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feindfrau 2


 
 
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Klemens_Fitte
Geschlecht:männlichSpreu

Alter: 41
Beiträge: 2932
Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag01.05.2019 20:05
feindfrau 2
von Klemens_Fitte
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Neue Version »

Das ist der Anfang einer postapokalyptischen Erzählung, an der ich vielleicht in nächster Zeit schreibe. Ihr Titel ist feindfrau 2.






Das Licht in diesem Teil der neuen Welt besaß die Eigenschaft, jederzeit eine am Zenit stehende Sonne abzubilden; mit Tagesanbruch war es da, als hätte jemand einen Baustrahler eingeschaltet, der in den folgenden Stunden reglos und unbarmherzig am Himmel stehen würde. Dieses Licht riss alles an sich, was es zu fassen bekam, die Oberflächen, die Kanten der Dinge, und trennte es aus seiner Umgebung heraus, bis es einem deutlich und unleugbar vor Augen stand.

Nicht dass einer von uns diesen oder ähnliche Gedanken in Worte gefasst hätte, sich selbst oder anderen gegenüber – es schien unnötig, Dinge begreifen zu wollen, die längst begriffen waren, und mühsam, nach Worten zu suchen, wenn man seine Tage damit verbrachte, auf der Suche nach Nahrung von Schatten zu Schatten zu huschen oder, das eigene Hab und Gut auf dem Rücken, in einer quälenden Langsamkeit den Sonnenuhren der Wolkenkratzer zu folgen, die wie letzte Relikte einer vergangenen Ordnung aus der Ödnis ragten.

Und so waren es vielleicht nicht einmal der Kampf um die letzten Ressourcen oder das damit einhergehende Misstrauen, die alles umfassende Präsenz von Hunger oder Durst, die uns zunehmend voneinander trennten, sondern die Tatsache, dass es, bei Licht betrachtet, unmöglich war, sich noch irgendeiner Form der kollektiven Täuschung hinzugeben, irgendeiner Illusion, einem Trost, in dem das Wissen um unsere Situation hätte verschwinden können – so dass die meisten von uns sich damit begnügten, in einem dämmrigen Zustand auf den Einbruch der Nacht zu warten, die mit ihren namen- und gestaltlosen Schrecken geradezu erträglich wirkte.

Manchmal kam es vor, dass jemand eine Geschichte aus der alten Welt erzählte – Geschichten aus der neuen Welt gab es nicht – und sich die anderen in den wohltuenden Schatten drängten, den die Worte auf das Heute warfen. Dann schien es für eine Weile so, als gäbe es ein Hinsehen und Begreifen ohne Schmerz, oder wenn ein Schmerz darin lag, dann schien er zumutbar, weil man ihn auf Dutzende Herzen und Köpfe verteilen konnte oder weil er einen vergessen ließ, dass man ein Individuum war.

Und doch: Hatte die Geschichte ihr Ende gefunden, hinterließ sie meist nichts als ein vages Bild, einen Gedanken oder eine Empfindung, die im Licht des nächsten Tages unweigerlich verblassten; kaum verwunderlich, dass man in den Geschichtenerzählern wenig mehr als Exzentriker sah, die selbst unter den übrigen Vagabunden einen zweifelhaften Ruf genossen, oder wenn man sie bestenfalls für Spinner hielt, nicht willens oder fähig zu akzeptieren, dass es längst nichts mehr zu erzählen gab.

Ich empfand den besonderen Argwohn, den man diesen Menschen entgegenbrachte, als durchaus gerechtfertigt – war ich doch einer von ihnen. Und wenn ich nicht mehr an meine Mitmenschen glaubte, glaubte ich an meine Geschichten noch weniger, es sei denn, sie brachten mir eine Mahlzeit oder eine Unterkunft ein; dann konnte ich mich für einen Tag mit ihnen versöhnen.

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Diamond
Geschlecht:weiblichEselsohr
D


Beiträge: 280



D
Beitrag01.05.2019 21:39

von Diamond
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Hallo Inko,

ich habe mich mehr oder weniger durch Deinen Text gequält, weil Komma, Komma, Komma, Komma, Komma, Komma... Hast Du mitgezählt? Es sind definitiv zu viele Kommas, die hauen mich aus dem Text.
Ansonsten, postapokalyptische Welt mit irgendwelchen Strahlern, die x-beliebig irgendwo aufleuchten, alles ansaugen, ja... das ist nett, aber langweilig, denn offensichtlich fühlt sich ja niemand von ihnen bedroht oder die Bedrohung hat sich zwischen den Kommas versteckt gehalten, sodass ich sie überlesen habe, könnte auch sein. Aber sonst passiert nix.
Der Text ist schön geschrieben, schön erzählt, hat aber zu viele Kommas und der Pep und die Power fehlen. Er plätschert zu sehr vor sich hin. Mit wem soll ich da mitfiebern? Und neue Welt und keine Geschichten, kein Aktionismus, keine Pläne für die Zukunft, keine Lehren aus der Vergangenheit, keine Gerüchte über die Bösewichte oder Verursacher der Katastrophe? Wirklich nix? Dann ist die Geschichte ja zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen hat. Schade.
LG Diamond
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Kiara
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 44
Beiträge: 1404
Wohnort: bayerisch-Schwaben


Beitrag01.05.2019 21:50

von Kiara
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Mir stellt sich die Frage, was dahinter steckt; was der Autor für ein Werk schreiben möchte.

Eine postapokalyptische Erzählung.
Soll es denn ein Roman mit Spannung/Spannungsbogen/etc. werden? Oder eine Erzählung, was geschehen könnte, wenn, mit Fokus auf Moral, Erkenntnissen usw.?

Sorry, wenn ich was nicht kapiert hab...

Es gibt einige, auch berühmte Geschichten, die so vor sich "hinplätschern", also will ich mich mal nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, in dem ich sage, dass ich die Form nicht gelungen finde. Mir gefallen die Sätze teils sogar (bis auf die Fehler natürlich). Es kommt schon einiges an Informationen rüber, aber für meinen Geschmack dann auch zu viel auf einmal, gleichzeitig geschieht im Endeffekt nichts und es wird einfach erklärt, ohne dass man eine Zusammenhang kennt, Protagonisten einführt, einem Gespräch lauscht etc.
Doch evtl. ist das wirklich Geschmackssache.
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Bananenfischin
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant

Moderatorin

Beiträge: 5338
Wohnort: NRW
Goldene Feder Prosa Pokapro IV & Lezepo II
Silberne Harfe



Beitrag01.05.2019 22:06

von Bananenfischin
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Der Text hat genau die richtige Anzahl an Kommas, und als zu lang, was Diamond vermutlich meinte, empfinde ich persönlich die Sätze auch nicht.
Als Leserin werde ich erst mal in eine Art postapokalyptische Welt eingeführt, dann erfahre ich von einer gewissen Linderung, die die alten Geschichten zu verschaffen vermögen, was mir dann gleich wieder genommen wird, weil der Erzähler an seine eigenen Geschichten nicht glaubt. Und ab hier wird es für mich interessant, weshalb ich weiterlesen wollen würde.

Inko hat Folgendes geschrieben:
dass es, bei Licht betrachtet,


smile

Inko hat Folgendes geschrieben:
oder wenn ein Schmerz darin lag, dann schien er zumutbar, weil man ihn auf Dutzende Herzen und Köpfe verteilen konnte oder weil er einen vergessen ließ, dass man ein Individuum war.


Hier habe ich mich erst gefragt, ob hier nicht zweimal das Gleiche gesagt wird, aber nein, es ist schon etwas anderes, ob ein Schmerz geteilt wird oder man mit der Gruppe verschmilzt.


