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Kiara Reißwolf
Alter: 44 Beiträge: 1404 Wohnort: bayerisch-Schwaben
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12.04.2019 09:32 Zweigeteilt von Kiara
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Zweigeteilt
unser Weg
auf feuchtem Teer
ich längs
du quer
die Wege
kreuzen sich
Reifengummi
entzweit dich
armer Wurm
Regenwurm
Im morgendlichen Dunst
hinaus aus der feuchten Erde
- du und viele andere
Benebelt und bettschwer
zwei Räder unter mir
- die Gedanken in der Ferne
Ihr seid zu viele, bei den Büschen
Linkskurve, Rechtskurve, zu schnell
- Mist, mindestens einen erwischt.
Der Titel entspricht dem Titel des ersten Gedichts.
Gleichzeitig ist es der Thementitel, denn hier findet ihr zwei Versionen der Gedanken, die heute, nach dem starken Regen, entstanden sind.
Spannend fände ich, welche Version - ohne dass ihr die Kommentare lest - euch spontan besser gefällt. Oder beide, vielleicht auch keines.
Anregungen werden, wie immer, gerne angenommen.
Viel Freude!
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gold Papiertiger
Beiträge: 4926 Wohnort: unter Wasser
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12.04.2019 22:06 Re: Zweigeteilt von gold
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Kiara hat Folgendes geschrieben: | Zweigeteilt
unser Weg
auf feuchtem Teer
ich längs
du quer
die Wege
kreuzen sich
Reifengummi
entzweit dich
armer Wurm
Regenwurm
Im morgendlichen Dunst
hinaus aus der feuchten Erde
- du und viele andere
Benebelt und bettschwer
zwei Räder unter mir
- die Gedanken in der Ferne
Ihr seid zu viele, bei den Büschen
Linkskurve, Rechtskurve, zu schnell
- Mist, mindestens einen erwischt. |
Hallo Kiara,
ich finde beide Texte nicht schlecht.
Was mich jedoch bei beiden stört, ist der Schluss. Er wirkt auf mich bei beiden Versionen zu banal.
Aber besonders gefällt mir die Strophe 1 in der zweiten Version.
Liebe Grüße
gold
_________________ es sind die Krähen
die zetern
in wogenden Zedern
Make Tofu Not War (Goshka Macuga)
Es dauert lange, bis man jung wird. (Pablo Picasso) |
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Kiara Reißwolf
Alter: 44 Beiträge: 1404 Wohnort: bayerisch-Schwaben
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12.04.2019 23:19
von Kiara
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Danke für deine Gedanken, gold.
Hmm...banal...
Es ist, wie es ist. Ich fahre mit meinem Fahrrad, obwohl ich versuche, auszuweichen, den einen oder anderen Wurm entzwei. Leider.
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BlueNote Stimme der Vernunft
Beiträge: 7304 Wohnort: NBY
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13.04.2019 07:46
von BlueNote
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Mir gefällt die erste Version wesentlich besser, vor allem das lapidare ich längs du quer.
In der zweiten Version ist das Übererklärende noch vorhanden, von dem die erste Version bereits befreit wurde. Auch die "Zwiesprache" mit dem Wurm gefällt mir nicht so richtig (du und viele andere). Zu viele/zu schnell ... das zweite Gedicht enthält m. E. zu viele (nebensächliche) Gedanken und konzentriert sich nicht auf das Wesentlich. Ganz anders Version Nr. 1.
Mein Fazit ist deshalb eindeutig.
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Kiara Reißwolf
Alter: 44 Beiträge: 1404 Wohnort: bayerisch-Schwaben
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16.04.2019 16:00
von Kiara
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Hallo BlueNote,
vielen Dank - mir auch.
Kann es sein, dass - ich hoffe, ich verletze damit niemanden, wenn ich versuche, es einfach so platt zu umschreiben - "lyrische Anfänger" eher die erklärende Version mögen? Ich will damit niemand in die Ecke stellen, dass liegt mir fern und das steht mir auch gar nicht zu! Es ist nur so, dass ich das früher bei mir selbst beobachtete. Doch kann ich in diesem Fall von mir auf andere schließen?
