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Alles für einen Stein


 
 
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Fagus Westfalica
Gänsefüßchen
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Beiträge: 48
Wohnort: Prag


F
Beitrag16.03.2019 21:14
Alles für einen Stein
von Fagus Westfalica
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Alles für einen Stein

*[erster ~Krimi ever - keine Gewährleistung für richtige Fachausdrücke]
*[Gerold hat nicht funktioniert - bitte um Verständnis für übersehene Fehler]

Messerscharfe Zähne blitzten im grellen Rampenlicht auf.
Auf ein panisches Gebrüll folgte ein Gewirr aus Schreckensschreien. Dann warfen sich muskulöse Pranken und kräftige Kiefer auf eine zusammen gekrümmte Gestalt, die in einem großen Käfig gefangen war. Blut spritzte und zahlreiche Menschen die im Hintergrund auf Bänken gesessen und begeistert zugeschaut hatten sprangen nun vor Schrecken auf. Panisch flohen sie aus dem großen Zelt, während der Mann im Käfig zerfleischt wurde. Das war das Ende des “großen Zirkus Europa”.
    
“Sie sind unsere Hauptverdächtige, verstehen sie nicht was das für sie bedeutet?”, Natürlich wusste Jenny das. Dennoch schwieg sie nur und schmollte vor sich. Die brutalen Bilder ihres letzten Arbeitstags gingen ihr nicht aus dem Kopf. Ihr Mentor wurde an dem Tag von seinen Raubkatzen umgebracht und schnell traten Beweise auf, die eine gezielte Manipulation des Auftritts bestätigten.
“Fräulein , ich sag es ihnen ein letztes mal, wenn sie jetzt ihr Geständnis ablegen wirkt sich das auf ihren Prozess positiv aus.”
Der Beamte vor ihr wurde eindringlich.
“Ich werde nichts sagen, bevor ich mit meinen Anwalt gesprochen habe.”
Der Fakt, dass sie mit ihrem Freund kurz nach der Tat versucht hatte zu fliehen, sprach nicht gerade für Jenny. Mit einem genervten Fluchen verließ der Beamte den Verhörraum und knallte die Tür hinter sich zu.
Kurz vor seiner letzte Aufführung hatte Antonio den Futtereimer für seine Raubkatzen von Jenny entgegen genommen, der vermeintlich mit frischem Fleisch gefüllt war. Sie erinnerte sich noch allzu gut daran. Sie war äußerst aufgeregt gewesen.
Vor ihrem inneren Augen sah sie noch seinen geschockten Blick, als er in den Eimer griff und nicht das herausholte, was er erwartete hatte. Dabei hatte er sich auch noch in die Finger geschnitten. Sie hörte noch das Fauchen der unruhigen Raubkatzen, die vergebens auf ihre Belohnung warteten. Keiner hatte in diesem Moment reagiert und versucht dem Dompteur zu helfen.
Die Tür öffnete sich und einen junge Frau im dunkelroten Overall und schwarzen Stiefeln betrat den Verhörraum. Sie setzte sich Jenny gegenüber, wo zuvor der Beamte gesessen hatte, kreuzte ihre Beine und wischte sich ihr schulterlanges braunes Haar aus dem Gesicht. Dann richtete sie ihre strahlend blauen Augen auf die Verdächtige und ihr ernster Blick wich einem milden Lächeln.
“Wir wollen ihnen nur helfen. Fräulein -”, sie brach ab und blickte in die auf dem Tisch liegende Akte: “Jennifer Wiedenbrück”.
“Sagen sie einfach nur Jenny”
“Ich bin Hauptkommissarin Sandra Steffens, Leiterin des Morddezernats.”
Sie schüttelte Jenny die Hand und blickte sie mit vertrauensvollen Blick.
“Nun gut Jenny, erzählen sie bitte einfach nur von ihrem Standpunkt, was am Abend des 23. Juli passiert ist.”
Jennys Gedanken flogen zurück an jenem verhängnisvollen Abend. “Antonio und ich waren zunächst noch in der Maske...”

“Das wird schon, meine kleine”, sagte Antonio mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Ein letztes mal schaute er in den Spiegel und zupfte an seinen fein gezwirbelten Moustache. Jenny betrachtete ihn skeptisch durch den Spiegel.
“Du solltest dieses mal diesen nervösen weißen Tiger nicht mit in die Manege nehmen. Er war mal wieder den ganzen Tag sehr schlecht drauf”
“Ich werde ganz bestimmt nicht auf Tamara verzichten! Sie ist mein Diamant, die Krönung meiner Vorstellung”.
Jennys Mentor unterstrich seine Worte mit einer übertrieben kunstvollen Handbewegung.

“Also haben sie schon zuvor Zweifel am Erfolg der Vorstellung gehabt?”
“Ja, eines von Antonios Tiere war noch nicht bereit für diesen Auftritt. Er bestand darauf es vorzuführen, weil es das einzige weiße Tier war.”
Jenny zögerte.
”Ich wusste von Anfang an dass er auf mich nicht hören wird”.
Hauptkommissarin Steffens räusperte sich und griff in ihre Tasche. Sie legte eine Mappe und einen Kugelschreiber auf den Tisch vor sich und zog sich eine Lesebrille auf. Dann begann sie sich etwas zu notieren. Sie kratzte sich am Kopf und schaute wieder zu Jenny.
“Fahren sie fort.”

“Beeil dich Antonio, du bist gleich dran”, ertönte es hinter dem Vorhang, dann steckte die Maskenbildnerin ihren Kopf durch den Vorhang. Mit einem prüfenden Blick auf den Dompteur trat sie ein und holte einen Pinsel und ein Döschen hervor. Hastig korrigierte sie dessen Makeup.
Aus der Manege schallten Applaus und Jubelrufe.
 “Danke Maike.”
Antonio blickte zur Maskenbildnerin und strich ihr liebevoll durchs Haar. Dann wandt er sich an Jenny.
”Gib mir den Futtereimer!”
Diese blickte sich im Raum nach dem Blecheimer um und bekam fast einen Schrecken, als sie ihn zunächst nicht fand.
“Dort in der Ecke!”
Die Maskenbildnerin deutete in eine Ecke neben dem Vorhang. Er stand vorbereitet, mit dem purpurroten Samttuch abgedeckt bereit, wie sie ihn zurückgelassen hatte.

“Kennen sie den vollen Namen der Maskenbildnerin? Da scheint meinem Kollegen ein kleines Detail entgangen zu sein.”
Die Kommissarin zupfte verlegen an ihren roten Overall. Dann drehte sich nach hinten zum Einwegspiegel um und warf einen strengen Blick darein.
“Ich bin mir nicht sicher… ich glaube Maike Hülshoff.”
Sandra Steffens begann wieder zu notieren.
“Können sie mir mehr zu dieser Person sagen?”
“Sie arbeitete schon sehr lang in diesem Zirkus als Maskenbildnerin in dritter Generation. Antonio war ihre Jugendliebe aber ihr Vater und Vorgänger in ihrem Beruf hat da irgendwie was gegen gehabt. Ich selber hab kaum was mit ihr zu tun gehabt, ich durfte ja noch nicht auftreten.”
Die Kommissarin warf Jenny einen prüfenden Blick zu und rückte ihre Brille zurecht, dann notierte sie wieder. Ohne aufzublicken fragte sie weiter.
“Das Opfer wurde von seinen Tieren regelrecht aufgefressen, da das Futter im Eimer durch Küchenlappen ausgetauscht wurde. Warum ist ihm dass nicht sofort aufgefallen, als er den Eimer entgegen genommen hatte?”
“Wir decken den Eimer immer mit einem Tuch ab, damit sich die Tiere nicht sofort darauf stürzen.”
”Können sie sich vorstellen, wie diese Lappen statt dem Fleisch in den Eimer gelangten?”
Die Ermittlerin zog ein paar blutverschmierte Küchenlappen hervor, welche sich in einer durchsichtigen Plastiktüte befanden.
“Ich hab keine Ahnung, ich hab diese Tücher nie gesehen.”
Jennys Stimme zitterte.
”Ich hab den Eimer kurze Zeit aus den Augen verloren.”

Als ihr Mentor zum Vorhang schritt und sich der Manege zuwandte überreichte Jenny ihm den Eimer.
“Viel Glück”, sagte sie schüchtern, “sei vorsichtig”.
“Mir passiert nichts, das ist ja nicht mein erstes mal mit so einem großen Publikum.”, Der Dompteur grinste verschmitzt.
”Aber Tamaras erstes mal”
“Denk dran: Es gibt nichts was den Großen Antonio überfordert!”
Dies waren seine letzten Worte zu seiner Schülerin. Er berührte sie, zu Jennys Ärger, mal wieder an ihrem Hinterteil. Es lief ihr kalt den Rücken runter. Dann wandt er sich ab und ging von Applaus empfangen auf die Bühne.

“Ihr Mentor hat ihnen an den Hintern gefasst? Hat sie das nicht gestört?”
Die Beamte blickte Jenny erstaunt an und blätterte in ihrer Mappe, bevor sie eifrig weiter schrieb. Jenny musste lächeln.
“Das war jetzt nicht so schlimm, er hat sowas ständig gemacht.”
“Waren sie in einer Beziehung mit dem Opfer?”
Frau Steffens blickte wieder zur Verdächtigen auf und zog die Brille aus um sie an ihem Overall abzuwischen.
“Nicht wirklich”, sagte Jenny mit einem traurigen Unterton. “Er hatte eigentlich mit fast jeder Frau im Zirkus etwas laufen”.
Sie verdrehte die Augen dann erstarrte sie plötzlich, als ihr klar wurde dass sie ein mögliches Motiv für einen Mord preisgegeben hatte.
“Ich hab ja die Beziehung mit, mit...”
 Jennys Worte endeten in unbeholfenes Gestotter, während sie aus dem Raum dorthin deutete, wo sie ihren Freund vermutete.
“Ist schon gut.”
Die Kommissarin lächelte.
“Möchten sie einen Kaffee?”
“Ja gern,” antwortete Jenny mit rauer Stimme.
Ihre Kehle war schon ganz ausgetrocknet, sie hatte auf jeden Fall schon zu viel gesagt. Die Ermittlerin drehte sich wieder zum Fenster um und deutete auf den Tisch. “Jungs, bringt uns mal bitte zwei Tassen Kaffe.”
Dann drehte sie sich wieder zu Jenny.
”Wie kann es sein das die Tiere derart aggressiv waren?”
Jenny dachte nach.
“Antonio ließ die Fütterungen immer in den letzten Tagen vor der Aufführung ausfallen, er meinte dass sie ihm so gehöriger seien. Er ging immer volles Risiko ein. Er fürchtete sich vor nichts.”

Die Maskenbildnerin war schon längst mit den anderen Menschen im Chaos geflüchtet. Nun war Jenny allein in den Trümmern des Zeltes, welches durch die Massenpanik teilweise eingebrochen war. Sie beobachtete das weiße Tigerweibchen, wie es an den blutigen Überresten von Antonio knabberte, während die anderen Raubkatzen bereits abgehauen waren. Vorsichtig Schritt sie näher an die Leiche und ließ Tamara währenddessen nicht aus den Augen.
Als diese das Mädchen bemerkte fauchte sie auf und offenbarte eine blutige Reihe scharfer Zähne.
“Kommschon, hau ab!”, zischte Jenny zum Tier und zog eine Peitsche langsam hervor.
Tamara knurrte, riss sich einen Armstumpf aus der Leiche heraus und lief damit davon.
 
Der unfreundliche Beamte, den Jenny zu Beginn ihres Verhörs kennengelernen musste betrat wieder den Raum, diesmal mit zwei Tassen Kaffee in der Hand. Ohne ein Wort zu sagen stellte er sie auf dem Tisch ab und eilte wieder heraus.
“Danke sehr.”
Sie zupfte am Ausschnitt ihres Overalls, setzte die Brille wieder auf und ging ihre Notizen durch. Jenny schaute gelangweilt in ihren Kaffee. Nach einer Weile unterbrach Steffens die Stille.
”Der Pathologe hat ihre Haare an diesen Tüchern festgestellt. Können sie sich das erklären, wo sie diese doch noch nie gesehen haben?”
Jenny kam ins schwitzen.
“Ich meinte eigentlich noch nie wahrgenommen”, korrigierte sie sich nach einem Zögern.
”Vielleicht lagen sie im Zelt oder in einem unserer Wohnwagen herum und ich bin ohne darauf zu achten dagegen gekommen. Ich bin sicher meine DNA wurde nicht als einzige festgestellt.”
Diese Aussage war sehr gewagt. Jenny schluckte. Sandra Steffens setzte einen ernsten Blick auf.
”Hmm, das stimmt. Wo glauben sie würde der Täter das Fleisch, dass er durch die Tücher ersetzt hat, so kurz vor der Vorstellung in seiner Eile hinräumen?”
“Was weiß ich? Sie sind hier die Ermittlerin!”
Jenny wurde schnippisch. Die Ermittlerin ging nicht darauf ein sondern notierte wieder etwas mit strengen Blick in ihre Mappe.

Tamara verschwand mit einem Arm von Antonio zwischen den Zähnen in den Trümmern des Zirkuszeltes. Jenny wandt sich von der Katze ab und schaute auf den Toten. Grinsend beugte sie sich vor und betrachtete den völlig verunstalteten Körper ihres Mentors. Die Raubkatzen hatten wirklich nicht mehr viel übrig gelassen: Abgenagte Knochen mit Fleischresten, übersäht mit zerstückelten Organresten. Alle Gliedmaßen und der Kopf waren abgetrennt worden. Durch die Fressorgie waren sie  völlig zerfetzt und bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet. Doch etwas hatten die Tiere zurückgelassen, etwas von unschätzbaren Wert.

Jenny nahm einen ersten Schluck von ihrem Kaffee. Kommissarin Steffens blickte nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder von ihrer Mappe auf.
“Das Opfer besaß eine umfangreiche Sammlung von Edelsteinen und Mineralien sehr hohen Wertes. Unsere Kollegen von der Kriminaltechnischen Untersuchung konnten feststellen, dass ein einzelnes besonders hervorgehobenes Stück in seiner Sammlung zu fehlen scheint, allerdings konnten sie keinerlei Einbruchsspuren und keine fremde DNA auffinden. Können sie uns darüber etwas sagen?”
Jenny zuckte zusammen, spuckte den Kaffee auf den Tisch und hustete. “Entschuldigung der Kaffee war noch heiß”, krächzte sie gequält auf und konnte ihr zittern nicht verbergen.
“Schon gut”, sagte die Ermittlerin misstrauisch und zog ein Taschentuch hervor, mit dem sie den Tisch abwischte.
“Er war Sammler und hat immer einen Stein zu jedem Auftritt mitgenommen. Er glaubte sie bringen ihm Glück.”
Das Misstrauen verschwand aus dem Gesicht der Frau und sie blickte nachdenklich, auf den Kugelschreiber kauend an die Decke.
“Wo hat er die Steine immer mit sich getragen?”
Sie warf den Blick auf Jenny, welche den Mund weit aufgerissen hatte, um sich mit den Fingern an die Zunge zu fassen. Sie versuchte so zu wirken, als ob sie sich ihre Zunge verbrannt hätte.
Das Mädchen zuckte mit den Achseln. Der Blick der Ermittlerin wandelte sich, als ob sie soeben eine Erleuchtung hätte.

In den Ruinen des Zeltes herrschte Totenstille und Dunkelheit, bis auf einen Scheinwerfer, der überlebt hatte und noch immer auf Antonio gerichtet war. Vor Glück glucksend griff Jenny in ihre Tasche und zog ein reich besticktes Tuch hervor, dann griff sie in den Brustkorb ihres Mentors. Zwischen den zahlreichen gebrochenen Rippen zerrte sie den, durch die Tiere nach oben verschobenen, angerissenen Magen des Dompteurs hervor. Durch einen großen Riss griff sie angewidert in das Organ und entleerte es.
Zwischen jede Menge Blut und Essensreste fühlte sie etwas hartes. Sie las es mit dem Tuch ab und wischte es ab. Der erbsengroße orangene Stein leuchtete und funkelte wie ein geschliffener Diamant in ihrer Hand. Jenny stand auf und steckte sich ihn in die Tasche. Dann verließ sie das Zelt und machte sich auf dem Weg zu ihrem Freund.

“Eine letzte Frage hab ich noch Fräulein Wiedenbrück: Wieso sind sie und ihr Freund geflohen?”
Jenny zögerte und nahm einen weiteren Schluck Kaffee.
“Mir war sofort nach Antonios Tod klar, dass sie mich festnehmen werden. Alles spricht gegen mich: Ich war seine Gehilfin und habe ihm den Futtereimer überreicht. Ich hab einfach nur Angst, den Prozess zu verlieren und auf den Knast hab ich echt kein Bock.”
Jenny seufzte.
“Ich hab keine Chance mehr. Zuerst verliere ich meinen Mentor, der wie ein Vater für mich war und meinen Job und jetzt werde ich auch noch dafür festgenommen. Ihr Kollege hat es selbst gesagt: Ich bin eure Hauptverdächtige.”
Das Mädchen setzte eine niedergeschlagene Miene auf. Die Ermittlerin schaute sie mitfühlend an und lächelte.
”Sind sie nicht. Mein Kollege ist nur etwas übereifrig.”
Sie drehte sich wieder zum Polizeispiegel hinter sich um.
“Darüber hinaus haben sie kein richtiges Motiv. Wir werden dennoch die Fahrweise ihres Freundes ahnden, aber da bekommen sie später noch alles zugeschickt. Dafür ist aber das Morddezernat nicht zuständig. Sie können jetzt beide gehen, aber bitte halten sie sich zu unserer Verfügung. Bei einem weiteren Fluchtversuch müssen wir sie leider in Untersuchungshaft nehmen.”
Jenny und die Ermittlerin standen auf reichten sich die Hände, dann wurde das Mädchen hinausgeführt.

Jennys trat zu ihrem Freund und verließ mit ihm das Revier. Schweigend gingen die beiden über den Parkplatz und stiegen ins Auto. Erst als die Türen geschossen waren fingen sie an zu sprechen.
“Und, habens siehs geschluckt?”
Die Augen von Jennys Freund glitzerten wissbegierig im Licht der Innenbeleuchtung.
“Ich denke schon. Wir haben jetzt noch genau eine Chance zu fliehen.”
Das Mädchen griff in ihre Tasche, zog einen schwarzen Stoffbeutel heraus und öffnete ihn. Jenny entnahm einen kleinen orange leuchtenden Stein aus dem Beutel, dessen Glanz das Auto von innen erstrahlen ließ. “Lass ihn mich noch einmal sehen”, bettelte ihr Freund.
Sie überreichte ihm den Stein und ließ ihn diesen Bewundern.
“Er ist wunderschön. Und der Alter hatte den wirklich verschluckt?”
Jenny kicherte.
“Ich glaub der war sich selbst über den Wert dieses Steinchens bewusst und hat seinen Magen als einziges sicheres Versteckt gewägt. Zu dumm, dass ich ihn genau zum richtigen Augenblick beobachtet habe. Diese Katzen haben gute Arbeit an ihn gelassen, aber der hat sich das verdient.”
Jenny zwinkerte ihrem Freund zu und nahm den Stein wieder an sich.
“Darüber hinaus hat der sich das nicht anders verdient. Hoffentlich erfüllt der Stein auch seinen Zweck!”
Ihr Freund lachte.
“Mit dem Stein werden wir sowas von reich.”
“Jetzt fahr endlich los”, drängte Jenny.
Sie dachte über die magischen Kräfte des Steins nach.
Dieser naive Junge hatte ja sowas von keine Ahnung. Niemand hatte das.