Liebe Grüße
Bananenfischin
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SannyB
Geschlecht:weiblichLeseratte
S


Beiträge: 174
Wohnort: BaWü


S
Beitrag01.05.2019 23:03

von SannyB
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Hallo Inkognito,

ich finde Deine Sätze ebenfalls nicht zu lang (bilde selbst gerne "Bandwurmsätze" wink). Deine Formulierungen sind auf den Punkt und wirken sehr genau ausgefeilt.

Ich würde wahrscheinlich weiterlesen, um mehr über die neue Welt zu erfahren, was geschehen ist, und wie sie sich weiterentwickelt. Es fehlt auch noch der Hintergrund des Geschichtenerzählers, aber dies waren ja auch nur wenige Absätze der Geschichte.

Grüße,
Sanny
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Klemens_Fitte
Geschlecht:männlichSpreu

Alter: 41
Beiträge: 2932
Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag02.05.2019 10:14

von Klemens_Fitte
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Hallo zusammen.

Zunächst einmal vielen Dank an euch fürs Lesen und Kommentieren. Ich hätte nicht gedacht, dass der Text in so kurzer Zeit so viele Rückmeldungen bekommt. Ich gehe mal der Reihe nach durch.

@ Diamond

Durchquälen ist natürlich nicht Sinn der Sache, schade. Die Kommas habe ich nicht gezählt, aber dort gesetzt, wo sie mir korrekt schienen. Ich bin mir nicht sicher, wie sehr ich etwas zu meinem Problem machen kann, das für mich nicht problematisch ist – mich hauen Kommas prinzipiell nicht aus Texten, es sei denn, sie sind grob falsch gesetzt – aber wenn ich mir den Text unter dem Aspekt Schachtelsätze anschaue, gibt es vielleicht die ein oder andere Stelle, die änderungsbedürftig ist.

Diamond hat Folgendes geschrieben:
Ansonsten, postapokalyptische Welt mit irgendwelchen Strahlern, die x-beliebig irgendwo aufleuchten, alles ansaugen, ja... das ist nett, aber langweilig, denn offensichtlich fühlt sich ja niemand von ihnen bedroht oder die Bedrohung hat sich zwischen den Kommas versteckt gehalten, sodass ich sie überlesen habe, könnte auch sein.

Diamond hat Folgendes geschrieben:
Und neue Welt und keine Geschichten, kein Aktionismus, keine Pläne für die Zukunft, keine Lehren aus der Vergangenheit, keine Gerüchte über die Bösewichte oder Verursacher der Katastrophe? Wirklich nix? Dann ist die Geschichte ja zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen hat. Schade.


Ich nehme das mal ein wenig als Aufhänger, um meine Grundidee hinter der Erzählung zu umreißen. Klar, am Ende muss der Text für sich stehen, aber das hier ist ja lediglich der (kurze) Anfang, der kann natürlich noch nicht alles transportieren.
Das Interessante am postapokalyptischen Szenario ist für mich bei dieser Erzählung der Kontrast zur (sozusagen) präapokalyptischen Welt mit ihren Narrativen darüber, wie nah oder fern, wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ein Kollaps der Zivilisation infolge von Klimawandel, Überbevölkerung o.ä. ist, siehe aktuelle Debatten, die Frage nach der Seriosität wissenschaftlicher Studien oder danach, welche Narrative das kollektive Bewusstsein und Handeln prägen. Kurz: Wenn sich die präapokalyptische Welt im sogenannten postfaktischen Zeitalter befindet, was kommt danach – wenn die Fakten geschaffen wurden? Wenn man die Katastrophe stets vor Augen hat und sich nicht in die Illusion flüchten kann, es könnte ja auch anders kommen, es sei alles nicht so schlimm, es betreffe einen nicht etc.
In den meisten Büchern oder Filmen, die in einer postapokalyptischen Welt spielen, gibt es bereits wieder ein (oder mehrere) etablierte Zivilisationsmythen, eine Religion, einen Kult, die meist auf der Um- oder Missdeutung der Relikte der "alten Welt" basieren. Mich interessiert eher der Zustand davor, den ich als einen Zustand der Ernüchterung und der Abwendung von Erzählungen, Mythen etc. schildern möchte.
Es wird also eher keine "Gerüchte über die Bösewichte oder Verursacher der Katastrophe" geben. Ob das realistisch ist, kann ich ebenso wenig sagen wie, ob es eine Erzählung trägt. Ich stehe damit noch sehr am Anfang.

Demzufolge ist auch das Licht, mit dem der Text beginnt, nicht ganz so konkret zu verstehen. Nein, da sind keine merkwürdigen Strahler, und auch die Bedrohung, die unter all dem liegt, ist eher eine, die auf das Selbstverständnis und die Menschlichkeit der Protagonisten wirkt.

Jetzt kann man mir vorwerfen, dass der Text das alles ja nicht rüberbringt – na ja, es sind die ersten anderthalb Seiten einer längeren Erzählung.

@ Kiara

Kiara hat Folgendes geschrieben:
]Mir stellt sich die Frage, was dahinter steckt; was der Autor für ein Werk schreiben möchte.


Vielleicht konnten meine obigen Ausführungen diese Frage ein wenig beantworten. Ich denke, keine Erzählung kommt ohne irgendeine Form von Spannungsaufbau aus, und natürlich wird es auch Protagonisten geben, Dialoge, eine Handlung – auch wenn ich das nicht unbedingt zu meinen Stärken zähle.
Diese Art, eine Erzählung zu beginnen, muss nicht für jeden funktionieren; viele haben es lieber, wenn sie direkt in eine Szene geworfen werden, ein Gespräch belauschen oder Akteure beobachten können. Kann man auch machen. Mache ich meistens nicht.

Kiara hat Folgendes geschrieben:
Mir gefallen die Sätze teils sogar (bis auf die Fehler natürlich).


Danke fürs teilweise Gefallen, aber: Fehler, oh je, die sind in so einem kurzen Text natürlich peinlich. Magst du mich mit der Nase drauf stoßen, ich glaube, ich bin schon betriebsblind.

@ Bananenfischin

Bananenfischin hat Folgendes geschrieben:
Als Leserin werde ich erst mal in eine Art postapokalyptische Welt eingeführt, dann erfahre ich von einer gewissen Linderung, die die alten Geschichten zu verschaffen vermögen, was mir dann gleich wieder genommen wird, weil der Erzähler an seine eigenen Geschichten nicht glaubt.


Im Grunde soll der Anfang auch nicht viel mehr leisten. Ob das dann jeweils dazu führt, dass man weiterliest oder den Text gelangweilt beiseitelegt, ist ja immer die Gretchenfrage.

Bananenfischin hat Folgendes geschrieben:
Inko hat Folgendes geschrieben:
oder wenn ein Schmerz darin lag, dann schien er zumutbar, weil man ihn auf Dutzende Herzen und Köpfe verteilen konnte oder weil er einen vergessen ließ, dass man ein Individuum war.


Hier habe ich mich erst gefragt, ob hier nicht zweimal das Gleiche gesagt wird, aber nein, es ist schon etwas anderes, ob ein Schmerz geteilt wird oder man mit der Gruppe verschmilzt.


Stimmt, das hatte ich beim Schreiben gar nicht auf dem Schirm, dass es ziemlich nach beieinanderliegt. Einen Bedeutungsunterschied sehe ich aber auch.

@ SannyB

SannyB hat Folgendes geschrieben:
Deine Formulierungen sind auf den Punkt und wirken sehr genau ausgefeilt.


