Erotische Fantasien oder war es umgekehrt?

[Care]

Ein unsicher wirkender Besucher marschiert über den roten Teppich zum Check-In-Schalter. Er fragt sich leicht irritiert, ob für jeden, der das nüchterne Gebäude betritt, ein roter Teppich ausgerollt wird. Oder ob kurz zuvor eine wichtige Persönlichkeit eingetreten ist, der eine solche Ehre tatsächlich zusteht.
„Entschuldigung“, spricht er die Dame am Empfang an. „Bin ich hier richtig? Bei den ... Schriftstellern?“
Die Angesprochene schaut kurz auf und nickt. Offenbar ist sie mit ihrer Arbeit mehr als ausgelastet und hat weder Zeit noch Lust auf eine längere Unterhaltung.
„Ich bin Care – oder besser, meine Freunde nennen mich so“, versucht der Neuankömmling eine Erklärung. „Ich komme aus Österreich.“
Er wartet, ob diese Vorstellung für ein Durchwinken ausreicht. Die Frau sieht ihn über ihren Brillengläsern etwas länger an als vorhin und schüttelt dann den Kopf.
„Was schreibst du?“, will sie wissen. „Satire? Kriminalromane? Gedichte?“
„Fantasievolles!“, sagt er mit einem gewinnenden Lächeln, zumindest hofft er, dass es bei seinem Gegenüber so ankommt.
„Ach ja?“, erwidert sie unbeeindruckt. „Deutest du damit etwa an, dass Gedichte oder Satiren nicht fantasievoll sind?“
„Nein, das würde ich niemals behaupten“, wehrt er vehement ab. „Ich schreibe und lese gerne Fantasygeschichten, das habe ich gemeint.“
„Fantasy“, sagt sie laut und tippt das Wort in irgendeine Datei auf dem Computer vor ihr. Der Besucher fühlt sich in diesen Minuten wie beim Arzt, wo nach den persönlichen Daten die gesamte Krankengeschichte anzugeben ist, inklusive peinlicher Details. „Noch was?“
„Öhm, ja ...“, stottert er mit einem Anflug von Verlegenheit. „Erotische Geschichten haben es mir auch angetan. Am liebsten fantastische!“
Der Blick der Empfangsdame wird deutlich strenger.
„Du weißt aber, dass wir hier keine Pornografie dulden!“, erklärt sie mit einer Stimme, deren gefühlte Temperatur um fünf Celsiusgrade gesunken ist. Gleichzeitig deutet sie auf eine Pinnwand, wo unzählige Zettel mit Regeln angeschlagen sind.
„Also, ich schreibe Fantasygeschichten mit einem Schuss Erotik“, antwortet er geduldig. „Und sinnliche Geschichten, die meiner überbordenden Fantasie entspringen, nichts Reales, und schon gar keine Pornografie.“
Sie schüttelt den Kopf, sichtlich verärgert.
„So kann ich das nicht eintragen“, stellt sie klar. „Bleiben wir bei Fantasy und als zweites Genre Erotik.“
Sie tippt sechs Buchstaben und klickt ein paarmal mit der Maus.
„Hast du schon irgendetwas vorzuweisen?“, erkundigt sie sich. „Bücher, Veröffentlichungen, Blogs?“
„Von allem etwas“, erwidert der Besucher. „Romane, Geschichten, sogar ein paar Lieder. Nicht weltbewegend, wenngleich eine Welt voller Bewegung, und wenn ich Glück habe, ein paar Worte, die berühren.“
Die Empfangsdame schaut ihn mitleidig an.
„Das klingt verrückt“, meint sie. „Kann ich so nicht eingeben. Ich setze einfach hier und hier ein Häkchen.“
Er wartet geduldig, bis sie das Dokument gespeichert hat.
„Geh hinein!“, fordert sie ihn auf. „Vielleicht hast du Glück und findest drinnen ein paar Seelenverwandte, die dir zuhören.“
Es klingt so, als hätte sie genug gehört.
„Danke!“, sagt er schlicht und wendet sich der nächstliegenden Tür zu.

[F.J.G.]

Der Besucher namens Care fand sich nach dem Öffnen der Tür im Wartebereich von Gate F14 wieder.
Ein Mann in Anzug und Krawatte schien der Einzige zu sein, der auf den Flug nach VIE wartete. Einen Laptop auf dem Schoß, tippte er eifrig; so eifrig, dass Care ihn unverhohlen ansprach.
"Entschuldigen Sie, Sie schreiben so inbrünstig. Woran genau arbeiten Sie?"
"Neue Texte für das DSFo."
"Na dann. Dann gehen wir ja den gleichen Weg."
"Wie das jetzt? Nur weil wir beide aus Österreich kommen?"
"In jederlei Hinsicht."