Die Ermittlerin schaute mit verschränkten Armen zu wie die Jenny von ihrem Freund umarmt wurde und mit ihm das Gebäude verließ.
“Du lässt sie einfach gehen Chef?”
Der Beamte trat neben sie und blickte den beiden hinterher. Sandra wischte sich einen Fussel vom dunkelroten Ärmel.
”Wir sind im Vorteil wenn sie sich in Sicherheit wägen. Schick ihnen eine Streife hinterher. Und finde mehr über diese Mineraliensammlung heraus.”
Der Beamte nickte.
“Mach ich Chef. Sonst noch was?”
“Ach ja, sag bitte dem Pathologen, er möge den Magen des Opfers nochmal genauer untersuchen. Möglicherweise hat niemand einen Edelstein gestohlen, jedenfalls nicht vor seinem Tod.”
“Wie meinen sie das?”
“Wo verstecken Drogenschmuggler gern ihr Ware vor Kontrollen? Ich bin mir ziemlich sicher, wir haben die Täter, wir müssen es ihnen nur noch nachweisen!”



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Calvin Hobbs
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Beitrag17.03.2019 13:03
Re: Alles für einen Stein
von Calvin Hobbs
Antworten mit Zitat

Fagus Westfalica hat Folgendes geschrieben:
Alles für einen Stein

*[erster ~Krimi ever - keine Gewährleistung für richtige Fachausdrücke]
*[Gerold hat nicht funktioniert - bitte um Verständnis für übersehene Fehler]

Messerscharfe Zähne blitzten im grellen Rampenlicht auf.
Auf ein panisches Gebrüll folgte ein Gewirr aus Schreckensschreien. Dann warfen sich muskulöse Pranken und kräftige Kiefer auf eine zusammen gekrümmte Gestalt, die in einem großen Käfig gefangen war. Blut spritzte und zahlreiche Menschen die im Hintergrund auf Bänken gesessen und begeistert zugeschaut hatten sprangen nun vor Schrecken auf. Panisch flohen sie aus dem großen Zelt, während der Mann im Käfig zerfleischt wurde. Das war das Ende des “großen Zirkus Europa”.
    
“Sie sind unsere Hauptverdächtige, verstehen Sie nicht, was das für Sie bedeutet?”, Natürlich wusste Jenny das. Dennoch schwieg sie nur und schmollte vor sich. Die brutalen Bilder ihres letzten Arbeitstags, an dem gingen ihr nicht aus dem Kopf. ihr Mentor wurde an dem Tag von seinen Raubkatzen umgebracht wurde.
Schnell traten Beweise auf, die eine gezielte Manipulation des Auftritts bestätigten.
“Fräulein , ich sag es Ihnen ein letztes mal, wenn Sie jetzt Ihr Geständnis ablegen, wirkt sich das auf Ihren Prozess positiv aus.”
Der Beamte vor ihr wurde eindringlich.
“Ich werde nichts sagen, bevor ich mit meinen Anwalt gesprochen habe.”
Der Fakt, dass sie mit ihrem Freund, kurz nach der Tat, versucht hatte, zu fliehen, sprach nicht gerade für Jenny. Mit einem genervten Fluchen verließ der Beamte den Verhörraum und knallte die Tür hinter sich zu. Warum sollte er jetzt schon genervt sein?
Kurz vor seiner letzte Aufführung hatte Antonio den Futtereimer für seine Raubkatzen von Jenny entgegen genommen, der vermeintlich mit frischem Fleisch gefüllt war. Sie erinnerte sich noch allzu gut daran. Sie war äußerst aufgeregt gewesen. Das geht bestimmt auch in einem Satz.
Vor ihrem inneren Augen sah sie noch seinen geschockten Blick, als er in den Eimer griff und nicht das herausholte, was er erwartete hatte. Dabei hatte er sich auch noch in die Finger geschnitten. Woran? Sie hörte noch das Fauchen der unruhigen Raubkatzen, die vergebens auf ihre Belohnung warteten. Keiner hatte in diesem Moment reagiert und versucht dem Dompteur zu helfen.

Die Tür öffnete sich und einen junge Frau im dunkelroten Overall und schwarzen Stiefeln Also ich habe sehr gelacht betrat den Verhörraum. Sie setzte sich Jenny gegenüber, wo zuvor der Beamte gesessen hatte, kreuzte ihre Beine und wischte sich ihr schulterlanges braunes Haar aus dem Gesicht. Dann richtete sie ihre strahlend blauen Augen auf die Verdächtige und ihr ernster Blick wich einem milden Lächeln.
“Wir wollen Ihnen nur helfen. Fräulein -”, sie brach ab und blickte in die auf dem Tisch liegende Akte: “Jennifer Wiedenbrück”.
“Sagen sie einfach nur Jenny”
“Ich bin Hauptkommissarin Sandra Steffens, Leiterin des Morddezernats.”
Sie schüttelte Jenny die Hand Nie im Leben und blickte sie mit vertrauensvollen Blick. Zu viele Blicke und Angeschaue
“Nun gut Jenny, erzählen sie bitte einfach nur von ihrem Standpunkt, was am Abend des 23. Juli passiert ist.”
Jennys Gedanken flogen zurück an jenem verhängnisvollen Abend. “Antonio und ich waren zunächst noch in der Maske...” Wie lange ist das her? Gestern? Es klingt, als läge es endlos zurück

“Das wird schon, meine kleine”, sagte Antonio mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Ein letztes mal schaute er in den Spiegel und zupfte an seinen fein gezwirbelten Moustache. Jenny betrachtete ihn skeptisch durch den Spiegel.
“Du solltest dieses mal diesen nervösen weißen Tiger nicht mit in die Manege nehmen. Er war mal wieder den ganzen Tag sehr schlecht drauf”
“Ich werde ganz bestimmt nicht auf Tamara verzichten! Sie ist mein Diamant, die Krönung meiner Vorstellung”.
Jennys Mentor unterstrich seine Worte mit einer übertrieben kunstvollen Handbewegung.
Empfinde ich als zu kurz, um die Geschichte ins Rollen zu bringen
“Also haben sie schon zuvor Zweifel am Erfolg der Vorstellung gehabt?”
“Ja, eines von Antonios Tiere war noch nicht bereit für diesen Auftritt. Er bestand darauf es vorzuführen, weil es das einzige weiße Tier war.”
Jenny zögerte.
”Ich wusste von Anfang an dass er auf mich nicht hören wird”.
Hauptkommissarin Steffens räusperte sich und griff in ihre Tasche. Wo kommt die Tasche her? Sie legte eine Mappe und einen Kugelschreiber auf den Tisch vor sich und zog sich eine Lesebrille auf. Dann begann sie sich etwas zu notieren. Sie kratzte sich am Kopf und schaute wieder zu Jenny.
“Fahren sie fort.”

“Beeil dich Antonio, du bist gleich dran”, ertönte es hinter dem Vorhang, dann steckte die Maskenbildnerin ihren Kopf durch den Vorhang. Mit einem prüfenden Blick auf den Dompteur trat sie ein und holte einen Pinsel und ein Döschen hervor. Hastig korrigierte sie dessen Makeup. Leider, leider gibt es meines Wissens keine extra Maskenbildnerin beim Zirkus. Das machen die Künstler alles selbst und gegenseitig.
Aus der Manege schallten Applaus und Jubelrufe.
 “Danke Maike.”
Antonio blickte zur Maskenbildnerin und strich ihr liebevoll durchs Haar. Dann wandt er sich an Jenny.
”Gib mir den Futtereimer!”
Diese blickte sich im Raum nach dem Blecheimer um und bekam fast einen Schrecken, als sie ihn zunächst nicht fand.
“Dort in der Ecke!”
Die Maskenbildnerin deutete in eine Ecke neben dem Vorhang. Er stand vorbereitet, mit dem purpurroten Samttuch abgedeckt bereit, wie sie ihn zurückgelassen hatte.
Sorry, aber das ist mir zu konstruiert

“Kennen sie den vollen Namen der Maskenbildnerin? Da scheint meinem Kollegen ein kleines Detail entgangen zu sein.”
Die Kommissarin zupfte verlegen an ihren roten Overall. Dann drehte sich nach hinten zum Einwegspiegel um und warf einen strengen Blick darein.
“Ich bin mir nicht sicher… ich glaube Maike Hülshoff.” Wie lange ist Jenny denn beim Zirkus, dass sie die Maskenbildnerin nicht kennt? Ein Zirkus ist eine ganz ganz  kleine Welt
Sandra Steffens begann wieder zu notieren.
“Können sie mir mehr zu dieser Person sagen?”
“Sie arbeitete schon sehr lang in diesem Zirkus als Maskenbildnerin in dritter Generation. Antonio war ihre Jugendliebe aber ihr Vater und Vorgänger in ihrem Beruf hat da irgendwie was gegen gehabt. Ich selber hab kaum was mit ihr zu tun gehabt, ich durfte ja noch nicht auftreten.”
Die Kommissarin warf Jenny einen prüfenden Blick zu und rückte ihre Brille zurecht, dann notierte sie wieder. Ohne aufzublicken fragte sie weiter.
“Das Opfer wurde von seinen Tieren regelrecht aufgefressen, da das Futter im Eimer durch Küchenlappen ausgetauscht wurde. Warum ist ihm dass nicht sofort aufgefallen, als er den Eimer entgegen genommen hatte?”
“Wir decken den Eimer immer mit einem Tuch ab, damit sich die Tiere nicht sofort darauf stürzen.” Steht der Eimer nicht außerhalb des Käfigs?
”Können sie sich vorstellen, wie diese Lappen statt des Fleisches in den Eimer gelangten?”
Die Ermittlerin zog ein paar blutverschmierte Küchenlappen hervor, welche sich in einer durchsichtigen Plastiktüte befanden. Wo kommt die Tüte her?
“Ich hab keine Ahnung, ich hab diese Tücher nie gesehen.”
Jennys Stimme zitterte.
”Ich hab den Eimer kurze Zeit aus den Augen verloren.”

Als ihr Mentor zum Vorhang schritt und sich der Manege zuwandte überreichte Jenny ihm den Eimer.
“Viel Glück”, sagte sie schüchtern, “sei vorsichtig”.
“Mir passiert nichts, das ist ja nicht mein erstes mal mit so einem großen Publikum.”, Der Dompteur grinste verschmitzt.
”Aber Tamaras erstes mal”
“Denk dran: Es gibt nichts was den Großen Antonio überfordert!”
Dies waren seine letzten Worte zu seiner Schülerin. Er berührte sie, zu Jennys Ärger, mal wieder an ihrem Hinterteil. Es lief ihr kalt den Rücken runter. Wieso? Das eiskalte Händchen? Dann wandt er sich ab und ging von Applaus empfangen auf die Bühne. Zirkus? Manege?

“Ihr Mentor hat ihnen an den Hintern gefasst? Hat sie das nicht gestört?”
Die Beamte blickte Jenny erstaunt an und blätterte in ihrer Mappe, bevor sie eifrig weiter schrieb. Jenny musste lächeln.
“Das war jetzt nicht so schlimm, er hat sowas ständig gemacht.”
“Waren sie in einer Beziehung mit dem Opfer?”
Frau Steffens blickte wieder zur Verdächtigen auf und zog die Brille aus, um sie an ihrem Overall abzuwischen.
“Nicht wirklich”, sagte Jenny mit einem traurigen Unterton. “Er hatte eigentlich mit fast jeder Frau im Zirkus etwas laufen”.
Sie verdrehte die Augen, dann erstarrte sie plötzlich, als ihr klar wurde, dass sie ein mögliches Motiv für einen Mord preisgegeben hatte.
“Ich hab ja die Beziehung mit, mit...” ????
 Jennys Worte endeten in unbeholfenes Gestotter, während sie aus dem Raum dorthin deutete, wo sie ihren Freund vermutete. ????
“Ist schon gut.”
Die Kommissarin lächelte.
“Möchten sie einen Kaffee?” Ich bin mir sicher, dass wird am Anfang gefragt, um eine entspanntere Atmosphäre zu schaffen
“Ja, gern,” antwortete Jenny mit rauer Stimme.
Ihre Kehle war schon ganz ausgetrocknet, sie hatte auf jeden Fall schon zu viel gesagt. Die Ermittlerin drehte sich wieder zum Fenster um und deutete auf den Tisch. “Jungs, bringt uns mal bitte zwei Tassen Kaffee.”
Dann drehte sie sich wieder zu Jenny.
”Wie kann es sein, dass die Tiere derart aggressiv waren?”
Jenny dachte nach.
“Antonio ließ die Fütterungen immer in den letzten Tagen vor der Aufführung ausfallen, er meinte dass sie ihm so gehöriger seien. Er ging immer volles Risiko ein. Er fürchtete sich vor nichts.” Das würde ich mal recherchieren, ob es Sinn macht und ob hungrigere Tiere gefügiger sind. Klingt für mich zweifelhaft
Die Maskenbildnerin war schon längst mit den anderen Menschen im Chaos geflüchtet. Nun war Jenny allein in den Trümmern des Zeltes, welches durch die Massenpanik teilweise eingebrochen war. Nee, in dem Fall wäre das eine Katastrophe. So weit willst Du gehen? Ein eingebrochenes Zirkuszelt?
Sie beobachtete das weiße Tigerweibchen, wie es an den blutigen Überresten von Antonio knabberte, während die anderen Raubkatzen bereits abgehauen waren. Abgehauen finde ich eine schlechte Wortwahl und die Frage stellt sich, wohin? Vorsichtig schritt sie näher an die Leiche und ließ Tamara währenddessen nicht aus den Augen. schritt?
Als diese das Mädchen bemerkte fauchte sie auf und offenbarte eine blutige Reihe scharfer Zähne.
“Kommschon, hau ab!”, zischte Jenny zum Tier und zog eine Peitsche langsam hervor. Hatte sie die in der Hosentasche?
Tamara knurrte, riss sich einen Armstumpf aus der Leiche heraus und lief damit davon. Wohin?
 


Leider empfinde ich den Beginn als recht zahnlos. Mir ist die Geschichte zu wenig stringent und ich habe das Gefühl, Du willst zu viel in zu kurzer Zeit erzählen.[/b]
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Fagus Westfalica
Gänsefüßchen
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F
Beitrag17.03.2019 19:28

von Fagus Westfalica
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi Calvin Hobbs,

Danke für die ausführliche Kritik, ich werde sie bei der Korrektur beachten.
Ich freue mich, dass du dich so gerne mit meinen Texten beschäftigst.

In ein paar der Punkte stimme ich dir zu, aber teilweise bist du schon ein bisschen sehr perfektionistisch (im Bezug auf Fakten, wie z.B.  Maskenbildnerinnen im Zirkus). Man muss der Fantasie auch noch ihren Freiraum geben.

Aber vielen Dank,

Ich freue mich immer über eifrige, so ausführliche Korrekturen oder gute Ratschläge und Tipps!

Beste Grüße,

Seb


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markbannstorm
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Beitrag17.03.2019 22:12

von markbannstorm
Antworten mit Zitat

Hallo,

an sich finde ich die Geschichte ganz interessant. Was mich gestört hat, waren einmal die häufige Verwendung von Adjektiven (Messerscharf, grell, panisch, muskulös, kräftig, großen, …) auch später im Text und zum anderen ein paar Unstimmigkeiten:
- da Raubtiervorführungen immer in Käfigen passieren, glaube ich nicht, dass so schnell eine Massenpanik ausbricht. Es hätte bestimmt Menschen gegeben, die mit ihrer Handykamera draufgehalten hätten... Außerdem wären die Zirkushelfer nicht ebenfalls geflohen...
- hätte Antonio nicht an dem Gewicht merken müssen, dass kein Fleisch im Eimer ist? Außerdem, wenn sein Leben daran hängt, hätte er bestimmt vorher in den Eimer geschaut. Das wäre doch sehr riskant für Jenny. Ein Blick unter das Tuch und alles wäre vorbei.
- das mit den hungrigen Tieren halte ich ebenfalls für zweifelhaft
- das Jenny in den Käfig zu den Raubtieren geht, die gerade einen Menschen zerfleischt haben, klingt für mich selbstmörderisch.
- Ich bezweifele, dass jemand für einen Auftritt einen Edelstein verschluckt, den er als Glückbringer verwenden will. Die "Wiedergewinnung" wäre doch viel zu aufwändig. Warum verschluckt er ihn für einen Auftritt und lässt ihn sonst bei seiner Mineraliensammlung? (die wo gesichert ist?)
==> Aber ich denke einige der Punkte könnte man durch ausführlichere Schilderungen entkräften (z.B. Menschen schreien, die Raubtiere drehen durch und springen gegen die Käfigstäbe -> da könnte ich mir eher eine Panik vorstellen)
Was das Ganze für mich interessant macht, ist die Frage, warum Jenny für einen Edelstein einen derartigen Kollateralschaden in Kauf nimmt.


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Es geht darum zu lernen im Regen zu tanzen. (Zig Ziglar)

Wenn ich loslasse, was ich bin, werde ich, was ich sein könnte (Laotse)
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Fagus Westfalica
Gänsefüßchen
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Beiträge: 48
Wohnort: Prag


F
Beitrag18.03.2019 17:25

von Fagus Westfalica
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hi markbannstrom,

Vielen Dank auch für deine Kritik und besonders auch für die guten Verbesserungsvorschläge.
Sofern ich Zeit habe werde ich diese Umsetzen und den Text korrigieren.

Beste Grüße,

Seb


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Rodge
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Beitrag19.03.2019 07:14
Re: Alles für einen Stein
von Rodge
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Fagus Westfalica hat Folgendes geschrieben:

Messerscharfe Zähne blitzten im grellen Rampenlicht auf.
Auf ein panisches Gebrüll folgte ein Gewirr aus Schreckensschreien.


Nach so vielen Superlativen (messerscharf, grell, panisch, Schreckensschreie) habe ich aufgehört zu lesen. Wenn du alles übersteigerst, verlierst du Leser (zumindest den einen, der das hier schreibt).

Grüße
Rodge
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Fagus Westfalica
Gänsefüßchen
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F
Beitrag19.03.2019 17:47
Alles für einen Stein (1. Korrektur)
von Fagus Westfalica
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Alles für einen Stein

[1. Korrektur]

Messerscharfe Zähne blitzten im Rampenlicht auf.
Auf ein Gebrüll folgte ein Gewirr aus Schreckensschreien. Dann warfen sich Kräftige Pranken und Kiefer auf eine zusammengekrümmte Gestalt. Blut spritzte und zahlreiche Menschen die im Hintergrund auf Bänken gesessen und begeistert zugeschaut hatten, sprangen nun auf. Panisch flohen sie aus dem großen Zelt, während der Mann im Käfig zerfleischt wurde. Das war das Ende des "großen Zirkus Europa”.

