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Dunkelheit und Dämmerung


 
 
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Mr.Goose
Geschlecht:männlichSchneckenpost
M

Alter: 26
Beiträge: 13
Wohnort: Thüringen


M
Beitrag26.03.2019 01:35
Dunkelheit und Dämmerung
von Mr.Goose
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Dunkelheit und Dämmerung

Im seichten Schimmer des Mondlichts wirkten die Felder wie in einem tiefen Schaf versunken, zugedeckt nur von einer matten Schicht weißlicher Strahlen. Meine Großmutter erzählte immer davon, wie zu dieser Zeit der Nacht bei den richtigen Bedingungen eine Blume erblühen sollte, die göttliche Heilkraft enthalte. Leuchtende Blätter, die glitzern wie ein See im Sonnenschein und Stacheln so spitz und giftig, dass selbst ein ausgewachsener Mann sich vor ihnen schützen müsste. Ich habe so ein Gewächs noch nie zu Gesicht bekommen. Und in dieser Nacht würde sich das ganz sicher nicht ändern.
  Ich kniff die Augen zusammen und musste ein Gähnen unterdrücken, als ich ein weiteres Mal durch die dunklen Schatten der Baumwipfel in das stille Tal hinabschaute, um die Hügel und Wiesen nach irgendwelchen Anzeichen abzusuchen. Wieder blieb mein Blick an der Silhouette des Turms auf dem Hügel gegenüber hängen, hinter dem der Mond sich gerade zu seiner vollen Pracht aufschwang. Wohl in einer anderen Zeit als Gebietsbegrenzung oder Gefängnis oder zu irgendeinem anderen Zweck erdacht, erschien er jetzt wie ein alter, rostiger Nagel, der zur Hälfte in das Brett der Erde gehämmert und dann vergessen wurde. Heute Mittag hatten wir ihn passiert, mehr überwucherter Steinhaufen als antike Baukunst. Chris wollt unbedingt nach oben klettern und nach einer verborgenen Schatzkiste oder etwas Ähnlichem suchen. Im Nachhinein bin ich doch froh, das abgelehnt zu haben. Wir hätten sonst womöglich die andere Talseite nicht erreicht.
   Irgendetwas pikste mich an der Schulter und ich schlug instinktiv zu. Das kleine Stückchen Ameise in meiner Handfläche würde sich keinen Meter mehr bewegen. Ich wischte meine Hand an meiner Hose ab, als eine etwas stärkere Windböe durch die Baumkrone rauschte, in der ich mich befand. Erneut konnte ich ein ausgiebiges Gähnen nicht unterdrücken. Die Blätter des Baumes schienen im Mondenlicht zu tanzen, sie funkelten beinahe anmutig. Dann war der Moment vorbei und ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf den Horizont. Das Tal lag immer noch in friedlicher Stille vor mir. Allerdings hatte sich etwas verändert.
  Ich runzelte die Stirn, holte meinen Feldstecher aus dem Rucksack neben mir hervor und suchte die Turmruine ab. Dort schien in der Spitze etwas zu leuchten. Genau da, wo Chris heute einen Schatz vermutet hatte. Ich stellte schärfer. Nun konnte ich auch die dünne Rauchsäule sehen, die sich vor dem aufgehenden Mond in den Himmel zog. Dort oben hatte jemand Feuer gemacht, ich konnte es inzwischen relativ deutlich sehen.
  Das war gar nicht gut.
  Meine Müdigkeit war sofort wie weggeblasen, ich schnappte mir meinen Rucksack und die Decke, auf der ich saß und schwang mich mit einem Schwung vom Ast herunter. Was für nichtsnutzige Idioten um diese Uhrzeit ein Feuer in einem Turm entfachen, war jetzt auch nicht mehr wichtig. Sie würden sowieso bald nicht mehr sein. Und wenn wir nicht schnell genug wären, würden wir ihnen folgen.
  Ich sprang in meiner Hast aus einer unverhältnismäßigen Höhe vom Baum, jedoch federte der weiche Waldboden größtenteils meinen Sturz ab. Trotzdem ging ich zu Boden, rappelte mich jedoch sofort wieder auf und stürmte durch das Gestrüpp in Richtung Lager. Auf meinem Weg merkte ich, wie es dunkler wurde, das Licht des Mondes verschwand langsam, wie als würde sich eine gewaltige Wolkenwand in den Vordergrund drängen. Der Wald schien immer dichter und bedrohlicher. Ich rannte weiter, musste das Lager erreichen, in dem Chris noch schlief. Wir mussten weg von hier, so schnell wie möglich. Doch der Weg schien unendlich. Die Büsche wurden immer undurchdringlicher, die Bäume schienen immer mehr zusammenzurücken, verstellten mir den Weg. Ich stolperte über eine Wurzel und schlug mir das Knie auf. Hinter mir raschelte das Gestrüpp und bevor ich wieder aufzustehen vermochte, packte mich etwas Kaltes am Knöchel.