[Kiara]

Großartige Vorstellung.
Willkommen!
Freue mich auf weitere Texte!

[V.K.B.]

»Oh, ein neuer?« Gierig schaut das grüne Monster auf und kaut weiter auf zerrissenen Einstandstexten rum. Tinte, Herzblut und Buchstabensuppe tropft kurz auf den Boden, bevor es sich mit dem schlabberigen Kapuzenpulli das Maul abwischt. »Mehr! Hunger!«
Der neue Besucher versucht verlegen, wegzusehen, aber das Monster ist hartnäckig. »Fressen! Texte her!«
Irgendwie müssen die hier seltsame Regeln haben, so ein Vieh frei rumlaufen zu lassen, wundert der Besucher sich.
»Hey, ich schreib auch Erotik. Und SciFi. Und Zeug und so«, geifert das Biest.
Der Besucher will gerade die Flucht antreten, als das seltsame Wesen einen Knopf an einer am Handgelenk befestigten Apparatur drückt. Kurz verwandelt es sich in einen Geist, dann blitzen die Augen dreimal auf. »Sorry, mein Therapeut hat mir das verordnet. Einfach manchmal den Troll raushängen lassen und Neulinge erschrecken.«
Jetzt wirkt das Vieh eigentlich ganz umgänglich. »Kommst du mit in den Nachtschwärmer-Club? Es ist gleich 23 Uhr, dann macht der auf. Im Smalltalk Bereich, kannst du nicht verfehlen. Ach ja, und wirklich coole Vorstellung. Mir ist damals sowas nicht eingefallen.«

[Care]

Care nickt dem Mann in Anzug und Krawatte nach ihrem kurzen Gespräch grüßend zu, bevor er seinen Weg in das Innere des Gebäudes fortsetzt. Er marschiert an drei weiteren Männern vorbei, die so vertieft in die Geschichten sind, an denen sie in diesem Moment schreiben, dass sie den neuen Besucher nicht weiter beachten. Er kennt das völlige Ausblenden der realen Umgebung aus eigener Erfahrung. Wenn er an den Chroniken seiner Fantasywelt feilt, verschwimmen die Grenzen zwischen den Universen. Die stämmige Heilerin aus dem Volk der Olbuno, die nach Blut und Kräutern riecht, wird für ihn greifbarer als sein wirkliches Gegenüber im steirischen Wohnort. Denn er sieht nicht nur, wie sie die klaffende Wunde des vor ihr liegenden Verletzten säubert, sondern kennt ihre Gedanken und fühlt ihre Verzweiflung, wenn sich trotz ihrer Anstrengungen der Tod nähert.
Endlich erreicht der Besucher die inneren Räumlichkeiten. Er wird von ihrer Größe und der Vielfalt der darin aufgestapelten Schriftrollen förmlich erschlagen.
„Erstaunlich“, murmelt er. „So viele Menschen tragen Erkenntnisse in sich, die sie mit anderen teilen.“
Wissen aus parallelen Dimensionen, nicht weniger real und staunenswert als das, was Forscher über die irdische Welt herausfinden. Fügt es sich doch aus Puzzleteilen zusammen, welche die Seelen der Autoren auf ihrem Werdegang aufgesammelt haben.
Care erwidert das Lächeln einer Frau, die ihm trotz ihrer emsigen Tätigkeit einen Herzschlag ihres Lebens schenkt. Vor ihr liegt ein Buch mit dem Titel ‚Mahnmal‘, dessen Cover bei ihm einen düsteren Eindruck hinterlässt, anders als der freundliche Ausdruck in ihren Augen.
Als er wahllos nach einer der Schriftrollen greift, taucht wie aus dem Nichts ein grüner Troll auf, der den Sümpfen im Südosten Gor’deas entsprungen sein könnte. Da er, anders als die Helden seiner Romane, weder über blitzartige Kampfmanöver noch über den dazu erforderlichen Mut verfügt, erstarrt er in der Bewegung und stellt sich tot. Erst als das Wesen menschliche Gestalt annimmt, spürt er seinen Atem wieder. Zum Plaudern ist ihm nach diesem Schock nicht zumute. Nach einem kurzen Gruß setzt er seinen Rundgang durch die Schrifthallen fort.

[menetekel]

Don't care

Die Jubelglocke, lang verstummt,
von selber froh und glücklich summt:

Ein neuer User, der was kann,
den Monstern trotzt als ganzer Mann!

so tönt's im Forum allerorten;
doch wird er Poesie verworten?

[Care]

Der Besucher schaut das Fleisch gewordene Menetekel zunächst verwirrt, dann mit einem breiten Lächeln an:

Die Jubelglocke hör' ich klingen
und hoff', sie wird kein Unheil bringen.

Wenn Menetekel in den Hallen
sich arglose Besucher krallen.