“Sie sind unsere Hauptverdächtige, verstehen Sie nicht was das für Sie bedeutet?”
Natürlich wusste Jenny das. Dennoch schwieg sie nur und schmollte weiter vor sich hin, wie sie es in den letzten zwei Stunden im Verhörraum auch getan hatte.
Die brutalen Bilder ihres letzten Arbeitstags gingen ihr nicht aus dem Kopf. Ihr Mentor wurde an dem Tag von seinen Raubkatzen umgebracht und schnell traten Beweise auf, die eine gezielte Manipulation des Auftritts bestätigten.
“Fräulein, ich sage es Ihnen ein letztes Mal, wenn Sie jetzt ihr Geständnis ablegen wirkt sich das auf Ihren Prozess positiv aus."
Der Beamte vor ihr wurde eindringlich.
“Ich werde nichts sagen, bevor ich mit meinem Anwalt gesprochen habe."
Der Fakt, dass sie mit ihrem Freund kurz nach der Tat versucht hatte zu fliehen, sprach nicht gerade für Jenny. Nach einer spektakulären Verfolgungsjagd wurden beide gestellt und festgenommen. Nachdem Jennys Freund verhört wurde, hatte er sie im Warteraum mit einen vielsagenden Blick abgelöst. Dabei war keiner der beiden in der Lage gewesen ein Wort miteinander auszutauschen.
Mit einem genervten Fluchen verließ der Beamte den Verhörraum und knallte die Tür hinter sich zu. Nachdenklich nahm Jenny einen Schluck kalten Kaffee, aus ihrer fast leeren Tasse.
Kurz vor seiner letzten Aufführung hatte Antonio den Futtereimer für seine Raubkatzen von Jenny entgegengenommen, der vermeintlich mit frischem Fleisch gefüllt war. Sie erinnerte sich noch allzu gut daran, denn an dem Abend war sie äußerst aufgeregt gewesen.
Vor ihrem inneren Auge sah sie noch seinen geschockten Blick, als er in den Eimer griff und nicht das herausholte, was er erwartete hatte. Dabei hatte er sich auch noch an einer Kante in die Finger geschnitten. Sie hörte noch das Fauchen der unruhigen Raubkatzen, die vergebens auf ihre Belohnung warteten. Keiner hatte in diesem Moment reagiert und versucht dem Dompteur zu helfen.
Die Tür öffnete sich und einen junge Frau im dunkelroten Overall und schwarzen Stiefeln betrat den Verhörraum. Um ihre Schulter hing eine schwarze Umhängetasche aus Leder, die sie unter den Tisch, als sie zu Jenny trat. Sie setzte sich Jenny gegenüber, kreuzte ihre Beine und wischte sich ihr schulterlanges braunes Haar aus dem Gesicht. Dann richtete sie ihre strahlend blauen Augen auf die Verdächtige und ihr ernster Blick wich einem milden Lächeln.
“Wir wollen Ihnen nur helfen. Fräulein-”, sie brach ab und blickte in die auf dem Tisch liegende Akte: “Jennifer Wiedenbrück.”
“Sagen Sie einfach nur Jenny.”
“Ich bin Hauptkommissarin Sandra Steffens, Leiterin des Morddezernats.”
Sie gab Jenny die Hand und blickte sie vertrauensvoll an.
“Nun gut Jenny, erzählen Sie bitte einfach nur von ihrem Standpunkt aus, was am Abend des 23. Juli passiert ist.”
Jennys Gedanken flogen zurück an jenem verhängnisvollen Abend. “Antonio und ich waren zunächst noch in der Maske...”

“Das wird schon, meine Kleine”, sagte Antonio mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Ein letztes Mal schaute er in den Spiegel und zupfte an seinen fein gezwirbelten Moustache. Jenny betrachtete ihn skeptisch durch den Spiegel.
“Du solltest dieses Mal diesen nervösen weißen Tiger nicht mit in die Manege nehmen. Er war mal wieder den ganzen Tag sehr schlecht drauf.”
“Ich werde ganz bestimmt nicht auf Tamara verzichten! Sie ist mein Diamant, die Krönung meiner Vorstellung.”
Jennys Mentor unterstrich seine Worte mit einer übertrieben kunstvollen Handbewegung.
Jenny musste lächeln.
“Diese Vorstellung ist dir wirklich dein Leben wert, oder?”
“Da kennst du Tamara nicht. Sie würde mir niemals etwas antun. Sie ist vielleicht ein bisschen nervös, aber vergiss nicht, ich habe sie von Hand mit der Flasche aufgezogen.”
“Deine Tiger sind immer noch wilde Tiere.”
Antonio grinste schelmisch und zupfte wieder an seinem Schnurrbart.
“Das macht sie auch so aufregend”

“Also haben Sie schon zuvor Zweifel am Erfolg der Vorstellung gehabt?”
“Ja, eines von Antonios Tieren war noch nicht bereit für diesen Auftritt. Er bestand darauf es vorzuführen, weil es das einzige Weiße war.”
Jenny zögerte.
”Ich wusste von Anfang an, dass er nicht auf mich hören wird.”
Hauptkommissarin Steffens räusperte sich und griff in ihre Tasche. Sie legte eine Mappe und einen Kugelschreiber auf den Tisch vor sich und zog eine Lesebrille an. Dann begann sie sich etwas zu notieren. Sie kratzte sich am Kopf und schaute wieder zu Jenny.
“Fahren Sie fort.”

“Beeil dich Antonio, Du bist gleich dran”, ertönte es hinter dem Vorhang, dann steckte die Maskenbildnerin ihren Kopf durch den Vorhang. Mit einem prüfenden Blick auf den Dompteur trat sie ein und holte einen Pinsel und ein Döschen hervor. Hastig korrigierte sie dessen Make-up.
Aus der Manege schallten Applaus und Jubelrufe.
“Danke Maike.”
Antonio blickte zur Maskenbildnerin und strich ihr liebevoll durchs Haar. Dann wandte er sich an Jenny.
”Gib mir den Futtereimer!”
Diese blickte sich im Raum nach dem Blecheimer um und bekam fast einen Schrecken, als sie ihn zunächst nicht fand.
“Dort in der Ecke!”
Die Maskenbildnerin deutete in eine Ecke neben dem Vorhang. Er stand vorbereitet, mit dem purpurroten Samttuch abgedeckt bereit, wie sie ihn zurückgelassen hatte.

“Kennen Sie den vollen Namen der Maskenbildnerin? Da scheint meinem Kollegen ein kleines Detail entgangen zu sein.”
Die Kommissarin zupfte verlegen an ihrem roten Overall. Dann drehte sich nach hinten zum Einwegspiegel um und warf einen strengen Blick darein.
“Ich glaube Maike Hülshoff. Ich bin noch nicht so lange dabei und wir sprechen uns sonst nur mit Vornamen an.”
Sandra Steffens begann wieder zu notieren.
“Können Sie mir mehr zu dieser Person sagen?”
“Sie arbeitet schon sehr lang in diesem Zirkus als Maskenbildnerin in dritter Generation. Antonio war ihre Jugendliebe, aber ihr Vater und Vorgänger in ihrem Beruf war gegen die Beziehung. Ich selber hab kaum was mit ihr zu tun gehabt, ich durfte ja noch nicht auftreten.”
Die Kommissarin warf Jenny einen prüfenden Blick zu und rückte ihre Brille zurecht, dann notierte sie wieder. Ohne aufzublicken fragte sie weiter.
“Das Opfer wurde von seinen Tieren regelrecht aufgefressen, da das Futter im Eimer durch nasse Küchenlappen ausgetauscht wurde. Warum ist ihm das nicht sofort aufgefallen, als er den Eimer entgegengenommen hatte?”
Jenny zuckte mit den Achseln.
“Wir decken den Eimer immer mit einem Tuch ab, damit es feiner aussieht und sich die Tiere nicht sofort darauf stürzen, wenn wir damit in den Käfig gehen.”
”Können Sie sich vorstellen, wie diese Lappen statt dem Fleisch in den Eimer gelangten?”
Die Ermittlerin zog aus ihrer Tasche ein paar blutverschmierte Küchenlappen hervor, welche sich in einer durchsichtigen Plastiktüte befanden.
Jenny nahm die Tüte an sich und tastete sie ab.
Mit ihren aufgezeichneten Muster sahen sie tatsächlich aus wie rohes Rindfleisch.
"Ungewöhnlich schwer für ein paar Lappen. Der Täter muss sich große Mühe gegeben haben, sie wie Fleisch aussehen zu lassen. Demnach war die Tat keine Affekthandlung, sondern sorgfältig durchgeplant. Schauen Sie sich diese Fleisch-ähnliche Struktur an."
Die Ermittlerin sah Jenny prüfend in die Augen.
“Ich habe keine Ahnung, ich habe diese Tücher nie gesehen.”
Jennys Stimme zitterte.
”Ich habe den Eimer kurze Zeit aus den Augen verloren.”

Als ihr Mentor zum Vorhang schritt und sich der Manege zuwandte überreichte Jenny ihm den Eimer.
“Viel Glück”, sagte sie schüchtern, “Sei vorsichtig”.
“Mir passiert nichts, das ist ja nicht mein erstes Mal mit so einem großen Publikum.”
Der Dompteur grinste verschmitzt.
”Aber Tamaras erstes mal”
“Denk dran: Es gibt Nichts, was den großen Antonio überfordert!”
Das waren seine letzten Worte an seine Schülerin. Er berührte sie, zu Jennys Ärger, mal wieder an ihrem Hinterteil. Es lief ihr kalt den Rücken runter. Dann wandte er sich ab und betrat, von Applaus empfangen, die Manege.

“Ihr Mentor hat ihnen an den Hintern gefasst? Hat Sie das nicht gestört?”
Die Beamte blickte Jenny erstaunt an und blätterte in ihrer Mappe, bevor sie eifrig weiter schrieb. Jenny musste lächeln.
“Das war jetzt nicht so schlimm, er hat sowas ständig gemacht.”
“Waren Sie in einer Beziehung mit dem Opfer?”
Frau Steffens blickte wieder zur Verdächtigen auf und zog die Brille aus, um sie an ihrem Overall abzuwischen.
“Nicht wirklich”, sagte Jenny mit einem traurigen Unterton. “Er hatte eigentlich mit fast jeder Frau im Zirkus etwas laufen”.
Sie verdrehte die Augen, dann erstarrte sie plötzlich, als ihr klar wurde, dass sie ein mögliches Motiv für einen Mord preisgegeben hatte.
“Ich habe ja die Beziehung mit, mit ähm, mit...”
Jennys Worte endeten in unbeholfenes Gestotter, während sie mit fuchtelndem Finger dorthin deutete, wo sie ihren Freund vermutete.
“Ist schon gut.”
Die Kommissarin lächelte.
“Möchten Sie noch einen Kaffee?”
“Ja gern," antwortete Jenny mit rauer Stimme.
Ihre Kehle war schon ganz ausgetrocknet, sie hatte auf jeden Fall schon zu viel gesagt. Die Ermittlerin drehte sich wieder zum Fenster um und deutete auf den Tisch.
“Jungs, bringt uns mal bitte zwei Tassen Kaffee.”
Dann drehte Sie sich wieder zu Jenny um.
"Wie kann es sein, dass die Tiere derart aggressiv waren?”
Jenny dachte nach.
“Antonio ließ die Fütterungen immer in den letzten Tagen vor der Aufführung ausfallen. Außerdem ließ er die Käfige, kurz vor dem Auftritt, mit dem Geruch nach Blut einnebeln. Er meinte, dass sie ihm so gehöriger seien."
Steffens hob ungläubig die Augenbrauen.
Jenny seufzte.
"Ich glaube eher er wollte die Tiere nur aggressiver machen. Wissen Sie, er liebte diesen Adrenalinstoß und für die Zuschauer waren die Tiger so noch eindrucksvoller. Er ging immer volles Risiko ein. Er fürchtete sich vor nichts.”

Antonios Auftritt hätte nicht in einer größeren Katastrophe enden können. nach den ersten Paar Kunststückchen hatte Antonio in seinen Eimer gegriffen und die Küchenlappen den Tigern hingehalten. Dabei wahr ihm erst auf dem zweiten Blick aufgefallen, dass es sich dabei nicht um Fleisch gehalten hatte. Dazu hatte er die Geduld der Tiere dieses Mal wirklich überreizt.
 Antonio hatte gar nicht die Möglichkeit seine aufkommende Panik professionell zu verbergen. Jenny konnte ihn hastig im Eimer wühlen sehen, wobei er sich auch noch an einer Kante geschnitten hatte. Allen voran das weiße Tiger-Weibchen war fauchend auf ihn zu geschlichen und sich zum Sprung bereit geduckt. Mit zittriger Stimme hatte er auf Tamara eingeredet, doch es half alles nicht.
    Derweil wurden die Zuschauer lauter, von der Tribüne kamen laute, begeisterte Zurufe. Ein Hagel aus Lichtblitzen schoss auf die Manege, denn jeder wollte mit seinem Smartphone diesen Moment einfangen. Bevor der Dompteur nach Hilfe hätte rufen können war Tamara schon auf ihn gesprungen, die anderen Raubkatzen folgten ihr ins Kampfgetümmel, gelockt vom Duft frischen Blutes. Während die ersten Zuschauer bereits geschockt nach Luft geschnappt hatten, blieben andere zunächst noch begeistert mit gezückten Smartphones auf das Geschehen fokussiert. Doch während das Blut spritzte und Antonio in Stücke gerissen wurde, entwickelte sich aus dem Schock eine Massenpanik.
Erst jetzt begannen Zirkushelfer Antonio zur Hilfe zu kommen, doch es war viel zu spät. Als sie den Käfig voll ausgerüstet betraten, richteten sich einige der Tiere gegen sie. Geschockt durch den Anblick der zerfetzten Leiche Antonios, waren sie unfähig gewesen, die Tiere in Griff zu bekommen. Einer der Tiger floh in dem Chaos aus dem Käfig, den die Helfer in ihrem Konzentrationsmangel offen gelassen hatten.
 Das förderte die Massenpanik und die Zuschauer flohen durch den engen Ausgang aus dem Zelt. Dabei stießen sie zahlreiche Gegenstände und Zeltstützen um. Einige Menschen waren in dem Tumult hingefallen und durch Andere zertrampelt und schwer verletzt worden. Das einstürzende Zelt hatte den Käfig teilweise zerstört, wodurch auch die anderen Tiger aus diesem fliehen konnten. Nun hatten sogar die Zirkushelfer das Weite gesucht. Dutzende Menschen waren an diesem Abend schwer verletzt worden. Der Kollateralschaden war für den Zirkus unbezahlbar hoch geworden.

Die Maskenbildnerin war schon längst mit den anderen Menschen im Chaos geflüchtet. Nun war Jenny allein in den Trümmern des Zeltes, welches durch die Massenpanik teilweise eingebrochen war. Sie beobachtete das weiße Tiger-Weibchen, wie es an den blutigen Überresten von Antonio knabberte, während die anderen Raubkatzen bereits weggelaufen waren.
Mittlerweile müsste sie sich doch satt gefressen haben, überlegte Jenny. Sie blickte sich um und sicherte einen möglichen Fluchtweg. Langsam bückte sie sich und sammelte die Peitsche ihres Mentors ein. Dann schlich sie vorsichtig näher an die Leiche und ließ Tamara währenddessen nicht aus den Augen.
Als diese das Mädchen bemerkte fauchte sie auf und offenbarte eine blutige Reihe scharfer Zähne.
“Komm schon, hau ab!”, zischte Jenny und ließ die Peitsche schwingen.
Tamara knurrte, riss sich einen Armstumpf aus der Leiche heraus und lief damit davon.

Der unfreundliche Beamte, den Jenny zu Beginn ihres Verhörs kennenlernen musste betrat wieder den Raum, diesmal mit zwei Tassen Kaffee in der Hand. Ohne ein Wort zu sagen, stellte er sie auf dem Tisch ab und eilte wieder heraus.
“Danke sehr.”
Steffens zupfte am Ausschnitt ihres Overalls, setzte die Brille wieder auf und ging ihre Notizen durch. Jenny schaute gelangweilt in ihren Kaffee. Nach einer Weile unterbrach die Kommissarin die Stille.
”Der Pathologe hat ihre Haare an diesen Lappen festgestellt. Können Sie sich das erklären, wo Sie diese doch noch nie gesehen haben?”
Jenny kam ins Schwitzen.
“Ich meinte eigentlich noch nie wahrgenommen”, korrigierte sie sich nach einem Zögern.
"So ungewöhnlich gemusterte Lappen sind Ihnen nicht aufgefallen?"
Jenny schluckte.
"Ähm… bevor sie angemalt wurden. Ich meine mich zu erinnern, dass jemand die Lappen am Morgen vor der Aufführung gesucht hatte. Glaube ich zumindest."
Jenny war von ihrer eigenen Antwort nicht überzeugt.
"Vielleicht lagen sie im Zelt oder in einem unserer Wohnwagen herum und ich bin ohne darauf zu achten dagegen gekommen. Ich bin sicher, meine DNA wurde nicht als einzige festgestellt.”
Diese Aussage war sehr gewagt. Jenny schluckte. Sandra Steffens setzte einen ernsten Blick auf.
”Hmm, das stimmt. Wohin, glauben Sie, würde der Täter das Fleisch, dass er durch die Tücher ersetzt hat, so kurz vor der Vorstellung, in seiner Eile räumen?”
“Was weiß ich? Sie sind hier die Ermittlerin!”
Jenny wurde schnippisch. Die Ermittlerin ging nicht darauf ein, sondern notierte wieder etwas mit strengen Blick in ihre Mappe.

Tamara verschwand mit einem Arm von Antonio zwischen den Zähnen aus den Trümmern des Käfigs hinaus in die Freiheit. Jenny wandte sich von der Katze ab und schaute auf den Toten. Grinsend beugte sie sich vor und betrachtete den völlig verunstalteten Körper ihres Mentors. Die Raubkatzen hatten wirklich nicht mehr viel übrig gelassen: Abgenagte Knochen mit Fleischresten, übersät mit zerstückelten Organ-Resten. Alle Gliedmaßen und der Kopf waren abgetrennt worden. Durch die Fressorgie waren sie völlig zerfetzt und bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet. Doch etwas hatten die Tiere zurückgelassen, etwas von unschätzbarem Wert.