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Abari Alla breve
Alter: 43 Beiträge: 1838 Wohnort: ich-jetzt-hier
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16.04.2019 16:36
von Abari
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Hey,
Grundsätzlich: Ich mag das erste Gedicht aus den bereits genannten Gründen. Ich hatte ein flaues Gefühl bei Version zwei, konnte aber nicht bestimmen, warum.
Zu Deiner Frage: Text zwei bietet dem Leser mE mehr an, woran er sich als Bild entlanghangeln kann. Es ist eine allgemeine Erfahrung, die tief im sozialen Gedächtnis verankert ist. Text eins hingegen ist assoziativer und konzentrierter geschrieben; referiert auf dieselbe Erfahrung, aber eben minimaler. Deswegen bevorzuge ich Version eins, weil sie die Freiheit beim Leser lässt, sich eine Situation dazuzuerfinden und seine persönliche Erfahrung mit dem Textinhalt zu verknüpfen. Version zwei gibt ein klares Bild vor, wie gesagt, das durch Begriffe wie "bettschwer", "benebelt" und "morgendlichen Dunst" geschärft wird. Hier ist die Autorin ganz bei sich und schildert ihre Erfahrungen. Etwas, was bei moderner Lyrik meistens etwas - verunsichert aufgenommen wird. Prosa und Lyrik lässt sich gedanklich für mich schwer vereinen: Was der Prosa recht und billig, ist in der Lyrik ein No-Go und umgekehrt. Ein von Metaphern strotzender, prosaischer Text würde genauso wenig Wirkung haben, wie eine völlig überzuckerte Sahnetorte. Umso mehr lechzt die Lyrik nach Metaphern. Ihre ganze Wirkung beruht auf ihr.
So zumindest ist meine Leseerfahrung.
_________________ Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.
LG
Abari |
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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16.04.2019 21:20
von firstoffertio
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Zitat: | Zweigeteilt
unser Weg
auf feuchtem Teer
ich längs
du quer
die Wege
kreuzen sich
Reifengummi
entzweit dich
armer Wurm
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Aus schon genannten Gründen finde ich die erste Version besser.
Habe nun schon öfters nochmal hingeguckt, und überlegt, ob man sie nicht noch weiter komprimieren könnte, so:
Zweigeteilt
unser Weg
auf feuchtem Teer
ich längs
du quer
die Wege
kreuzen sich
armer Wurm
Oder gar:
Zweigeteilt
unser Weg
auf feuchtem Teer
ich längs
du quer
armer Wurm
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finis Klammeraffe
F
Beiträge: 577 Wohnort: zurück
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F 16.04.2019 21:28
von finis
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Ich sehe das wie firstoffertio.
Man könnte sogar noch weiter kürzen:
Zweigeteilt
gekreuzter weg
auf feuchtem teer
ich längs du quer
_________________ "Mir fehlt ein Wort." (Kurt Tucholsky) |
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Bea H2O Leseratte
Beiträge: 180
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16.04.2019 22:07
von Bea H2O
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Kiara hat Folgendes geschrieben: | Hallo BlueNote,
vielen Dank - mir auch.
Kann es sein, dass - ich hoffe, ich verletze damit niemanden, wenn ich versuche, es einfach so platt zu umschreiben - "lyrische Anfänger" eher die erklärende Version mögen? Ich will damit niemand in die Ecke stellen, dass liegt mir fern und das steht mir auch gar nicht zu! Es ist nur so, dass ich das früher bei mir selbst beobachtete. Doch kann ich in diesem Fall von mir auf andere schließen? |
Hallo Kiara,
ich würde mich als "lyrischen Anfänger" bezeichnen, doch auch mir gefällt die erste Version deutlich besser
Ich habe dabei auch erst einmal gar nicht an einen Wurm gedacht und fand ganz schön, dass man noch mehr in den Text hereininterpretieren konnte, als nur das "banale" Zweiteilen eines Wurmes.
Viele Grüße
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menetekel Exposéadler
Alter: 103 Beiträge: 2447 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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17.04.2019 06:59
von menetekel
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finis hat Folgendes geschrieben: | Ich sehe das wie firstoffertio.