  Ich schrie auf und zuckte ruckartig zusammen. Der Geruch von Kiefernnadeln schlug mir entgegen. Einer der Äste pikste mir unangenehm in den Rücken. Nicht weit entfernt ließ eine Eule ein ärgerliches Schuhu hören und flatterte empört aus dem Geäst. Ich blickte mich um, kalten Schweiß im Gesicht und immer noch voll Panik im langsam weichenden Traum versunken. Nichts da. Alles friedlich. Das Tal lag still im Mondlicht zu meinen Füßen, die Turmruine immer noch ein schwarzer Schatten am Horizont. In ihrem Rücken kündigte ein kaum merklicher Schimmer die Sonne des neuen Tages an. Ich versuchte, tief und ruhig zu atmen, langsam, stetig. Doch das Gefühl der Angst ließ sich nicht komplett vertreiben. Zumindest für den Moment schien es sich in einer Ecke meines Verstandes eingenistet zu haben, zum Trotz jegliches logischen Denkens.
 Mein Herzschlag beruhigte sich wieder und langsam sah ich mich auch wieder in der Lage dazu, mein Gehirn in eben die pragmatische Bahnen zu lenken, die eigentlich in unserer Situation überlebenswichtig waren. Ich schaute auf meine Armbanduhr und stellte entsetzt fest, dass es inzwischen schon fast morgen war. Ich hatte Glück gehabt. In der nächsten Nacht durfte mir so etwas nicht noch einmal passieren.
  „Puta mierda“, murmelte ich vor mich hin, als ich meine Sachen zusammenpackte und mich an den Abstieg machte. Chris hatte schon viel zu lange geschlafen, ich würde ihn jetzt genau zur falschen Zeit wecken. Allerdings musste ich mich unbedingt noch einmal aufs Ohr hauen, wenn mir der gleiche Fehler nicht morgen noch einmal passieren sollte. Während ich die untersten Äste erreichte und auf den Boden sprang, schlug mir wieder ein intensiver Waldgeruch entgegen. Hier unten war es nicht so zugig, wie in den Wipfeln der Bäume und die Mischung aus Harz, Kiefernnadeln und anderen undefinierbaren Quellen verklebte mir regelrecht die Nase. Ich wandte mich nach links und schlitterte den Abhang hinab, der zu unserem Lager führte. Vielleicht wäre es doch besser, Chris schlafen zu lassen, ich war mir sowieso nicht mehr sicher, ob ich in dieser Nacht noch ein Auge zu bekommen würde.
  Zwischen den dunklen Stämmen konnte ich vor mir langsam die Silhouette unseres Zeltes ausmachen. Ich verharrte kurz auf einem der umgestürzten Bäume, um zu überlegen, ob es jetzt wirklich noch sinnvoll wäre, den Schlaf meines kleinen Bruders zu stören. Schließlich entschied ich mich dafür. Er hatte schon genug Ruhe für diese Nacht. Ich schwang mich vom Baumstamm hinunter, um es ihm mitzuteilen.
  In dem Moment als meine Füße den Boden berührten, wurde die Stille der Nacht von einem hohen, trommelfellzerreißenden Schrei unterbrochen. Nichts Menschliches war mehr darin zu hören. Ich hielt mitten in der Bewegung inne, das Blut gefror in meinen Adern. Die Panik im Hinterzimmer meines Verstandes brach aus und nahm in Sekunden überhand. Sie hatten uns doch noch gefunden.
  Ich sprintete los, auf das Lager zu. Die paar Pflanzen und Sträucher auf meinem Weg wurden achtlos umgetreten, ich musste zu Chris. Zum Glück war sein Schlafplatz nicht mehr weit entfernt. Als ich ankam, stand er schon vor dem Zelt und sah mich riesigen, schreckensgewei- teten Augen an, in seinem Gesicht keine Spur von Müdigkeit, nur blanke Angst. „Das waren sie, oder?“