Jenny nahm einen ersten Schluck von ihrem Kaffee. Kommissarin Steffens blickte nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder von ihrer Mappe auf.
“Das Opfer besaß eine umfangreiche Sammlung von Edelsteinen und Mineralien sehr hohen Wertes. Unsere Kollegen von der Kriminaltechnischen Untersuchung konnten feststellen, dass ein einzelnes besonders hervorgehobenes Stück in seiner Sammlung zu fehlen scheint, allerdings konnten sie keinerlei Einbruchsspuren und keine fremde DNA auffinden. Können Sie uns darüber etwas sagen?”
Jenny zuckte zusammen, spuckte den Kaffee auf den Tisch und hustete. “Entschuldigung, der Kaffee war noch heiß”, krächzte sie gequält auf und konnte ihr Zittern nicht verbergen.
“Schon gut”, sagte die Ermittlerin misstrauisch und zog ein Taschentuch hervor, mit dem sie den Tisch abwischte.
“Er war Sammler und hat immer einen Stein zu jedem Auftritt mitgenommen. Er glaubte sie bringen ihm Glück.”
Das Misstrauen verschwand aus dem Gesicht der Frau und sie blickte nachdenklich, auf den Kugelschreiber kauend an die Decke.
“Wo hat er die Steine immer mit sich getragen?”
Sie warf den Blick auf Jenny, welche den Mund weit aufgerissen hatte, um sich mit den Fingern an die Zunge zu fassen. Sie versuchte so zu wirken, als ob sie sich die Zunge verbrannt hätte.
Das Mädchen zuckte mit den Achseln. Der Blick der Ermittlerin wandelte sich, als ob sie soeben eine Erleuchtung gehabt hätte.

In den Ruinen des Zeltes herrschte Totenstille und Dunkelheit, bis auf einen Scheinwerfer, der überlebt hatte und noch immer auf Antonio gerichtet war. Vor Glück glucksend griff Jenny in ihre Tasche und zog ein reich besticktes Tuch hervor, dann griff sie in den Brustkorb ihres Mentors. Zwischen den zahlreichen gebrochenen Rippen zerrte sie den, durch die Tiere nach oben verschobenen, zerschundenen Magen des Dompteurs hervor. Durch einen großen Riss griff sie angewidert in das Organ und entleerte es.
Unter jede Menge Blut und Essensreste fühlte sie etwas Hartes. Sie las es mit dem Tuch ab und wischte es ab. Der erbsengroße orangene Stein leuchtete und funkelte wie ein geschliffener Diamant in ihrer Hand. Jenny stand auf und steckte sich ihn in die Tasche. Dann verließ sie das Zelt und machte sich auf dem Weg zu ihrem Freund.

“Eine letzte Frage hab ich noch Fräulein Wiedenbrück: Wieso sind Sie und ihr Freund geflohen?”
Jenny zögerte und nahm einen weiteren Schluck Kaffee.
“Mir war sofort nach Antonios Tod klar, dass Sie mich festnehmen lassen werden. Alles spricht gegen mich: Ich war seine Gehilfin und habe ihm den Futtereimer überreicht. Ich habe einfach nur Angst, den Prozess zu verlieren und auf den Knast hab ich echt kein Bock.”
Jenny seufzte.
“Ich habe keine Chance mehr. Zuerst verliere ich meinen Mentor, der wie ein Vater für mich war und meinen Job und jetzt werde ich auch noch dafür festgenommen. Ihr Kollege hat es selbst gesagt: Ich bin Ihre Hauptverdächtige.”
Das Mädchen setzte eine niedergeschlagene Miene auf. Die Ermittlerin schaute sie mitfühlend an und lächelte.
"Sind Sie nicht. Mein Kollege ist nur etwas übereifrig.”
Sie drehte sich wieder zum Polizeispiegel hinter sich um.
“Darüber hinaus haben Sie kein richtiges Motiv. Wir werden dennoch die Fahrweise Ihres Freundes ahnden, aber da bekommen Sie später noch alles zugeschickt. Dafür ist aber das Morddezernat nicht zuständig. Sie können jetzt beide gehen, aber bitte halten Sie sich zu unserer Verfügung. Bei einem weiteren Fluchtversuch müssen wir Sie leider in Untersuchungshaft nehmen.”
Jenny und die Ermittlerin standen auf und reichten sich die Hände, dann wurde das Mädchen hinausgeführt.

Jenny trat zu ihrem Freund und verließ mit ihm das Revier. Schweigend gingen die beiden über den Parkplatz und stiegen ins Auto. Erst als die Türen geschossen waren, fingen sie an zu sprechen.
“Und, haben sie's geschluckt?”
Die Augen von Jennys Freund glitzerten wissbegierig im Licht der Innenbeleuchtung.
“Ich denke schon. Wir haben jetzt noch genau eine Chance zu fliehen.”
Das Mädchen griff in ihre Tasche, zog einen schwarzen Stoffbeutel heraus und öffnete ihn. Jenny entnahm einen kleinen orange leuchtenden Stein aus dem Beutel, dessen Glanz das Auto von innen erstrahlen ließ. “Lass ihn mich noch einmal ansehen”, bettelte ihr Freund.
Sie überreichte ihm den Stein und ließ ihn diesen Bewundern.
“Er ist wunderschön. Und der Alte hatte den wirklich verschluckt?”
Jenny kicherte.
“Ich glaube der war sich selbst über den Wert dieses Steinchens bewusst und hat seinen Magen als einziges sicheres Versteckt gewähnt. Zu dumm, dass ich ihn genau zum richtigen Augenblick beobachtet habe. Diese Katzen haben gute Arbeit an ihn gelassen, aber der hat sich das nicht anders verdient.”
Jenny zwinkerte ihrem Freund zu und nahm den Stein wieder an sich.
“Darüber hinaus hat der sich das nicht anders verdient. Hoffentlich erfüllt der Stein auch seinen Zweck!”
Ihr Freund lachte.
“Mit dem Stein werden wir sowas von reich.”
“Jetzt fahr endlich los”, drängte Jenny.
Dieser naive Junge hatte ja sowas von keine Ahnung. Nie im Leben würde sie zulassen, dass irgendwer diesen Stein zu Geld macht. Das war kein zufällig ausgewählter Glücksbringer aus der Mineralsammlung des Dompteurs. Antonio hatte wohl über dessen magische Kräfte und die gewaltige Macht Bescheid gewusst, die der Stein seinem Besitzer geben konnte. Ansonsten hätte er sich den nicht einverleibt. Doch hatte er diese Macht niemals nutzen wollen.
Wozu so eine Macht besitzen und bei sich verstecken, wenn man sie nicht einsetzt, fragte sich Jenny. Der Stein hätte Antonio das Leben retten können, zumal dieser ihn einverleibt hatte. Doch war der Dompteur stets zu einfältig gewesen, zu lernen, diese Kräfte zu erlernen. Jenny wollte das besser machen. Mit diesem Mineral in sich stünden ihr alle Türen offen. Theoretisch könnte sie sogar die ganze Welt damit beherrschen.

Die Ermittlerin schaute mit verschränkten Armen zu, wie Jenny von ihrem Freund umarmt wurde und das Gebäude verließ.
“Du lässt sie einfach gehen, Chef?”
Der Beamte trat neben sie und blickte den beiden hinterher. Sandra wischte sich einen Fussel vom dunkelroten Ärmel.
"Wir sind im Vorteil, wenn sie sich in Sicherheit wägen. Schick ihnen eine Streife hinterher. Und finde mehr über diese Mineraliensammlung heraus.”
Der Beamte nickte.
“Mach ich Chef. Sonst noch was?”
“Ach ja, sag bitte dem Pathologen, er möge den Magen des Opfers nochmal genauer untersuchen. Möglicherweise hat niemand einen Edelstein gestohlen, jedenfalls nicht vor seinem Tod.”
“Wie meinen sie das?”
“Wo verstecken Drogenschmuggler gern ihre Ware vor Kontrollen? Ich bin mir ziemlich sicher, wir haben die Täter, wir müssen es ihnen nur noch nachweisen!”


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F.w.v.Stttn.
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Calvin Hobbs
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Beitrag19.03.2019 19:03
Re: Alles für einen Stein (1. Korrektur)
von Calvin Hobbs
Antworten mit Zitat

Fagus Westfalica hat Folgendes geschrieben:
Alles für einen Stein

[1. Korrektur]

Messerscharfe Zähne blitzten im Rampenlicht auf.
Auf ein Gebrüll folgte ein Gewirr aus Schreckensschreien. Dann warfen sich kräftige Pranken und Kiefer auf eine zusammengekrümmte Gestalt. Blut spritzte und zahlreiche Menschen, die im Hintergrund auf Bänken gesessen und begeistert zugeschaut hatten, sprangen nun auf. Panisch flohen sie aus dem großen Zelt, während der Mann im Käfig zerfleischt wurde. Das war das Ende des "Großen Zirkus Europa”.

“Sie sind unsere Hauptverdächtige, verstehen Sie nicht, was das für Sie bedeutet?”
Natürlich wusste Jenny das. Dennoch schwieg sie nur und schmollte weiter vor sich hin, wie sie es in den die letzten zwei Stunden im Verhörraum auch getan hatte.
Die brutalen Bilder ihres letzten Arbeitstags gingen ihr nicht aus dem Kopf. Ihr Mentor wurde an dem Tag von seinen Raubkatzen umgebracht und schnell traten Beweise auf, die eine gezielte Manipulation des Auftritts bestätigten.
“Fräulein, ich sage es Ihnen ein letztes Mal, wenn Sie jetzt ihr Geständnis ablegen, wirkt sich das auf Ihren Prozess positiv aus."
Der Beamte vor ihr gegenüber wurde eindringlich.
“Ich werde nichts sagen, bevor ich mit meinem Anwalt gesprochen habe."
Der Fakt, dass sie mit ihrem Freund, kurz nach der Tat versucht hatte, zu fliehen, sprach nicht gerade für Jenny. Nach einer spektakulären Verfolgungsjagd wurden waren beide gestellt und festgenommen worden.
Nachdem Jennys Freund verhört wurde, hatte er sie im Warteraum mit einen vielsagenden Blick abgelöst. ??? Dabei war keiner der beiden in der Lage gewesen ein Wort miteinander auszutauschen. Schweigend waren beide aneinander vorbeigegangen ö.ä.
Mit einem genervten Fluchen verließ der Beamte den Verhörraum und knallte die Tür hinter sich zu.
Nachdenklich nahm Jenny einen Schluck kalten Kaffee, aus ihrer der fast leeren Tasse.
Kurz vor seiner letzten Aufführung hatte Antonio den Futtereimer für seine Raubkatzen von Jenny entgegengenommen, der vermeintlich mit frischem Fleisch gefüllt war. Sie erinnerte sich noch allzu gut daran, denn an dem Abend war sie äußerst aufgeregt gewesen. Warum?
Vor ihrem inneren Auge sah sie noch seinen geschockten Blick, als er in den Eimer griff und nicht das herausholte, was er erwartete hatte. Dabei hatte er sich auch noch an einer Kante in die Finger geschnitten. Sie hörte noch das Fauchen der unruhigen Raubkatzen, die vergebens auf ihre Belohnung warteten. Keiner hatte in diesem Moment reagiert und versucht dem Dompteur zu helfen.
Die Tür öffnete sich und einen junge Frau im dunkelroten Overall und schwarzen Stiefeln Ist sie ein Domina? Ist das Scifi? Warum trägt sie so etwas?  betrat den Verhörraum. Um ihre Schulter hing eine schwarze Umhängetasche aus Leder, die sie unter den Tisch ??? , als sie zu Jenny trat. Sie setzte sich Jenny gegenüber, kreuzte ihre Beine und wischte sich ihr schulterlanges braunes Haar aus dem Gesicht. Dann richtete sie ihre strahlend blauen Augen auf die Verdächtige und ihr ernster Blick wich einem milden Lächeln.
“Wir wollen Ihnen nur helfen. Fräulein-”, sie brach ab und blickte in die auf dem Tisch liegende Akte: “Jennifer Wiedenbrück.”
“Sagen Sie einfach nur Jenny.”
“Ich bin Hauptkommissarin Sandra Steffens, Leiterin des Morddezernats.”
Sie gab Jenny die Hand und blickte sie vertrauensvoll an.
“Nun gut Jenny, erzählen Sie bitte einfach nur von ihrem Standpunkt aus, was am Abend des 23. Juli passiert ist.” Von wessen Standpunkt aus, sollte sie es sonst erzählen?
Jennys Gedanken flogen zurück an jenem verhängnisvollen Abend. “Antonio und ich waren zunächst noch in der Maske...” Wie lange ist das Unglück her?

“Das wird schon, meine Kleine”, sagte Antonio mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Ein letztes Mal schaute er in den Spiegel und zupfte an seinen fein gezwirbelten Moustache. Jenny betrachtete ihn skeptisch durch den Spiegel. ???
“Du solltest dieses Mal diesen den nervösen weißen Tiger nicht mit in die Manege nehmen. Er war mal wieder den ganzen Tag sehr schlecht drauf.” Das Tier hat doch bestimmt einen Namen? Wieso nennt Jenny ihn nicht?
“Ich werde ganz bestimmt nicht auf Tamara verzichten! Sie ist mein Diamant, die Krönung meiner Vorstellung.”
Jennys Mentor unterstrich seine Worte mit einer übertrieben kunstvollen Handbewegung.
Jenny musste lächeln.
“Diese Vorstellung ist dir wirklich dein Leben wert, oder?”
“Da kennst du Tamara nicht. Sie würde mir niemals etwas antun. Sie ist vielleicht ein bisschen nervös, aber vergiss nicht, ich habe sie von Hand mit der Flasche aufgezogen.”
“Deine Tiger sind immer noch wilde Tiere.”
Antonio grinste schelmisch und zupfte wieder an seinem Schnurrbart.
“Das macht sie auch so aufregend” Ich glaube jetzt einfach mal, dass Dompteure Adrenalinjunkies sind

“Also haben Sie schon zuvor Zweifel am Erfolg der Vorstellung gehabt?”
“Ja, eines von Antonios Tieren war noch nicht bereit für diesen Auftritt. Er bestand darauf es vorzuführen, weil es das einzige Weiße war.”
Jenny zögerte.
”Ich wusste von Anfang an, dass er nicht auf mich hören wird.”
Hauptkommissarin Steffens räusperte sich und griff in ihre Tasche. Sie legte eine Mappe und einen Kugelschreiber auf den Tisch vor sich und zog eine Lesebrille an. Dann begann sie sich etwas zu notieren. Sie kratzte sich am Kopf und schaute wieder zu Jenny.
“Fahren Sie fort.”

“Beeil dich Antonio, Du bist gleich dran”, ertönte es hinter dem Vorhang, dann steckte die Maskenbildnerin ihren Kopf durch den Vorhang. Mit einem prüfenden Blick auf den Dompteur trat sie ein und holte einen Pinsel und ein Döschen hervor. Hastig korrigierte sie dessen Make-up.
Aus der Manege schallten Applaus und Jubelrufe.
“Danke Maike.”
Antonio blickte zur Maskenbildnerin und strich ihr liebevoll durchs Haar. Dann wandte er sich an Jenny.
”Gib mir den Futtereimer!”
Diese blickte sich im Raum nach dem Blecheimer um und bekam fast einen Schrecken, als sie ihn zunächst nicht fand.
“Dort in der Ecke!”
Die Maskenbildnerin deutete in eine Ecke neben dem Vorhang. Er stand vorbereitet, mit dem purpurroten Samttuch abgedeckt bereit, wie sie ihn zurückgelassen hatte.

“Kennen Sie den vollen Namen der Maskenbildnerin? Da scheint meinem Kollegen ein kleines Detail entgangen zu sein.”
Die Kommissarin zupfte verlegen an ihrem roten Overall. Dann drehte sich nach hinten zum Einwegspiegel um und warf einen strengen Blick darein.
“Ich glaube Maike Hülshoff. Ich bin noch nicht so lange dabei und wir sprechen uns sonst nur mit Vornamen an.”
Sandra Steffens begann wieder zu notieren.
“Können Sie mir mehr zu dieser Person sagen?”
“Sie arbeitet schon sehr lang in diesem Zirkus als Maskenbildnerin in dritter Generation. Antonio war ihre Jugendliebe, aber ihr Vater und Vorgänger in ihrem Beruf war gegen die Beziehung. Ich selber hab kaum was mit ihr zu tun gehabt, ich durfte ja noch nicht auftreten.” Jenny weiß sehr viele Details, dafür, dass sie noch nicht so lange dabei ist
Die Kommissarin warf Jenny einen prüfenden Blick zu und rückte ihre Brille zurecht, dann notierte sie wieder. Ohne aufzublicken, fragte sie weiter.
“Das Opfer wurde von seinen Tieren regelrecht da gibt es bestimmt ein besseres Wort aufgefressen, da das Futter im Eimer durch nasse Küchenlappen ausgetauscht wurde. Warum ist ihm das nicht sofort aufgefallen, als er den Eimer entgegengenommen hatte?”
Jenny zuckte mit den Achseln.
“Wir decken den Eimer immer mit einem Tuch ab, damit es feiner aussieht und sich die Tiere nicht sofort darauf stürzen, wenn wir damit in den Käfig gehen.”
”Können Sie sich vorstellen, wie diese Lappen statt dem Fleisch in den Eimer gelangten?”
Die Ermittlerin zog aus ihrer Tasche ein paar blutverschmierte Küchenlappen hervor, welche sich in einer durchsichtigen Plastiktüte befanden.
Jenny nahm die Tüte an sich und tastete sie ab.
Mit ihren aufgezeichneten Muster sahen sie tatsächlich aus wie rohes Rindfleisch.
"Ungewöhnlich schwer für ein paar Lappen. Der Täter muss sich große Mühe gegeben haben, sie wie Fleisch aussehen zu lassen. Demnach war die Tat keine Affekthandlung, sondern sorgfältig durchgeplant. Schauen Sie sich diese Fleisch-ähnliche Struktur an."
Die Ermittlerin sah Jenny prüfend in die Augen.
“Ich habe keine Ahnung, ich habe diese Tücher nie gesehen.”
Jennys Stimme zitterte.
”Ich habe den Eimer kurze Zeit aus den Augen verloren gelassen.”

Als ihr Mentor Antonio zum Vorhang schritt und sich der Manege zu wandte überreichte Jenny ihm den Eimer.
“Viel Glück”, sagte sie schüchtern, “Sei vorsichtig”.
“Mir passiert nichts, das ist ja nicht mein erstes Mal mit so einem großen Publikum.” Der Dompteur grinste verschmitzt.
”Aber Tamaras Erstes mal”
“Denk dran: Es gibt Nichts, was den großen Antonio überfordert!”
Das waren seine letzten Worte an seine Schülerin. Er berührte sie, zu Jennys Ärger, mal wieder an ihrem Hinterteil. Es lief ihr kalt den Rücken runter. Wieso? Dann wandte er sich ab und betrat, von Applaus empfangen, die Manege.

