dem Bewusstsein Mensch und dem Netz. Ein gegenseitiges Geben und Nehmen oder in deiner zeitgemäßen Sprache Input-Output. Dadurch konnte das was du Evolution nennst, weitergeführt werden und das Bewusstsein Mensch konnte durch seine immer besser werdenden Wahrnehmungen viel zum Gesamtbewusstsein und dem Erdbewusstsein beitragen. Nun, seit einiger Zeit bekommt das Netz immer weniger Input und dadurch kann auch das Netz immer weniger Output geben. Obwohl es quantitativ genug Menschbewusstsein gibt“. Die Stimme klang bei den letzten Worten traurig.
Robert versuchte schon gar nicht mehr alles zu verstehen. Er kam zwar einigermaßen mit, konnte aber noch immer nicht eine Antwort auf die für ihn wichtigste Frage herauslesen. Warum er? Was hatte er mit Input-Output, Fäden und Netzen zu tun? Und vor allem: warum sollte seine Existenz dafür geopfert werden?

12Wie es weitergeht »




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Was macht den Musiker, den Maler, den Schriftsteller aus ?
Die Leidenschaft für seinen Bereich, aber auch die Freude daran, diese mit anderen zu teilen.
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Kann ich schreiben ? Zumindest habe ich viel Phantasie. Ob ich diese auch mittels Text zu Lesers Freude rüberbringen kann, würde ich gerne von jedem Leser meiner Texte wissen.
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Calvin Hobbs
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Beitrag03.04.2019 19:27

von Calvin Hobbs
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Insgesamt liest Dein Text sich recht flott und eingängig.
Allerdings hält es mich nur bis >Doch es ging weiter. <
Die im übernächsten Absatz beginnende Erklärung mit dem Netz hat mir im Ansatz wieder gut gefallen. Wären die ganzen Erklärungen auf max. einen Absatz eingedampft, hätte ich großes Interesse am Fortgang der Geschichte gehabt, aber den Tod als Dozenten über Bewusstsein usw. ist nicht so mein Fall.
Über kollektives Bewusstsein habe ich schon genug (und sehr gut) bei Frank Herbert gelesen, deshalb weiß ich noch nicht, wie ich die Geschichte des Zeitungszustellers einordnen soll.


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Tschik
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Beitrag03.04.2019 19:54

von Tschik
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@ Calvin
Vielen Dank für deine anregenden Zeilen. Genau das war auch meine Befürchtung, dass ich zu viel von der Bewusstseins Erklärung rein gepackt habe. Letztendlich soll es nur ein Dialog mit dem Tod sein, aber ohne die gängigen Plattitüden. Der Protagonist wird sich mit dem Tod einigen und sie werden als Freunde auseinandergehen. Dies ermöglicht dem Protagonisten, sich intensiver mit sich und der Welt auseinander zu setzen, was wiederum Stoff für weitere Kurzgeschichten liefert Smile


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Calvin Hobbs
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Beitrag03.04.2019 20:38

von Calvin Hobbs
Antworten mit Zitat

Tschik hat Folgendes geschrieben:
@ Calvin
Der Protagonist wird sich mit dem Tod einigen und sie werden als Freunde auseinandergehen. Dies ermöglicht dem Protagonisten, sich intensiver mit sich und der Welt auseinander zu setzen, was wiederum Stoff für weitere Kurzgeschichten liefert Smile


Interessant. In einem meiner anderen Projekte bekommt ein Mann vom Tod eine zweite Chance und MUSS sich intensiver mit sich selbst und der Welt auseinandersetzen. Bin gespannt, welche Richtung Du einschlägst.
Gleichzeitig halte ich es für sehr schwierig, eventuellen Plattitüden aus dem Weg zu gehen, dafür ist dieses Thema schon auf wirklich allen Gebieten bis zur Unendlichkeit ausgewalzt. (Weshalb auch meine oben erwähnte Geschichte ruht. Vllt. kommen mir mit weiterer Lebenserfahrung noch verwertbare Aspekte smile