  Ich packte ihn an den Schultern und versuchte, soviel Zuversicht in meine Worte zu legen, wie möglich. „Ja, aber wir laufen ihnen davon, verstanden?! Die Sonne geht bald auf, das schaffen wir.“ In seinem Blick konnte ich sehen, dass es nicht funktionierte. Ich konnte ja selbst kaum die kalte Furcht unterdrücken, die eisige Spuren durch mein Rückgrat zog und Adrenalin in meine Adern pumpte. Chris wirkte wie versteinert, ich versuchte ihn mit mir zu ziehen. „Los, enano! Wir lassen das Zelt hier, wir besorgen uns morgen ein neues, jetzt müssen wir rennen!“
  „Wohin?“ Er blickte mich an, ich konnte sehen, dass er zitterte.
  Ich gab keine Antwort und zog ihn mit. Wir bahnten uns einen Weg durch das Unterholz, ich rannte, so schnell wie es Chris hinter mir zu ließ. Mehrere Male stolperte einer von uns beiden und schlug hart auf dem Boden auf, wurde aber direkt wieder so schnell wie möglich auf die Füße gezogen. Verletzungen mussten in Kauf genommen werden, wenn wir unser Leben behalten wollten.
  Während wir uns eine rücksichtslose Schneise durch das Dickicht kämpften, schien es, als würden die Schatten des Waldes breiter werden, sich langsam verformen und wachsen. Die Geräusche der ersten Vögel und das Rauschen des Windes schienen wie abgeschaltet, in meinem Kopf dröhnte einzig und allein mein keuchender Atem und wie aus weiter, weiter Ferne die stolpernden Schritte von Chris hinter mir, der meine Hand immer noch fest umklammert hielt. „Lass mich nicht los! Hörst du? Halt meine Hand fest, egal was passiert!“ Meine eigene Stimme fühlte sich seltsam fremd an, wie losgelöst von meinem Körper. Ich konnte nicht mehr beurteilen, ob Chris mich verstanden hatte, in meinen Ohren herrschte ein alles übertönendes Rauschen. Allerdings spürte ich, wie seine Finger meine schraubstockartig zusammendrückten.
  Die dunklen Figuren der Bäume verschwanden und vor uns tat sich plötzlich so etwas wie eine Straße auf. Rechts oder links? Ich zog Chris nach rechts, spürte den harten Untergrund und rannte weiter. Unter unseren Füßen begann sich jetzt eine undurchdringliche Dunkelheit auszubreiten, die mit jedem Schritt ein Stückchen weiterwuchs. Es wirkte fast, als würde sie von uns ausgehen, jeder Fußabdruck hinterließ eine Pfütze aus pechschwarzem Nichts. Die Konturen von Bäumen, Büschen und Sträuchern zu beiden verschwammen vor unseren Augen und verschmolzen mit dem Weg vor uns zu einer einzigen schwarzen Masse, eine undurchdringliche Landschaft, durch die wir wie blind, orientierungslos voran strauchelten. Es fiel bald schwer, weiterhin einen Fuß von den anderen zu setzen, unterhalb der Knie schienen wir durch Wasser zu waten. Ich versuchte nach unten zu schauen und stellte fest, dass ich nichts mehr sehen konnte. Es war nicht zu dunkel oder schwarz wie das, was uns eben noch umringt hatte, es war einfach Nichts. Ein Nichts, dass meinen Kopf ausfüllte, meine Gedanken lähmte, von allen Seiten auf mich eindrückte.
  Meine Beine waren inzwischen taub. Irgendwo am Rande bekam ich mit, dass die Brücke zu Chris abgebrochen war, meine Hand hing lose an meiner Seite. Das Rauschen in meinen Ohren veränderte sich und wurde zu einem einzigen schrillen Ton, der klang, als würde man versuchen, mit einer Kreissäge Stein zu zerschneiden. Keuchend blieb ich stehen und fiel auf die Knie. Ich konnte nicht mehr weiterlaufen.
  Eine Gestalt trat in mein Blickfeld. Umrandet von einer Aura aus purer Dunkelheit, so schwarz, dass sie leuchtete, konnte ich zwei lange Beine und Arme ausmachen, die in einem kurzen, nach vorn gewölbten Torso endeten. Auf dessen Ende saß ein unförmiger Kopf, mit einem absurd großen Maul. Als ich versuchte aufzublicken, sah ich direkt in ein kleines funkelndes Auge von so reinem weiß, dass mir die Augen brannten. Die Gestalt öffnete ihr Maul und stieß einen Schrei aus. Außer dem Schrillen Schreien, dass meinen ganzen Kopf ausfüllte, vernahm ich aber kein Geräusch. Doch mit einem Mal fühlte es sich an, als würde aus meinem tiefsten Inneren etwas herausgerissen werden. Ich schrie vor Schmerz auf, besaß jedoch keine Stimme mehr.
