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Willi Wamser Gänsefüßchen
Beiträge: 47
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08.04.2019 13:38 Go to hell, Sergeant Snyder! - Resilienzlyrik von 1981. von Willi Wamser
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Go to hell, Sergeant Snyder!
Resilienzlyrik aus dem Zelt.
Motto:
Gratia, Musa, tibi: nam tu solacia praebes,
tu curae requies, tu medicina venis.
Danke dir, Muse, denn du bringst Trost,
die Angst beruhigst du, dein Kommen ist Medizin.
Ovid: Tristia; IV, 10
Hier sitz ich, gar kein Prometheus, nachts
im Wintermanöver nicht weit von Dinkelsbühl
am Fuße des Hesselberges auf strohbedecktem
Boden des Zeltes und versuche unter der Lampe
Verse, nein, Zeilen zu formen mit klammer Hand.
„Die Härteübung, die Schweinekälte”,
sagte vorgestern Feldwebel Schneider,
er mahlte die Worte zwischen den Kiefern
und glich dabei dem König der Elche,
„all das wird euch Säcke („Eure Säcke“?)
schrumpfen lassen, auf Erbsengröße.”
Auf dem Flaschenhals des engen Tales pfeift der Wind
so kalt. Die Fische frieren in der Tiefe der Wörnitz.
Vor drei Stunden tranken wir glorreichen Sieben
das letzte Glas irischen Whiskey, gestiftet von Ben:
Tullamore, eine Kruke. Das hilft dem Rumpf,
sprach Meditativ-Ben, bei Kälte, barbarisch.
Gestern ohne Schlaf im Mumien-Schlafsack,
habe ich, mit Handschuh-Fingern, Caesar performt,
in Ovid reingeschaut, die Freunde bei Reclam.
Der Dichter beklagt seine „tristia fata”. Verbannt
nach Tomis, weit weg vom warmen Italien, lebt er
unter lauter Barbaren, der arme Poet.
Und, fröstelnd im kalten Germanien,
las ich des gemordeten („Et tu, mi fili?")
Caesars Latein, dann die Verse der Trauer. Denn:
Ich brauch das Latinum in Bayern
für jene vergleichsweise goldene Zeit
nach Feldwebel Schneider.
Hier sitz ich, gewärmt von Benjamins Whiskey,
es echot mir dunkel im Kopfe umher,
was Caesar schreibt über Elche,
zu finden im „Gallischen Krieg”
Buch Römisch Sechs, Kapitel ZwoSieben:
Die
Elche
im Barbarenland
sie gleichen großen Ziegen.
Und sie können sich gar
nicht hinlegen zum Ausruhn,
weil sie der Gelenke entbehren.
Sie lehnen sich, um Schlaf zu finden,
an Bäume. Die schlauen Barbaren
sägen die hohen Schlafbäume an:
So fallen die Bäume ("arbores cadunt")
und fällen die Elche ("caedunt alces").
Übrigens sah ich vorhin Feldwebel Schneider
hinter den Zelten am Wald, den großen Strategen und Leuteschinder.
Kniesteif lehnend an einer Fichte schluckte er Schnaps aus dem Flachmann.
Das bringt mich, o piktogrammische Muse und Herrin, auf eine verwandte Idee.
"Fortasse
et cras?"
Vielleicht
lehnt er
morgen ja
auch dort?
Anmerkungen:
Bitte die Lateinischen Sätze zu entschuldigen. Das war die Situation beim Bund vor dem Studium. In Bayern brauchte man da das Latinum. Dann: Resilienz: Widerständigkeit, Aufmupf, Gegenkraft, Widerstandsfähigkeit. Und, nein, der Text mit dem Baum und dem Tullamore ist wirklich hoffentlich bitte nicht als öder Jungmann-Landser-Quak zu verstehen. Der leicht hirnrissigen Elch-Story in Caesars "De Bello Gallico" halten Caesar-Bewunderer zugute:
a) die Autorschaft Caesars ist bei diesen Passagen seit altersher umstritten.
b) natürlich wusste der Texter, die Bäume fallen nicht auf die Seite, wo die Elche sich anlehnen.
c) die Elche fallen halt ohne Halt um, die Germanen kommen und freuen sich über das (noch lebendige) Wildbret.
Für Klassikfreaks und Neugierige:
Sunt item, quae appellantur alces. Harum est consimilis capris figura et varietas pellium, sed magnitudine paulo antecedunt mutilaeque sunt cornibus et crura sine nodis articulisque habent. Neque quietis causa procumbunt neque, si quo adflictae casu conciderunt, erigere se aut sublevare possunt. His sunt arbores pro cubilibus; ad eas se adplicant atque ita paulum modo reclinatae quietem capiunt. Quarum ex vestigiis cum est animadversum a venatoribus, quo se recipere consuerint, omnes eo loco aut ab radicibus subruunt aut accidunt arbores, tantum ut summa species earum stantium relinquatur. Huc cum se consuetudine reclinaverunt, infirmas arbores pondere adfligunt atque una ipsae concidunt. C. Julius Caesar, BG VI-27
Es gibt ebenso Tiere, die Elche genannt werden. Sie haben eine ähnliche Gestalt und Färbung wie Ziegen, aber in der Größe übertreffen sie sie ein wenig, ihre Hörner sind verstümmelt und sie haben Beine ohne Knöchel und Gelenke. Weder legen sie sich zum Schlafen hin noch können sie, wenn sie durch irgend einen Zufall umgeworfen, sich aufrichten oder aufstehen. Ihnen dienen Bäume als Schlafstätten. Sie nähern sich ihnen an und genießen so, ein wenig an sie angelehnt, Ruhe. Wenn Jäger durch Spuren bemerkt haben, wohin sie sich gewöhnlich zurückziehen, untergraben sie dort alle Bäume oder kerben sie so weit an, dass im Ganzen noch der Anschein stehender Bäume bleibt. Wenn die Elche sich ihrer Gewohnheit nach hier angelehnt haben, bringen sie die schwachen Bäume durch ihr Gewicht zu Fall und werden selbst getötet.
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Perry Exposéadler
P Alter: 71 Beiträge: 2509
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V.K.B. [Error C7: not in list]
Alter: 51 Beiträge: 6155 Wohnort: Nullraum
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30.04.2019 15:29
von V.K.B.
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Hallo Willi Wamser,
Schön eingefangen, die Atmosphäre. Und der Kontrast zwischen Grundausbildung und Bildung, der das Wort Grundausbildung schön zum Oxymororn macht.
Ja, Caesars Elch-Story, immer wieder ein Brüller. Ich persönlich gehe davon aus, dass ihm das irgendwelche Germanen tatsächlich so erzählt haben und sich dann einen Ast gelacht über diesen weltfremden (=waldfremden) römischen Feldherren, der ihnen diesen Bullshit abkauft und für bare Münze nimmt. Wahrscheinlich hat uns Caesar da das Zeugnis einer grandiosen Verarsche hinterlassen, der er zum Opfer gefallen ist.
Zugute halten könnte man ihm, dass er wohl wirklich keine Ahnung hatte, was es in Germanien für Tiere geben könnte, und ihm das Konzept von Evolution auch fremd war, also, dass sich wohl kaum ein Waldtier ohne Beingelenke entwickeln und durchsetzen würde, das nicht wieder aufstehen kann, wenn es fällt.
Grüße,
Veith
_________________ Hang the cosmic muse!
Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills … |
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