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muetzchen
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Beitrag07.04.2019 09:09

von muetzchen
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Hallo Tschick,
ich bin hier gerade über deine Geschichte gestolpert. Ich lese sehr gern über Auseinandersetzungen mit dem Tod, weil ich das Thema selbst sehr schwer fassen kann (überrascht wahrscheinlich keinen...) Der Tod in "menschlicher" Gestalt macht es mir leichter, obwohl das ja auch nur die Gedanken eines anderen sind, keine "objektive Wahrheit ".
Ich fand die Geschichte spannend, zum Teil würde ich es kürzer bzw einfacher fassen. Z.B statt "erster Schub Angst" schlicht "Dann überkam ihn die Angst."
Bei den philosophischen Ausführungen des Todes hatte ich inhaltlich Schwierigkeiten, es zu erfassen ( was mir bei Philosophischem oft so geht). Deswegen fände ich es da noch wichtiger eingängig und eher knapp zu formulieren. ZB. "Eine der vielen Manifestationen und Erweiterungen". Ich finde eine Bezeichnung reicht erst mal, auch wenn sie nicht kongruent sind.
Insgesamt fand ich die Inszenierung spannend und es interessiert mich auch, wie sich das weiterentwickelt. Ich finde auch die Gegenüberstellung des philisophierenden Todes und der eher nüchternen Gedanken des Protagonisten amüsant. Leider kann ich dem Tod in seinen Ausführungen nicht nicht so richtig folgen.
Lieber Gruß
Mützchen
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Lithium
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Beitrag08.04.2019 14:11

von Lithium
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Hallo Tschick,

gerade habe ich deine Geschichte gelesen - und dabei ging es mir ähnlich wie meinen Vorschreiber*innen: Als der Tod begonnen hat, seinen Vortrag zu halten, hatte ich keine Lust mehr, weiterzulesen. Der Teil wirkt viel zu gekünstelt und belehrend auf mich - so, als sei die Geschichte nur geschrieben worden, um zu zeigen, was der Autor alles weiß...

Hier hast du eine Doppelung, die ich nicht so gelungen finde (und über die "Bocksprünge" bin ich irgendwie auch gestolpert):

Zitat:
Verzweifelt versuchte er, den Plauderton beizubehalten, obwohl die Panik ihn wieder erfasste.
„ Bleib ruhig. Ich versuche es dir zu erklären. Ich komme nur, wenn ich gerufen werde. Viele wollen einfach gehen, können es aber nicht den anderen noch dem hier gebundenen Sein eingestehen. Du willst schon längst dahin, wo du gebraucht wirst“.
All dies sagte er im Plauderton, während Roberts Gedanken Bocksprünge machten.


Hmm, irgendwie werde ich mit deinem Text nicht warm (mir kommen auch zu wenig Emotionen rüber, ich kann die Situation nicht vor mir sehen)... ist ja aber nur mein subjektiver Eindruck.

Liebe Grüße
Lithium


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Carola
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Beitrag08.04.2019 18:37

von Carola
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@tschick
die Idee, den Tod beim Zeitungsaustragen zu treffen, finde ich toll.
Bei den Ausführungen mit dem Netz habe ich abgeschaltet, da ich diesen Teil
fast wie einen Text in einem Sachbuch fand.
Auch könnte der erste Absatz ein wenig straffer erzählt werden.
Ich denke, die Geschichte lohnt sich zu überarbeiten.
Danke fürs teilen. Wink Wink
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Tschik
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Beitrag11.04.2019 13:16

von Tschik
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Herzlichsten Dank für die bisherigen Kommentare. Ich habe die bisherigen Einlassungen dankend zur Kenntnis genommen und arbeite an einer Revision des Dialogs - speziell an einer drastischen Kürzung der Erklärungen vom Tod und werde diese in den nächsten tagen zur nochmaligen Begutachtung einstellen.
Ihr kennt das bestimmt auch- man hat eine Story im Kopf, geht an die Detailarbeit und plötzlich entwickeln diese Details ein Eigenleben. Man verliebt sich regelrecht in diese Details und glaubt, es der ganzen Welt mitteilen zu müssen. Mir unterlaufen diese Fehler auch immer wieder Sad


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Herr M
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Beitrag19.04.2019 21:44

von Herr M
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Nach der ersten Zeile habe ich das Lesen aufgehört. Von wann bis wann hatte er Arbeit?
Zitat:
Er liebte diesen Job, da er um 2.00 mit der Arbeit begann und nach 6.00 wieder daheim war. Er hatte noch einen Job von 7.00 bis 10.00 und danach stand ihm der ganze Tag zur Verfügung.