Die Worte sich zu Versen fügen,
die hohen Ansprüchen genügen.

Dann trägt man in sich Dankbarkeit
und hofft auf eine schöne Zeit!

[Ranmara]

"Rosen sind rot
Veilchen sind blau
Ich kann nicht reimen
und mit Farben nehm' ich's auch nicht so genau."

Sie schiebt das Wägelchen an ihm vorbei und schaut ihn fragend an.
"Kaffee? Spacecookie?"
Kurzes Schweigen.
"Na - Ick würd' se ja herzlischa begrüß'n, aba ick bin hier nur de Saft-Schuppse."
Kurz rüttelt sie demonstrativ an dem Snack- und Getränkewagen, den sie vor sich her schiebt.
"Für mehr tuts halt nich' reichen tun, wenn de noch nix veröff'ntlich has'... oda jenerell mal wat vorzuwesen has'..."
Ein knapper Seufzer des Selbstmitleids entfleucht ihr. Dann sieht sie ihn wieder fragend an.
"Also? Willse wat?"

 

[Michel]

Hinter dem Saftwägelchen kauert sich ein Typ mit Kinnbart und Brille zusammen. Irgendwer hat hier den Roten Teppich abgebürstet, und seither scheint die Messlatte für Beiträge deutlich höher zu liegen. Soll er zu den "Herzlich willkommen"-Antworten springen? Nee, das schafft er niemals ...

[Care]

Der Besucher schaut die Frau, die ihn fast über den Haufen gefahren hat, mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Öhm, wie bitte?“, äußert er vorsichtig, da sie ihm ziemlich resolut erscheint und er erst letzte Woche nach einer leichtfertigen Bemerkung über die Wichtigkeit eines Fußballspiels mit Bier übergossen wurde. Nachdem er ihre Worte in Gedanken nochmals überschlagen hat, ringt er sich ein Lächeln ab und deutet auf den Wagen.
„Ein Kaffee wäre super. Und ein Cookie auch, falls man sich nicht die Zähne daran ausbeißt.“
Im selben Moment schießt es ihm heiß durch den Magen. Ob sie sich durch diese witzig gemeinte Anmerkung angegriffen fühlt? Sicherheitshalber geht er hinter dem Wägelchen in Deckung und fällt beinahe über einen Kerl mit Brille, der sich dort versteckt hat. Offenbar muss man in diesen Hallen auf einiges gefasst sein!

[Ribanna]

Hinter einer Säule versteckt schaut eine komische Alte auf das muntere Treiben und den Neuankömmling.
"Sehr selbstbewusst und forsch", denkt sie "davon könnte ich mir eine Scheibe abschneiden." Verschüchtert zieht sie sich jedoch lieber wieder in den Schutz der Säule zurück. "Besser, die echten Schriftsteller begrüßen ihn, ich bin ja nur Staffage."
Sie wirft einen letzte Blick auf den Trubel, der rund um den Teewagen entstanden ist, dabei stolpert sie und fällt vor dem Neuen fast auf die Nase. "Ha...Hallo, ich bin Ribanna", bringt sie leise hervor. "Willkommen hier!"

[Michel]

[Ribanna]

"Hoppla!" denkt die alte Frau und hebt etwas vom Boden auf, das sie offensichtlich beim Stolpern unter den Tisch hat fallen lassen.
Nachdenklich betrachtet sie es.
"Kann man als Schriftsteller nie genug haben." Sie nimmt es und reicht es dem Ankömmling. "Hier, das fehlt noch zu meinem Beitrag", bemerkt sie und reicht ihm das Komma.

[Care]

„Hallo, Ribanna“, erwidert Care. Er nimmt ihr Komma entgegen und drückt dankbar ihre Hand.
„Ich freue mich, hier zu sein“, fügt er hinzu. „Übrigens, ich bin Care. Hier geht es ja ordentlich zur Sache. Forentrolle und lebendige Menetekel, Getränkewagen ... äh, wie war das? Ach ja, Schubserinnen. Aber der Kaffe ist in Ordnung.“
Endlich fällt ihm auf, dass der Mann mit Brille nach wie vor am Boden hockt. Er streckt ihm die Hand entgegen, um ihm auf die Beine zu helfen.
„Und wen haben wir hier?“, fragt er. „Einen verirrten Teppichreiniger?“

[Michel]

"Unter anderem", erwidert der etwas verwirrt und hält ein braun verschmiertes e hoch. "Ich glaube, das ist Ihnen gerade aus dem Kaffe gefallen."

[V.K.B.]

»Ein e , ein e, gib mir. Mein Schaaaatz!« ruft das grüne Monster von der Decke und schwingt sich an einem vom letzten Spiderman-Imposter zurückgelassenen Faden herunter. »Gib mir sofort dieses e, ich brauche das doch dringend für den nächsten Wettbewerb hier.«