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mein Einstand


 
 
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antaris
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Alter: 22
Beiträge: 3



A
Beitrag29.04.2019 15:18
mein Einstand
von antaris
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es sollte der Anfang eines Buches werden, aber aller Anfang ist schwer. Ich schnipple bestimmt schon zwei Wochen daran rum, aber jedes Mal gefällt mir etwas anderes nicht. Wäre also über jede objektive Meinung glücklich.

Vielen Dank!
---------------------------------------------------------------------------
Das Gejaule des Martinshorns drang dumpf zu mir herunter. Ich schluckte, aber der Druck auf meinen Ohren ließ nicht nach. Etwas Flüssiges rann aus einem und verteilte sich langsam auf meinem Hals.  Ich wurde auf dem schmalen Metallgestell hin und her geschüttelt. Irgendwo dort über meiner Stirn spürte ich die Wunde. Der straffe Verband ließ mich glauben, dass nur er meinen Schädel zusammenhielt. Die Sanitäter hatten sich alle Mühe gegeben die Blutung unter den besorgten Augen meiner Freunde zu stoppen. Die Meute war ganz ruhig gewesen, beunruhigend ruhig, fand ich.
 
Was passiert war, daran konnte ich mich nicht erinnern. Als ich zu mir kam, lag ich in einer großen Blutlache. Der Notarzt hockte neben mir und legte mir gerade den Stifneck um. Er redete vehement auf mich ein, aber ich verstand ihn kaum.
„Hierbleiben, Mädel“, klatschte er mir auf die Wange, „nicht wieder einschlafen! Weißt Du, wer du bist und wo wir sind?“
„Mona“, wisperte ich, „Wir sind in der Sporthalle.“
„Weißt Du auch was passiert ist?“
Die Ohren glucksten, als wäre ich soeben aus dem Wasser aufgetaucht. Ich versuchte den Kopf zu heben, gab aber sofort auf.
„Nicht bewegen, Mona! Wir bringen dich schon wieder hin. Mach dir keine Sorgen.“

Eiligen Schrittes wurde ich in den Krankenwagen verfrachtete. Jeden Stoß, den der Wagen auf der Straße nahm, pochte in meinem Kopf. Meine Umgebung schien zu pulsieren und meine Ohren schmerzten entsetzlich.
Nachdem der Sani hielt, wurde ich hektisch durch die neongleißenden Flure der Notaufnahme gekarrt. Wie im Delirium nahm ich die verschiedenen Gesichter und Stimmen wahr. „Macht OP3 fertig!“, hörte ich jemand rufen und ein kreisförmige Licht brummte kurz darauf über mich hinweg. Eine Frau mit Mundschutz drückte mir schlussendlich etwas über Nase und Mund. „Alles gut!“, flüsterte sie, „Du wirst jetzt gleich einschlafen.“

Alles gut, dämmerte mir. Alles gut. Dann wurde es Schwarz um mich herum.

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Minerva
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Beitrag29.04.2019 15:51
Re: mein Einstand
von Minerva
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Hallo,
klingt mal nicht schlecht für den Anfang. Ich mache dir mal ein paar Vorschläge.

antaris hat Folgendes geschrieben:


Das Gejaule (vielleicht nicht der beste Ausdruck, würde auch nur das Martinshorn reichen? Gejaule verbinde ich eher mit Lebewesen)des Martinshorns drang dumpf zu mir herunter.
Jetzt nachfolgend vielleicht die Reihenfolge etwas ändern: ev. zuerst den Druck des Verbandes um den Schädel, der bis auf die ohren geht, dann das Schlucken?
Ich schluckte, aber der Druck auf meinen Ohren ließ nicht nach. Etwas Flüssiges Flüssigkeit/warme Flüssigkeit/Blut? rann aus einem und verteilte sich langsam auf meinem Hals.
Kenn ich mich nicht aus, aber wenn es bandagiert ist, läuft es dann noch zum Hals runter? Ich wurde auf dem schmalen Metallgestell hin und her geschüttelt. Schmerzt das nochmal extra? Irgendwo dort über meiner Stirn spürte ich die Wunde. Der straffe Verband ließ mich glauben vielleicht so formulieren: "Es schien/fühlte sich an, als hielt nur der straffe Verband ..., dass nur er meinen Schädel zusammenhielt. Die Sanitäter hatten sich alle Mühe gegeben, die Blutung unter den besorgten Augen meiner Freunde zu stoppen. Hier würde ich die besorgten Freunde vom Satz abtrennen und in den nächsten nehmen Die Meute wer ist die Meute? Die Freunde? irritiert mich etwas war ganz ruhig gewesen, beunruhigend ruhig, fand ich.
 
Was passiert war, daran konnte ich mich nicht erinnern. vielleicht so: "Ich versuchte mich zu erinnern.

Im nachfolgenden Absatz müsste eigentlich die Vergangenheitsform stehen, weil du eine Rückblende um einige Minuten machst. Vielleicht kannst du das verändern, indem du statt der Rückblende gleich da beginnst?

Als ich zu mir kam, lag ich in einer großen Blutlache. Der Notarzt hockte neben mir und legte mir gerade den StifneckMir unbekanntes Wort um. Er redete vehement auf mich ein, aber ich verstand ihn kaum.
„Hierbleiben, Mädel“, klatschte er mir auf die Wange, „nicht wieder einschlafen! Weißt Ddu, wer du bist und wo wir sind?“
„Mona“, wisperte ich, „Wir sind in der Sporthalle.“
„Weißt Ddu auch was passiert ist?“
Die Ohren glucksten, als wäre ich soeben aus dem Wasser aufgetaucht. Ich versuchte, den Kopf zu heben, gab aber sofort auf.
„Nicht bewegen, Mona! Wir bringen ?kriegen? dich schon wieder hin. Mach dir keine Sorgen.“

Eiligen Schrittes wurde ich in den Krankenwagen verfrachtete. Jedenr Stoß, den der Wagen auf der Straße nahm, pochte in meinem Kopf. Meine Umgebung schien zu pulsieren undeutlich: Eher "die Umgebung pulsierte", andererseits ist pulsieren nicht ganz der korrekte Ausdruck, finde ich und meine Ohren schmerzten entsetzlich.
Nachdem der Sani hielt, wurde ich hektisch durch die neongleißenden Flure der Notaufnahme gekarrt. Wie im Delirium nahm ich die verschiedenen Gesichter und Stimmen wahr. „Macht OP3 fertig!“, hörte ich jemand rufen und ein kreisförmige Licht brummte brummen die Lampen? War noch nie im Not-OP kurz darauf über mich hinweg. Eine Frau mit Mundschutz drückte mir schlussendlich etwas die Atemmaske über auf Nase und Mund. „Alles gut!“, flüsterte sie, „Du wirst jetzt gleich einschlafen.“

Alles gut, dämmerte mir. Alles gut. Dann wurde es Schwarz um mich herum.


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Minerva
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Beitrag29.04.2019 16:08

von Minerva
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Zusammenfassend finde ich es, wie gesagt ganz gut. Wenn du überarbeitest, kannst du auf diese Sachen achten:

- Reihenfolge der Geschehnisse und Wahrnehmung durch deine Protagonistin
- unkonkrete Ausdrücke (Bsp. Atemmaske)
- Füllwörter (nehme ich auch gern Laughing ) --> einfach testen, wie ein Satz klingt, wenn du Wörter wie, vielleicht, nämlich, schließlich, eventuell, irgendjemand usw. usf. weglässt
- Großschreibung von "Du" höchstens in Briefen, sonst klein. Nur wenn jemand siezt, wird "Sie" großgeschrieben in der wörtlichen Rede
- ein bisschen Kommasetzung

Also eigentlich keine großen Sachen, das Übliche, auch wenn es erstmal nach viel aussieht. Ich kann mich in die Szene hineinversetzen und frage mich natürlich, was passiert ist ... und was passieren wird. Guter Einstieg.