Danke dafür. Ich selbst empfinde die Sätze als gar nicht so bandwurmig, aber das kommt wohl auch darauf an, womit man es vergleicht. Ein bisschen (zu) schachtelig sind sie wohl.

SannyB hat Folgendes geschrieben:
Ich würde wahrscheinlich weiterlesen, um mehr über die neue Welt zu erfahren, was geschehen ist, und wie sie sich weiterentwickelt. Es fehlt auch noch der Hintergrund des Geschichtenerzählers, aber dies waren ja auch nur wenige Absätze der Geschichte.


Ja, da sollte und wird natürlich eine Handlung folgen. Also, wenn ich es schaffe, daran weiterzuschreiben – was noch nicht unbedingt in Stein gemeißelt ist.

*

Noch mal ein Dankeschön.
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Diamond
Geschlecht:weiblichEselsohr
D


Beiträge: 280



D
Beitrag02.05.2019 12:29

von Diamond
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Hallo Inko,

Danke für die Erläuterungen. Zu den Kommas, ja, mir sind die Sätze zu verschachtelt. Grundsätzlich stört mich das nicht, wenn sich in einen Text mal ein oder zwei Sätze mit vielen Kommas einschleichen. An Deinem Text besteht aber jeder Absatz aus zwei bis drei Schachtelsätzen. In dieser Fülle ist mir das zu viel. Das entspricht aber nur meinem persönlichen Geschmack und muss nicht für alle Leser gelten. Ein Buch oder eine Geschichte, die von Grund auf so geschrieben ist, würde ich vermutlich nicht lesen, weil ich es auf Dauer als zu anstrengend empfinde. Die Kommas machen Deinen Text qualitativ nicht schlechter, das möchte ich damit nicht sagen, er ist gut geschrieben. Das wäre er aber auch mit weniger Kommas.

LG Diamond
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Klemens_Fitte
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Beitrag03.05.2019 14:09

von Klemens_Fitte
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Diamond hat Folgendes geschrieben:
Die Kommas machen Deinen Text qualitativ nicht schlechter, das möchte ich damit nicht sagen, er ist gut geschrieben. Das wäre er aber auch mit weniger Kommas.


Ich denke seit gestern immer wieder daran herum – aus meiner Sicht machen Kommas erst einmal gar nichts mit einem Text. Sie sind ja nur die logische Folge der Satzstruktur. Wenn ich von einem Text sage, er sei gut geschrieben, dann meine ich damit zunächst die Sprache. Klar, es gibt noch andere Dinge, die einen guten Text auszeichnen können: eine gute Idee, interessante Figuren, eine spannende Handlung etc. – aber das können Filme auch haben, während es einem Text eigen ist, dass er aus Sätzen besteht. Ich hab da so eine Art Credo, was das Schreiben guter Texte angeht: Es beginnt und endet mit der Sprache. Die Sprache beginnt und endet mit dem Satz. Es gibt keine Landschaftsbeschreibungen, keine Dialoge und Actionsequenzen, sondern nur Sätze.

Jedenfalls: würde man bei diesem Text mit weniger Kommas auskommen wollen, müsste man die Sätze ändern, entweder in ihrer Struktur oder indem man sie durch andere Sätze ersetzt. Vor allem dann, wenn die Sätze zu verschachtelt sind. Und ich denke seit gestern immer wieder daran herum, was von einem "gut geschriebenen" Text übrig bleibt, wenn man seine Sätze ändert, bzw. was eben dieses "gut geschrieben" dann letztlich beinhaltet.

Vielleicht drückt sich darin ja nur ein Unterschied im Blick auf das Schreiben aus bzw. wie man sich Sätzen nähert, aber auch das fände ich interessant – also, tatsächlich interessant. Es geht mir hier nicht darum, so lange zu diskutieren, bis man mir bescheinigt, der Text sei gut geschrieben oder meint, man müsste sich einer Mehrheits- oder einer Fremdmeinung fügen.


_________________
100% Fitte

»Es ist illusionär, Schreiben als etwas anderes zu sehen als den Versuch zur extremen Individualisierung.« (Karl Heinz Bohrer)
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Kiara
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Beitrag03.05.2019 14:30

von Kiara
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Es ist schön, zu lesen, dass du nicht diskutieren möchtest, bis du alle überzeugt hast oder selbst überzeugt wurdest. Eine grundsolide Einstellung inmitten eines Forums und mit ein Kern unseres Zusammenseins hier.

Zum Text: Meines Erachtens nach ist deine Satzkonstruktion einfach eine Geschmacksfrage. Zudem eine des Stils - deines Stils. Wenn allen Ratschlägen Folge geleistet werden würde, hätten wir einen literarischen Einheitsbrei. Doch ist es nicht die Vielfalt, die Bücher auszeichnet? Logisch, hätte ich nicht extra schreiben müssen.

Mein Eindruck ist der, dass dein Textauszug nicht in die Mainstream-Kerbe schlägt. Doch es scheint mir so, als ob du das auch gar nicht willst. Das finde ich gut und unterstütze dich darin, auch wenn ich den einen oder anderen Schachtelsatz verändert hätte - was aber nur wiederum meinen Geschmack abbilden und deinen Stil verändern würde - was nicht zwingend nötig ist.
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Diamond
Geschlecht:weiblichEselsohr
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Beiträge: 280



D
Beitrag03.05.2019 21:53

von Diamond
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Inkognito hat Folgendes geschrieben:
würde man bei diesem Text mit weniger Kommas auskommen wollen, müsste man die Sätze ändern, entweder in ihrer Struktur oder indem man sie durch andere Sätze ersetzt. Vor allem dann, wenn die Sätze zu verschachtelt sind. Und ich denke seit gestern immer wieder daran herum, was von einem "gut geschriebenen" Text übrig bleibt, wenn man seine Sätze ändert, bzw. was eben dieses "gut geschrieben" dann letztlich beinhaltet.


Ich würde sagen, damit sind wir bei des Pudels Kern angelangt. Wenn ich darüber nachdenken müsste, wäre die erste Frage, die ich mir stelle, ob eine Änderung der Satzstruktur dem Inhalt qualitativ zur Last fällt. Bei Deinem Text wäre das vermutlich nicht der Fall. In der Konsequenz würden weniger Kommas also erst mal nur bedeuten, dass sich die äußere Form des Textes ändert, dass er sich dann anders liest als vorher, weil Wörter hinzukommen oder auch wegfallen werden, je nachdem.
Weniger Kommas bedeuten aber auch mehr Dynamik, der Text nimmt Tempo auf. Mehr Tempo böte sich hier vielleicht sogar an, weil nach einer Katastrophe Eile geboten ist, alle Welt ist in Aufruhr, eine Ordnung muss (wieder)hergestellt werden usw. Das kann man ja in alle Richtungen denken. Kommas wirken da doch eher wie Bremsbeläge.
Es ist aber wie gesagt auch nur meine Meinung und letztlich bleibt es Dein Text. Wegen meiner Wenigkeit musst Du an ihm nichts verändern. Da es aber in Deinem Kopf rattert, würde ich an Deiner Stelle einen Gegenentwurf schreiben, mit weniger Kommas, um einen direkten Vergleich zu haben. Der ursprüngliche Entwurf geht damit ja nicht verloren und mit etwas zeitlichem Abstand kannst Du dich für eine Version entscheiden oder beide mixen oder... Wie auch immer Du dich dann entscheiden wirst, das Ergebnis muss zuerst Dir gefallen. Was die Meinungen der Leser betrifft, da kannst Du es nie allen recht machen, das sollte also nicht Dein Anspruch sein.