Bei solchen Sätzen verlasse ich den Text. "2.00" und "7.00" und "10.00" in einem Prosatext gehen in meinen Augen gar nicht. Das muss ein Autor oder eine Autorin besser formulieren können.
Herzlichst
Herr M
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Herr M
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Beitrag20.04.2019 20:48

von Herr M
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Nachdem in anderen Threads meine Bemerkungen nicht genau zu verstehen waren, wollte ich anfügen, dass ich hier eine rein stilistische Anmerkung getroffen habe und keine inhaltliche.
Herzlichst
Herr M
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Tschik
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Beitrag02.06.2019 17:33
Gespräch mit dem Tod (neue Fassung)
von Tschik
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nun die fertige (?) Fassung der Kurzgeschichte. Zur Erläuterung - diese Geschichte erscheint in einem Band mit Kurzgeschichten, von denen jede ein anderes Thema hat. Damit ist auch ein Leserkreis angesprochen, der sich mit diesem Thema wenig oder gar nicht befasst.

Und nun, bitte ich um eure Kritik oder Verbesserugsvorschlägen.


Gespräch mit dem Tod

Robert war Zeitungszusteller. Er liebte diesen Job, da er nachts die nötige Bewegung und die Straßen für sich allein hatte, wie er oft lachend seinen Bekannten gegenüber betonte.
Trotzdem gab es eine Ecke in seinem Zustellgebiet, die er fürchtete. Hier musste er bei schwacher Beleuchtung um ein düsteres Eck rum und dann noch etwa zehn Meter bis zum Briefkasten. Nüchtern betrachtet war diese Stelle viel weniger zum Fürchten als so manche andere auswärts gelegene Stelle, da es ja mitten in dem Städtchen, in dem er wohnte, war. Es war die Stadtbibliothek. Was ihn aber nicht davon abhielt, hier ein unheimliches Gefühl zu haben. Von Anfang an, über all die Jahre hinweg.
In dieser einen Nacht kam er gegen drei Uhr an dieser Stelle an. Es war eine warme Sommernacht, ganz toll geeignet für seine Tätigkeit. Als er zu diesem Eck kam, fröstelte ihn. Das war er gewohnt, dieses Frösteln überkam ihn öfter hier. Aber diesmal spürte er auch eine kalte Luftbewegung, obwohl bis dahin kein Lüftchen sich regte.
Und dann sah er ihn. Er stand lässig an der Mauer gelehnt und bewegte sich nicht. Bekleidet war er mit einem hellen Trenchcoat. `Irgendwie wie Columbo, dieser Detektiv aus alten Filmen`, dachte sich Robert, während er sich ihm näherte, `fehlt nur noch die Zigarre im Mund`. Und dann überkam ihn schon der erste Schub Angst. Der Fremde war in dieser Kleidung völlig fehl am Platz. Und doch schien es Robert, als ob er einfach hierhin gehörte. Er hätte umkehren und die Zeitungen gegen sechs Uhr bei Tageslicht zustellen, er hätte einen Bogen um den Fremden machen können, doch er ging wie ferngesteuert direkt auf den Fremden zu.
Bei jedem Schritt spürte er, dass es kälter wurde. Bei jedem Schritt verstärkte sich das Gefühl der Angst. Doch wurde ihm auch bei jedem Schritt bewusst, dass es heute ganz anders sein würde als sonst.
Als er nahe genug an dem Fremden war, merkte er, dass dieser durch ihn hindurch sah. Eigentlich hatte er keine Augen. Eigentlich hatte er kein Gesicht. Da war nur ein dunkler Fleck, wo sonst ein Kopf sein sollte. Oder war der Kopf einfach zu sehr im Dunklen? Robert war das inzwischen gleichgültig.
Sein Puls war entweder auf null oder in ungeahnten Höhen. Er konnte es nicht sagen. Seine Glieder waren starr und doch weich wie Gummi. Robert war Zeit seines Lebens pragmatisch.