  Ich fiel vornüber mit dem Gesicht voran in allumfassende Dunkelheit. Alles in mir wirkte seltsam abgestumpft und taub, während es gleichzeitig vor Schmerz zu brennen schien. Ich war nicht mehr in der Lage, mich zu bewegen, geschweige denn aufzustehen. Ganz am Rande, in einer Ecke dessen, was von meinem Verstand noch übrig war, spürte ich, wie ich meine Augen schloss, während die Gestalt vor mir immer näher kam und ihre Hand nach mir ausstreckte.
  Plötzlich explodierte Licht vor meinen Augen und eine Welle von Wärme durchschoss mich, traf mich wie ein Schlag in die Magengrube. Ich atmete einmal tief und röchelnd ein. Es fühlte sich an, wie der erste Atemzug nach dem Auftauchen aus der dunklen See. Mein ganzer Körper kribbelte, in meinen Ohren rauschte es immer noch, aber leiser. Ich spürte eine kalte, raue Fläche an meiner Wange. Unfähig meine Augen zu öffnen, vor denen die Lichtpunkte Tango tanzten, bekam ich meinen Atem langsam unter Kontrolle und bemerkte, dass ich auf dem Boden zu liegen schien.
  Ich versuchte meine Finger zu bewegen. Sie fühlten sich merkwürdig kalt und steif an, nach mehreren Versuchen reagierten sie jedoch. Das gleiche wiederholte ich mit meinen Zehen. Inzwischen ebbte auch das Kribbeln ab. Ich wollte noch einmal meine Augen öffnen, meine Lieder schienen wie zugeschweißt. Der Geruch von Erde drang mir in die Nase. Was war passiert? Es gelang mir nicht, Ordnung in meine Gedanken zu bringen, alles schwirrte in einem dunklen Nebel durcheinander. Schreie blitzten auf, Menschen die ich nie hatte sterben sehen, litten Todesqualen die von mir verursacht schienen, Chris ließ meine Hand los und schlug auf den Boden…
  Meine Augen öffneten sich reflexartig stand ich auf den Beinen. Chris! Wo? Ich fiel direkt wieder zurück auf den Boden, meine Knie schienen noch zu wacklig, als dass sie mein Körpergewicht tragen konnten, vor meinen Augen schaukelten wieder Lichtflecken. Ich hielt inne, bis ich wieder klar sehen konnte und schaute mich um.
  Der Morgen war angebrochen. Die ersten rotgoldenen Strahlen der Sonne schlängelten sich ihren Weg durch die uns umringenden Bäume. Trotzdem wirkten sie kalt, als hätte man ihnen alle Herzlichkeit geraubt. Sie glitten über die Dächer und Wände der zerfallenen Häuser, die vor uns aufragten. Offensichtlich hatten wir es bis an den Rand einer Siedlung geschafft. Der laue Wind der Nacht war verschwunden, überhaupt bewegte sich kein Blatt, die Umgebung schien wie still zu stehen. Kein Vogel zwitscherte, nichts raschelte im Gebüsch. Die Welt hielt stumm den Atem an.
  Ich blickte zurück die Straße hinunter und entdeckte Chris ein paar Meter entfernt, wie ein Bündel zusammengesackt auf dem Asphalt liegend. Ich versuchte mich aufzurappeln, scheiterte aber und kroch schließlich auf allen vieren zu ihm. Angekommen rüttelte ich ihm an der Schulter. „Chris, Chr –„ Der Rest ging in einem Hustenanfall unter. Meine Stimme kratzte bei jedem Röcheln und verursachte eine weitere Hustenwelle, sodass ich gezwungen war, mich flach neben ihn auf den Rücken zu nehmen. Schließlich beruhigte sich mein Körper wieder. Ich wollte mich gerade wieder aufsetzen und von neuem beginnen, ihn wachzurütteln. Doch er reagierte vorher, schob seine kleine kalte Hand in meine und drückte fest zu.
  Ich konnte nicht anders, ich musste laut loslachen. Wärme durchflutete mich und ich drückte zurück, ließ mich neben ihn auf den Boden gleiten. Mein schrilles, überdrehtes Lachen klang in der Stille fast gespenstisch. Aber ich konnte nicht aufhören. Tränen liefen mir über die Wangen. Ich lachte weiter. Ich wusste nicht wie oder warum, ich war einfach froh, am Leben zu sein.