LG Diamond
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schwarzistdiekatz
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 288
Wohnort: Graz


Beitrag04.05.2019 04:59

von schwarzistdiekatz
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Hi Inkognito,

also rein zur Satzlänge: Ich bin z.B. ein Fan vom kurzen, elliptischen Schreiben. Ich hab mal rasch den ersten Absatz in eine solche Richtung skizziert. Rein als Vergleich. Vielleicht gefällt dir ja ein solcher Zugang. Ist allerdings, wie gesagt, nur mein persönlicher Geschmack.

"In diesem Teil der neuen Welt bildete das Licht eine am Zenit stehende Sonne ab. Stundenlang. Zu jeder Zeit. Mit Tagesanbruch war es da. Als hätte jemand einen Strahler eingeschaltet, der am Himmel stand. Riss alles an sich, was es zu fassen bekam. Reglos und unbarmherzig. Die Oberflächen. Die Kanten der Dinge. Trennte sie aus ihrer Umgebung heraus. Bis einem alles vor Augen stand. Deutlich und unleugbar."
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag04.05.2019 09:11

von Jenni
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Inkognito hat Folgendes geschrieben:
aus meiner Sicht machen Kommas erst einmal gar nichts mit einem Text.

Punkt.

So richtig kann ich nur deinem Credo nicht zustimmen, ein Text würde so ausschließlich auf Ebene des Satzes ent- und bestehen. Das klingt, als kämen dabei eitle Sätze heraus, die um ihrer selbst willen existieren, und genau ist auch der erste Eindruck, den dein Text auf mich machte. Es sind schöne Sätze, und da ist etwas Interessantes in dem Text natürlich, was mich ihn inzwischen mehrere Male wieder zu lesen zwang (um mir klarzumachen, was das Interessante daran ist), aber ein bisschen habe ich auch jetzt noch das Gefühl, die Sätze verbergen mehr als dass sie transportieren. Also, für mich muss die Sprache den Inhalt transportieren, das vorweg (immer noch zu deinem Credo und nicht als Urteil darüber, ob deine Sätze das letztlich tun oder nicht).

Dein Text fordert mir schon im ersten Satz eine enorme Konzentration ab, und das bleibt mehr oder weniger bis zum Ende dieses Ausschnitts so. Bringe ich diese Konzentration auf, dann entstehen da grandiose Bilder - die inhaltlich in einem auffällig hohen Kontrast zur Sprache stehen. Hier die Sätze, ausgestaltet, metaphorisch, sich Zeit nehmend, umschreibend, überhöhend - und dort das Bild einer Ödnis, Gleichgültigkeit und der völligen Aufgabe jeglichen Bemühens. Niemand in deinem dystopischen Szenario macht sich die Mühe, etwas in Worte zu fassen, niemand macht sich noch Illusionen über das Nichts. Der Text selbst jedoch, eine einzige große Illusion. Am Schluss steht der Geschichtenerzähler, einer der wenigen verbliebenen Menschen, die noch einen Wert darin sehen, von der alten Welt zu erzählen, die im Gegensatz nur neuen voller Geschichten sei. Und damit die große Frage: Rechtfertigt diese Person des Geschichtenerzählers nun die überhöhte Sprache, in der mir die Geschichte der neuen Welt erzählt wird. Glaubt man ihm selbst, dann lautet die Antwort: nein. Er glaube nämlich selbst nicht mehr an seine Geschichten, sagt er, und es gehe nur darum, ihm ein Bett über dem Kopf zu verschaffen. In dem Fall würde er seine Geschichten aber eindeutig und ausschließlich für die und im Interesse der Menschen der neuen Welt erzählen. Es würde Sinn machen, eine Sprache zu wählen, die nicht exklusiv ist, sondern im Gegenteil jedermann erreicht und die alte Welt den Gegebenheiten der neuen Welt anpasst. Eine Sprache der neuen Welt also. Und das exakte Gegenteil dessen, was der Text macht, der die neue Welt in eine überhöhte Form der Sprache der alten Welt zwingt. Das Interessante am Text also nun, aus meiner Sicht: Lügt der Erzähler. Hängt er entgegen seiner Aussage noch immer der alten Welt und ihren Geschichten an, lebt er eigentlich noch in der alten Welt und - in dem Falle, was machst du daraus?

Unter dieser Annahme jedenfalls interessiert mich der Text und möchte ich gerne wissen, wo er weiter hinführen wird. Täuschte ich mich, und du stelltest tatsächlich nur die Sprache so deutlich über den Inhalt, wie du es in deinem „Credo“ formulierst, dann  - interessierte er mich nicht.
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Gast







Beitrag04.05.2019 09:25

von Gast
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Liebe Inko,

schwarzistdiekatz hat Folgendes geschrieben:
Hi Inkognito,

also rein zur Satzlänge: Ich bin z.B. ein Fan vom kurzen, elliptischen Schreiben. Ich hab mal rasch den ersten Absatz in eine solche Richtung skizziert. Rein als Vergleich. Vielleicht gefällt dir ja ein solcher Zugang. Ist allerdings, wie gesagt, nur mein persönlicher Geschmack.

"In diesem Teil der neuen Welt bildete das Licht eine am Zenit stehende Sonne ab. Stundenlang. Zu jeder Zeit. Mit Tagesanbruch war es da. Als hätte jemand einen Strahler eingeschaltet, der am Himmel stand. Riss alles an sich, was es zu fassen bekam. Reglos und unbarmherzig. Die Oberflächen. Die Kanten der Dinge. Trennte sie aus ihrer Umgebung heraus. Bis einem alles vor Augen stand. Deutlich und unleugbar."


Hier treffen zwei Extreme aufeinander. Während deine Sätze für mein Empfinden viel zu verschachtelt sind und man sich, überspitzt gesagt, mittendrin fragt, wo nochmal der Hauptsatz war, damit man den Sinn nicht verliert, klingt der Vorschlag von Schwarzistdiekatz extrem abgehackt (Huch, das ist ansteckend). Weder das eine noch das andere lässt einen angenehmen Lesefluss aufkommen.

Hinzu kommt, dass mir die Schrift und der Blocksatz überhaupt nicht gefallen. Das ist jetzt nur eine rein optische Sache und ändert natürlich nichts am Inhalt, aber für mich wird dadurch der Effekt deiner Schachtelsätze noch verstärkt. Weshalb hast du diese Form gewählt?

Dennoch gefällt mir der ruhige Aufbau deiner Erzählung, auch der kleine "Kameraschwenk", als im letzten Abschnitt die Perspektive des Ich-Erzählers auftaucht. Ich würde gerne eine Geschichte dieses Erzählers hören und erfahren, wie es zu diesem Zustand gekommen ist. Allerdings wäre es für mich anstrengend, wenn du diesen Bandwurmstil beibehältst.

Was mich von Anfang an gepackt hat, ist deine Überschrift Daumen hoch . Die ist einfach genial, denn ich frage mich unwillkürlich, was mit feindfrau 1 passiert ist. Womöglich spielt sie gar keine Rolle in deiner Erzählung? Macht jedenfalls neugierig auf mehr!

LG Katinka
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Valentin
Geschlecht:männlichLeseratte

Alter: 39
Beiträge: 177



Beitrag04.05.2019 10:53

von Valentin
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Hallo Inkognito,

vorweg, ich habe die Kommentare nicht gelesen. Das raubt mir meist den eigenen Eindruck, deshalb gibt es hier eventuell einige Dopplungen.