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jon
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Beitrag30.04.2019 21:29

von jon
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Ich schlage mal vor, dass du dich erstmal mit dem Rest des Buches beschäftigst, statt dich am Anfang aufzureiben. Vielleicht noch ein paar echte Fehlerchen ausbessern und erst später mit "gelüftetem Kopf" draufschauen.


Zitat:
Das Gejaule des Martinshorns drang dumpf zu mir herunter. Ich schluckte, aber der Druck auf meinen Ohren ließ nicht nach. Etwas Flüssiges rann aus einem und verteilte sich langsam auf meinem Hals. Ich wurde auf dem schmalen Metallgestell hin und her geschüttelt. Irgendwo dort über meiner Stirn spürte ich die Wunde. Der straffe Verband ließ mich glauben, dass nur er meinen Schädel zusammenhielt. Die Sanitäter hatten sich alle Mühe gegebenKOMMA die Blutung unter den besorgten Augen meiner Freunde zu stoppen. Die Meute war ganz ruhig gewesen, beunruhigend ruhig, fand ich.

"Gejaule" ist zu sehr Slang gemessen am Rest des Textes.
Das klingt, als schwebe die Wunde über ihrem Kopf.
Widerspruch: Wenn sie sagt "ließ mich glauben", heißt das, sie weiß, dass sie es nur glaubt. Aber wenn sie weiß, dass es nicht echt ist, dann glaubt sie es nicht. Was hältst du von "fühlte sich an"?

Zitat:
„Hierbleiben, Mädel“, klatschte er mir auf die Wange, „nicht wieder einschlafen! Weißt Du, wer du bist und wo wir sind?“

Man kann nicht "blabla" auf die Wange klatschen. Es sei denn, es steht auf einem Zettel, dem man den Betreffen an die Backe pappt. wink

Zitat:
„Mona“, wisperte ich, „Wir sind in der Sporthalle.“
„Weißt Du auchKOMMA was passiert ist?“

ich. „Wir
du

Zitat:
„Nicht bewegen, Mona! Wir bringen dich schon wieder hin. Mach dir keine Sorgen.“

Es heißt doch hinkriegen, oder?

Zitat:
Jeden Stoß, den der Wagen auf der Straße nahm, pochte in meinem Kopf. Meine Umgebung schien zu pulsieren und meine Ohren schmerzten entsetzlich.

Jeder

Zitat:
Nachdem der Sani hielt, wurde ich hektisch durch die neongleißenden Flure der Notaufnahme gekarrt.

gehalten hatte

Zitat:
Wie im Delirium nahm ich die verschiedenen Gesichter und Stimmen wahr. „Macht OP3 fertig!“, hörte ich jemand rufen und ein kreisförmige Licht brummte kurz darauf über mich hinweg. Eine Frau mit Mundschutz drückte mir schlussendlich etwas über Nase und Mund. „Alles gut!“, flüsterte sie, „Du wirst jetzt gleich einschlafen.“

kreisförmiges
sie, „du oder sie. „Du

Zitat:
Alles gut, dämmerte mir. Alles gut. Dann wurde es Schwarz um mich herum.

Die "Umkehrung" von "es dämmert mir" gefällt mir smile
schwarz


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Lexi77
Gänsefüßchen
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Beiträge: 39



L
Beitrag01.05.2019 03:03

von Lexi77
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Hey,
der Text ist sehr plastisch, aber teilweise wenig glaubhaft. Kein (!!!) Notarzt oder Rettungssanitäter würde einem Patienten, der mit Verdacht auf eine Kopf- oder Nackenverletzung an der Unfallstelle oder im Rettungswagen liegt und anscheinend auch noch aus einen Ohr blutet auf die Wangen schlagen um ihn/oder sie wachzuhalten. Im Gegenteil: Die Patienten bekommen sehr oft Sedativa damit sie sich beruhigen, um nicht zu kollabieren. Mein Tip: mal ein Interwiev mit einem Notarzt oder Sanitäter führen. Die netten Damen und Herren haben meine erste Notarztszene in der Luft zerissen und dadurch viel besser gemacht.

Grüsse,
Lexi
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a.no-nym
Klammeraffe
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Beiträge: 699



A
Beitrag01.05.2019 12:35

von a.no-nym
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Hallo antaris,

erst einmal herzlich willkommen im Forum! Zu Deinem Text hast Du ja schon eine ganze Reihe von Hinweisen erhalten. Diesen schließe ich mich an  (bis auf die Kritik an der "Meute". Das sind ja die Gedanken der Protagonistin, deshalb finde ich die Wortwahl durchaus nachvollziehbar.)
Aber:  "Die Meute war ganz ruhig gewesen, beunruhigend ruhig, fand ich." Das "fand ich" könntest Du evtl. weglassen - es ist ja offensichtlich, dass dem Leser hier Monas Sicht der Dinge präsentiert wird.
Das hier scheint mir nicht gelungen: "ganz ruhig gewesen, beunruhigend ruhig". Ich verstehe zwar, was Du sagen willst, aber die Formulierung wirkt m.E. holprig.

Einem medizinisch bewanderten Fachmenschen den Unfall/die Verletzung zu schildern und sich die Abläufe erklären zu lassen, ist sicher eine gute Idee. Normalerweise sind Rettungs-/Notfallmenschen eher nicht hektisch - und düsen schon gar nicht hektisch durch die Flure. Die arbeiten zwar zügig, aber sehr kontrolliert. Sonst würden sie Gefahr laufen, es für die Verletzten noch schlimmer zu machen wink. Für Rettungssanis, Notfallsanis und Notärzte sind diese Situationen Alltag, die sind nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen smile. Für Mona sieht das natürlich ganz anders aus...
Wenn ich mir das Ganze bildlich vorstelle, gehe ich davon aus, dass sie auf dem Rücken liegt, während der Doc die Cervikalstütze/Halskrause anlegt. Dann könnte sie allerdings m.E. die Blutlache nicht sehen, zumal sie den Kopf ja kaum/nicht heben kann. Nicht verstanden habe ich, ob die Flüssigkeit, die sie am Hals spürt, denn nun aus der Kopfwunde stammt oder aus dem Ohr läuft.

Ob sie direkt in den OP geschoben würde, weiß ich nicht - m.E. würde sie erst einmal im Schockraum versorgt werden, dort sind normalerweise dann auch die Räume für die bildgebenden Verfahren angeschlossen. Sobald die Patienten erstversorgt und stabil sind, gehen sie m.E. ins Röntgen/CT usw., je nach Symptomatik. Ggf. werden sie vorher sediert - z.B. wenn die Atemwege (durch Intubation) gesichert werden müssen. Einen Atemstillstand im CT will natürlich keiner... Eine OP ohne vorherige Bildgebung halte ich für schwer vorstellbar.

Ob eine junge Frau für die Beschreibung ihrer Wahrnehmung die Worte "wie im Delirium" wählen würde, habe ich mich beim Lesen noch gefragt. Dazu müsste sie ja schon (mindestens) eins erlebt haben wink. Vielleicht wäre es ohnehin anschaulicher, konkret zu beschreiben, wie sie wahrnimmt? Erscheint alles weit weg/ ist ihr zu hell/die Dinge gehen zu schnell/ sie kann nicht folgen/sie sieht und hört die Menschen reden, kann aber nur Bruchstücke aufnehmen/ihr fällt das Denken schwer usw. Manchmal machen die Gedanken in solchen Situationen auch wilde Sprünge, man denkt an Belanglosigkeiten, kann sich davon nicht lösen. Oder man kommentiert etwas - und fragt sich im nächsten Moment, ob man das wirklich gerade gesagt hat oder warum alle einen so komisch angucken - dabei fand man die Aussage Sekunden zuvor noch völlig plausibel und wollte nur einen Witz machen.