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reißwolf
Leseratte


Beiträge: 138



Beitrag26.03.2019 12:35

von reißwolf
Antworten mit Zitat

Hallo Mr. Goose!
Ich bin schon nach dem ersten Absatz ausgestiegen. Ich kann also ehrlicherweise nichts zum kompletten Text sagen, zum Aufbau, zum Plot. Falls die Story gut ist, ist es schade drum. Aber ich glaube, mit ein paar Änderungen könntest du den Einstieg wesentlich spannender gestalten.

Grund Nummer eins für meinen Ausstieg liegt in deiner Art, mit dicken Farben zu malen. Das ist natürlich Geschmackssache. Ich gebe zu, ich selber schreibe manchmal so ähnlich. Aber ich versuche dabei wenigstens, überraschende Farben zu verwenden. Bei dir dagegen ist es ein Herumreiten auf dem, was man schon tausendmal gelesen hat. Deine Malerei geht zudem auf Kosten der Bewegung. "Weniger Adjektiv, mehr Verb" wäre also mein Tipp. Stellvertretend hier nur zwei Beispiele (der Text ist voll von solchen Sachen):
Mal ehrlich, der Schimmer des Mondlichts steht dem Leser doch auch ohne zusätzliches Adjektiv (fahl, blass, bleich, matt, oder was schlechte Schreiber sonst so dem Mondlicht zuzuordnen pflegen) deutlich vor Augen. Davon abgesehen ist das von dir gewählte "seicht" nicht sonderlich treffsicher, denn Seichtigkeit bedeutet "Abwesenheit von Tiefe".
Und wieso um alles in der Welt kann nicht mal etwas einfach nur in den Schlaf sinken? Muss es immer und immer wieder der tiefe Schlaf sein? Gibt es da irgendwo ein Gesetz für dieses Adjektiv?
Durch solche Dinge hat man beim Lesen den Eindruck, über einen ausgetretenen Pfad geführt zu werden. Das lähmende Gefühl der Vorhersehbarkeit stellt sich ein.