“Ihr Mentor hat ihnen an den Hintern gefasst? Hat Sie das nicht gestört?”
Die Beamte blickte Jenny erstaunt an und blätterte in ihrer Mappe, bevor sie eifrig weiter schrieb. Jenny musste lächeln.
“Das war jetzt nicht so schlimm, er hat sowas ständig gemacht.” Gerade lief es ihr noch kalt den Rücken runter
“Waren Sie in einer Beziehung mit dem Opfer?”
Frau Steffens blickte wieder zur Verdächtigen auf und zog die Brille aus, um sie an ihrem Overall abzuwischen. Das hast Du noch nie versucht, sonst wüsstest Du, dass es nicht funktioniert. Es sei denn, die Polizistin legt einen Strip hin
“Nicht wirklich”, sagte Jenny mit einem traurigen Unterton. “Er hatte eigentlich mit fast jeder Frau im Zirkus etwas laufen”.
Sie verdrehte die Augen, dann erstarrte sie plötzlich, als ihr klar wurde, dass sie ein mögliches Motiv für einen Mord preisgegeben hatte.
“Ich habe ja die Beziehung mit, mit ähm, mit...”
Jennys Worte endeten in unbeholfenes Gestotter, während sie mit fuchtelndem Finger dorthin deutete, wo sie ihren Freund vermutete.
“Ist schon gut.”
Die Kommissarin lächelte.
“Möchten Sie noch einen Kaffee?”
“Ja gern," antwortete Jenny mit rauer Stimme.
Ihre Kehle war schon ganz ausgetrocknet, sie hatte auf jeden Fall schon zu viel gesagt. Die Ermittlerin drehte sich wieder zum Fenster um und deutete auf den Tisch.
“Jungs, bringt uns mal bitte zwei Tassen Kaffee.”
Dann drehte Sie sich wieder zu Jenny um. fragte sie weiter:
"Wie kann es sein, dass die Tiere derart aggressiv waren?”
Jenny dachte nach.
“Antonio ließ die Fütterungen immer in den letzten Tagen vor der Aufführung ausfallen. Außerdem ließ er die Käfige, kurz vor dem Auftritt, mit dem Geruch nach Blut einnebeln. Er meinte, dass sie ihm so gehöriger seien."
Steffens hob ungläubig die Augenbrauen. Hey, ich habe was mit der Kommissarin gemeinsam! Warum sollte ein Dompteur die Tiere extra noch aufstacheln? Unglaubwürdig!
Jenny seufzte.
"Ich glaube eher, er wollte die Tiere nur aggressiver machen. Wissen Sie, er liebte diesen Adrenalinstoß und für die Zuschauer waren die Tiger so noch eindrucksvoller. Er ging immer volles Risiko ein. Er fürchtete sich vor nichts.” Klingt eher nach einem Selbstmörder, anstatt Künstler

Antonios Auftritt hätte nicht in einer größeren Katastrophe enden können. Nach den ersten paar Kunststückchen hatte Antonio in seinen Eimer gegriffen und die Küchenlappen den Tigern hingehalten. Dabei wahr ihm erst auf dem zweiten Blick aufgefallen, dass es sich dabei nicht um Fleisch gehalten hatte handelte. Dazu hatte er die Geduld der Tiere dieses Mal wirklich überreizt.
Antonio hatte gar nicht die Möglichkeit, seine aufkommende Panik professionell zu verbergen. Jenny konnte ihn hastig im Eimer wühlen sehen, wobei er sich auch noch an einer Kante geschnitten hatte. Allen voran, war das weiße Tigerweibchen fauchend auf ihn zu geschlichen und sich zum Sprung bereit geduckt.
Mit zittriger Stimme hatte er auf Tamara eingeredet, doch es half alles nicht. Im Gegenteil! Der Dompteur hätte Stärke und Macht demonstriert. Mit diesem Satz negierst Du alles, was Du bisher über Antonio gesagt hast
Derweil wurden die Zuschauer lauter, von der Tribüne kamen laute, begeisterte Zurufe. Ein Hagel aus Lichtblitzen schoss auf die Manege, denn jeder wollte mit seinem Smartphone diesen Moment einfangen. Bevor der Dompteur nach Hilfe hätte rufen können war Tamara schon auf ihn gesprungen, die anderen Raubkatzen folgten ihr ins Kampfgetümmel, gelockt vom Duft frischen Blutes. Während die ersten Zuschauer bereits geschockt nach Luft geschnappt hatten, blieben andere zunächst noch begeistert mit gezückten Smartphones auf das Geschehen fokussiert. Doch während das Blut spritzte und Antonio in Stücke gerissen wurde, entwickelte sich aus dem Schock eine Massenpanik.
Erst jetzt begannen Zirkushelfermitarbeiter Antonio zur Hilfe zu kommen, doch es war viel zu spät.
Als sie voll ausgerüstet den Käfig betraten, richteten sich einige der Tiere gegen sie. Geschockt durch den Anblick der zerfetzten Leiche Antonios, waren sie unfähig gewesen, die Tiere in Griff zu bekommen. Einer der Tiger floh in dem Chaos aus dem Käfig, den die Helfer in ihrem Konzentrationsmangel in ihrer Hektik offen gelassen hatten.
 Das förderte die Massenpanik und die Zuschauer flohen durch den engen Ausgang aus dem Zelt. Dabei stießen sie zahlreiche Gegenstände Was für Gegenstände?und Zeltstützen um. Einige Menschen waren in dem Tumult hingefallen und durch andere zertrampelt und schwer verletzt worden. Das einstürzende Zelt hatte den Käfig teilweise zerstört, wodurch auch die anderen Tiger aus diesem fliehen konnten. Nun hatten sogar die Zirkushelfer das Weite gesucht. Dutzende Menschen waren an diesem Abend schwer verletzt worden. Der Kollateralschaden war für den Zirkus unbezahlbar hoch geworden.


Diesmal bin ich etwas weiter gekommen, der Text ist ein wenig eingängiger geworden, braucht aber noch mehrere Überarbeitungen smile
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Fagus Westfalica
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Beitrag21.03.2019 16:11

von Fagus Westfalica
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Hi Calvin Hobbs,

Danke, dass du dir wieder die Arbeit gemacht hast.
Für die nächste Korrektur bitte ich zunächst um etwas Geduld.
Zu den Punkten, die du erneut angesprochen hast: keine Sorge ich habe sie nicht übersehen. Entweder waren sie zuvor unverständlich für mich gewesen oder stimme ihnen nicht zu, deshalb hatte ich sie nicht korrigiert.

Danke nochmal und beste Grüße,

Seb


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Fagus Westfalica
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Beitrag08.04.2019 16:48
Alles für einen Stein
von Fagus Westfalica
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Alles für einen Stein

[2.Korrektur]

Messerscharfe Zähne blitzten im Rampenlicht auf.
Auf das Gebrüll folgte ein Gewirr aus Schreckensschreien. Dann warfen sich kräftige Pranken und Kiefer auf eine zusammengekrümmte Gestalt. Blut spritzte und zahlreiche Menschen die im Hintergrund auf Bänken gesessen und begeistert zugeschaut hatten, sprangen nun auf. Panisch flohen sie aus dem großen Zelt, während der Mann im Käfig zerfleischt wurde. Das war das Ende des "großen Zirkus Europa”.

“Sie sind unsere Hauptverdächtige, verstehen Sie nicht was das für Sie bedeutet?”
Natürlich wusste Jenny das. Dennoch schwieg sie nur und schmollte weiter vor sich hin, wie sie es in den letzten zwei Stunden im Verhörraum auch getan hatte.
Die brutalen Bilder ihres letzten Arbeitstags gingen ihr nicht aus dem Kopf. Das war mittlerweile fast eine Woche her. Ihr Mentor wurde an dem Tag von seinen Raubkatzen umgebracht und schnell waren Beweise aufgetreten, die eine gezielte Manipulation des Auftritts bestätigt hatten. Jenny hatte nicht im geringsten eine Ahnung davon, welche angeblichen Fakten auf ihre Schuld hinwiesen, noch konnte sie sich vorstellen, dass diese überhaupt einen Mord beweisen konnten.
Das Dezernat hat einfach zu wenig zu tun, dachte sie sich.
“Fräulein, ich sage es Ihnen ein letztes Mal, wenn Sie jetzt ihr Geständnis ablegen wirkt sich das auf Ihren Prozess positiv aus."
Der Beamte vor ihr wurde eindringlich.
“Ich werde nichts sagen, bevor ich mit meinem Anwalt gesprochen habe."
Der Fakt, dass sie mit ihrem Freund kurz nach der Tat versucht hatte zu fliehen, sprach nicht gerade für Jenny. Nach einer spektakulären Verfolgungsjagd wurden beide gestellt und festgenommen. Nachdem Jennys Freund verhört wurde, hatte er sie im Warteraum mit einen vielsagenden Blick abgelöst. Dabei war keiner der beiden in der Lage gewesen ein Wort miteinander auszutauschen.
Mit einem genervten Fluchen verließ der Beamte den Verhörraum und knallte die Tür hinter sich zu. Nachdenklich nahm Jenny einen Schluck kalten Kaffee, aus ihrer fast leeren Tasse.
Kurz vor seiner letzten Aufführung hatte Antonio den Futtereimer für seine Raubkatzen von Jenny entgegengenommen, der vermeintlich mit frischem Fleisch gefüllt war. Sie erinnerte sich noch allzu gut daran, denn an dem Abend war sie äußerst aufgeregt gewesen.
Vor ihrem inneren Auge sah sie noch seinen geschockten Blick, als er in den Eimer griff und nicht das herausholte, was er erwartete hatte. Dabei hatte er sich auch noch an einer Kante in die Finger geschnitten. Sie hörte noch das Fauchen der unruhigen Raubkatzen, die vergebens auf ihre Belohnung warteten. Keiner hatte in diesem Moment reagiert und versucht dem Dompteur zu helfen.
Die Tür öffnete sich und einen junge Frau im dunkelroten Overall und schwarzen Stiefeln betrat den Verhörraum. Um ihre Schulter hing eine schwarze Umhängetasche aus Leder, die sie unter den Tisch legte, als sie zu Jenny trat. Sie setzte sich Jenny gegenüber, kreuzte ihre Beine und wischte sich ihr schulterlanges braunes Haar aus dem Gesicht. Dann richtete sie ihre strahlend blauen Augen auf die Verdächtige und ihr ernster Blick wich einem milden Lächeln.
“Wir wollen Ihnen nur helfen. Fräulein-”, sie brach ab und blickte in die auf dem Tisch liegende Akte: “Jennifer Wiedenbrück.”
“Sagen Sie einfach nur Jenny.”
“Ich bin Hauptkommissarin Sandra Steffens, Leiterin des Morddezernats.”
Sie gab Jenny die Hand und blickte sie vertrauensvoll an.
“Nun gut Jenny, erzählen Sie bitte einfach nur von ihrem Standpunkt aus, was am Abend des 23. Juli passiert ist.”
Jennys Gedanken flogen zurück an jenem verhängnisvollen Abend. “Antonio und ich waren zunächst noch in der Maske...”

“Das wird schon, meine Kleine”, sagte Antonio mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Ein letztes Mal schaute er in den Spiegel und zupfte an seinen fein gezwirbelten Moustache. Jenny betrachtete ihn skeptisch im Spiegel.
“Du solltest diesen nervösen weißen Tiger nicht mit in die Manege nehmen. Er war mal wieder den ganzen Tag sehr schlecht drauf.”
“Ich werde ganz bestimmt nicht auf Tamara verzichten! Sie ist mein Diamant, die Krönung meiner Vorstellung.”
Jennys Mentor unterstrich seine Worte mit einer übertrieben kunstvollen Handbewegung.
Jenny musste lächeln.
“Diese Vorstellung ist dir wirklich dein Leben wert, oder?”
“Da kennst du Tamara nicht. Sie würde mir niemals etwas antun. Sie ist vielleicht ein bisschen nervös, aber vergiss nicht, ich habe sie von Hand mit der Flasche aufgezogen.”
“Deine Tiger sind immer noch Tiere. Mit ihnen kannst du nicht diskutieren.”
Antonio grinste schelmisch und zupfte wieder an seinem Schnurrbart.
“Das macht sie auch so aufregend”

“Also haben Sie schon zuvor Zweifel am Erfolg der Vorstellung gehabt?”
“Ja, eines von Antonios Tieren war noch nicht bereit für diesen Auftritt. Er bestand darauf es vorzuführen, weil es das einzige Weiße war.”
Jenny zögerte.
”Ich wusste von Anfang an, dass er nicht auf mich hören wird.”
Hauptkommissarin Steffens räusperte sich und griff in ihre Tasche. Sie legte eine Mappe und einen Kugelschreiber auf den Tisch vor sich und zog eine Lesebrille an. Sie begann sich etwas zu notieren. Schließlich kratzte sie sich am Kopf und schaute wieder zu Jenny.
“Fahren Sie fort.”

“Beeil dich Antonio, Du bist gleich dran”, ertönte es hinter dem Vorhang, dann steckte die Maskenbildnerin ihren Kopf durch den Vorhang. Mit einem prüfenden Blick auf den Dompteur trat sie ein und holte einen Pinsel und ein Döschen hervor. Hastig korrigierte sie dessen Make-up.
Aus der Manege schallten Applaus und Jubelrufe.
“Danke Maike.”
Antonio blickte zur Maskenbildnerin und strich ihr liebevoll durchs Haar. Dann wandte er sich an Jenny.
”Gib mir den Futtereimer!”
Diese blickte sich im Raum nach dem Blecheimer um und bekam fast einen Schrecken, als sie ihn zunächst nicht fand.
“Dort in der Ecke!”
Die Maskenbildnerin deutete in eine Ecke neben dem Vorhang. Er stand vorbereitet, mit dem purpurroten Samttuch abgedeckt bereit, wie sie ihn zurückgelassen hatte.

“Kennen Sie den vollen Namen der Maskenbildnerin? Da scheint meinem Kollegen ein kleines Detail entgangen zu sein.”
Die Kommissarin zupfte verlegen an ihrem roten Overall. Sie drehte sich nach hinten zum Einwegspiegel um und warf einen strengen Blick darein.
“Ich glaube Maike Hülshoff. Ich bin noch nicht so lange dabei und wir sprechen uns sonst nur mit Vornamen an.”
Sandra Steffens begann wieder zu notieren.
“Können Sie mir mehr zu dieser Person sagen?”
“Sie arbeitet schon sehr lang in diesem Zirkus als Maskenbildnerin in dritter Generation. Antonio war ihre Jugendliebe, aber ihr Vater und Vorgänger in ihrem Beruf war gegen die Beziehung. Ich selber hab kaum was mit ihr zu tun gehabt, ich durfte ja noch nicht auftreten.”
Die Kommissarin warf Jenny einen prüfenden Blick zu und rückte ihre Brille zurecht, dann notierte sie wieder. Ohne aufzublicken fragte sie weiter.
“Das Opfer wurde von seinen Tieren regelrecht aufgefressen, da das Futter im Eimer durch nasse Küchenlappen ausgetauscht wurde. Warum ist ihm das nicht sofort aufgefallen, als er den Eimer entgegengenommen hatte?”
Jenny zuckte mit den Achseln.
“Wir decken den Eimer immer mit einem Tuch ab, damit es feiner aussieht und sich die Tiere nicht sofort darauf stürzen, wenn wir damit in den Käfig gehen.”
”Können Sie sich vorstellen, wie diese Lappen statt dem Fleisch in den Eimer gelangten?”
Die Ermittlerin zog aus ihrer Tasche ein paar blutverschmierte Küchenlappen hervor, welche sich in einer durchsichtigen Plastiktüte befanden.
Jenny nahm die Tüte an sich und tastete sie ab.
Mit ihren aufgezeichneten Muster sahen sie tatsächlich aus wie rohes Rindfleisch.
"Ungewöhnlich schwer für ein paar Lappen. Der Täter muss sich große Mühe gegeben haben, sie wie Fleisch aussehen zu lassen. Demnach war die Tat keine Affekthandlung, sondern sorgfältig durchgeplant. Schauen Sie sich diese Fleisch-ähnliche Struktur an."
Die Ermittlerin sah Jenny prüfend in die Augen.
“Ich habe keine Ahnung, ich habe diese Tücher nie gesehen.”
Jennys Stimme zitterte.
”Ich habe den Eimer kurze Zeit aus den Augen verloren.”

Als ihr Mentor zum Vorhang schritt und sich der Manege zuwandte überreichte Jenny ihm den Eimer.
“Viel Glück”, sagte sie schüchtern, “Sei vorsichtig”.
“Mir passiert nichts, das ist ja nicht mein erstes Mal mit so einem großen Publikum.”
Der Dompteur grinste verschmitzt.
”Aber Tamaras erstes mal”
“Denk dran: Es gibt Nichts, was den großen Antonio überfordert!”
Das waren seine letzten Worte an seine Schülerin. Er berührte sie, zu Jennys Ärger, mal wieder an ihrem Hinterteil. Es lief ihr kalt den Rücken runter. Dann wandte er sich ab und betrat, von Applaus empfangen, die Manege.

“Ihr Mentor hat ihnen an den Hintern gefasst? Hat Sie das nicht gestört?”
Die Beamte blickte Jenny erstaunt an und blätterte in ihrer Mappe, bevor sie eifrig weiter schrieb. Jenny musste lächeln.
“Das war jetzt nicht so schlimm, er hat sowas ständig gemacht.”
“Waren Sie in einer Beziehung mit dem Opfer?”
Frau Steffens blickte wieder zur Verdächtigen auf und zog die Brille aus, um sie an ihrem Overall abzuwischen.
“Nicht wirklich”, sagte Jenny mit einem traurigen Unterton. “Er hatte eigentlich mit fast jeder Frau im Zirkus etwas laufen”.
Sie verdrehte die Augen, dann erstarrte sie plötzlich, als ihr klar wurde, dass sie ein mögliches Motiv für einen Mord preisgegeben hatte.
“Ich habe ja die Beziehung mit, mit ähm, mit...”
Jennys Worte endeten in unbeholfenes Gestotter, während sie mit fuchtelndem Finger dorthin deutete, wo sie ihren Freund vermutete.
“Ist schon gut.”
Die Kommissarin lächelte.
“Möchten Sie noch einen Kaffee?”
“Ja gern," antwortete Jenny mit rauer Stimme.
Ihre Kehle war schon ganz ausgetrocknet, sie hatte auf jeden Fall schon zu viel gesagt. Die Ermittlerin drehte sich wieder zum Fenster um und deutete auf den Tisch.
“Jungs, bringt uns mal bitte zwei Tassen Kaffee.”
Sie drehte sich wieder zu Jenny um.
“Laut den Zeugenaussagen, müssten mehrere Minuten vergangen sein, bis die Tiere das Opfer angegriffen haben. Das wäre genug Zeit für ihn gewesen, den Käfig zu verlassen. Können Sie sich das Verhalten ihres Mentors erklären?”
Jenny zuckte mit den Achseln. Steffens schaute sie prüfend an.
“Was verschweigen Sie mir da? Ich bin sicher der Zirkus hatte einen Notfallplan für derartige Situationen.”
Halbherzig versuchte Jenny dem Blick der Kommissarin auszuweichen.
“Na klar haben wir einen. Aber Antonio hätte ihn niemals befolgt.”
“Wie meinen Sie das?”
“Der Notfallplan hätte vorgeschrieben, die Tiger in diesem Fall zu erschießen. Für eine einfache Betäubung fehlen uns veterinärische Kenntnisse und eine Schulung dafür konnten wir uns nicht leisten. Also hätten wir sie umbringen müssen.”
Steffens blickte sie sie skeptisch an.
“Ein Menschenleben ist das doch allemal wert.”
Jenny geriet in Erklärungsnot.
“Sobald Antonio den Käfig verlassen hätte, hätten die Zirkushelfer auf die Tiere geschossen. Das Leben seiner Tiger war ihm wichtiger als sein eigenes.”
“Das klingt absurd. Wie kommt es eigentlich, dass Sie als Assistentin über so viel Bescheid wissen? Und dann auch noch so genau?”
“Ähm... Ich habe mich immer genau informiert. Meine Sicherheit und auch die meiner Freunde lag mir immer sehr am Herzen. Wissen Sie, gerade weil Antonio so leichtsinnig war, hatte ich das Gefühl, umso mehr um seine Sicherheit zu sorgen.”
Erleichtert beobachtete Jenny, wie sich der skeptische Gesichtsausdruck der Ermittlerin milderte und sich in ein ein vertrauensvolles Lächeln wandelte.
“Verstehe.”
Jenny wurde selbstsicherer. Die Ermittlerin notierte etwas in ihre Unterlagen, danach blickte sie wieder auf.
"Wie kann es sein, dass die Tiere derart aggressiv waren?”
Jenny dachte nach.
“Antonio ließ die Fütterungen immer in den letzten Tagen vor der Aufführung ausfallen. Außerdem ließ er die Käfige, kurz vor dem Auftritt, mit dem Geruch nach Blut einnebeln. Er meinte, dass sie ihm so gehöriger seien. Der reine Selbstmord, wenn Sie mich fragen."
Steffens hob ungläubig die Augenbrauen.
Jenny seufzte.
"Ich glaube eher er wollte die Tiere nur aggressiver machen. Wissen Sie, er liebte diesen Adrenalinstoß und für die Zuschauer waren die Tiger so noch eindrucksvoller. Er ging immer volles Risiko ein. Er fürchtete sich vor nichts.”