Für die medizinischen Fragen gibt es sogar hier im Forum einen eigenen Frage-Antwort-Faden: https://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=41388 Sehr hilfreich smile

Der Einstieg, den Du gewählt hast, bietet sicher eine Menge Potential für Spannung smile. Trotzdem finde ich es schwierig, mich gefühlsmäßig mit einem Charakter zu verbinden, über den ich noch gar nichts weiß. Wenn ich als Leser Mona kennenlerne, ist sie ja bereits im Ausnahmezustand. Also bleibe ich innerlich erst einmal auf Abstand - zumal ich im Text wenig finde, das mich tiefer in ihre Gedanken- und Gefühlswelt hineinzieht. Dabei nehme ich an, dass ihr in dieser Situation eine Menge durch den Kopf geht (wenn auch situationsbedingt ggf. widersprüchlich, ungeordnet, sprunghaft usw.).

Was wollte ich eigentlich sagen? Ach ja: Nur Mut! Schreib weiter, auch wenn es Dir noch nicht perfekt erscheint (das ist es nie) - aber es entwickelt sich!

Viel Freude beim Schreiben.
Freundliche Grüße
a.

P.S.: Nicht jeder Kritikpunkt muss für Dich passen. Lass alles in Ruhe wirken und entscheide dann, was Dir einleuchtet, was Du umsetzen willst usw. smile
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jon
Geschlecht:weiblichEselsohr
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Beitrag01.05.2019 15:28

von jon
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"Trotzdem finde ich es schwierig, mich gefühlsmäßig mit einem Charakter zu verbinden, über den ich noch gar nichts weiß."
Mal ganz im Ernst: Es ist am Anfang eines Buches (bzw. ersten Bandes eines Mehrteilers) immer so, dass man (also der übliche Leser) nichts weiß. Immer. Immerimmerimmer. Immer.

Und: Was für "Gedanken und Gefühle" erwartest du denn um Himmels willen von jemandem, der nur halb bei sich ist?

Wie bitte? Man kann nicht "ich fühle mich wie im Delirium" sagen/denken, wenn man noch keins erlebt hat?? Man kann also auch nicht sagen "Ich fühle mich wie ausgekotzt", wenn ich noch nie ausgekotzt wurde? Oder "wie im siebenten Himmel" oder "wie durchgemüllert" oder …

"Vielleicht wäre es ohnehin anschaulicher, konkret zu beschreiben, wie sie wahrnimmt?" Wie: "wie sie wahrnimmt"? Mit den Sinnen natürlich. Was sie wahrnimmt steht da.


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Es ist nicht wichtig, was man mitbringt, sondern was man dalässt. (Klaus Klages)
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a.no-nym
Klammeraffe
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Beitrag01.05.2019 16:25

von a.no-nym
Antworten mit Zitat

Hallo jon,

jon hat Folgendes geschrieben:
"Trotzdem finde ich es schwierig, mich gefühlsmäßig mit einem Charakter zu verbinden, über den ich noch gar nichts weiß."
Mal ganz im Ernst: Es ist am Anfang eines Buches (bzw. ersten Bandes eines Mehrteilers) immer so, dass man (also der übliche Leser) nichts weiß. Immer. Immerimmerimmer. Immer.

Da hast Du recht. Was ich versucht habe auszudrücken: Ich bin nicht sicher (nicht mehr und nicht weniger), ob es besonders glücklich ist, den Protagonisten von Beginn an in einer absoluten  Ausnahmesituation zu erleben, ohne ihn vorher wenigstens ansatzweise "im Normalbetrieb" kennenzulernen. Es ist eine Anregung, sich genau das bewusst zu machen, nicht mehr. Die Autorin kennt ja ihre Protagonistin vermutlich schon sehr viel genauer. Den Horizont des Lesers beim Schreiben trotzdem (bzw. gerade deswegen) auf dem Schirm zu haben, schadet m.E. nicht.
Ich erhebe keinen Anspruch auf Objektivität (und hoffe, dass andere das genauso handhaben).

jon hat Folgendes geschrieben:
Und: Was für "Gedanken und Gefühle" erwartest du denn um Himmels willen von jemandem, der nur halb bei sich ist?
Was für Gedanken und Gefühle ich erwarte, kann ich nicht präzisieren - ich kann ja (im Gegensatz zur Autorin) nicht in die Protagonistin hineinschauen. Momentan empfinde ich das, was da beschrieben ist, eher als "technisch" - anders gesagt, als oberflächlich. Auch das ist jedoch nur ein Hinweis, wie der Text bei mir ankommt und was sich vielleicht mehr ausgestalten ließe, damit sich bei Lesern wie mir sowas wie ein Bild einstellt. Vielleicht ist da tatsächlich Leere in Monas Denken - oder es hat außer dem Schmerz nichts anders Platz. Vielleicht denkt Mona aber auch darüber nach, ob noch Katzenfutter im Schrank ist, ob ihr neues T-Shirt jetzt ruiniert ist, ob es besser gewesen wäre, die Zehennägel doch am Vorabend zu schneiden usw.. Menschen haben in solchen Extremsituationen zuweilen die absurdesten und nebensächlichsten Gedanken. (Vielleicht schützt uns das davor, uns zu viele Sorgen zu machen?)

jon hat Folgendes geschrieben:
Wie bitte? Man kann nicht "ich fühle mich wie im Delirium" sagen/denken, wenn man noch keins erlebt hat?? Man kann also auch nicht sagen "Ich fühle mich wie ausgekotzt", wenn ich noch nie ausgekotzt wurde? Oder "wie im siebenten Himmel" oder "wie durchgemüllert" oder …
Doch, klar kann man das denken. Ich habe mich nur gefragt, ob jemand so denken würde. Wenn das Bild  für andere Leser (und die Autorin) stimmig ist, dann ist das doch wunderbar! Vielleicht fehlt mir ja einfach nur die persönliche Delir-Erfahrung. Ich bin jedenfalls an dieser Formulierung hängengeblieben und wollte das rückmelden. Ich verstehe zwar, was damit gemeint ist, würde es aber anders (nämlich konkreter) beschreiben. Genau das ist ja auch in Ansätzen bereits da (pulsierende Umgebung) - und sicher wird antaris weiter daran arbeiten - und uns hoffentlich daran teilhaben lassen smile

Wie auch immer: Ich finde, Dein Beitrag vermittelt an einigen Stellen den Eindruck, als sei ich Dir persönlich (oder der Autorin) auf den Schlips getreten. Falls das so ist, war´s kein böser Wille, sondern reines Unvermögen.

Ich stelle meine Wahrnehmung wie immer neben die aller anderen Foristen, keinesfalls drüber. Vielleicht nützt sie hin und wieder, vielleicht nicht. Das entscheidet der Autor. Genau das hatte ich auch am Ende meines Beitrag versucht, in Worte zu fassen.

Friedlich-freundliche Grüße
a.

edit:
jon hat Folgendes geschrieben:
a.no-nym hat Folgendes geschrieben:
"Vielleicht wäre es ohnehin anschaulicher, konkret zu beschreiben, wie sie wahrnimmt?"
Wie: "wie sie wahrnimmt"? Mit den Sinnen natürlich. Was sie wahrnimmt steht da.