Man könnte sogar noch weiter kürzen:
Zweigeteilt
gekreuzter weg
auf feuchtem teer
ich längs du quer |
So fände ich das Gedicht optimal!
Lächelnde Grüße
m.
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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Kiara Reißwolf
Alter: 44 Beiträge: 1404 Wohnort: bayerisch-Schwaben
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17.04.2019 07:39
von Kiara
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Das reimt sich sogar schön...
vielen Dank für die guten Vorschläge und die Mühen!
Doch ist da nicht "zu viel" Interpretationsspielraum? Mein Gedanke, dass ich diesen vielen Regenwürmern mit dem Fahrrad gar nicht mehr ausweichen kann, findet sich da nur wieder, wenn ich es selbst hineininterpretiere. Auch, wenn es im Endeffekt banal ist - es ist doch der Kern, muss ich den nicht polarisieren?
Jemand anderes hat nie die Chance, diesen Grundgedanken, von dem ich befallen war, zu erahnen - wenn, dann nur auf gut Glück.
Ist dieses "Herumrätseln" ein Teil von dieser Art Lyrik?
Ist der Grundgedanke gar nicht so wichtig - sind freie Interpretationen angenehmer? Oder ist das einfach die Vorliebe vieler lyrisch begabten dsfoler?
Hoffe, das nimmt mir keiner krumm, dass ich hier meine (frischen, von lyrischen Erfahrungen relativ unbefleckten) Gedanken teile.
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Abari Alla breve
Alter: 43 Beiträge: 1838 Wohnort: ich-jetzt-hier
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17.04.2019 13:28
von Abari
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Hey,
es ist Dein Text. Wenn Dir also der Bezug zum Regenwurm wichtige ist, dann lass ihn drin, denn zuerst muss der Text Dir gefallen.
Ich fand das Ding mit dem Wurm spannend und textimmanent wichtig, aber das ist meine Sicht der Dinge. Hier werden Dir ja keine Vorschriften, sondern Vorschläge und Denkanstöße gemacht, die Du akzeptieren kannst oder nicht. Wenn also der arme Wurm bleiben soll, dann bleibt er.
In der Regel ist moderne Lyrik darauf aus, mit möglichst wenigen Worten möglichst große Assoziationsketten auszulösen, was sie ein wenig aus der asiatischen Lyrik übernommen hat. Siehe Haiku und Senryû. Nichts desto trotz kannst Du auch eine Ballade schreiben, wenn Dir danach ist. Du stellst Dich damit in eine bestimmte Tradition und das ist in meinen Augen genauso legitim wie das Eindampfen von Texten. Du entscheidest letztlich als Autorin und hast die absolute Schreibhoheit über Deinen Text.
Was hier geschieht, ist lediglich Inspiration und Prüfung dessen, was Du mit dem vorhandenen Textmaterial anfangen kannst. Was Du daraus machst, ist Deine Sache.
_________________ Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.
LG
Abari |
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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17.04.2019 20:58
von firstoffertio
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Zitat: | Doch ist da nicht "zu viel" Interpretationsspielraum? Mein Gedanke, dass ich diesen vielen Regenwürmern mit dem Fahrrad gar nicht mehr ausweichen kann, findet sich da nur wieder, wenn ich es selbst hineininterpretiere. Auch, wenn es im Endeffekt banal ist - es ist doch der Kern, muss ich den nicht polarisieren? |
Deswegen hatte ich den armen Wurm in meinen Vorschlägen drin gelassen.
Mit dem von finis landen wir bei einem sehr allgemeinen Gedanken.
Ich glaube, es ist beim Schreiben von Lyrik oft so, dass schließlich das Besondere, welches Anlass gab zum schreiben, zu einem Text mit einer allgemeineren Aussage sich verwandelt. Aber diesen Weg kann man so weit gehen, wie man will als Autor.
Ich selber mag auch das Besondere nicht gerne ganz aus den Augen des Textes verlieren.
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Kiara Reißwolf
Alter: 44 Beiträge: 1404 Wohnort: bayerisch-Schwaben
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06.05.2019 19:02
von Kiara
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Danke euch für die Anregungen und Anmerkungen!
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