Antonios Auftritt hätte nicht in einer größeren Katastrophe enden können. nach den ersten Paar Kunststückchen hatte Antonio in seinen Eimer gegriffen und die Küchenlappen den Tigern hingehalten. Dabei wahr ihm erst auf dem zweiten Blick aufgefallen, dass es sich dabei nicht um Fleisch gehalten hatte. Dazu hatte er die Geduld der Tiere dieses Mal wirklich überreizt.
 Antonio hatte gar nicht die Möglichkeit seine aufkommende Panik professionell zu verbergen. Jenny konnte ihn hastig im Eimer wühlen sehen, wobei er sich auch noch an einer Kante geschnitten hatte. Allen voran das weiße Tiger-Weibchen war fauchend auf ihn zu geschlichen und hatte sich zum Sprung bereit geduckt. Mit zittriger Stimme hatte er auf Tamara eingeredet, doch es half alles nicht.
Derweil wurden die Zuschauer lauter, von der Tribüne kamen laute, begeisterte Zurufe. Ein Hagel aus Lichtblitzen schoss auf die Manege, denn jeder wollte mit seinem Smartphone diesen Moment einfangen. Bevor der Dompteur nach Hilfe hätte rufen können war Tamara schon auf ihn gesprungen, die anderen Raubkatzen folgten ihr ins Kampfgetümmel, gelockt vom Duft frischen Blutes. Jenny hatte erstarrt den Blick auf die Manege gerichtet, in ihren Augen spiegelten sich die Lichtblitze von der Tribüne. Während die ersten Zuschauer bereits geschockt nach Luft geschnappt hatten, blieben andere zunächst noch begeistert mit gezückten Smartphones auf das Geschehen fokussiert. Doch als das Blut spritzte und Antonio in Stücke gerissen wurde, entwickelte sich aus dem Schock eine Massenpanik.
Jenny hörte Gewehre nachladen. Erst jetzt begannen Zirkushelfer Antonio zur Hilfe zu kommen, doch es war viel zu spät. Als sie den Käfig voll ausgerüstet betraten, richteten sich einige der Tiere gegen sie. Geschockt durch den Anblick der zerfetzten Leiche Antonios, waren sie unfähig gewesen, die Tiere in Griff zu bekommen. Ihre verzweifelten Zurufe wurden von dem Geschrei der Zuschauer übertönt. Einer der Tiger floh in dem Chaos aus dem Käfig, den die Helfer in ihrem Konzentrationsmangel offen gelassen hatten.
 Das förderte die Massenpanik und die Zuschauer flohen durch den engen Ausgang aus dem Zelt. Dabei stießen sie zahlreiche Gegenstände und Zeltstützen um. Stühle flogen durcheinander und Planen wurden zerfetzt. Jenny drehte sich um und versteckte sich hinter dem Vorhang. Einige Menschen waren in dem Tumult hingefallen und durch Andere zertrampelt und schwer verletzt worden. Ihre Hilfeschreie blieben unbeachtet. Das einstürzende Zelt hatte den Käfig teilweise zerstört, wodurch auch die anderen Tiger aus diesem fliehen konnten. Jenny hörte, wie das Getöse langsam abklang. Immer mehr Geräusche drangen nun von draußen ein und wurden durch das Zelt gedämpft, bis schließlich eine gespenstische Stille eintrat. Nun hatten sogar die Zirkushelfer das Weite gesucht. Dutzende Menschen mussten an diesem Abend schwer verletzt worden sein, dachte sich Jenny. Der Kollateralschaden war sicher für den Zirkus unbezahlbar hoch geworden.

Die Maskenbildnerin war schon längst mit den anderen Menschen im Chaos geflüchtet. Nun war Jenny allein in den Trümmern des Zeltes, welches durch die Massenpanik teilweise eingebrochen war. Sie beobachtete das weiße Tiger-Weibchen, wie es an den blutigen Überresten von Antonio knabberte, während die anderen Raubkatzen bereits weggelaufen waren.
Mittlerweile müsste sie sich doch satt gefressen haben, überlegte Jenny. Sie blickte sich um und sicherte einen möglichen Fluchtweg. Langsam bückte sie sich und sammelte die Peitsche ihres Mentors ein. Dann schlich sie vorsichtig näher an die Leiche und ließ Tamara währenddessen nicht aus den Augen.
Als diese das Mädchen bemerkte fauchte sie auf und offenbarte eine blutige Reihe scharfer Zähne.
“Komm schon, hau ab!”, zischte Jenny und ließ die Peitsche schwingen.
Tamara knurrte, riss sich einen Armstumpf aus der Leiche heraus und lief damit davon.

Sandra Steffens wischte sich mit einem Tuch die feuchte Stirn ab.
“Wir sollten wirklich nochmal kontrollieren, dass es sich bei diesen Fall nicht um Selbstmord handelt.”
Sie steckte das Tuch zurück in die Jackentasche und faltete die Hände.
Jenny atmete erleichtert auf, bis ihr der ernste Blick der Kommissarin auffiel.
“Leider haben wir da noch etwas, was sie belastet.”
Sie nahm wieder die Brille in die Hand und hielt sie gegen das Licht. Jenny stöhnte auf. Was war es denn nun schon wieder?
Der unfreundliche Beamte, den Jenny zu Beginn ihres Verhörs kennenlernen musste betrat wieder den Raum, diesmal mit zwei Tassen Kaffee in der Hand. Ohne ein Wort zu sagen, stellte er sie auf dem Tisch ab und eilte wieder heraus.
“Danke sehr.”
Steffens zupfte am Ausschnitt ihres Overalls, setzte die Brille wieder auf und ging ihre Notizen durch. Jenny schaute besorgt in ihren Kaffee. Nach einer Weile unterbrach die Kommissarin die Stille.
”Der Pathologe hat ihre Haare an diesen Lappen festgestellt. Können Sie sich das erklären, wo Sie diese doch noch nie gesehen haben?”
Jenny kam ins Schwitzen.
“Ich meinte eigentlich noch nie wahrgenommen”, korrigierte sie sich nach einem Zögern.
"So ungewöhnlich gemusterte Lappen sind Ihnen nicht aufgefallen?"
Jenny schluckte.
"Ähm… bevor sie angemalt wurden. Ich meine mich zu erinnern, dass jemand die Lappen am Morgen vor der Aufführung gesucht hatte. Glaube ich zumindest."
Jenny war von ihrer eigenen Antwort nicht überzeugt.
"Vielleicht lagen sie im Zelt oder in einem unserer Wohnwagen herum und ich bin ohne darauf zu achten dagegen gekommen. Ich bin sicher, meine DNA wurde nicht als einzige festgestellt.”
Diese Aussage war sehr gewagt. Jenny schluckte. Sandra Steffens setzte einen ernsten Blick auf.
”Hmm, das stimmt. Wohin, glauben Sie, würde der Täter das Fleisch, dass er durch die Tücher ersetzt hat, so kurz vor der Vorstellung, in seiner Eile räumen?”
“Was weiß ich? Sie sind hier die Ermittlerin!”
Jenny wurde schnippisch. Frau Steffens ging nicht darauf ein, sondern notierte wieder etwas mit strengen Blick in ihre Mappe.

Tamara verschwand mit einem Arm von Antonio zwischen den Zähnen aus den Trümmern des Käfigs hinaus in die Freiheit. Jenny wandte sich von der Katze ab und schaute auf den Toten. Grinsend beugte sie sich vor und betrachtete den völlig verunstalteten Körper ihres Mentors. Die Raubkatzen hatten wirklich nicht mehr viel übrig gelassen: Abgenagte Knochen mit Fleischresten, übersät mit zerstückelten Organ-Resten. Alle Gliedmaßen und der Kopf waren abgetrennt worden. Durch die Fressorgie waren sie völlig zerfetzt und bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet. Doch etwas hatten die Tiere zurückgelassen, etwas von unschätzbarem Wert.

Jenny nahm einen ersten Schluck von ihrem Kaffee. Kommissarin Steffens blickte nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder von ihrer Mappe auf.
“Das Opfer besaß eine umfangreiche Sammlung von Edelsteinen und Mineralien sehr hohen Wertes. Unsere Kollegen von der Kriminaltechnischen Untersuchung konnten feststellen, dass ein einzelnes besonders hervorgehobenes Stück in seiner Sammlung zu fehlen scheint, allerdings konnten sie keinerlei Einbruchsspuren und keine fremde DNA auffinden. Können Sie uns darüber etwas sagen?”
Jenny zuckte zusammen, spuckte den Kaffee auf den Tisch und hustete. “Entschuldigung, der Kaffee war noch heiß”, krächzte sie gequält auf und konnte ihr Zittern nicht verbergen.
“Schon gut”, sagte die Ermittlerin misstrauisch und zog ein Taschentuch hervor, mit dem sie den Tisch abwischte.
“Er war Sammler und hat immer einen Stein zu jedem Auftritt mitgenommen. Er glaubte sie bringen ihm Glück.”
Das Misstrauen verschwand aus dem Gesicht der Frau und sie blickte nachdenklich, auf den Kugelschreiber kauend an die Decke. Verunsichert versuchte Jenny zu erkennen, ob sie die Kommissarin überzeugt hatte.
“Wo hat er die Steine immer mit sich getragen?”
Sie warf den Blick auf Jenny, welche den Mund weit aufgerissen hatte, um sich mit den Fingern an die Zunge zu fassen. Sie versuchte so zu wirken, als ob sie sich die Zunge verbrannt hätte.
Das Mädchen zuckte mit den Achseln. Der Blick der Ermittlerin wandelte sich, als ob sie soeben eine Erleuchtung gehabt hätte.

In den Ruinen des Zeltes herrschte Totenstille und Dunkelheit, bis auf einen Scheinwerfer, der überlebt hatte und noch immer auf Antonio gerichtet war. Vor Glück glucksend griff Jenny in ihre Tasche und zog ein reich besticktes Tuch hervor, dann griff sie in den Brustkorb ihres Mentors. Zwischen den zahlreichen gebrochenen Rippen zerrte sie den, durch die Tiere nach oben verschobenen, zerschundenen Magen des Dompteurs hervor. Durch einen großen Riss griff sie angewidert in das Organ und entleerte es.
Unter jede Menge Blut und Essensreste fühlte sie etwas Hartes. Sie las es mit dem Tuch ab und wischte es ab. Der erbsengroße orange Stein leuchtete und funkelte wie ein geschliffener Diamant in ihrer Hand. Jenny stand auf und steckte sich ihn in die Tasche. Dann verließ sie das Zelt und machte sich auf dem Weg zu ihrem Freund.

“Eine letzte Frage hab ich noch Fräulein Wiedenbrück: Wieso sind Sie und ihr Freund geflohen?”
Jenny zögerte und nahm einen weiteren Schluck Kaffee.
“Mir war sofort nach Antonios Tod klar, dass Sie mich festnehmen lassen werden. Alles spricht gegen mich: Ich war seine Gehilfin und habe ihm den Futtereimer überreicht. Ich habe einfach nur Angst, den Prozess zu verlieren und auf den Knast hab ich echt kein Bock.”
Jenny seufzte.
“Ich habe keine Chance mehr. Zuerst verliere ich meinen Mentor, der wie ein Vater für mich war und meinen Job und jetzt werde ich auch noch dafür festgenommen. Ihr Kollege hat es selbst gesagt: Ich bin Ihre Hauptverdächtige.”
Das Mädchen setzte eine niedergeschlagene Miene auf. Die Ermittlerin schaute sie mitfühlend an und lächelte.
"Sind Sie nicht. Mein Kollege ist nur etwas übereifrig.”
Sie drehte sich wieder zum Polizeispiegel hinter sich um.
“Darüber hinaus haben Sie kein richtiges Motiv. Wir werden dennoch die Fahrweise Ihres Freundes ahnden, aber da bekommen Sie später noch alles zugeschickt. Dafür ist aber das Morddezernat nicht zuständig. Sie können jetzt beide gehen, aber bitte halten Sie sich zu unserer Verfügung. Bei einem weiteren Fluchtversuch müssen wir Sie leider in Untersuchungshaft nehmen.”
Jenny und die Ermittlerin standen auf und reichten sich die Hände, dann wurde das Mädchen hinausgeführt.

Jenny trat zu ihrem Freund und verließ mit ihm das Revier. Schweigend gingen die beiden über den Parkplatz und stiegen ins Auto. Erst als die Türen geschossen waren, fingen sie an zu sprechen.
“Und, haben sie's geschluckt?”
Die Augen von Jennys Freund glitzerten wissbegierig im Licht der Innenbeleuchtung.
“Ich denke schon. Wir haben jetzt noch genau eine Chance zu fliehen.”
Das Mädchen griff in ihre Tasche, zog einen schwarzen Stoffbeutel heraus und öffnete ihn. Jenny entnahm einen kleinen orange leuchtenden Stein aus dem Beutel, dessen Glanz das Auto von innen erstrahlen ließ. “Lass ihn mich noch einmal ansehen”, bettelte ihr Freund.
Sie überreichte ihm den Stein und ließ ihn diesen Bewundern.
“Er ist wunderschön. Und der Alte hatte den wirklich verschluckt?”
Jenny kicherte.
“Ich glaube der war sich selbst über den Wert dieses Steinchens bewusst und hat seinen Magen als einziges sicheres Versteckt gewähnt. Deshalb hat er ihn wohl vor jeder Aufführung verschluckt und danach irgendwie wieder ausgewürgt. Denn das war immer der einzige Zeitpunkt, an dem er diesen Stein länger nicht im Blick behalten konnte. Zu dumm, dass ich ihn genau zum richtigen Augenblick beobachtet habe. Diese Katzen haben gute Arbeit an ihm gelassen!”
Jenny zwinkerte ihrem Freund zu und nahm den Stein wieder an sich.
“Darüber hinaus hat der sich das nicht anders verdient. Hoffentlich erfüllt der Stein auch seinen Zweck!”
Ihr Freund lachte.
“Ja ja, so genau wollte ich das nicht wissen. Mit dem Stein werden wir sowas von reich.”
“Jetzt fahr endlich los”, drängte Jenny.
Dieser naive Junge hatte ja sowas von keine Ahnung. Nie im Leben würde sie zulassen, dass irgendwer diesen Stein zu Geld macht. Das war kein zufällig ausgewählter Glücksbringer aus der Mineralsammlung des Dompteurs. Antonio hatte wohl nicht über dessen magische Kräfte und die gewaltige Macht Bescheid gewusst, die der Stein seinem Besitzer geben konnte. Deshalb hatte er diese Macht niemals nutzen können.
Dennoch musste er den außerordentlichen Wert irgendwie erfahren haben, ansonsten hätte er sich den nicht einverleibt.
Wozu so eine Macht besitzen und bei sich verstecken, wenn man sie nicht einsetzt, fragte sich Jenny. Der Stein hätte Antonio das Leben retten können, zumal dieser ihn einverleibt hatte. Doch war der Dompteur stets zu einfältig gewesen, diese Kräfte zu erlernen. Jenny wollte das besser machen. Sie hatte von Anfang an diese Kräfte gespürt, die sie jedes Mal mit einem Gefühl der Unbesiegbarkeit erfüllten, wenn sie sich dem Stein näherte. Hielt sie ihn erst einmal in der Hand, fühlte sie, wie Energie in sie hineinströmte. Es schien, als flüstere der Stein ihr zu, dass er seine Kraft auf sie und nur auf sie projizieren wollte.
Deswegen hatte Jenny alles dafür getan, ihn an sich zu reißen. Der einzige Zeitpunkt, an dem der Stein von Antonio unbewacht war, war ausgerechnet auch der, an dem er am wenigsten von seinem Besitzer entfernt war: Während der Vorstellungen.
Mit diesem Mineral in sich stünden Jenny alle Türen offen. Theoretisch könnte sie sogar die ganze Welt damit beherrschen.

Die Ermittlerin schaute mit verschränkten Armen zu, wie Jenny von ihrem Freund umarmt wurde und das Gebäude verließ.
“Du lässt sie einfach gehen, Chef?”
Der Beamte trat neben sie und blickte den beiden hinterher. Sandra wischte sich einen Fussel vom dunkelroten Ärmel.
"Wir sind im Vorteil, wenn sie sich in Sicherheit wägen. Schick ihnen eine Streife hinterher. Und finde mehr über diese Mineraliensammlung heraus.”
Der Beamte nickte.
“Mach ich Chef. Sonst noch was?”
“Ach ja, sag bitte dem Pathologen, er möge den Magen des Opfers nochmal genauer untersuchen. Möglicherweise hat niemand einen Edelstein gestohlen, jedenfalls nicht vor seinem Tod.”
“Wie meinen sie das?”
“Wo verstecken Drogenschmuggler gern ihre Ware vor Kontrollen? Ich bin mir ziemlich sicher, wir haben die Täter, wir müssen es ihnen nur noch nachweisen!”


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Beitrag08.04.2019 21:12
Re: Alles für einen Stein
von Calvin Hobbs
Antworten mit Zitat

Fagus Westfalica hat Folgendes geschrieben:
Alles für einen Stein

[2.Korrektur]

Messerscharfe Zähne blitzten im Rampenlicht auf.
Auf das Gebrüll folgte ein Gewirr aus Schreckensschreien. Dann warfen sich kräftige Pranken und Kiefer auf eine zusammengekrümmte Gestalt. Blut spritzte und zahlreiche Menschen die im Hintergrund auf Bänken gesessen und begeistert zugeschaut hatten, sprangen nun auf. Panisch flohen sie aus dem großen Zelt, während der Mann im Käfig zerfleischt wurde. Das war das Ende des "großen Zirkus Europa”.