Was ich gemeint habe, ist gleich im folgenden Satz beispielhaft dargelegt - vielleicht hast Du den übersehen? Ja, im Text steht, was Mona wahrnimmt. Dass sie es mit ihren Sinnen wahrnimmt, ist nicht die Frage nach dem "Wie", sondern nach dem "Womit".
Es ging mir aber um das "Wie".
Das "Was" wäre z.B. ein Neonlicht oder ein Gesicht. Das "Wie" wäre z.B., ob sie Doppelbilder/Zerrbilder sieht, ob sie das Licht als besonders grell empfindet usw.
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jon
Geschlecht:weiblichEselsohr
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Alter: 57
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Beitrag02.05.2019 07:48

von jon
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"Auf den Schlips getreten" ist nicht der richtige Ausdruck. Ich haben bei solchen Sache nur immer sofort vor Augen, was passiert, wenn Autoren das - in solcher Formulierung -  für bare Münze nehmen. Vielleicht nicht unbedingt antaris, aber es lesen auch andere(,) unerfahrene Autoren mit, die sowas in ihre Muss-So!-Liste aufnehmen. Dann kommen so Sachen raus, wie dass eine Figur, die grade mitten in feinster Action steckt, ständig irgendwas denkt oder fühlt. Oder es kommt ein Prolog, in dem über die Vorgeschichte der Figur informiert wird. Oder … Na du weißt, was ich meine.

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a.no-nym
Klammeraffe
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Beitrag02.05.2019 10:10

von a.no-nym
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Hallo antaris,
sorry, falls das hier zu weit vom Thema wegführen sollte. Ich packe einen Grauschleier drüber, damit´s nicht so stört Embarassed

Hallo jon,
Ich habe mir meinen Beitrag wieder und wieder durchgelesen. Ich habe noch immer nicht herausgefunden, was Deinen Unmut erregt hat. Ich sehe da nirgends ein "Muss-So", das ich zur Allgemeingültigkeit erhoben hätte. Im Gegenteil. Es geht um meine persönlichen Leseeindrücke - und genau das habe ich m.E. im Text herausgestellt und am Schluss extra noch einmal betont. Ich habe nichts verallgemeinert, sondern mich wiederholt konkret auf den Text bezogen, Beispiele genannt und "ich" geschrieben, nicht "man".

Trotzdem greifst Du meinen Beitrag in Deiner Antwort direkt an und gehst in den Verteidigungs- bzw. Empörungsmodus: Hervorhebungen von mir
jon hat Folgendes geschrieben:
"Trotzdem finde ich es schwierig, mich gefühlsmäßig mit einem Charakter zu verbinden, über den ich noch gar nichts weiß."
Mal ganz im Ernst: Es ist am Anfang eines Buches (bzw. ersten Bandes eines Mehrteilers) immer so, dass man (also der übliche Leser) nichts weiß. Immer. Immerimmerimmer. Immer.

Und: Was für "Gedanken und Gefühle" erwartest du denn um Himmels willen von jemandem, der nur halb bei sich ist?

Wie bitte? Man kann nicht "ich fühle mich wie im Delirium" sagen/denken, wenn man noch keins erlebt hat?? Man kann also auch nicht sagen "Ich fühle mich wie ausgekotzt", wenn ich noch nie ausgekotzt wurde? Oder "wie im siebenten Himmel" oder "wie durchgemüllert" oder …

"Vielleicht wäre es ohnehin anschaulicher, konkret zu beschreiben, wie sie wahrnimmt?" Wie: "wie sie wahrnimmt"? Mit den Sinnen natürlich. Was sie wahrnimmt steht da.


Ein einfaches "Hallo antaris, ich sehe das nicht so wie a., weil... Vielmehr denke ich, dass... " wäre m.E. auch eine Möglichkeit gewesen, Deine Meinung zu äußern. Konstruktiv. Ohne Verteidigungsmodus. Es gibt hier nämlich nichts zu verteidigen - ist kein Angreifer da. Hier geht es um Textarbeit - und die ist nun mal mit Vielfalt verbunden. Empörung empfinde ich da nicht als sachdienlich. Deine Sorge, ich hätte hier an irgendeiner Stelle sowas wie Standards formuliert, die künftig dazu führen könnten, die Texte unerfahrener Autoren zu verderben, nehme ich zur Kenntnis. Nachvollziehen kann ich sie zur Zeit noch nicht - aber ich denk drüber nach.
Freundliche Grüße
a.
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antaris
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Alter: 22
Beiträge: 3



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Beitrag02.05.2019 13:54
Hallo und vielen Dank!
von antaris
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Vielen Dank für Eure umfangreichen Kommentare. Sorry, dass ich so spät antworte, aber ich stecke momentan in den Prüfungsvorbereitungen. Ich hätte vielleicht mit meiner Veröffentlichung hier im Forum noch etwas warten sollen, bis ich mehr Zeit habe.
Viele Eurer Anmerkungen kann ich gut nachvollziehen, bei anderen komme ich doch schon ins Grübeln. Es gibt immer Textstellen, die gefallen mir seit der ersten Minute und Textstellen, die finde ich nach hundertmaligem Ändern immer noch total hässlich.
Das „Gejaule“ zum Beispiel stand immer eher auf meiner Favoritenseite. Hier im Forum wird es allerdings ausnahmslos kritisiert, was mich eigentlich zum Streichen des Wortes aus dem Satz bewegt, wäre ich nicht vorgestern erst über R. Wekwerths Pheromon gestolpert, der auch von den „jaulenden Sirenen der Rettungskräfte“ spricht (Quelle: „Pheromon- Die Uhr“, habe jetzt leider keine Seitenzahl zur Hand- Autor und Verlag mögen mir verzeihen). Meines Erachtens ist Gejaule ein passendes Synonym zu erklären, dass diese Töne im Kopf einfach nur wehtun, dass man es kaum noch aushält und man nur noch möchte das alles aufhört.  Natürlich könnte man das alles auch in blumige Worte verpacken, aber ich fand „Gejaule“ eigentlich treffend und schön knapp.

Über „die Meute“ lässt sich nachdenken. In meinem Sprachgebrauch würde ich eine Meute als einen ungehobelten Haufen von Leuten ansehen. In diesem Fall wären es Hobbybasketballer, welche eher aus Spaß als am Sportsgeist spielen. Ich habe schon gegrübelt, ob mir ein gutes Äquivalent einfällt, aber bisher ohne Erfolg.
Bei „dämmerte mir“ in Bezug auf „Schwarz“ war ich etwas irritiert. Vielleicht habe ich die falsche Wortwahl gewählt. „mir dämmert“ übersetze ich mal mit ‚ich begreife‘ und „wegdämmern“ mit ‚einschlummern‘. Ich denke Jon hat die Abenddämmerung gemeint, welche sich auf ‚Schwarz‘ beziehen könnte, das war aber nicht meine Absicht.
Die Situation im Krankenhaus habe ich wohl voll vermasselt?. Ohne viele Worte wollte ich beschreiben, dass Mona geistig nur Fragmente mitbekommt. Irgendjemand in der Notaufnahme meldet sie für den OP an. Sie bekommt noch mit, wie sie durch die Röhre geschoben wird („kreisförmiges Licht brummte über mich hinweg“) und das sie dann schlussendlich irgendwann tatsächlich im OP ist.  Scheinbar waren das wirklich zu wenige Worte.
Fazit: Ich merke, meine Texte sind zu knapp. Ich muss mehr erklären und tiefer auf die Situation eingehen. Hm, das wird mir schwerfallen, aber ich werde es versuchen.
Möchtet ihr wirklich auf der ersten dreiviertel Seite eines Buches ein Bild über den Charakter meines Protagonisten? Ich hätte sie gern im nächsten Abschnitt vorgestellt, wenn sie wieder Herr ihrer Sinne ist.
Danke Euch erst mal.  Ich werde Eure Vorschläge versuchen umzusetzen. Bei meinem Tempo wird es aber noch etwas dauern.

VG Antaris
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Minerva
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Beitrag02.05.2019 14:20

von Minerva
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Hallo antaris,

"Das „Gejaule“ zum Beispiel stand immer eher auf meiner Favoritenseite."
Wenn es dir so gut gefällt, dann drückt es deine Sprache aus. lass es ruhig, lass dich nicht verunsichern. Du musst nicht alles ändern, was vorgeschlagen wird, dann verschwindest du ja noch ganz ^^

"Bei „dämmerte mir“ in Bezug auf „Schwarz“ war ich etwas irritiert."
Ich sehe bei dem Wort kein Problem, es passt doch gut.