Er hatte sich dem Fremden bis auf einen knappen Meter genähert und blieb nun stehen. Seine körperlichen Gefühle und all die Gemütsschwankungen ignorierend sprach er diesen an. Er formulierte seinen ersten Gedanken.
„Bist du der Tod?“ Es erschien ihm ganz logisch.
„So nennen mich die meisten“, kam prompt die Antwort. Die Stimme hatte einen unwirklichen Klang, doch die übermittelten Gefühle waren keinesfalls bedrohlich, wie Robert fand. Es war eher ein freundschaftlicher Unterton zu spüren.
Robert war nicht überrascht. Er hatte mit dieser Antwort gerechnet. Und doch spürte er, wie die Angst wich.
Pragmatisch wie er war, sprach er einfach weiter mit dem Fremden.
„Du bist aber sonst nicht hier?“. Es sollte eine Feststellung sein, wurde aber während der Formulierung zur Frage, da Robert die Antwort ahnte.
„Ich war schon öfter hier. Aber bis heute wolltest du mich nicht sehen“. Die Stimme war noch freundlicher als vorher.
Erstaunt formulierte Robert die Worte nach. Er hatte heute mit Sicherheit keinen Fremden, geschweige den Tod sehen wollen.
Hoffnung keimte in ihm auf. Konnte es eine Verwechslung sein?
„Ich hatte auch heute überhaupt kein Bedürfnis, jemanden hier zu sehen“, sagte er mit fester Stimme.
Das Lachen, das er zu hören bekam, klang direkt sympathisch.
„Manchmal wisst ihr Menschen selber nicht, was ihr wollt“.
Robert wurde wieder unbehaglich zumute.
„Nun, den Tod wollte ich sicher noch nicht treffen“, sagte er entschieden.
„Das sagt ihr immer, obwohl ihr mich gerufen habt.“ Es klang leicht ironisch.
Der hat einen Dachschaden, dachte sich Robert.
„ Vielleicht verwechselst du mich. Ich habe dich weder gerufen noch herbei gesehnt. Freiwillig schon gar nicht!“ Verzweifelt versuchte er, den Plauderton beizubehalten, obwohl die Panik ihn wieder erfasste.
„ Bleib ruhig. Ich versuche es dir zu erklären. Ich komme nur, wenn ich gerufen werde. Viele wollen einfach gehen, können es aber nicht den anderen noch dem hier gebundenen Sein eingestehen. Du willst schon längst dahin, wo du gebraucht wirst“.
All dies sagte er im Plauderton, während Roberts Gedanken Bocksprünge machten. Ein hier gebundenes Sein, woanders gebraucht werden? Er war nicht besonders religiös und Esoterik war für ihn ein Fremdwort.
Vorsichtig formulierte er seine nächste Frage. „ Heißt das, es gibt ein Leben nach dem Tod?“.
„Nein, es gibt kein Leben nach dem Tod“. Die Stimme klang nachsichtig, doch Robert spürte nur eine große Leere. Er hatte Hoffnung geschöpft - und jetzt doch Nichts? Null! Nada! Ende!
„Das was ihr Leben nennt, ist ein Nebenprodukt des Bewusstseins. Eine der vielen Manifestationen und Erweiterungen. Und so wie jeder Teil des Bewusstseins, der gebunden wird – nenn es ruhig Materie – bleibt diesen Teilen eine Selbstbestimmung vorbehalten.“
Robert hielt den Atem an. Da auch der Fremde – er weigerte sich innerlich, ihn Tod zu nennen –eine Pause machte, versuchte er dessen Worte zu erfassen.
Robert verstand nur Bewusstsein. Bisher hatte er das als etwas Individuelles betrachtet, jetzt schien es ein Gesamtes zu sein.
„Sprichst du von Gott?“, fragte er zaudernd.
„Nenn es ruhig Gott. Es ist das alles umfassende Bewusstsein. Davon bist du ein Teil. Um sich zu entdecken, hat es sich in allen Formen manifestiert. Wovon wir ab jetzt sprechen, ist das Bewusstsein Erde und der darauf stattfindenden Manifestationen. Dazu gehörst auch du.“
Es war ein warmes Lachen, welches diese Worte begleitete. Der Fremde fuhr fort:
„Stelle dir ein großes Netz vor. Dieses Netz umgibt alles, was du Erde nennst und ist unsichtbar. Es besteht aus verschiedenen Strukturen. Eine – und zwar eine wichtige Struktur – ist das Bewusstsein der Menschen. Das Leben und dadurch der Mensch entstanden durch die Neugier des Bewusstseins. Du nennst es Evolution.