“Sie sind unsere Hauptverdächtige, verstehen Sie nicht Komma was das für Sie bedeutet?”
Natürlich wusste Jenny das. Dennoch schwieg sie nur und schmollte weiter vor sich hin, wie sie es in den letzten zwei Stunden im Verhörraum auch getan hatte. Wieso sollte sie schmollen? Weißt Du, was dieses Wort bedeutet?
Die brutalen Bilder ihres letzten Arbeitstags gingen ihr nicht aus dem Kopf. Das war mittlerweile fast eine Woche her. Ihr Mentor wurde an dem Tag war damals von seinen Raubkatzen umgebracht und schnell waren Beweise aufgetreten für eine gezielte Manipulation des Auftritts bestätigt hatten aufgetaucht.
Jenny hatte nicht im geringsten eine Ahnung davon, welche angeblichen Fakten auf ihre Schuld hinwiesen, noch konnte sie sich vorstellen, dass diese überhaupt einen Mord beweisen konnten. Wenn sie keine Ahnung hat, hat sie keine Ahnung. Doppelt gemoppelt
Das Dezernat hat einfach zu wenig zu tun, dachte sie sich. Du stehst unter Mordverdacht und denkst Dir, der Grund ist die Nichtauslastung der Polizei?
“Fräulein, ich sage es Ihnen ein letztes Mal, wenn Sie jetzt ihr Geständnis ablegen wirkt sich das auf Ihren Prozess positiv aus." Sorry, das ist Quatsch, denn es gab noch nicht einmal eine Anklage, geschweige denn ist ein Prozess in Sicht. Ist das ein Polizeilehrling?
Der Beamte vor ihr wurde eindringlich. Von hinten ginge schlecht
“Ich werde nichts sagen, bevor ich mit meinem Anwalt gesprochen habe."
Der Fakt, dass sie mit ihrem Freund Komma kurz nach der Tat Komma versucht hatte Komma zu fliehen, sprach nicht gerade für Jenny sie. Nach einer spektakulären Verfolgungsjagd wurden beide gestellt und festgenommen. Nachdem Jennys Freund verhört wurde, hatte er sie im Warteraum mit einen vielsagenden Blick abgelöst. Dabei waren keiner der beiden in der Lage gewesen hatten sie keine Gelegenheit gehabt, ein Wort miteinander auszutauschen zu wechseln.
Mit einem genervten Fluchen verließ der Beamte den Verhörraum und knallte die Tür hinter sich zu. Nachdenklich nahm Jenny einen Schluck kalten Kaffee, aus ihrer der fast leeren Tasse. Warum sollte sie aus einr fremden Tasse trinken?
Kurz vor seiner letzten Aufführung hatte ihr Mentor Antonio den Futtereimer für seine Raubkatzen von Jenny entgegengenommen, der vermeintlich mit frischem Fleisch gefüllt war. gewöhnlich mit frischem Fleisch gefüllt war. Sie erinnerte sich noch allzu gut daran, denn an dem Abend war sie äußerst aufgeregt gewesen. Ein Mann wird von einem Tiger zerfleischt. Das ist natürlich äußerst aufregend, aber muss es deshalb wiederholt werden?
Vor ihrem inneren Auge sah sie noch seinen geschockten Blick, als er in den Eimer griff und nicht das herausholte fühlte, was er erwartete hatte. Dabei hatte er sich auch noch an einer Kante in die Finger geschnitten. Sie hörte noch das Fauchen der unruhigen Raubkatzen, die vergebens auf ihre Belohnung warteten. Keiner hatte in diesem Moment reagiert und versucht dem Dompteur zu helfen. Diesen Absatz finde ich holprig.
Die Tür des Verhörraums öffnete sich und einen junge Frau im dunkelroten Overall und schwarzen Stiefeln kam herein. Um ihre Schulter hing eine schwarze Umhängetasche aus Leder, die sie unter den Tisch legte, als sie zu Jenny trat. Sie setzte sich Jenny gegenüber, kreuzte ihre Beine und wischte sich ihr schulterlanges braunes Haar aus dem Gesicht. Dann richtete sie ihre strahlend blauen Augen auf die Verdächtige und ihr ernster Blick wich einem milden Lächeln.
“Wir wollen Ihnen nur helfen. Fräulein-”, sie brach ab und blickte in die auf dem Tisch liegende Akte: “Jennifer Wiedenbrück.”
“Sagen Sie einfach nur Jenny.”
“Ich bin Hauptkommissarin Sandra Steffens, Leiterin des Morddezernats.”
Sie gab Jenny die Hand und blickte sie vertrauensvoll an.
“Nun gut Jenny, erzählen Sie bitte einfach nur von ihrem Standpunkt aus, was am Abend des 23. Juli passiert ist.” Von wessen Standpunkt aus soll sie es sonst erzählen?
Jennys Gedanken flogen zurück an jenem verhängnisvollen Abend. “Antonio und ich waren zunächst noch in der Maske...”

“Das wird schon, meine Kleine”, sagte Antonio mit einem breiten Grinsen auf dem im Gesicht. Ein letztes Mal schaute er in den Spiegel und zupfte an seinem fein gezwirbelten Moustache. Jenny betrachtete ihn skeptisch im Spiegel.
“Du solltest diesen nervösen weißen Tiger nicht mit in die Manege nehmen. Er war mal wieder den ganzen Tag sehr schlecht drauf.” Sagt wer?
“Ich werde ganz bestimmt nicht auf Tamara verzichten! Sie ist mein Diamant, die Krönung meiner Vorstellung.”
Jennys Mentor unterstrich seine Worte mit einer übertrieben kunstvollen Handbewegung. Wie soll diese Bewegung aussehen?
Jenny musste lächeln.
“Diese Vorstellung ist dir wirklich dein Leben wert, oder?”
“Da kennst du Tamara nicht. Sie würde mir niemals etwas antun. Sie ist vielleicht ein bisschen nervös, aber vergiss nicht, ich habe sie von Hand mit der Flasche aufgezogen.”
“Deine Tiger sind immer noch Tiere. Mit ihnen kannst du nicht diskutieren.”
Antonio grinste schelmisch und zupfte wieder an seinem Schnurrbart.
“Das macht sie auch so aufregend”

“Also haben Sie schon zuvor Zweifel am Erfolg der Vorstellung gehabt?” Sie hatte Angst, dass etwas passieren könnte. Das hat nichts mit Zweifel am Erfolg zu tun.
“Ja, eines von Antonios Tieren war noch nicht bereit für diesen Auftritt. Er bestand darauf Komma es vorzuführen, weil es das einzige Weiße war.”
Jenny zögerte.
”Ich wusste von Anfang an, dass er nicht auf mich hören wird.”
Hauptkommissarin Steffens räusperte sich und griff in ihre Tasche. Sie legte eine Mappe und einen Kugelschreiber auf den Tisch vor sich und zog eine Lesebrille an. Sie begann sich etwas zu notieren. Schließlich kratzte sie sich am Kopf und schaute wieder zu Jenny. Wenn sie eine Lesebrille braucht, wie konnte sie dann Jennys Namen auf der Akte lesen?
“Fahren Sie fort.”

“Beeil dich Antonio, Du bist gleich dran”, ertönte es hinter dem Vorhang, dann steckte die Maskenbildnerin ihren Kopf durch den Vorhang. Mit einem prüfenden Blick auf den Dompteur trat sie ein und holte einen Pinsel und ein Döschen hervor. Hastig korrigierte sie dessen Make-up.
Aus der Manege schallten Applaus und Jubelrufe.
“Danke Maike.”
Antonio blickte zur Maskenbildnerin und strich ihr liebevoll durchs Haar. Dann wandte er sich an Jenny.
”Gib mir den Futtereimer!”
Diese Sie blickte sich im Raum nach dem Blecheimer um und bekam fast einen Schrecken, als sie ihn zunächst nicht fand. Da Antonio sie erst darauf hinweisen muss, ist -zunächst- überflüssig.
“Dort in der Ecke!”
Die Maskenbildnerin deutete in eine Ecke neben dem Vorhang. Er stand vorbereitet, mit dem purpurroten Samttuch abgedeckt bereit, wie sie ihn zurückgelassen hatte. wer ist sie?

“Kennen Sie den vollen Namen der Maskenbildnerin? Da scheint meinem Kollegen ein kleines Detail entgangen zu sein.” Zweifelhaft, dass bei einer solchen Sache, die Namen nicht vollständig aufgenommen werden.
Die Kommissarin zupfte verlegen an ihrem roten Overall. Wieso sollte sie verlegen sein? Weißt Du, was dieses Wort bedeutet?
Sie drehte sich nach hinten zum Einwegspiegel um und warf einen strengen Blick darein hinüber.
“Ich glaube Komma Maike Hülshoff. Ich bin noch nicht so lange dabei und wir sprechen uns sonst nur mit Vornamen an.” Sagt wer?
Sandra Steffens Die Hauptkommissarin begann wieder zu notieren.
“Können Sie mir mehr zu dieser Person ihr sagen?”
“Sie arbeitet schon sehr lang in diesem Zirkus als Maskenbildnerin in dritter Generation. Antonio war ihre Jugendliebe, aber ihr Vater und Vorgänger in ihrem Beruf war gegen die Beziehung. Ich selber hab kaum was mit ihr zu tun gehabt, ich durfte ja noch nicht auftreten.” Was tut Jenny? Wie schaut sie, was fühlt sie, was denkt sie?
Die Kommissarin warf Jenny einen prüfenden Blick zu und rückte ihre Brille zurecht, dann notierte sie wieder. Ohne aufzublicken Komma fragte sie weiter.
“Das Opfer wurde von seinen Tieren regelrecht aufgefressen, da das Futter im Eimer durch nasse Küchenlappen ausgetauscht wurde. Warum ist ihm das nicht sofort aufgefallen, als er den Eimer entgegengenommen hatte?”
Jenny zuckte mit den Achseln. Dafür, dass sie unter Mordverdacht steht, ist das eine gleichgültig Reaktion. Das wirkt unglaubwürdig.
“Wir decken den Eimer immer mit einem Tuch ab, damit es feiner aussieht und sich die Tiere nicht sofort darauf stürzen, wenn wir damit in den Käfig gehen.” Ich bin mir sicher, das -feiner- das völlig falsche Wort ist.
”Können Sie sich vorstellen, wie diese Lappen statt des Fleisches in den Eimer gelangten?”
Die Ermittlerin zog aus ihrer Tasche ein paar blutverschmierte Küchenlappen hervor, welche sich in einer durchsichtigen Plastiktüte befanden. Umgekehrt. Erst die Tüten, dann der Inhalt.
Jenny nahm die Tüte an sich und tastete sie ab.
Mit ihren aufgezeichneten Muster sahen sie tatsächlich aus wie rohes Rindfleisch.
"Ungewöhnlich schwer für ein paar Lappen. Der Täter muss sich große Mühe gegeben haben, sie wie Fleisch aussehen zu lassen. Demnach war die Tat keine Affekthandlung, sondern sorgfältig durchgeplant. Schauen Sie sich diese Fleisch-ähnliche Struktur an."
Die Ermittlerin sah Jenny prüfend in die Augen.
“Ich habe keine Ahnung, ich habe diese Tücher nie gesehen.”
Jennys Stimme zitterte.
”Ich habe den Eimer kurze Zeit aus den Augen verloren.”

Als ihr Mentor Antonio zum Vorhang schritt und sich der Manege zuwandte Komma überreichte Jenny ihm den Eimer.
“Viel Glück”, sagte sie schüchtern, “Sei vorsichtig”.
“Mir passiert nichts, das ist ja nicht mein erstes Mal mit so einem großen Publikum.”
Der Dompteur grinste verschmitzt.
”Aber Tamaras erstes mal”
“Denk dran: Es gibt Nichts, was den großen Antonio überfordert!” Diesen Dialog empfinde ich als Murks.
Das waren seine letzten Worte an seine Schülerin. Er berührte sie, zu Jennys Ärger, mal wieder an ihrem Hinterteil. Es lief ihr kalt den Rücken runter. Dann wandte er sich ab und betrat, von Applaus empfangen, die Manege.

“Ihr Mentor hat ihnen an den Hintern gefasst? Hat Sie das nicht gestört?”
Die Beamte blickte Jenny erstaunt an und blätterte in ihrer Mappe, bevor sie eifrig weiter schrieb. Jenny musste lächeln.
“Das war jetzt nicht so schlimm, er hat sowas ständig gemacht.” Wieso lief es ihr dann kalt den Rücken hinunter?
“Waren Sie in einer Beziehung mit dem Opfer?”
Frau Steffens blickte wieder zur Verdächtigen auf und zog die Brille aus, um sie an ihrem Overall abzuwischen. In diesem Moment wechselst Du krass die Perspektive -> Nicht gut!
“Nicht wirklich”, sagte Jenny mit einem traurigen Unterton. “Er hatte eigentlich mit fast jeder Frau im Zirkus etwas laufen”. Wie muss ich mir eine -nicht wirkliche Beziehung- vorstellen?
Sie verdrehte die Augen, dann erstarrte sie plötzlich, als ihr klar wurde, dass sie ein mögliches Motiv für einen Mord preisgegeben hatte.
“Ich habe ja die Beziehung mit, mit ähm, mit...”
Jennys Worte endeten in unbeholfenes Gestotter, während sie mit fuchtelndem Finger dorthin deutete, wo sie ihren Freund vermutete. Sehr schwach. Man sollte annehmen, dass in einer solchen Situation der Körper im Höchstleistungsmodus läuft, schließlich geht es um Gefängnis oder Freiheit. Kein Adrenalin? Kein erhöhter Puls? Keine rasenden Gedanken?
“Ist schon gut.”
Die Kommissarin lächelte.
“Möchten Sie noch einen Kaffee?”
“Ja gern," antwortete Jenny mit rauer Stimme.
Ihre Kehle war schon ganz ausgetrocknet, sie hatte auf jeden Fall schon zu viel gesagt. Die Ermittlerin drehte sich wieder zum Fenster um und deutete auf den Tisch.
“Jungs, bringt uns mal bitte zwei Tassen Kaffee.”
Sie drehte sich wieder zu Jenny um.
“Laut den Zeugenaussagen, müssten mehrere Minuten vergangen sein, bis die Tiere das Opfer angegriffen haben. Das wäre genug Zeit für ihn gewesen, den Käfig zu verlassen. Können Sie sich das Verhalten ihres Mentors erklären?”
Jenny zuckte mit den Achseln. Steffens schaute sie prüfend an.
“Was verschweigen Sie mir da? Ich bin sicher der Zirkus hatte einen Notfallplan für derartige Situationen.”
Halbherzig versuchte Jenny dem Blick der Kommissarin auszuweichen.
“Na klar haben wir einen. Aber Antonio hätte ihn niemals befolgt.”
“Wie meinen Sie das?”
“Der Notfallplan hätte vorgeschrieben schreibt vor, die Tiger in diesem Fall zu erschießen. Für eine einfache Betäubung fehlen uns veterinärische Kenntnisse und eine Schulung dafür konnten wir uns nicht leisten. Also hätten wir sie umbringen müssen.”
Steffens blickte sie sie skeptisch an.
“Ein Menschenleben ist das doch allemal wert.”
Jenny geriet in Erklärungsnot.
“Sobald Antonio den Käfig verlassen hätte, hätten die Zirkushelfer auf die Tiere geschossen. Das Leben seiner Tiger war ihm wichtiger als sein eigenes.”
“Das klingt absurd. Wie kommt es eigentlich, dass Sie als Assistentin über so viel Bescheid wissen? Und dann auch noch so genau?”
“Ähm... Ich habe mich immer genau informiert. Meine Sicherheit und auch die meiner Freunde lag mir immer sehr am Herzen. Wissen Sie, gerade weil Antonio so leichtsinnig war, hatte ich das Gefühl, umso mehr um seine Sicherheit zu sorgen.”
Erleichtert beobachtete Jenny, wie sich der skeptische Gesichtsausdruck der Ermittlerin milderte und sich in ein ein vertrauensvolles Lächeln wandelte.
“Verstehe.”
Jenny wurde selbstsicherer. Die Ermittlerin notierte etwas in ihre Unterlagen, danach blickte sie wieder auf.
"Wie kann es sein, dass die Tiere derart aggressiv waren?”
Jenny dachte nach.
“Antonio ließ die Fütterungen immer in den letzten Tagen vor der Aufführung ausfallen. Außerdem ließ er die Käfige, kurz vor dem Auftritt, mit dem Geruch nach Blut einnebeln. Er meinte, dass sie ihm so gehöriger seien. Der reine Selbstmord, wenn Sie mich fragen."
Steffens hob ungläubig die Augenbrauen.
Jenny seufzte.
"Ich glaube eher Komma er wollte die Tiere nur aggressiver machen. Wissen Sie, er liebte diesen Adrenalinstoß und für die Zuschauer waren die Tiger so noch eindrucksvoller. Er ging immer volles Risiko ein. Er fürchtete sich vor nichts.” Ein Wunder, dass Antonio so lange im Geschäft war. Das mit den Fütterungen und dem Blut klingt für mich weiterhin nach Nonsense.
Guckst Du hier ->http://www.planet-interview.de/interviews/christian-walliser/35502/

Antonios Auftritt hätte nicht in einer größeren Katastrophe enden können. Nach den ersten Paar Kunststückchen hatte Antonio in seinen Eimer gegriffen und die Küchenlappen den Tigern hingehalten. Dabei wahr ihm erst auf dem zweiten Blick aufgefallen, dass es sich dabei nicht um das Fleisch gehalten hatte handelte. Dazu Diesmal hatte er die Geduld der Tiere dieses Mal wirklich überreizt.
Antonio hatte gar nicht die Möglichkeit Komma seine aufkommende Panik professionell zu verbergen. Jenny konnte ihn hastig im Eimer wühlen sehen, wobei er sich auch noch an einer Kante geschnitten hatte. Das mit der Kante hattest Du schon weiter oben.
Allen voran war das weiße Tiger-Weibchen war fauchend auf ihn zugeschlichen und hatte sich zum Sprung bereit geduckt. Mit zittriger Stimme hatte er auf Tamara eingeredet, doch es half alles nicht.
Derweil wurden die Zuschauer lauter, von der Tribüne kamen laute, begeisterte Zurufe. Ein Hagel aus Lichtblitzen schoss auf die Manege, denn jeder wollte mit seinem Smartphone diesen Moment einfangen. Bevor der Dompteur nach Hilfe hätte rufen können Komma war Tamara schon auf ihn gesprungen, die anderen Raubkatzen folgten ihr ins Kampfgetümmel, gelockt vom Duft frischen Blutes. Jenny hatte erstarrt den Blick auf die Manege gerichtet war erstarrt, in ihren Augen spiegelten sich die Lichtblitze von der Tribüne. Während die ersten Zuschauer bereits geschockt nach Luft geschnappt hatten schnappten, blieben andere zunächst noch begeistert mit gezückten Smartphones auf das Geschehen fokussiert. Doch als das Blut spritzte und Antonio in Stücke gerissen wurde, entwickelte sich aus dem Schock eine Massenpanik.
Jenny hörte Gewehre nachladen. Erst jetzt begannen Zirkushelfer Antonio zur Hilfe zu kommen, doch es war viel zu spät. Als sie den Käfig voll ausgerüstet betraten, richteten sich einige der Tiere gegen sie. Geschockt durch den Anblick der zerfetzten Leiche Antonios, waren sie Wer sind sie? unfähig gewesen, die Tiere in Griff zu bekommen. Ihre verzweifelten Zurufe wurden von dem Geschrei der Zuschauer übertönt. Einer der Tiger floh in dem Chaos aus dem Käfig, den die Helfer in ihrem Konzentrationsmangel in der Hektik offen gelassen hatten.
 Das förderte die Massenpanik und die Zuschauer flohen durch den engen Ausgang aus dem Zelt. Dabei stießen sie zahlreiche Gegenstände und Zeltstützen um. Was für Gegenstände?
Stühle flogen durcheinander und Komma Planen wurden zerfetzt. Jenny drehte sich um und versteckte sich hinter dem Vorhang. Einige Menschen waren in dem Tumult hingefallen und durch andere zertrampelt und schwer verletzt worden. Ihre Hilfeschreie blieben unbeachtet. Das einstürzende Zelt hatte den Käfig teilweise zerstört, wodurch auch die anderen Tiger aus diesem fliehen konnten. Jenny hörte, wie das Getöse langsam abklang. Immer mehr Geräusche drangen nun von draußen herein und wurden durch das Zelt gedämpft, bis schließlich eine gespenstische Stille eintrat. Gerade war das Zelt noch eingestürzt, jetzt dämpft es etwas?
Nun hatten sogar die Zirkushelfer das Weite gesucht. Dutzende Menschen mussten an diesem Abend schwer verletzt worden sein, dachte sich Jenny. Wann dachte sie das? Da stimmt etwas mit der Zeit nicht.
Der Kollateralschaden war sicher für den Zirkus unbezahlbar hoch geworden. Sorry, aber das wäre die Schlagzeile für mehrere Tage in allen Nachrichten gewesen, aber die Zahl der Opfer wird nur vermutet?