"Ich merke, meine Texte sind zu knapp. Ich muss mehr erklären und tiefer auf die Situation eingehen. Hm, das wird mir schwerfallen, aber ich werde es versuchen."
Nein, nein, nein! Bloß nicht! Behalte deinen Stil. Ich sehe da kein Problem. Sie hat einen Unfall und wird ins Krankenhaus geschafft und dann in den OP.
Umstellen und klarer ausdrücken, inhaltliche/sachliche Fehler ausbügeln: ja gerne. Aber fang lieber nicht an, auszuschmücken, das artet nur in Geschwätz aus. Du kannst es natürlich mal probieren, und ich vermute, der Text wird schlechter und verwaschen.


Möchtet ihr wirklich auf der ersten dreiviertel Seite eines Buches ein Bild über den Charakter meines Protagonisten?
Nein, nein, ich definitiv nicht. Laughing
Das würde dich zurückwerfen. Lieber die interessante Eröffnungsszene lassen.


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a.no-nym
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Beitrag02.05.2019 14:47
Re: Hallo und vielen Dank!
von a.no-nym
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Hallo antaris,
wenn Dir "Gejaule" passend erscheint, dann lass es drin! Es sind doch Monas Gedanken. Mona erzählt, und wenn sie das Geräusch "Gejaule" nennt, ist es doch in Ordnung. Manchmal ist es vielleicht auch nicht nur eine Geschmacks- sondern eine Generationsfrage, genau wie bei der "Meute". Früher hätte da vielleicht "Sportsfreunde" gestanden oder sowas. Und heute heißt es eben "Meute". Zumindest in Monas Gedanken. Ich finde das in Ordnung.

Dass es schwerfällt, das Geräusch hiesiger Martinshörner mit dem Wort "Gejaule" zu assoziieren, hat vielleicht auch noch einen ganz profanen Grund: Hierzulande sind wir eher an Martinshörner mit Zweiklang (zwei Töne im Wechsel) gewöhnt (das berühmte Taaa-Tüüü )  Das jault eben nicht wie ein Hund). In anderen Ländern (z.B. in solchen, in denen "Pheromon" vielleicht gedanklich angesiedelt ist, zumindest, wenn ich mir die Namen der Protagonisten anschaue) klingen diese Sirenen tatsächlich ganz anders, haben nicht ein Intervall von zwei getrennten Tönen, sondern jaulen oder heulen gleitend (im Glissando) zwischen dem tieferen und dem höheren Ton hin und her. Da wäre das Jaulen gleich viel passender.

Beim "medizinischen Teil" hast Du nach meinem Empfinden nicht zu wenige Worte verwendet. Das "Problem" scheint mir eher zu sein, dass manches nicht eindeutig ist, aber das lässt sich einfach beheben. So ist die Bruchstückhaftigkeit von Monas Denken bei mir nicht angekommen, weil ich mir diesen Teil des Textes als Beschreibung der tatsächlichen Abläufe vorgestellt habe. Dass Mona zwischendurch wegtritt, habe ich nicht herausgelesen. Deshalb hab ich mir dann z.B. das kreisförmige Licht als OP-Lampe  vorgestellt, denn zuvor waren "wir" ja gerade noch im Flur wink. Momentan besteht also offenbar für Leser (zumindest für mich) eine Verwechslungsgefahr zwischen dem, was Mona bruchstückhaft mitbekommt und den tatsächlichen Abläufen, die Du Dir vorgestellt hast. Das ist m.E. aber eher eine Frage des "Wie" (wie der Text geschrieben ist), nicht des "Wieviel" (im Sinne von Ausführlichkeit). Ich sehe es wie Minerva - Dein Text lebt gerade von den Eigenheiten. Es ist erfrischend, wie konsequent Du auf schmückendes Beiwerk, auf Geschwafel und Geschwätz verzichtest! smile

antaris hat Folgendes geschrieben:
Möchtet ihr wirklich auf der ersten dreiviertel Seite eines Buches ein Bild über den Charakter meines Protagonisten?
In welchem Beitrag steht, dass sich das irgendjemand hier wünscht?

Alles Gute für Deine Prüfung(en)!
Freundliche Grüße
a.
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jon
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Beitrag02.05.2019 18:25

von jon
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Stimmt, a.no-nym, du hast nicht "du musst das so machen" geschrieben, aber unerfahrene Autoren machen genau das, was antaris da eben auch tat: Die "persönlichen Eindrücke" weitgehend ungeprüft als Aufforderung verstehen, das zu ändern. Auch wenn es schwerfällt, was im Klartext heißt, auch wenn es dem eigenen Stil zuwiderläuft. Und dann wird es krampfig und aufgesetzt.

In dem Fall hier sind die wirklichen Probleme nicht etwa mangelnde Erklärungen oder fehlende Infos über Monas Gedanken, sondern die fachliche Seite (würde ein Notarzt das tun? läuft es so im Krankenhaus?).
(Das Bruchstückhafte, das du erzeugen wolltest, antaris, entsteht vermutlich deshalb, weil es in einem Fluss erzählt wird. Nachher mehr.)
Beim Erzählen selbst muss nicht viel zugefügt werden. Vor allem nichts, was deine - wie du sicher selbst zugegeben musst - absurde Erklärung "über die ich nichts weiß" berücksichtigen würde.



@antaris:

Jaulende Sirenen sind völlig okay. Auch wenn du "Gejaule" behalten willst, ist das deine Entscheidung. Beachte aber bitte: "Das Jaulen" und "Gejaule" sind zwei verschiedene Stil-Ebenen. "Das Jaulen der Sirenen" passt vom Tonfall zum Rest des eher sachlichen Textes, "Gejaule" passt schlechter. Vergleiche es mal mit "das Weinen des Mädchens" und "das Geweine des Mädchens".
PS: Auch Meute passt schlecht zum sachlichen Stil. Am einfachsten wäre es, diese beiden Wörter zu ändern. Eleganter wäre es, die Sachlichkeit weiter aufzubrechen.

Das mit dem "dämmern" finde ich klasse. Hatte ich wohl auch gesagt. Eben weil es entfernt so doppeldeutig ist. Sie dämmert weg und dabei dämmert ihr, dass alles gut ist/wird. Oder: Im Wegdämmern sind endlich sowas wie Gedanken möglich, die für ein Dämmern im Sinne von Begreifen nötig sind.
Einen Bezug zu Schwarz hab ich nicht hergestellt, ich wollte drauf hinweisen, dass das Wort kleingeschrieben werden muss.

Zitat:
Möchtet ihr wirklich auf der ersten dreiviertel Seite eines Buches ein Bild über den Charakter meines Protagonisten? Ich hätte sie gern im nächsten Abschnitt vorgestellt, wenn sie wieder Herr ihrer Sinne ist.

Also ich nicht. Mir gefällt die Struktur bisher ganz gut.

Das Bruchstückhafte von Monas Wahrnehmung …
Ich würde vorschlagen, es mit Text-Bruchstücken zu versuchen, also zumindest die Wahrnehmungseinheiten durch Absatz zu trennen. Dazu musst du es aber in die zeitlich richtige Reihenfolge bringen - also nicht im Sanka anfangen, zurückdenken zum Einladen ins Auto und dann wieder weiter zur Einlieferung ins Krankenhaus.
Wenn du es sorum sortiert lassen willst, muss die Erinnerung echt wie Erinnerung erzählt werden; also mit der "Ansage" der Lücken. ("Ich glitt weg", oder sowas.) Mein Geschmack würde die erstere Variante eher treffen, die zweitere erlaubt dir mehr der gewünschten Innenschau der Prota.