Die gewählte Sprache mit den unzähligen Einschüben gefällt mir sehr, auch wenn ich selbst so nicht schreiben würde - dafür bin ich zu unsicher im Umgang mit den sprachlichen Werkzeugen. Es hat für mich etwas, ich nenne es jetzt mal, episches und ich will wissen, wie es weitergeht.
Gleichzeitig stellte sich bei mir ab Paragraph drei das Gefühl ein, dass mit der Wortgewalt etwas verdeckt werden soll. Ich will jetzt nicht soweit gehen und sagen, da will jemand über profane Gedanken hinwegtäuschen. Das Gefühl habe ich wirklich nicht.
Vielleicht ist es der Kontrast zwischen der grandiosen Sprache und den dumpfen, dämmrigen Gemütern der Menschen, die diese Welt bevölkern. Ich weiß es nicht. Will der Geschichtenerzähler mit dieser Sprache die Gemüter aus der Lethargie reißen? Ich weiß es nicht. Vielleicht macht aber genau dieses - ich weiß es nicht - den Reiz für mich aus.

Jetzt habe ich viel Geschwafelt, ohne wirklich etwas Substanzielles beizusteuern. Irgendwie konnte ich nicht weitergehen, ohne das loszuwerden. Sorry.

Apropos an einer Stelle habe ich mich gefragt, ob der Witz gewollt ist. Du startest mit:

Zitat:
Das Licht in diesem Teil der neuen Welt besaß die Eigenschaft, jederzeit eine am Zenit stehende Sonne abzubilden

um dann in Paragraph drei, das zu bringen:
Zitat:
bei Licht betrachtet


Ich musste zumindest darüber schmunzeln.

BG
Calvin
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Klemens_Fitte
Geschlecht:männlichSpreu

Alter: 41
Beiträge: 2932
Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag04.05.2019 11:14

von Klemens_Fitte
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Wow, hier kam ja wieder Einiges zusammen. Freut mich, danke euch.

Ich versuche es wieder der Reihe nach.

@ Kiara

Kiara hat Folgendes geschrieben:
Mein Eindruck ist der, dass dein Textauszug nicht in die Mainstream-Kerbe schlägt. Doch es scheint mir so, als ob du das auch gar nicht willst.


Hm … ich glaube, da müsste man erst mal definieren, was mit Mainstream gemeint ist. So im luftleeren Raum ist das schwierig. Wenn es da um so etwas wie Reichweite, Verkaufszahlen oder Publikumspotential geht, würde ich sagen, dass das von anderen Faktoren sehr viel stärker abhängt als von der Sprache. Aber was weiß ich schon.

@ Diamond

Diamond hat Folgendes geschrieben:
Wenn ich darüber nachdenken müsste, wäre die erste Frage, die ich mir stelle, ob eine Änderung der Satzstruktur dem Inhalt qualitativ zur Last fällt. Bei Deinem Text wäre das vermutlich nicht der Fall. In der Konsequenz würden weniger Kommas also erst mal nur bedeuten, dass sich die äußere Form des Textes ändert, dass er sich dann anders liest als vorher, weil Wörter hinzukommen oder auch wegfallen werden, je nachdem.


Ich tue mich schwer damit, die Sprache eines Textes als äußere Form zu bezeichnen, dafür sind Sprache und Inhalt für mich viel zu sehr miteinander verknüpft. Das geht so weit, dass ich überhaupt keine Ahnung habe, woran ich das entscheiden sollte, ob "eine Änderung der Satzstruktur dem Inhalt qualitativ zur Last fällt" – was ist da die Qualität, die ich vergleichen sollte? Und was ist dieses "gut geschrieben", das unverändert bleibt, wenn man die "äußere Form" ändert?
Bin da etwas ratlos.

Diamond hat Folgendes geschrieben:
Weniger Kommas bedeuten aber auch mehr Dynamik, der Text nimmt Tempo auf. Mehr Tempo böte sich hier vielleicht sogar an, weil nach einer Katastrophe Eile geboten ist, alle Welt ist in Aufruhr, eine Ordnung muss (wieder)hergestellt werden usw. Das kann man ja in alle Richtungen denken. Kommas wirken da doch eher wie Bremsbeläge.


Auch mit der (pauschalen) Aussage, ein Text nehme mit weniger Kommas mehr Tempo auf, tue ich mich schwer. Ich denke schon, dass es möglich ist, einen undynamischen Text mit wenig Kommas und einen dynamischen Text aus Schachtelsätzen zu schreiben – aber unabhängig davon: nein, der Aufruhr nach der Katastrophe, die Eile, das Chaos, das ist nicht das, was mich interessiert. Ich denke, zumindest das macht der Anfang doch sehr deutlich?
Ich weiß, du hast das anders gemeint, aber: wie eine Menschheit in Aufruhr versucht, eine Ordnung wiederherzustellen, und dabei von Kommas ausgebremst wird, ist eine ziemlich lustige Vorstellung.
Klar, ich könnte jetzt einen Protagonisten erfinden, den ich zusammen mit dem Leser mitten in diesen Aufruhr werfe, könnte schildern, wie er versucht, sich zurechtzufinden, temporeich und dramatisch, möglichst dicht an seiner Perspektive … ach, ich glaube, das können andere sehr viel besser als ich, und die haben da auch mehr Interesse dran.

@ schwarzistdiekatz

Ja, das kann natürlich spannend sein, es so im Vergleich zu lesen. Danke für die Mühe – aber um deine Frage zu beantworten:

schwarzistdiekatz hat Folgendes geschrieben:
Vielleicht gefällt dir ja ein solcher Zugang.


Wenn damit der skizzierte Text gemeint ist: Nein, nicht wirklich. Wobei ich glaube, dass das nicht an dir liegt oder daran, dass ich mit einem parataktischen Stil grundsätzlich nichts anfangen könnte – schreibe mitunter auch gerne so – sondern am Material, das dir zur Verfügung stand und das auf diese Weise einfach nicht funktioniert. Wollte man kurze Sätze schreiben, müsste man das, was der Text erzählen möchte, noch einmal ganz anders angehen, damit Sprache und Inhalt nicht derart offensichtlich auseinanderklaffen.

Edit: Wobei ich hinzufügen muss, dass ich zufälligerweise die andere "Skizze" von dir im Faden von Thomas74 gelesen habe, und die fand ich noch problematischer. Vielleicht habe ich wirklich ein grundsätzliches Problem mit diesem Stil, der erinnert mich zu sehr an Einfache Sprache.

@ Jenni

Jenni hat Folgendes geschrieben:
So richtig kann ich nur deinem Credo nicht zustimmen, ein Text würde so ausschließlich auf Ebene des Satzes ent- und bestehen.


Es ist ja mehr oder weniger die Auseinandersetzung mit diesem Standpunkt, von der aus du dir deine Rückmeldung erschließt – und jetzt habe ich sofort das Problem, dass ich diesen Standpunkt nicht vertrete.
Es beginnt und endet mit der Sprache – da ist kein Wort darüber gesagt, was zwischendrin passiert; all das, was einen Text natürlich auch ausmacht, ausmachen muss, was aber ohne seine sprachliche Form nicht erzählbar wäre. Deine Lesart des Textes ist, wie sie ist, klar, und daran wird der Text nicht unschuldig sein. Andererseits weiß ich eben nicht, wie sehr deine Sicht auf den Text davon geprägt ist, was du auf Verfasserseite als Standpunkt vermutest (den ich, noch mal, gar nicht vertrete).

Jenni hat Folgendes geschrieben:
In dem Fall würde er seine Geschichten aber eindeutig und ausschließlich für die und im Interesse der Menschen der neuen Welt erzählen. Es würde Sinn machen, eine Sprache zu wählen, die nicht exklusiv ist, sondern im Gegenteil jedermann erreicht und die alte Welt den Gegebenheiten der neuen Welt anpasst.