Der zweite Grund für meinen Ausstieg liegt darin, dass mich der Absatz nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich in keiner Weise neugierig macht. Du beschreibst nächtliche, mondbeschienene Felder im (tiefen) Schlaf - und dass die Großmutter von einer Pflanze erzählt hat, die der Protagonist ganz sicher ist, nicht zu finden. Gut, dann ist das Thema ja erledigt. Warum weiterlesen?

Viel Spaß beim Umsetzen oder Verwerfen!
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RocketJo
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 37
Beiträge: 102
NaNoWriMo: 50755



Beitrag26.03.2019 15:28

von RocketJo
Antworten mit Zitat

Aloha von mir.
Ich muss gestehen, ich habe auch noch nicht viel weiter gelesen als reißwolf, aber aus anderen Gründen. Ich bin gerade zwischen zwei Arbeitsschritten in der Pause hier und habe für die Länge des Textes nicht die Zeit.
Aber ich persönlich finde den Einstieg nicht so schlecht. Eine Rückblende ganz am Anfang ist allerdings immer schwierig, das ist wahr.

Mir ist allerdings in folgendem Absatz direkt etwas aufgefallen, was ich eben schonmal anmerken möchter:

Zitat:
Wieder blieb mein Blick an der Silhouette des Turms auf dem Hügel gegenüber hängen, hinter dem der Mond sich gerade zu seiner vollen Pracht aufschwang. Wohl in einer anderen Zeit als Gebietsbegrenzung oder Gefängnis oder zu irgendeinem anderen Zweck erdacht, erschien er jetzt wie ein alter, rostiger Nagel, der zur Hälfte in das Brett der Erde gehämmert und dann vergessen wurde.


Das klingt so, als würdest du mit dem rostigen Nagel den Mond meinen, nihct den Turm. Da hilft es, den ersten Satz umzustellen und mit dem Mond anzufangen.
Und zur "Adjektivitis": ein rostiger Nagel braucht nicht auch noch das Attribut alt ^^

Den gesamten Text werde ich mir ansehen, wenn ich etwas mehr Zeit habe ^^
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LeviathanII
Geschlecht:männlichEselsohr
L


Beiträge: 297



L
Beitrag29.03.2019 17:42

von LeviathanII
Antworten mit Zitat

Ich fand den Text interessant. Und ich habe ihn sogar gelesen! Mehrmals.