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Bea H2O
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Beitrag02.05.2019 20:49

von Bea H2O
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Hallo antaris!

Ich finde es ganz schön, dass du direkt mit einer aktiven Szene anfängst und denke auch, dass es reicht, wenn dein Charakter dann später genauer vorgestellt wird.

Auch ich bin eher über einzelne Formulierungen gestolpert:

- das hier schon oft erwähnte "Gejaule", das mir auch deutlich schlechter gefällt als ein Jaulen

 "etwas rann mir aus einem" (ich hatte da beim Lesen nicht mehr den Bezug zu "Ohr", deswegen musste ich nochmal nachlesen, woraus das Blut denn jetzt floss)

- das "fand ich" nach beunruhigend ruhig würde ich auch streichen

- "bringen dich schon wieder hin" ?

- das Wort "Sani" finde ich zu umgangssprachlich

- das "wie im Delirium" sehe ich genau so wie anonym. Ich finde es etwas unrealistisch, dass sie das so denkt, wenn sie sich denn wirklich in einer Art Delirium befindet. Da wäre es mMn schöner, das "wie" würde genauer beschrieben

- das "dämmerte mir" fand ich tatsächlich jetzt beim zweiten Lesen etwas störend

Das sind mal meine Gedanken dazu und - natürlich - subjektiv und dienen zur Anregung.

Viele Grüße
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a.no-nym
Klammeraffe
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Beitrag02.05.2019 20:58

von a.no-nym
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jon hat Folgendes geschrieben:
Stimmt, a.no-nym, du hast nicht "du musst das so machen" geschrieben, aber unerfahrene Autoren machen genau das, was antaris da eben auch tat: Die "persönlichen Eindrücke" weitgehend ungeprüft als Aufforderung verstehen, das zu ändern.
  Für gewöhnlich können auch unerfahrene Autoren sinnentnehmend lesen. Falls nicht, liegt das außerhalb meiner Verantwortung. Das ungeprüfte Verstehen meiner Eindrücke als "Aufforderung" wird für die "unerfahrenen Autoren" (zu denen ich mich übrigens auch zähle, weshalb ich mich auf persönliche Eindrücke beschränke) spätestens dann schwierig, wenn unter ihren Texten ganz verschiedene Lesereindrücke stehen. Siehe weiter oben, Stichwort "Vielfalt". Dann können und müssen die unerfahrenen Autoren schauen, was ihnen von all den (teils sehr widersprüchlichen) Eindrücken einleuchtet - und was nicht.
 
jon hat Folgendes geschrieben:
"unerfahrene Autoren machen genau das, was antaris da eben auch tat"
Soweit ich das sehen kann, hat Antaris an ihrem Text noch nichts geändert/überarbeitet? Ist das also so eine Art vorauseilende Vorwurf-Impfung? Mich jetzt schon mal verantwortlich zu machen, falls sie etwas ändert, das Dir nicht behagt? Sorry, ich verstehe Deine Intention immer noch nicht.

Da ich meine Eindrücke nicht über, sondern explizit neben andere Eindrücke stelle, sollte auch für den Unerfahrensten deutlich werden, dass er nach Gusto filtern und verwerfen darf und soll. (Das steht sogar extra nochmal drunter. Man kann es also zur Kenntnis nehmen. Mit etwas gutem Willen... Ich wäre Dir dankbar, wenn Du es auch zur Kenntnis nehmen würdest, jon. Du musst weder plausibel noch hilfreich finden, was ich geschrieben habe. Du könntest es einfach als eine Meinung von vielen stehenlassen und Deine Meinung dazustellen und ggf. begründen. Ganz sachlich und empörungsfrei.) Problematisch wird der Austausch hier meiner Ansicht nach dann, wenn Foristen ihre Meinung für richtiger, wichtiger oder gültiger halten als die Ansichten anderer. Kleines Beispiel?
jon hat Folgendes geschrieben:
"In dem Fall hier sind die wirklichen Probleme nicht etwa mangelnde Erklärungen oder fehlende Infos über Monas Gedanken, sondern die fachliche Seite
Hier suggeriert der Verfasser durch seine Wortwahl, dass es sich nicht um subjektives Empfinden handelt, sondern um anerkannte Fakten oder allgemeingültige Feststellungen von jemandem, der es ganz genau weiß (während alle anderen... Na ja...)

jon hat Folgendes geschrieben:
Beim Erzählen selbst muss nicht viel zugefügt werden. Vor allem nichts, was deine - wie du sicher selbst zugegeben musst - absurde Erklärung "über die ich nichts weiß" berücksichtigen würde.
Was dieser Satz bedeuten soll, verstehe ich nicht. Sicher wäre es hilfreich, so zu zitieren, dass die Aussage des zitierten Satzes erhalten bleibt. Dann ließe sich vielleicht darüber reden, was warum absurd ist. (Oder auch darüber, ob es dem sachlichen und konstruktiven Austausch hier angemessen ist, Beiträge oder Ansichten anderer als "absurd" abzuqualifizieren, anstatt einfach zu schreiben, dass man das aber anders sieht, so dass das ganze Kaleidoskop der Meinungsvielfalt für die Autorin greifbar wird.)

Freundliche Grüße
a.
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jon
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Beitrag02.05.2019 21:01

von jon
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Ja, Schnäuzelchen, du hast recht und ich meine Ruhe.

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a.no-nym
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Beitrag02.05.2019 21:20

von a.no-nym
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Friede sei mit Dir!
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Xeomer
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Beitrag04.05.2019 23:18

von Xeomer
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Hallo antaris,

ich wollte dir gerne ein kurzes Feedback geben. Auch ich, habe gerade erste meinen Einstand gemacht und bin ein unerfahrener Autor. Daher möchte ich dir auch nur meine Anregungen und Ideen geben, die mir im Kopf rumschwirren. Vielleicht helfen sie dir ja. Von Einstandsposter zu Einstandsposter.

Als erstes Feedback. Ich konnte dem Text gut folgen und verstehe welche Intention du damit verfolgst. Weitere Anmerkungen folgen im Text.



antaris hat Folgendes geschrieben:
es sollte der Anfang eines Buches werden, aber aller Anfang ist schwer. Ich schnipple bestimmt schon zwei Wochen daran rum, aber jedes Mal gefällt mir etwas anderes nicht. Wäre also über jede objektive Meinung glücklich.

Vielen Dank!
---------------------------------------------------------------------------
Das Gejaule Dröhnen (Dröhnen bringe ich mit einem Martinshorn eher in Verbindung) des Martinshorns drang dumpf zu mir herunter. Ich schluckte, aber der Druck auf meinen Ohren ließ nicht nach. Etwas Flüssiges rann aus einem und verteilte sich langsam auf meinem Hals.  Ich wurde auf dem schmalen Metallgestell hin und her geschüttelt. Irgendwo dort über meiner Stirn spürte ich die Wunde. Der straffe Verband ließ mich glauben, dass nur er meinen Schädel zusammenhielt. Die Sanitäter hatten sich alle Mühe gegeben die Blutung unter den besorgten Augen meiner Freunde zu stoppen. Die Meute war ganz ruhig gewesen, beunruhigend ruhig, fand ich.