Wer sagt, dass er das nicht tut? Bis jetzt haben wir ihn noch nicht dabei beobachtet, wie er seinen Mitmenschen eine Geschichte erzählt.
Natürlich wäre das hier

Jenni hat Folgendes geschrieben:
Das Interessante am Text also nun, aus meiner Sicht: Lügt der Erzähler. Hängt er entgegen seiner Aussage noch immer der alten Welt und ihren Geschichten an, lebt er eigentlich noch in der alten Welt und - in dem Falle, was machst du daraus?


eine spannende Ausgangsposition für einen Erzähler, der sich auch am Text verändert und sich in diesem zu erkennen gibt. Wie gesagt, es ist alles noch in der Findungsphase. Wenn ich aber sehe, wie komplex (bis unlesbar) die Sprache dieses Ausschnitts wahrgenommen wird, frage ich mich schon, ob das überhaupt ein gangbarer Weg wäre.

Jenni hat Folgendes geschrieben:
Dein Text fordert mir schon im ersten Satz eine enorme Konzentration ab


Das Licht in diesem Teil der neuen Welt besaß die Eigenschaft, jederzeit eine am Zenit stehende Sonne abzubilden; mit Tagesanbruch war es da, als hätte jemand einen Baustrahler eingeschaltet, der in den folgenden Stunden reglos und unbarmherzig am Himmel stehen würde.

Wenn das bereits ein Satz ist, der enorme Konzentration erfordert, dann muss ich wohl Grundsätzliches überdenken.

@ Katinka2.0

Zitat:
Hinzu kommt, dass mir die Schrift und der Blocksatz überhaupt nicht gefallen. Das ist jetzt nur eine rein optische Sache und ändert natürlich nichts am Inhalt, aber für mich wird dadurch der Effekt deiner Schachtelsätze noch verstärkt. Weshalb hast du diese Form gewählt?


Um ehrlich zu sein, die Form habe ich gewählt, um die Lesbarkeit zu erhöhen. Ich empfinde das normale DSFo-Format einem solchen Text gegenüber als noch viel ungnädiger; dass es in deinem Fall das Gegenteil bewirkt hat, tut mir leid.

Freut mich, dass dir die Überschrift gefällt. Hoffentlich kann der Text das geweckte Interesse irgendwann rechtfertigen.
Ich kann zwar immer noch nicht sagen, wann/wie ich daran weiterschreiben werde, aber den Anfang, insbesondere die Abschnitte 2 und 3 mit ihren schachteligen Schachtelsätzen werde ich definitiv überdenken.

Vielen Dank nochmals.


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schwarzistdiekatz
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Beitrag04.05.2019 12:01

von schwarzistdiekatz
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Hi Ingoknito,

ja, grundsätzlich hat jeder so seinen Geschmack und seine Vorlieben - samt zugrundeliegende Ambitionen. Mein Ansatz war auch eher so gemeint, dich vielleicht ein wenig von den verschachtelten Sätzen wegzuziehen. War eher mit einem Zwinkern gemeint und natürlich absichtlich stark elliptisch.

Also grundlegend denke ich, dass diejenigen von uns, die hier an "Kommas etc." ein wenig Kritik übten eher meinten, dass es manchmal einfacher und fließender zu lesen ist, wenn man z.B. einen Beistrich mit einem Punkt ersetzt und so Sätze etwas verkürzt. Genau genommen ist aber der Stil immer auch "im Ohr des Betrachters", der je nach Lese-Aufnahmegewohnheiten für Rhythmus sorgt. Gilt meiner Meinung nach für einen Schreibstil wie deinen oder auch einen mit sehr kurzen Sätzen/Einschüben. Wird von jedem anders aufgenommen (Wie lese/höre ich ein Komma, einen Punkt, einen Doppelpunkt, einen Strichpunkt, einen Gedankenstrich etc.). Darum glaube ich, dass in der Praxis ein Mittelweg gut ist, der möglichst viele abholt und doch die Präferenzen des Autors widerspiegelt. Und auf Letzteres (also den Grundstil des Autors) sollte auch bei einem Lektorat Rücksicht genommen werden. Dann würde ich wahrscheinlich folgendes vorschlagen: Wink


"Das Licht in diesem Teil der neuen Welt besaß die Eigenschaft, jederzeit eine am Zenit stehende Sonne abzubilden. Mit Tagesanbruch war es da, als hätte jemand einen Baustrahler eingeschaltet, der in den folgenden Stunden reglos und unbarmherzig am Himmel stand. Es (War eh das Licht gemeint und nicht der Strahler, oder?) riss alles an sich, das es zu fassen bekam: die Oberflächen, die Kanten der Dinge, und trennte sie aus seiner Umgebung heraus, bis es (Was ist hier "es"? Das Licht? Das "Alles"?) einem deutlich und unleugbar vor Augen stand.
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Jenni
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Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag04.05.2019 12:20

von Jenni
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Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Andererseits weiß ich eben nicht, wie sehr deine Sicht auf den Text davon geprägt ist, was du auf Verfasserseite als Standpunkt vermutest (den ich, noch mal, gar nicht vertrete).

Da kann ich dich in zweierlei Hinsicht beruhigen: Erstens habe ich den Text zuerst gelesen, Tage vor deiner von mir wie auch immer interpretierten Äußerung deines Standpunktes zur Stellung des Satzes im Text. Zweitens: Hättest du meinen Kommentar ebenso genau und vorurteilsfrei gelesen, dann hättest du dir aus meiner Verwendung des Konjunktiv II schließen können, dass ich letztlich nicht davon ausging, du würdest diesen Standpunkt tatsächlich vertreten. (Wenn ich dir damit jetzt irgendetwas unterstellen sollte, dann allein aus rhetorischen Gründen.)

Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Bis jetzt haben wir ihn noch nicht dabei beobachtet, wie er seinen Mitmenschen eine Geschichte erzählt.

Ganz genau. Wir haben ihn dabei beobachtet, wie er uns eine Geschichte erzählt. Wenn sich daraus keine Rückschlüsse darauf ziehen lassen, wie er seinen Mitmenschen eine Geschichte erzählt, dann hab mal besser einen guten Grund dafür. Darauf wollte ich hinaus. (Wenn allerdings die Art, wie er uns eine Geschichte erzählt, sich überhaupt nicht in der Geschichte begründet, dann brauchen wir gar nicht weiterreden. Darauf hinaus auch.)


Aus Gründen wollte ich eigentlich nie wieder mit einem Inkognito diskutieren, konnte es nur nicht aushalten, dass hier sprachliche Aspekte des Textes unabhängig von seinem Ziel und Inhalt diskutiert werden, ganz als hätte beides nichts miteinander zu tun. Ich warte jetzt erstmal ab, wer du bist.
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Klemens_Fitte
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Beitrag05.05.2019 18:17

von Klemens_Fitte
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@ Calvin Tower

Sorry, dein Kommentar ist mir gestern durchgerutscht, da war ich schon im Antwortfenster. Freut mich, dass dir die Sprache gefällt – mir ist schon klar, dass es da im Detail noch Einiges zu verbessern gibt, der Text steht ja nicht ohne Grund in der Werkstatt, aber ich glaube schon, dass ich an dieser Sprache festhalten möchte.

Calvin Tower hat Folgendes geschrieben:
Gleichzeitig stellte sich bei mir ab Paragraph drei das Gefühl ein, dass mit der Wortgewalt etwas verdeckt werden soll. Ich will jetzt nicht soweit gehen und sagen, da will jemand über profane Gedanken hinwegtäuschen. Das Gefühl habe ich wirklich nicht.
Vielleicht ist es der Kontrast zwischen der grandiosen Sprache und den dumpfen, dämmrigen Gemütern der Menschen, die diese Welt bevölkern. Ich weiß es nicht. Will der Geschichtenerzähler mit dieser Sprache die Gemüter aus der Lethargie reißen? Ich weiß es nicht. Vielleicht macht aber genau dieses - ich weiß es nicht - den Reiz für mich aus.