Das Menschenbewusstsein hat viele Vorteile gegenüber anderen Bewusstseinsformen, das Denken, die Sicht auf andere Manifestationen, den freien Willen.“
„Aha, der freie Wille“, entfuhr es Robert.“ Nun, es ist nicht mein freier Wille zu sterben. Um es mit deinen Worten zu sagen, ich will mein Menschbewusstsein erhalten“, sagte er entschieden. Die Diskussion nahm eine philosophische Wende. Zwar hatte der Diskurs des Fremden seine Ansichten bezüglich des „Jenseits“ ziemlich genau wieder gegeben, doch Robert fühlte sich überfordert. Verdammt noch mal, hier ging es um sein Leben. Der Drang, einfach weg zu rennen wurde immer größer. Andererseits wurde ihm bewusst, dass seine einzige Chance eben diese Diskussion war.
„Dies wird auch weiterhin bestehen bleiben. Nichts geht verloren. Alles ist im Ganzen integriert“.
Der Fremde machte eine Pause. Robert befürchtete, das Ende der Diskussion sei gekommen und nun würde das Unausweichliche geschehen. Mit zitternder Stimme versuchte er, die Diskussion aufrecht zu erhalten. Sein Leben zu behalten.
„Du sagtest, es gäbe kein Leben nach dem Tod. Nun soll mein Bewusstsein doch erhalten bleiben?“
Der Fremde reagierte mit einem amüsierten Lachen. Robert spürte Wärme in seinen eiskalten Gliedern.
„Ich komm dir wie ein Lehrer vor. Doch du willst es ja wissen. Jetzt schon. Leben ist nur eine von vielen Formen des Bewusstseins. Eine Manifestation durch das Zusammenwirken vieler anderer Formen. Dein Bewusstsein aber ist individuell. Es besteht auch nach deinem Tod. Ihr nennt es auch Seele.“
Immerhin etwas, dachte Robert. Irgendwie erschien ihm diese Vision verlockend. Das eigene Bewusstsein weiter zu behalten, ohne Zahnschmerzen, Geldsorgen und ohne Angst vor dem Tod.
Halt, schrie eine innere Stimme. Willst du also doch sterben?
Er musste Zeit schinden, um seine Gedanken zu ordnen.
„Heißt das, ich kann mir dann für ewig Harfenklänge anhören?“
Ein kurzes Auflachen des Fremden.
„Du gewinnst nichts durch solche Fragen. Ich zeig dir mal was. Sieh dir deine Hand an.“
Robert folgte der Aufforderung. Er hielt sich die rechte Hand vor Augen, zu seinem Erstaunen stellte er fest, das er in der linken Hand immer noch die Zeitung hatte. Er betrachtete seine rechte Hand. Diese wurde immer größer, als ob er sie durch ein Mikroskop betrachten würde. Nach kurzer Zeit konnte er nur noch die Finger erkennen, dann nur noch einen winzigen Ausschnitt auf seinem Handrücken. Und auf diesem Teil des Handrückens sah er eine unermessliche Anzahl an sich darauf und darin tummelndes Leben. Die Vergrößerung ging weiter, der Ausschnitt wurde immer kleiner und unheimlicher. Er sah nur noch Teilchen, durch diese schoss kontinuierlich eine unzählige Anzahl an kleinen Lichtflecken.
Robert schloss die Augen. Sein Gehirn spielte nicht mehr mit.
Bis zu einem gewissen Punkt konnte er sich zusammen reimen, was er gesehen hatte. Bakterien, Zellen, Atome. Und weiter?
Als er die Augen wieder öffnete, sah er wieder die normale Hand. Er stand noch immer unter dem Schock des soeben Erlebten. Nie wieder werde ich meine Hand so unkritisch sehen können, war sein erster Gedanke.
„ Eine kleine Demonstration, dass alles einen Sinn hat“, erklang die Stimme des Fremden. Sie erschien ihm fern und unrealistisch.
„ Deine Sinne sind darauf ausgerichtet, Manifestationen zu sehen und nicht die Bestandteile. Wenn du vielfach so gut sehen könntest, wäre die Welt für dich unverständlich und hässlich.“