Was passiert war, daran konnte ich mich nicht erinnern. Als ich zu mir kam, lag ich in einer großen Blutlache. Der Notarzt hockte neben mir und legte mir gerade den Stifneck um. Er redete vehement auf mich ein, aber ich verstand ihn kaum.
„Hierbleiben, Mädel“, klatschte er mir auf die Wange, „nicht wieder einschlafen! Weißt Du, wer du bist und wo wir sind?“
„Mona“, wisperte ich, „Wir sind in der Sporthalle.“
„Weißt Du auch was passiert ist?“
Die Ohren glucksten, als wäre ich soeben aus dem Wasser aufgetaucht. Ich versuchte den Kopf zu heben, gab aber sofort auf.
„Nicht bewegen, Mona! Wir bringen dich schon wieder hin. Mach dir keine Sorgen.“

Eiligen Schrittes wurde ich in den Krankenwagen verfrachtete. Jeden Stoß, den der Wagen auf der Straße nahm, pochte in meinem Kopf. Meine Umgebung schien zu pulsieren und meine Ohren schmerzten entsetzlich.
Nachdem der Sani hielt, wurde ich hektisch durch die neongleißenden Flure der Notaufnahme gekarrt. Wie im Delirium nahm ich die verschiedenen Gesichter und Stimmen wahr.
Ich merkte, dass die Stimmen um mich herum immer hektischer wurden, doch wie im Delirium war ich nicht mehr in der Lage sie zu verstehen. Ein dunkler Schleier, legte sich über meine Sicht. Das letzte was ich wahrnehmen konnte, war das gleißende Licht einer Operationslampe und der Druck einer Beatmungsmaske, auf meinem Gesicht, bevor alles um mich herum, Schwarz wurde. (Ich verstehe unter Delirium und der schweren Verletzungen?!, dass Mona schon Schwierigkeiten mit der Wahrnehmung hat. Wie etwa ein Mix aus Drogenrausch und "Schwarz vor den Augen" werden.)
ich die verschiedenen Gesichter und Stimmen wahr. „Macht OP3 fertig!“, hörte ich jemand rufen und ein kreisförmige Licht brummte kurz darauf über mich hinweg. Eine Frau mit Mundschutz drückte mir schlussendlich etwas über Nase und Mund. „Alles gut!“, flüsterte sie, „Du wirst jetzt gleich einschlafen.“

Alles gut, dämmerte mir. Alles gut. Dann wurde es Schwarz um mich herum.


Mach weiter so! Viel Erfolg und Spaß beim Schreiben.

Gruß
Xeomer
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antaris
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Alter: 22
Beiträge: 3



A
Beitrag10.05.2019 12:33
meine Korrektur- ach Quatsch, ich habe alles umgeschrieben :-)
von antaris
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo nochmal,
eigentlich wollte ich nur Kleinigkeiten ändern und schon war es soweit, das ein komplett neuer Text rauskam. Ich habe ihn auch weitergeschrieben. Wer nochmal Lust hat....ab Punkt NULL Wink
--------------------------------------------------------------------------------------
Als ich zu mir kam, hockte der Notarzt neben mir und legte gerade den Stifnek um meinen Hals. Ich fühlte mich benommen, meine Ohren dröhnten und vor meinen Augen tanzten winzige Punkte.
Der Arzt redete vehement auf mich ein, aber ich verstand ihn kaum. „Hierbleiben, Mädel, nicht wieder einschlafen! Weißt du, wer du bist und wo wir sind?“  
„Mona“, wisperte ich, „Wir sind in der Sporthalle.“
„Weißt du auch was passiert ist?“
Ich versuchte den Kopf zu heben, gab aber sofort auf. Meine Ohren schmerzten entsetzlich und eine Flüssigkeit lief mir über die Stirn und tropfte auf meine Lippe.
„Nicht bewegen, Mona! Wir kriegen dich schon wieder hin. Es wird alles gut!“
Es schmeckte nach Metall. Das war Blut, reichlich viel Blut, welches über mein Gesicht gelaufen kam. Himmel, was war nur passiert? Mein Blick fiel auf die riesige Lache neben ihm und eine Spur, die sich quer über das Parkett zog. Mir blieb die Luft im Hals stecken. War das etwa alles von mir?
„Wir brauchen einen Zugang!“, wies er den Sanitäter an, der bereits eine Plastiktüte aufriss und sich zu mir hinabbeugte. „Wir werden dir etwas zur Beruhigung geben!“  
Ich nickte schwach. Mein Körper war wie erstarrt. Ich spürte die Ader am Hals pulsieren und hatte das Gefühl mit meinen verschwitzten Händen den Dreck des Hallenbodens aufzuweichen. In meinem Kopf herrschte Leere, zumindest was den heutigen Tag betraf. Ich erinnerte mich weder wie ich hierhergekommen war, noch wie es zu dem Unfall kam, der scheinbar nicht nur Schäden an meinem Kopf hinterlassen hatte, sondern auch mein Verstand eingrenzte. Konnte ich überhaupt noch alles bewegen?  Meine Finger tanzten auf dem Boden, das funktionierte. Auf der anderen Seite spürte ich die kalten Hände des Sanitäters. Gut!  Meine Beine? Meine Beine! Schweiß brach aus. Das konnte nicht sein! Hatte ich eine Blockade im Kopf oder spürte ich sie tatsächlich nicht mehr? Ich schnappte nach Luft und starrte zu dem Arzt, der meine Wunde versorgte.
 „Meine Beine!“
Er nickte, als hätte er diese Erkenntnis schon vor mir gewonnen. „Keine Angst. Das kann eine vorrübergehende Blockade in deinem Kopf sein. Wir versorgen deine Wunden. Alles weitere im Krankenhaus.“
Ein weiterer Mann vom Rettungsdienst schob eine Trage herein und klappte sie neben mir zusammen. „Wie sieht es bei euch aus?“
Der Notarzt umwickelte meinen Kopf und schaute kurz auf. „Patient stabil. Offenes SHT. Zerebrospinalflüssigkeit aus dem rechten Ohr. Gibst du in der Klinik Bescheid? Wir sind gleich soweit.“  
Ich wurde auf die Trage gehoben. Dabei fiel mein Blick auf die Mädels, die im Hintergrund dicht aneinandergedrängt standen. Sie waren ganz ruhig, beängstigend ruhig. Wir mussten trainiert haben, aber sosehr ich mich auch anstrengte, für die Zeit des Unfalls blieben die Lichter aus.


„Sind das die Angehörigen?“ Der Satz riss mich wieder in die Wirklichkeit. Orientierungslos kämpfte ich gegen das neongleißende Licht, welches mich umgab. Ich hatte geschlafen. Sofern ich das beurteilen konnte, befand ich mich auf einer Bahre, die durch einen Krankenhausflur geschoben wurde. Der Arzt, der neben mir einherging, bog zu zwei Personen ab. Waren das Mom und Paps? Ich blinzelte. Ja, das waren sie. Paps reichte dem Doc die Hand und Mom stand mit steinernem Gesicht und folgte dessen Ausführungen. Sie war aschfahl. Ihre Brauen zog sie zusehends tiefer und presste die Lippen aufeinander. Sekunden später kam sie herübergeeilt und griff nach meiner Hand. Tränen standen ihr in den Augen. Angst! Ich spürte Angst in ihrem Blick. Angst und Verzweiflung. Was hatte er ihr erzählt?
Dad kam hinzu, das Gesicht zu einem missglückten Lächeln verzogen. „Sie kommt gleich in den OP.“
„Mona, mein Schatz! Mama hat dich ganz toll lieb.“, sagte sie, während die Bahre wieder vorwärtsrollte.
„Ich weiß, mach dir keine Sorgen.“ Ich versuchte ein Lächeln auf mein müdes Gesicht zu legen, als ich durch die Tür geschoben wurde. Mom und Dad blieben zurück. Vielleicht für immer! Ich schluckte und spürte, wie auch mir eine Träne hinabrann.

„Alles gut!“ flüsterte eine Frau mit Mundschutz und tätschelte mir bemitleidend die Wange. „Alles gut!“ Dann griff sie zur Atemmaske und drückte sie mir über Mund und Nase. „Du wirst gleich einschlafen.“
Alles gut, dämmerte mir. Alles gut. Es wurde schwarz um mich herum.