Erstmal das Positive/Interessante:
 - Der Text ist auf jeden Fall spannend, vor Allem auch durch die Atmosphäre, durch das desolate Drumherum.
 -> In diesem Sinne finde ich die sprachliche Reduktion ganz interessant: Nichts hat einen Namen. Es ist eine Blume, von der erzählt wurde. Es ist ein Turm, ein Tal, namenlose Felder. Der Erzähler kann nichts beim benennen, nichts genaues sagen (von der Blume wurde ihm erzählt, über die alten Ruinen rätselt er), selbst die Bedrängnis verbleibt unbenannt. Außer Chris natürlich. Das ist sprachlich nicht ungeschickt - Es verleiht der erzählten Welt ein gewisses Gefühl des Unendlichem, macht das bedrückende Gefühl unauflösbar, verstärkt zugleich das Gefühl einer ziellosen Wanderung der Hauptfiguren, verunmöglicht im Grunde die Existenz eines Zieles.
--> Im Sinne der Reduktion ist auch die Sprache interessant: Fast alles was erzählt wird, was ausgedrückt wird, sind Sinneseindrücke, direkte Wahrnehmungen. Es sind alles primäre Reaktionen ohne Versuch der Interpretation: Sie wird sogar direkt abgelehnt, etwa in der BEschreibung des Turmes: "Wohl in einer anderen Zeit als Gebietsbegrenzung oder Gefängnis oder zu irgendeinem anderen Zweck erdacht, erschien er jetzt wie ein alter, rostiger Nagel (...)"
Deutlich stärker ist dies jedoch am Ende: "Menschen die ich nie hatte sterben sehen, litten Todesqualen die von mir verursacht schienen, Chris ließ meine Hand los und schlug auf den Boden…
Meine Augen öffneten sich reflexartig stand ich auf den Beinen. "
Interessant ist hierbei ja auch, dass zu der Beschreibung "Menschen die ich nie hatte sterben sehen" die Fremden, die ein Feuer im Turm machen, passen. Fremde die durch ihre Sichtbarkeit, durch das Licht inmitten der Nacht von der Hauptfigur zum Tode verurteilt werden. Im striktem Gegensatz zum Licht, dass sie selber rettet.
-> Zugleich liegt der Kern der Geschichte natürlich auf dem einzig benamsten, dem Bruder, dem zugleich fragilstem und flüchtigstem Element in dieser Umgebung, die in ihrer Unbenanntheit, ihrer Reduktion nauf direkte Wahrnehmungen so unendlich erscheint.
-> Außerdem positiv: Das Ende, gerade der letzte Absatz, ist genial.
 Gerade weil es ein gutes Ende im Schlechtem ist. Weil das Heilsversprechen ausbleibt. Weil die Siedlung aus "zerfallenen Häuser[n]" besteht. Und weil das gute Ende in denselben Schranken, denen der direkten, aber emotional ehrlichen Wahrnehmung des Erzählers gefangen bleibt.

Nun das Negative:
- Der Satz: "Und in dieser Nacht würde sich das ganz sicher nicht ändern." hat auch mich glauben lassen, eine deutlich schlechtere Geschichte lesen zu werden, als sie nachher war. Ich meine: Ich verstehe worauf du hinaus willst, das Motiv der Heilung, ebenso wie die Großmutter sind nicht unwichtig für den Text - Und ich habe auch keine Idee, wie genau man diesen Teil umschreiben könnte. Leider klingt es aber wirklich etwas holprig.
 Auch ansonsten ist die Sprache, wenngleich keinesfalls schlecht, so doch tatsächlich ersichtlich vor allem noch aus anderen Werken abgeleitet. Es klingt noch ein wenig zu sehr nach anderen Büchern. Ein wenig klischeehaft, ja, vor allem aber noch nicht gänzlich "eigenständig", wenn das Sinn macht.
 (Wobei, wenn ich nach oben links sehe dort ein angegebens Alter von 21 steht, sowie eine Beitragsanzahl in diesem Forum von 2 - Was die Kritik eine noch nicht ganz entwickelte eigene Stimme zu haben; Und das Kapitalverbrechen Mondschein mit einem Adjektiv zu beschreiben, oder den Schlaf als tief -> Weil die gelesenen Pfade nun einmal fast die einzigen Pfade zum Schreiben sind - All diese Kritik vielleicht nicht nichtig, jedoch im erheblichem Maße unfair macht. Vor allem mit dem Vorwurf des "Schlechten Schreibers"...)

Egal: Im Großem und Ganzem ist es ein vollkommen solider Text, mit wirklich interessanten Motiven und Strukturen (Reduktion als Erzählprinzip!), der sowohl spannend ist, als auch emotional mitnehmend und "nur" dadurch gehindert wird, dass er sprachlich, und somit im Aufbau, noch ein wenig klischeehaft wirkt.
 Ich habe ihn auf jeden Fall gerne gelesen.
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