Robert nickte zustimmend. Ob er die Welt je wieder so unbefangen sehen könnte? Vor seinem inneren Auge spielten sich die vorher gesehen Bilder ab. Am liebsten würde er die Augen für immer geschlossen halten. Bei diesem Gedanken schrillten Alarmglocken in seinem Hirn. Vorsicht, Falle! Er begann unkontrolliert zu zittern. War dies eine weitere Vorbereitung für seinen Abschied aus dem Leben?
„Und diese winzigen Lichtflecken? War es ...das ...Ewige Licht? ... War das... Gott?“ Stotternd und unkontrolliert stellte er die Frage.
„Diese Teile sind kein Licht. Ihr nennt sie Neutrinos. Das sind die Informationsträger des Ganzen. Sie durchqueren alles. Durch deinen Körper gehen sie in unzähliger Anzahl Zeit deines Lebens hindurch. Dabei nehmen sie Informationen mit, und lagern diese an bestimmten Stellen wieder ab. Manchmal docken sie an Atome an und geben Informationen an die jeweilige Manifestation ab."
Robert hatte in den letzten Jahren viel gelesen- er war immer schon neugierig. Unter anderem hatte er auch viel über Neutrinos, deren Entstehung und deren Eigenschaften gelesen. Und jetzt sollte er welche gesehen haben? Unfassbar.
Ihm wurde klar, dass er tausende weitere Fragen an den Fremden hätte. Er könnte mehr erfahren, als er sich das je vorgestellt hätte. Und Zeit gewinnen. Unermesslich viel Zeit. Jahrzehnte des Lernens und der Neugier. Und natürlich auch den Zeitpunkt des Mitgehens mit dem Fremden weit hinausschieben, dachte er amüsiert.
Der Fremde lachte schallend.
„ Du haderst noch immer mit dir und mir.“ Er lachte weiter.
Robert schien es, als ob er mit dem Kopf voll in eine Betonwand gekracht sei.
„Du...du...du kannst auch Gedanken lesen?“, stotterte er.
„Gedanken sind wichtige Bestandteile des Ganzen. Erinnerst du dich? Nichts geht verloren. Gedanken sind schneller als das Licht unterwegs. So lange, bis sie sich assoziieren können.“
Trotz aller Ängste und Emotionen bekam Robert einen roten Kopf. Was hatte er alles schon in Gedanken getan. Gemordet, gefoltert, fremde Frauen geliebt, Welten gegründet und vieles mehr. Und all das kannte der Fremde? All das schwirrte im Universum umher?
„ Mach dir keine Sorgen“, beschwichtigte ihn der Fremde. „Das ist alles normal. Das Ganze entstand aus Neugier. Also ist alles für das Ganze wichtig.“
Robert wurde ruhiger. Er war also ein Teil Gottes, der aus reiner Neugier – um sich selbst zu entdecken? – alles ihm Erfassbare und darüber hinaus geschaffen hatte. Seine Gedanken schwirrten durchs Weltall. Er gab Zeit seines Lebens zusammen mit allen anderen Materiekomponenten Informationen mittels der Neutrinos ab, welche dann auf irgendwelchen Festplatten,- der dunklen Materie? – gespeichert wurden. Sein Bewusstsein würde einen Platz im Nirwana erhalten. Sein Streben nach Wissen würde wahrscheinlich in kürzester Zeit gestillt werden. Wenn es überhaupt noch eine Zeit gab.
Plötzlich erschien ihm alles unwichtig. Geld, materielle Dinge, Wissen,- all das war unwichtig. `Ich bin lebensmüde`, war seine Schlussfolgerung.
„Siehst du“, erklang die Stimme des Fremden. „ Wie ich dir schon eingangs sagte: du hast mich gerufen.“
„Ich bin sicher, dass ich dich nicht gerufen habe“, sagte Robert mit müder Stimme. Aber war das noch wichtig? Vielleicht hatten die Neutrinos solche Informationen gesammelt oder seine Gedanken waren ihm vorausgeeilt.
Eine Frage war ihm trotz allem noch wichtig.
„Du sagtest, ich wolle schon lange dahin, wo ich gebraucht werde. Wo werde ich gebraucht?“
„Die meisten Menschen füllen ihr Bewusstsein mit unbrauchbaren Informationen und Empfindungen. Was ihr materiell schafft, ist für das Ganze unwichtig. Parallel schadet ihr dem übergeordneten Ganzen, speziell der Manifestation Erde und all ihren anderen Manifestationen immer mehr. Diese wird euch bei Notwendigkeit wie ein Krebsgeschwür eliminieren. Dadurch wird wiederum das bisherige Menschbewusstsein – dessen Teil ich bin und auch du es bist- keine Rolle mehr in der Entwicklung des Ganzen spielen.“