Ich weiß nicht für wie lange. Ich weiß nicht ob Tag zu Nacht wurde oder Woche um Woche verging. Für mich waren es nur wenige Augenblicke. Zuwenig Zeit um mich zu erholen und zu wenig Zeit um das Geschehene zu verarbeiten.
Ich erwachte in einem leeren Zimmer. Durch das Halbdunkel fiel Licht durch eine Scheibe aus dem Nachbarraum. Neben mir piepste eine Maschine. Monoton. Zuversichtlich. So als wäre alles in bester Ordnung. Ich  tastete zur Stirn. Oberhalb meiner Augen saß ein dicker Verband, der die Hälfte meines Kopfes einhüllte. Meine Schläfe schmerzte, als wäre mein Schädel von einer Axt gespalten worden. Auf meinen Ohren hörte ich ein permanentes Rauschen und schon den Arm zu heben war unheimlich anstrengend. Spannungslos ließ ich ihn fallen.
Ich hätte mich der Erschöpfung ergeben, wäre da nicht dieser Lichtpunkt gewesen, welcher aus meiner Hand austrat und im gleißenden Bogen  zu meiner Wunde strömte. Erstaunlich! Ich kannte dieses Licht aus meinen Träumen, in den Phasen früherer Krankheit, aber noch nie hatte ich so einen großen und hellen Fluss gesehen. Erneut hob ich den Arm und legte die geöffnete Handfläche auf den Verband. Ein rotgoldener Glanz pulsierte über meinem Auge. Mal schwächer und mal stärker. Es fühlte sich wunderbar warm an. Ein wolliger Strom zirkelte durch meinen Kopf, entflammte meine Ohren und durchzog meine Nase. Ich fühlte mich befreit aus meiner Starre und die Wärme in alle Gliedmaßen strömen. Meine Atmung ging gleichmäßig und mit jedem Zug wurde ich entspannter und ruhiger. Ich wollte nicht schlafen. Ich wollte dieses Phänomen beobachten und seine wohltuende Wirkung genießen, aber ich konnte es nicht verhindern. Die Augen waren zu schwer und der Drang nach Ruhe zu groß. Wieder nahm die Dunkelheit Besitz von mir.


Dann dauerte es lange, bis ich wieder zu mir kam und die Worte die mich umgaben wieder Gestallt annahmen. Dieses Mal fühlte ich mich besser. Erholter. Eigentlich wie an jedem Morgen, an dem ich nicht gerade in einem Krankenhaus erwachte. Tageslicht schien auf mein Bett und ich hörte den Stationsbetrieb durch die geöffnete Tür. Ein weißgekleideter Arm hatte die äußere Türklinke im Griff. Der Mann unterhielt sich.
„Genf hat die Blutwerte ihrer Eltern zum Vergleich angefordert, aber die stellen sich quer und waren nicht bereit für einen Test.“
„Worum geht es dabei?“
„Mona Arnold, die Impressionsfraktur. Sie ist seit gestern aus der Intensiv raus. Der außergewöhnlich schnelle Reproduktionsprozesses hat die Schweizer aufhorchen lassen.“
„Fahren sie fort. Ich hatte noch keine Zeit mir die Befunde anzusehen.“
„Nun, als Mona zu uns auf Station kam, sah es aus, als wäre der Unfall bereits drei Tage her gewesen. Saubere Wundränder und passen Sie auf!“ Die Männer betraten den Raum. Ein Kleinerer mit schütterem Haar hielt dem Großgewachsenen ein Tab entgegen und tippte vehement mit dem Finger darauf. „Das sind die Röntgenaufnahmen vor der OP und …“, er wischte weiter, „…und das hier ist das CT von gestern.“
Der Mann zog das Tab näher zum Gesicht und schüttelte den Kopf. „Da ist ihnen ein Fehler unterlaufen, Herr Kollege.“
„Ich habe mit dem Notarzt, der die Erstversorgung geleistet hat, gesprochen und ihm die Unterlagen gezeigt. Der hat das gleiche gesagt, bis er hier auf Station war und ihren Genesungsfortschritt gesehen hat. Dieser Vorfall ist unglaublich. Eine Form der Selbstheilung, wie ich sie noch nicht erlebt habe. Als sie eingeliefert wurde, dachte ich, die springt uns von der Schippe. Schon die Bildgebung, eine halbe Stunde vor der OP, lieferte eine viel suboptimalere Trümmerstellung, als wir sie tatsächlich vorgefunden haben. Einen Tag später sahen wir nicht mal mehr die Operationsnarbe. Und jetzt, nun, was soll ich sagen: Ich würde sie als geheilt bezeichnen. Wir haben sie zwar sediert, und wir untersuchen sie stündlich, aber prinzipiell haben wir hier keine Handhabe mehr.“
Der Ältere kam um ihn herum gelaufen und stand jetzt neben dem Bett. Ich hatte die Augen geschlossen und lauschte. Ich lauschte! Ich erinnerte mich an die dumpfen Geräusche in meinen Ohr und die Schmerzen, wenn ich mich bewegte. Die Symptome waren weg. Ich konnte wieder richtig hören.
„Gestern früh habe ich eine Gewebeprobe ins Labor der Uniklinik geschickt und die haben die Forschungseinrichtung für Nanotransmitter in Genf eingeschalten. Sie wollten prüfen, ob sie zu deren Probanden zählt.“
„Wir können das nicht ohne die Erlaubnis des Patienten tun!“, hörte ich die entrüstete Stimme des Großgewachsenen.
„Ich habe mit den Eltern gesprochen“, fuhr der andere fort, „aber die sind stur. Lehnen jegliche Untersuchung an ihrer Tochter ab und wollen auch ihr eigenes Blut nicht zu Forschungszwecken spenden.“
 Ich hörte ein leises Klicken und seine Antwort kam mir erschreckend nah: „Nehmen sie ihnen das etwa übel?“
Mein Lid wurde aufgezogen und grelles Licht strahlte in meine Pupille. Ich zog erschrocken meine Hände empor.
Auch der Arzt zuckte mit seinem Lichtstift zurück. „Puhhh! Reflexe sind da. Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken.“
Der andere Arzt tat überrascht und zog die Brille aus seinem Kittel. „Ich bin Doktor Schreier, ihr behandelnder Arzt. Mein Kollege Doktor Anton, Chefarzt der Chirurgie.“
Ich nickte und zog die Augen zum Verband. „Wie geht es mir?“
„Nun, wir hatten gehofft, das könnten sie uns sagen.“
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Minerva
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Beitrag13.05.2019 12:15

von Minerva
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Schön, dass du dran geblieben ist. Finde den Text im Großen und Ganzen gelungen. Liest sich sehr flüssig, und klingt interessant.

Wunder mich, wie du dich mit dem ganzen medizinischen Kram so auskennst. Da wäre ich völlig überfordert.
Was mit noch fehlt, ist der Grund für den Unfall bzw. Monas Wunsch, diesen auch endlich mal zu erfahren. Vielleicht ist er ja auch "mysteriös". Das scheint mir ein wenig unterzugehen, dass sie sich nicht darüber wundert oder sich fragt.
Noch ein paar kleine Schreibfehler hier und da, sonst nix zu meckern Razz

Mach nur weiter ...^^


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Beitrag13.05.2019 13:46

von a.no-nym
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Hallo antaris,
nur ganz schnell eine Kleinigkeit:

"Ein wolliger Strom" - das wäre sowas wie ein Strom aus Wolle. Ist da vielleicht ein wohliger Strom gemeint (also ein gutes  Gefühl)?

Was ich mir spontan nicht erklären konnte: Mona liegt, aber das Blut aus ihrer Stirnwunde tropft auf ihre Lippen? Würde das nicht eher in die Augen sickern (wenn die Wunde mittig ist) oder ansonsten seitlich vom Kopf herunter laufen? Oder spritzt es im Strahl aus den Wunde?

Freundliche Grüße
a.
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