Ich weiß nicht, ob du inzwischen gelesen hast, was ich oben über die Grundidee hinter dem Text schrieb. Ob das Endergebnis dann profund oder profan wird, wird sich wohl erst im Weiteren zeigen.

Calvin Tower hat Folgendes geschrieben:
Apropos an einer Stelle habe ich mich gefragt, ob der Witz gewollt ist. Du startest mit:

Zitat:
Das Licht in diesem Teil der neuen Welt besaß die Eigenschaft, jederzeit eine am Zenit stehende Sonne abzubilden

um dann in Paragraph drei, das zu bringen:
Zitat:
bei Licht betrachtet


Ja, das war beabsichtigt. Fügt dem Satz natürlich noch einmal einen Einschub hinzu und ist insofern vielleicht auch wieder problematisch.

@ schwarzistdiekatz

schwarzistdiekatz hat Folgendes geschrieben:
Also grundlegend denke ich, dass diejenigen von uns, die hier an "Kommas etc." ein wenig Kritik übten eher meinten, dass es manchmal einfacher und fließender zu lesen ist, wenn man z.B. einen Beistrich mit einem Punkt ersetzt und so Sätze etwas verkürzt.


Davon gehe ich auch aus. Mir stellt sich halt oft die Frage, ob das ein Reflex ist – dem Bildschirmlesen/Lesen im Forum und dem Gedanken der Textarbeit geschuldet – jeden Satz anzukreiden, der eine gewisse Länge überschreitet. Und da frage ich dann gern noch mal nach. Im Vergleich zu den Dingen, die ich in letzter Zeit geschrieben habe, sind die Sätze hier sogar eher kurz. Sie sind aber, das sehe ich (inzwischen) auch, sehr verschachtelt.

schwarzistdiekatz hat Folgendes geschrieben:
Genau genommen ist aber der Stil immer auch "im Ohr des Betrachters", der je nach Lese-Aufnahmegewohnheiten für Rhythmus sorgt. Gilt meiner Meinung nach für einen Schreibstil wie deinen oder auch einen mit sehr kurzen Sätzen/Einschüben. Wird von jedem anders aufgenommen (Wie lese/höre ich ein Komma, einen Punkt, einen Doppelpunkt, einen Strichpunkt, einen Gedankenstrich etc.).


Auch da stimme ich zu. Zumal ich glaube, dass das Forums- oder Textarbeitslesen ein ganz spezielles ist, eines, das nach Stolperstellen sucht (und sie ja auch suchen soll) und daher oft stolpert, worüber man im "normalen" Lesen hinweglesen würde.

Natürlich verändert sich ein Text im Lektorat – wobei das aus meiner Sicht eine Form der Auseinandersetzung mit einem Text ist, die sehr von den beiden Beteiligten, Lektor und Autor, abhängt, davon, wie gut beide den (ganzen) Text und die Absichten und Ziele dahinter kennen. Im Forum (und anhand eines kurzen Ausschnitts) ist so etwas kaum zu leisten.

schwarzistdiekatz hat Folgendes geschrieben:
"Das Licht in diesem Teil der neuen Welt besaß die Eigenschaft, jederzeit eine am Zenit stehende Sonne abzubilden. Mit Tagesanbruch war es da, als hätte jemand einen Baustrahler eingeschaltet, der in den folgenden Stunden reglos und unbarmherzig am Himmel stand. Es (War eh das Licht gemeint und nicht der Strahler, oder?) riss alles an sich, das es zu fassen bekam: die Oberflächen, die Kanten der Dinge, und trennte sie aus seiner Umgebung heraus, bis es (Was ist hier "es"? Das Licht? Das "Alles"?) einem deutlich und unleugbar vor Augen stand.


stand ist für mich sinnentstellend bzw. leistet der Lesart Vorschub, nach der da wirklich Baustrahler am Himmel leuchten? Deshalb, klar, ist das Licht gemeint, aber weil es ganz am Anfang des Einstiegssatzes steht, hielt ich es nicht für verkehrt, es zu wiederholen. Zumal das es, das im weiteren Verlauf des Satzes immer wieder auftaucht, sich nicht auf das Licht bezieht; es wäre also mit dieser Änderung doppelt besetzt.
Auf alles im Hauptsatz folgt meines Wissens immer was, nicht dasdas nur bei konkret Benanntem.
Der Doppelpunkt funktioniert für mich nicht, weil die Oberflächen, die Kanten der Dinge nur ein Einschub bzw. eine Konkretisierung für alles ist – mit Doppelpunkt muss man ja, wie du es getan hast, mit sie weitermachen und dann wieder zum es wechseln. Das sehe ich den Vorteil gegenüber der zusätzlich gestifteten Verwirrung nicht.

@ Jenni

Jenni hat Folgendes geschrieben:
Hättest du meinen Kommentar ebenso genau und vorurteilsfrei gelesen, dann hättest du dir aus meiner Verwendung des Konjunktiv II schließen können, dass ich letztlich nicht davon ausging, du würdest diesen Standpunkt tatsächlich vertreten.


Ja, das war wohl tatsächlich ein Missverständnis meinerseits, sorry. Mir ist natürlich klar, dass mein "Credo" bestimmte Rückschlüsse zulässt, aber eigentlich will ich damit ja das verteidigen, was dir auch wichtig scheint, also die Untrennbarkeit von Sprache und Inhalt. Ich kann Sprache eben nicht als die äußere Hülle eines Textes betrachten und meinen, wenn ich die Sätze ändere, dann bleibt das, was ich erzähle, gleich.

Jenni hat Folgendes geschrieben:
Ganz genau. Wir haben ihn dabei beobachtet, wie er uns eine Geschichte erzählt. Wenn sich daraus keine Rückschlüsse darauf ziehen lassen, wie er seinen Mitmenschen eine Geschichte erzählt, dann hab mal besser einen guten Grund dafür. Darauf wollte ich hinaus.


Ja, verstehe. Ich werde auf jeden Fall versuchen, das im Hinterkopf zu behalten. Wie das mit dem Erzählen der Geschichten, mit der ganzen Rolle des Ich-Erzählers in der Erzählung selbst funktioniert … ich habe ja noch gar keine Ahnung.

Noch einmal ein Dankeschön.


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Beitrag05.05.2019 18:34

von schwarzistdiekatz
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"Auf alles im Hauptsatz folgt meines Wissens immer was, nicht das – das nur bei konkret Benanntem."

Gott verdammt. Hab gehofft, es würde durchgehen. Ich finde nämlich diese Regel (die ja leider so noch immer verbreitet wird und formal stimmt) furchtbar. "Das Angebot, das" ist offiziell richtig. "Das Schöne, das" nicht. Für mich eine dumme Regel, die nur besteht um das-das zu vermeiden a la "Das, das ich sah". Finde ein "was" im Nebensatz, das (oder doch was? Wink) etwas "Größeres" beschreibt furchtbar, außer man will umgangssprachlich wirken. Aber, klar. Nach "Gesetz" richtig. Freu mich immer, wenn ich es bei meinen Verlagslektoren durchbekomme. Wenn ich selber lektoriere, schreib ich in Kommentaren dazu, dass es laut Diktion falsch ist, aber meine Empfehlung. Tja, wie auch immer. Respekt. Hast mich eiskalt erwischt Wink
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Beitrag05.05.2019 19:13

von Klemens_Fitte
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Tja Laughing

Was soll ich dazu sagen außer: viel Erfolg mit deinen Verlagslektoren.
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schwarzistdiekatz
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Beitrag05.05.2019 19:19

von schwarzistdiekatz
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Inkognito hat Folgendes geschrieben:
Tja Laughing

Was soll ich dazu sagen außer: viel Erfolg mit deinen Verlagslektoren.