Traurig nickte Robert zustimmend. Wenn er auch nicht voll mitkam, erkannte er die Quintessenz. Trotzdem wollte sich ihm nicht erschließen, was er da im positiven bewirken konnte.
„Das was du bisher getan hast, war deine Seele öffnen. So wurde das lange Zeit bezeichnet, als die Menschen ihr Bewusstsein für entsprechende Kontakte öffneten. Durch deine Neugier hast du dein Bewusstsein geformt. Dadurch konntest du auch Unterstützung von außen bekommen.“
Robert war sich nicht bewusst, irgendwas Außergewöhnliches zustande gebracht zu haben. Er hatte überall mäßig mitgemacht, bei ehrenamtliche Tätigkeiten, sozialem Engagement. In der Kirche war er schon ewig nicht mehr, Empathie hatte Grenzen bei ihm. Auch Liebe hatte er außer seinen Kindern wenig gegeben.
„Ok, wenn Neugier allein reicht. Ich war sonst bestimmt kein Musterbeispiel für …“
Er suchte noch nach dem passenden Wort, doch der Fremde hatte wahrscheinlich seinen Gedanken schon gelesen. Oder eingefangen?
„Erinnerst du dich, wie oft du persönliche Vorteile hinten angestellt hast, um anderen zu helfen? Wie oft du anderen einfach zugehört hast, ohne ihnen deine Meinung aufzudrängen? Wie oft du Jobs ausgeschlagen hast, weil sie dir zu egoistisch erschienen? Wie oft du Welten in deinen Gedanken erschaffen hast, die schöner und gerechter sind? Das sind nur ein paar Beispiele. Eigentlich ist nur eines wichtig: du hast dich geöffnet. Nun aber bist du an dem Punkt, wo du alles hin nimmst, dich in dein Inneres verkriechst und dich schämst, dass du ein einfacher Zeitungsbote bist. Du willst nicht mehr…“
Robert wollte schon zustimmen. Doch da war noch was. Irgendwas in ihm rebellierte. Er versuchte, die Gedanken zu ordnen und zu formulieren.
„ Das war vielleicht so. Bis heute Nacht.“ Er schrie förmlich.
Er spürte, wie neue Kraft in ihn strömte. Sein Lebensgeist erwachte. Er wollte nicht gehen. Er hatte einen Sinn gefunden.
„ Ich kann mit Sicherheit keinen von dem Gespräch mit dir überzeugen. Ich kann auch die Menschheit nicht verbessern.
Auch wird keiner mir bezüglich dessen, was ich heute erfahren habe, jemals auch nur ein Wort glauben. Aber“, schrie Robert mit ungeahnter Kraft voller Triumph, „Ich kann versuchen Seelen zu öffnen. Und wenn ich nur ein paar Seelen öffne, erreiche ich vielleicht von hier aus mehr als von drüben.“
Er spürte förmlich, wie er die neu gewonnene Lebenskraft in sich aufsaugte. Es entstand eine lange Pause. Der Fremde sagte nichts. Robert wurde unsicher, Angst kam wieder in ihm auf. Würde der Fremde ihm wirklich diese neue Chance verwehren.
Verzweifelt sah er diesen an und fügte schnell noch an:
„Außerdem bin ich noch nicht reif genug. Ich möchte mein Bewusstsein erweitern und in meiner Aufgabe wachsen.“
Tränen schossen ihm in die Augen „Bitte“, rief er „lass mich reifen.“
Der Fremde begann zu verblassen. Sein Trenchcoat verschmolz mit der Farbe der Nacht. Robert sah nur noch Umrisse.
Er spürte, der Fremde würde gehen und ihn da lassen. Eigentlich hätte er frohlocken sollen. Doch er verspürte nur einen Schmerz. Denselben Schmerz den man beim Abschied von einem guten Freund verspürt.
„Warte“, rief er mit tränenerstickter Stimme. „werde ich dich wieder sehen? Ich meine, bevor ich endgültig gehe“, fügte er noch schnell hinzu.
Die Kontur verblasste. Es war noch nur ein leichter Schatten zu sehen. Doch dann erklang die so vertraue Stimme wieder.
„Vielleicht. Bleib einfach offen.“
Dann verschwand er wie ein Spuk.