Die Maskenbildnerin war schon längst mit den anderen Menschen im Chaos geflüchtet. Nun war Jenny allein in den Trümmern des Zeltes, welches durch die Massenpanik teilweise eingebrochen war. Das hattest Du oben schon gesagt.
Sie beobachtete das weiße Tiger-Weibchen Tamara, wie es an den blutigen Überresten von Antonio knabberte, während die anderen Raubkatzen bereits weggelaufen waren. Da ich selbst Katzen habe, möchte ich behaupten, dass alle Tiger bei einem solchen lärmenden Chaos geflüchtet wären. Egal, was auf der Speisekarte steht.
Mittlerweile müsste sie sich doch satt gefressen haben, überlegte Jenny.
Sie steht einem Raubtier gegenüber und überlegt sich etwas ...
Sie blickte sich um und sicherte einen möglichen Fluchtweg. Langsam bückte sie sich und sammelte die Peitsche ihres Mentors ein. Dann schlich sie vorsichtig näher an die Leiche und ließ Tamara währenddessen nicht aus den Augen.
Als diese das Mädchen bemerkte Komma fauchte sie auf und offenbarte eine blutige Reihe scharfer Zähne.
“Komm schon, hau ab!”, zischte Jenny und ließ die Peitsche schwingen knallen.
Tamara knurrte, riss sich einen Armstumpf aus der Leiche heraus und lief damit davon.
Also, wenn Du Dir schon so ein Thema nimmst, dann recherchiere es bitte auch, damit nicht solcher Mist herauskommt. Stichwort Leittier! Guckst Du hier -> https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/raubtierdressur-in-der-manege-immer-in-gefahr-13646157.html

Sandra Steffens wischte sich mit einem Tuch die feuchte Stirn ab. Warum tut sie das? Ist ihr warm? Ist sie krank?
“Wir sollten wirklich nochmal kontrollieren, dass es sich bei diesen Fall nicht um Selbstmord handelt.”
Sie steckte das Tuch zurück in die Jackentasche und faltete die Hände. Sie hat einen Overall an, kann also keine Jackentaschen haben.
Jenny atmete erleichtert auf, bis ihr der ernste Blick der Kommissarin auffiel.
“Leider haben wir da noch etwas, was sie belastet.”
Sie nahm wieder die Brille in die Hand und hielt sie gegen das Licht.
Wieder ein Perspektivwechsel, bei dem man nicht weiß, wer gemeint ist.
Jenny stöhnte auf. Was war es denn nun schon wieder?
Wieso verrät sich Jenny mit einem Stöhnen?
Der unfreundliche Beamte, den Jenny zu Beginn ihres Verhörs kennenlernen musste betrat wieder den Raum, diesmal mit zwei Tassen Kaffee in der Hand. Ohne ein Wort zu sagen, stellte er sie auf dem Tisch ab und eilte wieder heraus.
“Danke sehr.” Wieso? Der Typ ist doch schon wieder weg.
Steffens zupfte am Ausschnitt ihres Overalls, setzte die Brille wieder auf und ging ihre Notizen durch. Jenny schaute besorgt in ihren Kaffee. Nach einer Weile unterbrach die Kommissarin die Stille.
”Der Pathologe hat ihre Haare an diesen Lappen festgestellt. Können Sie sich das erklären, wo Sie diese doch noch nie gesehen haben?”
Jenny kam ins Schwitzen.
“Ich meinte eigentlich Komma noch nie wahrgenommen”, korrigierte sie sich nach einem Zögern.
"So ungewöhnlich gemusterte Lappen sind Ihnen nicht aufgefallen?"
Jenny schluckte.
"Ähm… bevor sie angemalt wurden. Ich meine mich zu erinnern, dass jemand die Lappen am Morgen vor der Aufführung gesucht hatte. Glaube ich zumindest." WTF? Wieso sind die Lappen angemalt?
Jenny war von ihrer eigenen Antwort nicht überzeugt.
"Vielleicht lagen sie im Zelt oder in einem unserer Wohnwagen herum und ich bin Komma ohne darauf zu achten Komma dagegen gekommen. Ich bin sicher, meine DNA wurde nicht als einzige festgestellt.” Wogegen ist Jenny gekommen?
Diese Aussage war sehr gewagt. Jenny schluckte. Sandra Steffens setzte einen ernsten Blick auf.
”Hmm, das stimmt. Wohin, glauben Sie, würde der Täter das Fleisch, dass er durch die Tücher ersetzt hat, so kurz vor der Vorstellung, in seiner Eile räumen?” Woher will sie wissen, dass der Täter in Eile war? Es war doch keine Affekthandlung, oder?
“Was weiß ich? Sie sind hier die Ermittlerin!”
Jenny wurde schnippisch. Frau Steffens ging nicht darauf ein, sondern notierte wieder etwas mit strengen Blick in ihre Mappe.
Sehr gute Idee, die Polizei zu provozieren.

Tamara verschwand mit einem Arm von Antonios Arm zwischen den Zähnen aus den Trümmern des Käfigs hinaus in die Freiheit. Jenny wandte sich von der Katze ab und schaute auf den Toten. Grinsend beugte sie sich vor und betrachtete den völlig verunstalteten Körper ihres Mentors. Die Raubkatzen hatten wirklich nicht mehr viel übrig gelassen: Abgenagte Knochen mit Fleischresten, übersät mit zerstückelten Organ-Resten. Alle Gliedmaßen und der Kopf waren abgetrennt worden. Durch die Fressorgie waren sie völlig zerfetzt und bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet. Doch etwas hatten die Tiere zurückgelassen, etwas von unschätzbarem Wert. Die ganze Beschreibung wirkt sehr aufgesetzt und ist weder schrecklich, noch eklig, noch witzig.

Jenny nahm einen ersten Schluck von ihrem Kaffee. Kommissarin Steffens blickte nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder von ihrer Mappe auf.
“Das Opfer besaß eine umfangreiche Sammlung von Edelsteinen und Mineralien sehr hohen Wertes. Unsere Kollegen von der Kriminaltechnischen Untersuchung konnten feststellen, dass ein einzelnes besonders hervorgehobenes Stück in seiner Sammlung zu fehlen scheint, allerdings konnten sie keinerlei Einbruchsspuren und keine fremde DNA auffinden. Können Sie uns darüber etwas sagen?”
Jenny zuckte zusammen, spuckte den Kaffee auf den Tisch und hustete. “Entschuldigung, der Kaffee war noch heiß”, krächzte sie gequält auf und konnte ihr Zittern nicht verbergen.
“Schon gut”, sagte die Ermittlerin misstrauisch und zog ein Taschentuch hervor, mit dem sie den Tisch abwischte.
“Er war Sammler und hat immer einen Stein zu jedem Auftritt mitgenommen. Er glaubte Komma sie bringen ihm Glück.”
Das Misstrauen verschwand aus dem Gesicht der Frau und sie blickte nachdenklich, auf den Kugelschreiber kauend an die Decke. Also wie in der schriftlichen Matheprüfung?
Verunsichert versuchte Jenny zu erkennen, ob sie die Kommissarin überzeugt hatte.
“Wo hat er die Steine immer mit sich getragen?”
Sie warf den Blick auf Jenny, welche den Mund weit aufgerissen hatte, um sich mit den Fingern an die Zunge zu fassen. Sie versuchte so zu wirken, als ob sie sich die Zunge verbrannt hätte. Du meinst das ernst?
Das Mädchen zuckte mit den Achseln. Der Blick der Ermittlerin wandelte sich, als ob sie soeben eine Erleuchtung gehabt hätte.

In den Ruinen des Zeltes herrschte Totenstille und Dunkelheit, bis auf einen Scheinwerfer, der überlebt hatte und noch immer auf Antonio gerichtet war. Vor Glück glucksend griff Jenny in ihre Tasche und zog ein reich besticktes Tuch hervor, dann griff sie in den Brustkorb ihres Mentors. Zwischen den zahlreichen gebrochenen Rippen zerrte sie den, durch die Tiere nach oben verschobenen, zerschundenen Magen des Dompteurs hervor. Durch einen großen Riss griff sie angewidert in das Organ und entleerte es. Danke an die Tiger, sonst hätte sie ein Skalpell dabei haben müssen.
Unter jede Menge Blut und Essensreste fühlte sie etwas Hartes. Sie las es mit dem Tuch ab und wischte es ab. Der erbsengroße orange Stein leuchtete und funkelte wie ein geschliffener Diamant in ihrer Hand. Jenny stand auf und steckte sich ihn in die Tasche. Dann verließ sie das Zelt und machte sich auf dem Weg zu ihrem Freund. Waren die Latexhandschuhe im Supermarkt alle, dass sie ein -reichbesticktes Tuch- nehmen musste?

“Eine letzte Frage hab ich noch Fräulein Wiedenbrück: Wieso sind Sie und ihr Freund geflohen?”
Jenny zögerte und nahm einen weiteren Schluck Kaffee.
“Mir war sofort nach Antonios Tod klar, dass Sie mich festnehmen lassen werden. Alles spricht gegen mich: Ich war seine Gehilfin und habe ihm den Futtereimer überreicht. Ich habe einfach nur Angst, den Prozess zu verlieren und auf den Knast hab ich echt keinen Bock.” Die letzten beiden Sätze entsprechen nicht der Jenny, die du die ganze Zeit beschrieben hast!
Jenny seufzte.
“Ich habe keine Chance mehr. Zuerst verliere ich meinen Mentor, der wie ein Vater für mich war und meinen Job und jetzt werde ich auch noch dafür festgenommen. Ihr Kollege hat es selbst gesagt: Ich bin Ihre Hauptverdächtige.” Er war wie ein Vater für sie, aber kein Problem, dass er ihr an den Hintern fasst?
Das Mädchen setzte eine niedergeschlagene Miene auf. Die Ermittlerin schaute sie mitfühlend an und lächelte.
"Sind Sie nicht. Mein Kollege ist nur etwas übereifrig.”
Sie drehte sich wieder zum Polizeispiegel hinter sich um.
“Darüber hinaus haben Sie kein richtiges Motiv. Wir werden dennoch die Fahrweise Ihres Freundes ahnden, aber da bekommen Sie später noch alles zugeschickt. Dafür ist aber das Morddezernat nicht zuständig. Sie können jetzt beide gehen, aber bitte halten Sie sich zu unserer Verfügung. Bei einem weiteren Fluchtversuch müssen wir Sie leider in Untersuchungshaft nehmen.”
Jenny und die Ermittlerin standen auf und reichten sich die Hände, dann wurde das Mädchen hinausgeführt.

Jenny trat zu ihrem Freund und verließ mit ihm das Revier. Schweigend gingen die beiden über den Parkplatz und stiegen ins Auto. Erst als die Türen geschossen waren, fingen sie an zu sprechen.
“Und, haben sie's geschluckt?”
Die Augen von Jennys Freund glitzerten wissbegierig im Licht der Innenbeleuchtung.
“Ich denke schon. Wir haben jetzt noch genau eine Chance zu fliehen.”
Das Mädchen griff in ihre Tasche, zog einen schwarzen Stoffbeutel heraus und öffnete ihn. Jenny entnahm einen kleinen orange leuchtenden Stein aus dem Beutel, dessen Glanz das Auto von innen erstrahlen ließ. “Lass ihn mich noch einmal ansehen”, bettelte ihr Freund.
Sie überreichte ihm den Stein und ließ ihn diesen Bewundern.
“Er ist wunderschön. Und der Alte hatte den wirklich verschluckt?”
Jenny kicherte.
“Ich glaube der war sich selbst über den Wert dieses Steinchens bewusst und hat seinen Magen als einziges sicheres Versteckt gewähnt. Deshalb hat er ihn wohl vor jeder Aufführung verschluckt und danach irgendwie wieder ausgewürgt. Ja, bleiben wir bei ... ausgewürgt ...
Denn das war immer der einzige Zeitpunkt, an dem er diesen Stein länger nicht im Blick behalten konnte. Zu dumm, dass ich ihn genau zum richtigen Augenblick beobachtet habe. Diese Katzen haben gute Arbeit an ihm gelassen geleistet!”
Jenny zwinkerte ihrem Freund zu und nahm den Stein wieder an sich.
“Darüber hinaus hat der sich das nicht anders verdient. Hoffentlich erfüllt der Stein auch seinen Zweck!”
Ihr Freund lachte.
“Ja ja, so genau wollte ich das nicht wissen. Mit dem Stein werden wir sowas von reich.”
“Jetzt fahr endlich los”, drängte Jenny.
Dieser naive Junge hatte ja sowas von keine Ahnung. Nie im Leben würde sie zulassen, dass irgendwer diesen Stein zu Geld macht. Das war kein zufällig ausgewählter Glücksbringer aus der Mineralsammlung des Dompteurs. Antonio hatte wohl nicht über dessen magische Kräfte und die gewaltige Macht Bescheid gewusst, die der Stein seinem Besitzer geben konnte. Deshalb hatte er diese Macht niemals nutzen können.
Dennoch musste er den außerordentlichen Wert irgendwie erfahren haben, ansonsten hätte er sich den nicht einverleibt.
Wozu so eine Macht besitzen und bei sich verstecken, wenn man sie nicht einsetzt, fragte sich Jenny. Der Stein hätte Antonio das Leben retten können, zumal dieser ihn einverleibt hatte. Doch war der Dompteur stets zu einfältig gewesen, diese Kräfte zu erlernen. Jenny wollte das besser machen. Sie hatte von Anfang an diese Kräfte gespürt, die sie jedes Mal mit einem Gefühl der Unbesiegbarkeit erfüllten, wenn sie sich dem Stein näherte. Hielt sie ihn erst einmal in der Hand, fühlte sie, wie Energie in sie hineinströmte. Es schien, als flüstere der Stein ihr zu, dass er seine Kraft auf sie und nur auf sie projizieren wollte.
Deswegen hatte Jenny alles dafür getan, ihn an sich zu reißen. Der einzige Zeitpunkt, an dem der Stein von Antonio unbewacht war, war ausgerechnet auch der, an dem er am wenigsten von seinem Besitzer entfernt war: Während der Vorstellungen.
Mit diesem Mineral in sich stünden Jenny alle Türen offen. Theoretisch könnte sie sogar die ganze Welt damit beherrschen.

Die Ermittlerin schaute mit verschränkten Armen zu, wie Jenny von ihrem Freund umarmt wurde und das Gebäude verließ.
“Du lässt sie einfach gehen, Chef?”
Der Beamte trat neben sie und blickte den beiden hinterher. Sandra wischte sich einen Fussel vom dunkelroten Ärmel.
"Wir sind im Vorteil, wenn sie sich in Sicherheit wägen. Schick ihnen eine Streife hinterher. Und finde mehr über diese Mineraliensammlung heraus.”
Der Beamte nickte.
“Mach ich Chef. Sonst noch was?”
“Ach ja, sag bitte dem Pathologen, er möge den Magen des Opfers nochmal genauer untersuchen. Möglicherweise hat niemand einen Edelstein gestohlen, jedenfalls nicht vor seinem Tod.”
“Wie meinen sie das?”
“Wo verstecken Drogenschmuggler gern ihre Ware vor Kontrollen? Ich bin mir ziemlich sicher, wir haben die Täter, wir müssen es ihnen nur noch nachweisen!”


Das letzte Viertel des Textes habe ich nur noch quer gelesen, denn die Geschichte fing ganz okay an, wird dann aber immer hanebüchener. Am Ende geht es sogar um die Weltherrschaft?
Was mich am meisten stört, sind die Perspektivwechsel und teilweise Unglaubwürdigkeit. Viel Erfolg weiterhin smile


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markbannstorm
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Beitrag19.05.2019 02:30

von markbannstorm
Antworten mit Zitat

Hallo,
habe mal wieder in die Story reingeschaut, weil ich in ihr durchaus ein Potenzial gesehen habe. Du hast versucht ein paar meiner Anmerkungen mit einzubauen (Zirkushelfer, Smartphones,...). Das Problem dabei ist, dass du die Story nicht verändert hast, sondern einfach nur zusätzliche "Erklärungen" eingebaut hast. Dadurch wirkt das Ganze nun viel schwerfälliger....
Zwei Tipps: 1. Klammere dich nicht zu sehr an die Story. Wichtig ist, dass Antonio stirbt und Jenny unbemerkt den Mageninhalt leeren kann (vielleicht erst später);
2. deine Protas müssen sich konsistent verhalten! Im Moment ist Jenny auf der einen Seite eine eiskalte Mörderin, auf der anderen Seite stottert sie, verschluckt ihren Kaffee,....
Die Frage nach dem Warum Jenny das macht, brauchst du nicht sofort zu beantworten (Weltherrschaft ist aber Quatsch, da winkt jeder Leser ab), Andeutungen sind besser und halten die Spannung aufrecht.
Viele Grüße
MB


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