Allermeisten sind eh stur Wink
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Klemens_Fitte
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Beitrag07.05.2019 15:10
Re: feindfrau 2
von Klemens_Fitte
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Ich habe mich mal an einer überarbeiteten Version versucht. Ob sie eine Verbesserung darstellt, fällt mir schwer einzuschätzen, dazu bin ich wahrscheinlich zu nah am Text. Ich denke aber schon, den Text etwas geglättet zu haben.

Ich hänge mal zwei Versionen an, inhaltlich gleich, einmal formatiert und einmal im üblichen Forumsformat.






Das Licht in diesem Teil der neuen Welt ließ uns stets an eine im Zenit stehende Sonne glauben. Mit Tagesanbruch war es da, als hätte jemand einen Baustrahler eingeschaltet, der in den folgenden Stunden reglos und unbarmherzig am Himmel stehen würde. Dieses Licht riss alles an sich, was es zu fassen bekam, die Oberflächen, die Kanten der Dinge, und trennte es aus seiner Umgebung heraus, bis es uns deutlich und unleugbar vor Augen stand.

Nicht dass einer von uns diesen oder ähnliche Gedanken in Worte gefasst hätte, sich selbst oder anderen gegenüber – zu unsinnig schien es, Dinge begreifen zu wollen, die längst begriffen waren. Man suchte also nicht nach Worten, sondern nach Nahrung, huschte von Deckung zu Deckung oder band sich das eigene Hab und Gut auf den Rücken und folgte in einer quälenden Langsamkeit den Schlagschatten der Wolkenkratzer und Brückenpfeiler, die wie letzte Relikte einer vergangenen Ordnung aus der Ödnis ragten.

Und so waren es nicht der Kampf um die letzten Ressourcen oder das damit einhergehende Misstrauen, die alles umfassende Präsenz von Hunger und Durst, die uns zunehmend voneinander trennten, sondern eine Ernüchterung und Sprachlosigkeit, aus der sich keiner zu lösen vermochte; als wäre es, bei Licht betrachtet, unmöglich, sich noch irgendeiner Form der kollektiven Täuschung hinzugeben, irgendeiner Illusion, einem Trost, in dem das Wissen um unsere Situation hätte verschwinden können – so dass die meisten von uns sich damit begnügten, in einem dämmrigen Zustand auf den Einbruch der Nacht zu warten, die mit ihren namen- und gestaltlosen Schrecken geradezu erträglich wirkte.

Manchmal kam es vor, dass jemand eine Geschichte aus der alten Welt erzählte – Geschichten aus der neuen Welt gab es nicht – und sich die anderen in den wohltuenden Schatten drängten, den die Worte auf das Heute warfen. Dann schien es für eine Weile so, als gäbe es ein Hinsehen und Begreifen ohne Schmerz, oder wenn ein Schmerz darin lag, dann schien er zumutbar, weil man ihn auf Dutzende Herzen und Köpfe verteilen konnte oder weil er einen vergessen ließ, dass man ein Individuum war.

Und doch: Hatte die Geschichte ihr Ende gefunden, hinterließ sie meist nichts als ein vages Bild, einen Gedanken oder eine Empfindung, die im Licht des nächsten Tages unweigerlich verblassten; kaum verwunderlich, dass man in den Geschichtenerzählern wenig mehr als Exzentriker sah, die selbst unter den übrigen Vagabunden einen zweifelhaften Ruf genossen. Bestenfalls hielt man sie für Spinner, nicht willens oder fähig zu akzeptieren, dass es längst nichts mehr zu erzählen gab.

Ich empfand den besonderen Argwohn, den man diesen Menschen entgegenbrachte, als durchaus gerechtfertigt – schließlich war ich einer von ihnen. Und wenn ich nicht mehr an meine Mitmenschen glaubte, glaubte ich an meine Geschichten noch weniger, es sei denn, sie brachten mir eine Mahlzeit oder eine Unterkunft ein; dann konnte ich mich für einen Tag mit ihnen versöhnen.


*

Das Licht in diesem Teil der neuen Welt ließ uns stets an eine im Zenit stehende Sonne glauben. Mit Tagesanbruch war es da, als hätte jemand einen Baustrahler eingeschaltet, der in den folgenden Stunden reglos und unbarmherzig am Himmel stehen würde. Dieses Licht riss alles an sich, was es zu fassen bekam, die Oberflächen, die Kanten der Dinge, und trennte es aus seiner Umgebung heraus, bis es uns deutlich und unleugbar vor Augen stand.

Nicht dass einer von uns diesen oder ähnliche Gedanken in Worte gefasst hätte, sich selbst oder anderen gegenüber – zu unsinnig schien es, Dinge begreifen zu wollen, die längst begriffen waren. Man suchte also nicht nach Worten, sondern nach Nahrung, huschte von Deckung zu Deckung oder band sich das eigene Hab und Gut auf den Rücken und folgte in einer quälenden Langsamkeit den Schlagschatten der Wolkenkratzer und Brückenpfeiler, die wie letzte Relikte einer vergangenen Ordnung aus der Ödnis ragten.

Und so waren es nicht der Kampf um die letzten Ressourcen oder das damit einhergehende Misstrauen, die alles umfassende Präsenz von Hunger und Durst, die uns zunehmend voneinander trennten, sondern eine Ernüchterung und Sprachlosigkeit, aus der sich keiner zu lösen vermochte; als wäre es, bei Licht betrachtet, unmöglich, sich noch irgendeiner Form der kollektiven Täuschung hinzugeben, irgendeiner Illusion, einem Trost, in dem das Wissen um unsere Situation hätte verschwinden können – so dass die meisten von uns sich damit begnügten, in einem dämmrigen Zustand auf den Einbruch der Nacht zu warten, die mit ihren namen- und gestaltlosen Schrecken geradezu erträglich wirkte.

Manchmal kam es vor, dass jemand eine Geschichte aus der alten Welt erzählte – Geschichten aus der neuen Welt gab es nicht – und sich die anderen in den wohltuenden Schatten drängten, den die Worte auf das Heute warfen. Dann schien es für eine Weile so, als gäbe es ein Hinsehen und Begreifen ohne Schmerz, oder wenn ein Schmerz darin lag, dann schien er zumutbar, weil man ihn auf Dutzende Herzen und Köpfe verteilen konnte oder weil er einen vergessen ließ, dass man ein Individuum war.

Und doch: Hatte die Geschichte ihr Ende gefunden, hinterließ sie meist nichts als ein vages Bild, einen Gedanken oder eine Empfindung, die im Licht des nächsten Tages unweigerlich verblassten; kaum verwunderlich, dass man in den Geschichtenerzählern wenig mehr als Exzentriker sah, die selbst unter den übrigen Vagabunden einen zweifelhaften Ruf genossen. Bestenfalls hielt man sie für Spinner, nicht willens oder fähig zu akzeptieren, dass es längst nichts mehr zu erzählen gab.

Ich empfand den besonderen Argwohn, den man diesen Menschen entgegenbrachte, als durchaus gerechtfertigt – schließlich war ich einer von ihnen. Und wenn ich nicht mehr an meine Mitmenschen glaubte, glaubte ich an meine Geschichten noch weniger, es sei denn, sie brachten mir eine Mahlzeit oder eine Unterkunft ein; dann konnte ich mich für einen Tag mit ihnen versöhnen.
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