« Was vorher geschah12



_________________
Was macht den Musiker, den Maler, den Schriftsteller aus ?
Die Leidenschaft für seinen Bereich, aber auch die Freude daran, diese mit anderen zu teilen.
Singen kann ich nur in der Badewanne, malen nur auf meine Texte.
Kann ich schreiben ? Zumindest habe ich viel Phantasie. Ob ich diese auch mittels Text zu Lesers Freude rüberbringen kann, würde ich gerne von jedem Leser meiner Texte wissen.
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Anna B.
Schneckenpost
A


Beiträge: 5



A
Beitrag09.06.2019 00:56

von Anna B.
Antworten mit Zitat

Zitat:
Hier musste er bei schwacher Beleuchtung um ein düsteres Eck herum und dann noch etwa zehn Meter bis zum Briefkasten. Nüchtern betrachtet war diese Stelle viel weniger zum Fürchten als so manche andere auswärts (abseits würde mir besser gefallen) gelegene Stelle, da es ja mitten in dem Städtchen, in dem er wohnte, war.


Der zweite Satz ist mir etwas zu lang. Ich würde vielleicht trennen:
Sie war/lag ja mitten in dem Städchen, in dem er wohnte.

Zitat:
Viele wollen einfach gehen, können es aber nicht den anderen(Komma?) noch dem hier gebundenen Sein eingestehen.


Der doppelte 'Plauderton', den Lithium schon angemerkt hatte, ist noch drin.

Ich mag die Geschichte, jedenfalls den Anfang und das Ende. Der Mittelteil erinnert mich immer noch an nur vage verstandene Vorlesungen. Ich teile das Schicksal des Zustellers, dass ich nicht wirklich verstehe, was der Tod da erzählt, weil ich unaufmerksam werde. Wegen der sachlichen Wortwahl fällt es mir auch schwer, es zu erfühlen. Die Neutrinos stören mich irgendwie, sie wirken auf mich unpassend, zu wissenschaftlich.
Gegen Ende habe ich das Gefühl, dass der Zusteller seine Ausdrucksweise an die des Tods anpasst.

Die Metapher mit dem allesverbindenden Netz finde ich gut und eingängig und dein Schreibstil an sich gefällt mir.

LG Anna
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muetzchen
Geschlecht:weiblichWortedrechsler
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Beiträge: 50



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Beitrag09.06.2019 09:14

von muetzchen
Antworten mit Zitat

Hallo Tschick,
danke für die überarbeitete Version. Ich hatte ja schon geschrieben, dass mir der Einstieg gut gefällt.
Das Gespräch verstehe ich jetzt vom Sinn her gut, mir gefällt die Freundlichkeit und Geduld des Todes sehr. Auch die Erklärung - nenn ich das jetzt mal - welchen Sinn das Leben hat und wie der Prota ihn verloren hat, find ich gut. Trotzdem find ich das Gespräch immernoch zu langatmig. Konkret gesagt: Nach der Betrachtung der Hand (die mir gut gefallen hat), bin ich ausgestiegen und habe den Text überflogen bis zu der Stelle, wo der Prota denkt, dass ihm alles egal ist.
Vielleicht bin ich aber auch zu ungeduldig, um mich auf einen stark philosophischen Text einzulassen.
LG Mützchen
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